TE Bvwg Beschluss 2020/5/14 W144 2225709-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.05.2020
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Entscheidungsdatum

14.05.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §11
Richtlinie 2004/38/EG Unionsbürger-RL Art12
Richtlinie 2004/38/EG Unionsbürger-RL Art2
Richtlinie 2004/38/EG Unionsbürger-RL Art24
Richtlinie 2004/38/EG Unionsbürger-RL Art28
Richtlinie 2004/38/EG Unionsbürger-RL Art5
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W144 2225709-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Huber nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft in Skopje vom 31.10.2019, Zl. XXXX , aufgrund des Vorlageantrags des XXXX , geb. XXXX , StA. von Kosovo, vertreten durch Mag. Christian Hirsch, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, über die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft in Skopje vom 28.08.2019, Zl. XXXX , beschlossen:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheiten zur Erlassung einer neuen Entscheidung an die Behörde zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 13.05.2019 bei der österreichischen Botschaft in Skopje (im Folgenden: ÖB) einen Antrag auf Ausstellung eines Schengen-Visums zur mehrfachen Einreise für einen geplanten Aufenthalt von 90 Tagen mit geplantem Ankunftsdatum im Schengenraum am 13.05.2019 und mit geplantem Abreisedatum am 11.08.2019. Als Reisezweck wurde im Antragsformular der "Besuch von Familienangehörigen oder Freunden" angegeben und als einladende Person wurde die Ehegattin des BF, XXXX , genannt.

Dem Antrag beigeschlossen waren folgende Unterlagen:

* Reisepasskopie des BF

* fremdsprachiger Arztbrief vom 23.04.2019 betreffend die Einladerin

* Vollmachtbekanntgabe von RA Mag. Christian Hirsch vom 27.05.2019

* Meldebestätigung betreffend die Einladerin

* rumänische Geburtsurkunde betreffend die Einladerin

* rumänische Heiratsurkunde betreffend den BF und die Einladerin

* E-Card betreffend die Einladerin

* Gehaltsnachweise betreffend die Einladerin für den Zeitraum Dezember 2018 bis März 2019

* Bestätigung der XXXX vom 06.05.2019

* Schreiben einer Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe vom 09.04.2019 hinsichtlich einer Frühschwangerschaft der Einladerin

* Reisepasskopie der Einladerin

* Anmeldebescheinigung für EWR-Bürger/-innen und Schweizer Bürger/-innen gemäß Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz betreffend die Einladerin vom 15.02.2018

* Mietvertrag abgeschlossen zwischen XXXX und XXXX vom 15.10.2018

* Einstellungszusage der XXXX betreffend den BF

* Schreiben der XXXX vom 19.06.2017 und vom 10.07.2017

* Versicherungsdatenauszug betreffend die Einladerin vom 19.03.2018

* kosovarische Wohnsitzbestätigung betreffend den BF

* kosovarische Bestätigung über einen gemeinsamen Wohnsitz betreffend den BF

* kosovarische Strafregisterbescheinigung vom 26.03.2019 samt deutscher Übersetzung

* kosovarische Heiratsurkunde betreffend den BF und die Einladerin

* kosovarische Geburtsurkunde betreffend den BF

* kosovarischer Auszug aus dem Personenregister betreffend den BF

* Reisekrankenversicherung XXXX

Der BF hatte zuvor am 12.04.2018 einen Antrag auf Ausstellung eines Visums C bei der ÖB eingebracht, wozu er vor der ÖB am 04.05.2018 befragt worden war. Aufgrund der Wahrnehmungen einer Mitarbeiterin der ÖB, aufgrund des Altersunterschiedes der Eheleute von zehn Jahren sowie der sprachlichen Barrieren waren damals Ermittlungen wegen des Verdachts des Vorliegens einer Aufenthaltsehe eingeleitet worden. Die Einladerin war am 08.07.2018 vor der Landespolizeidirektion XXXX einvernommen worden. In der Folge hatte die ÖB das Visum versagt und eine dagegen erhobene Beschwerde wegen nicht vollständiger Erfüllung eines erteilten Verbesserungsauftrages zurückgewiesen.

Zum gegenständlichen Antrag des BF wurde seine Ehefrau am 14.06.2019 vor der Landespolizeidirektion XXXX einvernommen. Im Zuge dieser Befragung brachte sie eine Bestätigung über eine ambulante Krankenhausbehandlung am 14.04.2019 in einem österreichischen Landesklinikum samt Befund in Vorlage, aus dem die Diagnose "V.a. FrühAB SSW5/6" hervorgeht. Zudem wurden Scans von Reisepasseinträgen der Ehefrau erstellt.

Mit Schreiben vom 08.08.2019 übermittelte die ÖB dem BF eine Aufforderung zur Stellungnahme binnen einer Frist von einer Woche. Darin wurde ihm mitgeteilt, dass Bedenken gegen seinen Antrag auf Erteilung eines Visums für begünstigte Drittstaatsangehörige bestünden. Aufgrund zahlreicher widersprüchlicher Angaben in den Einvernahmen der Eheleute sei der Verdacht bestätigt worden, dass eine Scheinehe vorliege. Das Ehepaar würde keine gemeinsame Sprache sprechen. Der BF habe nicht über eine "Tochter" der Ehefrau Bescheid gewusst. Seiner Ehefrau seien weder seine Ausbildung noch sein Beruf bekannt gewesen. Die Angaben zum Kennenlernen, zum Heiratsantrag, zur Hochzeitsfeier und zu den Hochzeitsgeschenken würden nicht übereinstimmen. Die Ehefrau habe den Trauungsort und die Trauzeugen des BF nicht gekannt. Auch die Angaben zu Geburtstagsfesten und zur zukünftigen Lebensgestaltung würden sich nicht decken. Der BF habe abweichende Angaben zur Wohnung seiner Ehefrau gemacht. Erschwerend komme hinzu, dass der BF von März 2015 bis Juli 2016 in Österreich gemeldet gewesen sei, hingegen aber vorbringe, nie in Österreich aufhältig gewesen zu sein und seine Ehefrau im Sommer 2015 im Kosovo kennengelernt zu haben. Des Weiteren seien die von der Ehefrau vorgelegten serbischen Einreisestempel aus näher dargelegten Gründen nicht dazu geeignet, ihre behaupteten Reisen in den Kosovo zu belegen. Angesichts der Zweifel am bestehenden Eheleben sei die Schwangerschaft seiner Ehefrau an sich kein Nachweis für die Vaterschaft des BF.

Mit Schriftsatz vom 16.08.2019 erstattete der BF im Wege seines rechtsfreundlichen Vertreters eine solche Stellungnahme und führte darin im Wesentlichen aus, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen ihn und seine Ehegattin eingestellt worden seien, weil kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung bestehe. Trotz entsprechender Aufforderung seien die Befragungsprotokolle weder ihm noch seiner Ehefrau ausgefolgt worden. Seine erste Einvernahme sei ohne Beiziehung eines Dolmetschers erfolgt, sodass Verständigungsprobleme und Missverständnisse geradezu erwartbar gewesen seien. In der Folge bezog der BF zu den von der ÖB dargelegten Widersprüchen Stellung, woraus sich die Unrichtigkeit der gegen ihn erhobenen Vorwürfe ergebe. Zur Erstattung einer ergänzenden Stellungnahme samt umfassenden Beweismaterial wurde beantragt, die eingeräumte Frist bis 20.08.2019 zu erstrecken.

Per Fax vom 20.08.2019 wurde eine solche ergänzende Stellungnahme samt Urkundenvorlage eingebracht und geltend gemacht, dass die bereits vorgelegten und nunmehr übermittelten Lichtbilder sowie die Aufnahmen am angeschlossenen USB-Stick Beweis für eine über Jahre hinweg sehr enge, vertrauensvolle und sehr liebevolle Beziehung zwischen dem BF und seiner Ehegattin seien. Darüber hinaus wurde den Zweifeln der Behörde an den Besuchen der Ehegattin im Kosovo und an der Vaterschaft des BF im Hinblick auf das frühzeitig verlorene Kind entgegengetreten. Zum Beweis seines Vorbringens berief sich der BF auch auf sämtliche Familienmitglieder, insbesondere seine in Österreich wohnhafte Schwägerin. Dieser Stellungnahme waren folgende Unterlagen angeschlossen:

* Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft XXXX von der Einstellung des Verfahrens vom 23.08.2018

* Auszüge aus einem "Schwangerschaftskalender" der Ehegattin

* eine bereits in Vorlage gebrachte Bestätigung über eine ambulante Krankenhausbehandlung am 14.04.2019

* Verläufe von Telefon- und Videoanrufen per WhatsApp im Zeitraum 29.07.2019 bis 13.08.2019

* umfangreiches Konvolut von Fotos

* USB-Stick

Mit Bescheid vom 28.08.2019, zugestellt am gleichen Tag, versagte die ÖB das vom BF beantragte Visum für begünstigte Drittstaatsangehörige gemäß § 15b FPG in Verbindung mit Art 27 Freizügigkeitsrichtlinie mit der Begründung, dass die Behörde dem BF Rechtsmissbrauch oder Betrug nachgewiesen habe und die von ihm behauptete Ehe aufgrund zahlreicher widersprüchlicher Angaben als Scheinehe gewertet worden sei. Auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme seien keine Tatsachen hervorgekommen, die geeignet gewesen wären, die genannten Bedenken zu zerstreuen.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF im Wege seines rechtfreundlichen Vertreters mit einem am 25.09.2019 per Fax eingebrachten Schriftsatz fristgerecht Beschwerde, worin im Wesentlichen geltend gemacht wurde, dass gewisse Argumente bzw. Beweisergebnisse in den schriftlichen Stellungnahmen des BF völlig unbehandelt geblieben seien und über seinen Beweisantrag auf Einvernahme seiner Schwägerin nicht entschieden worden sei. In der Folge wurden die Ausführungen in den schriftlichen Stellungnahmen wiedergegeben und teilweise ergänzt.

Nachdem nach entsprechender Aufforderung durch die ÖB eine Bestätigung über die Anweisung der zu entrichtenden Konsulargebühr in Vorlage gebracht worden war, wies die ÖB mit Beschwerdevorentscheidung vom 31.10.2019, zugestellt am gleichen Tag, die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab. Begründend wurden im Wesentlichen die bereits in der Aufforderung zur schriftlichen Stellungnahme vom 08.08.2019 dargelegten Argumente, insbesondere zu keiner gemeinsamen Sprache, zu den widersprüchlichen Angaben der Eheleute, zur Meldung des BF im österreichischen Zentralen Melderegister, zu den serbischen Einreisestempeln im Reisepass der Ehegattin und zu ihrer Schwangerschaft, wiedergegeben und teilweise ergänzt. Darüber hinaus wurde auf die mangelnde Bindungswirkung des Einstellungsbeschlusses der Staatsanwaltschaft XXXX sowie auf die der beantragten Einvernahme der Schwägerin entgegenstehende Bestimmung des § 11a Abs. 2 FPG verwiesen.

Am 04.11.2019 brachte der BF im Wege seiner Rechtsvertretung einen Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG ein, wies darauf hin, dass die Ausführungen in der Beschwerde vom 25.09.2019 vollinhaltlich aufrecht erhalten werden würden, und beantragte die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht vorzulegen.

Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 19.11.2019, eingelangt am 25.11.2019, wurden dem Bundesverwaltungsgericht der Verwaltungsakt samt Beschwerde, Beschwerdevorentscheidung und Vorlageantrag übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.) Feststellungen:

Festgestellt wird zunächst der oben wiedergegebene Verfahrensgang.

Der BF ist seit 03.05.2017 mit der rumänischen Staatsangehörigen XXXX (geborene XXXX ) XXXX , geb. XXXX verheiratet; diese lebt und arbeitet in Österreich. Er ist daher begünstigter Drittstaatsangehöriger.

Nicht festgestellt werden kann, dass es sich bei der zwischen dem BF und seiner Ehefrau geschlossenen Ehe um eine Aufenthaltsehe handelt.

2.) Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Akt der ÖB. Ebenso beruhen die Feststellungen zur Eheschließung am 03.05.2017, zur Berufstätigkeit und zum Aufenthalt der Ehegattin in Österreich auf den im Akt der ÖB einliegenden Unterlagen, insbesondere den in Vorlage gebrachten Heiratsurkunden, Gehaltsnachweisen, der Anmeldebescheinigung und dem ZMR-Auszug.

Dass keine Aufenthaltsehe vorliegt, ergibt sich aus einer Zusammenschau der vorliegenden Ermittlungsergebnisse. Auch wenn nicht verkannt wird, dass der erste Antrag des BF vom 12.04.2018 auf Ausstellung eines Visums C abgewiesen wurde, ergibt sich auf Grundlage der nunmehr vorliegenden Beweismittel ein anderes Bild:

Voranzustellen ist, dass das Ermittlungsverfahren gegen die Ehefrau des BF wegen Verdachts des Eingehens einer Aufenthaltsehe und der Schlepperei durch Eheschließung am 03.05.2017 im Kosovo durch die Staatsanwaltschaft XXXX am 23.08.2018 gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt wurde, weil kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung bestand.

Ausschlaggebend für die Feststellung, dass es sich bei der vorliegenden Eheschließung um keine Aufenthaltsehe handelt, war auch das im Laufe des gegenständlichen Verfahrens in Vorlage gebrachte, umfangreiche Konvolut an Fotos und Videos. Dass die auf dem USB-Stick in Vorlage gebrachten Dateien gefälscht bzw. verfälscht worden wären, wurde seitens der ÖB nicht einmal ansatzweise ins Treffen geführt und es bestehen auch keine Hinweise in diese Richtung, zumal die Eheleute an unterschiedlichen Orten sowie zu verschiedenen Jahreszeiten zu sehen sind, anders gekleidet sind und sich auch optisch verändert haben (etwa andere Haarfarbe und anderer Haarschnitt). Während sich die ÖB darauf abstrakt beschränkte, dass diese "undatierten Fotos und Videos, die eine aufrichtige Liebesbeziehung vortäuschen sollen," nicht geeignet seien, regelmäßige Begegnungen nachzuweisen, hat sich bei näherer Durchsicht der übermittelten Fotos und Videos (auch jenen, die in Form eines USB-Sticks in Vorlage gebracht wurden) ergeben, dass sich dieses Bildmaterial über mehrere Jahre, nämlich von September 2016 bis zum Sommer 2019 erstreckt und dass die Eheleute darauf etwa einander küssend oder umarmend zu sehen sind, sodass der Eindruck einer gewissen Vertrautheit und eines liebevollen Umgangs miteinander erweckt wird. Zudem wird dadurch belegt, dass seit dem Jahr 2016 zahlreiche gemeinsame Treffen stattgefunden und Unternehmungen (wie etwa Ausflüge und Teilnahme an Familienfeiern) gemacht wurden. Der auf einer isolierten Betrachtungsweise der einzelnen Beweismittel beruhende Vorhalt der ÖB, wonach die vorgelegten Sprachchatverläufe per WhatsApp erst wieder im Zuge des Visumsverfahrens und verstärkt ab dem Tag des Erhalts der Aufforderung zur Stellungnahme (08.08.2019) begonnen hätten, sodass das Bestehen einer Liebesbeziehung dadurch nicht nachgewiesen werden könne, ist angesichts des umfangreichen, bis ins Jahr 2016 zurückreichenden Bildmaterials nicht haltbar.

Auch der weitere Vorhalt der ÖB, wonach die aus dem Reisepass der Ehegattin ersichtlichen serbischen Einreisestempel nicht dazu geeignet seien, die behaupteten Reisen in den Kosovo zu belegen, kann vor diesem Hintergrund nicht aufrecht erhalten werden. Bei genauer Durchsicht der vorgelegten Fotos und Videos waren auf einigen Fotos eindeutige Hinweise auf die Heimat des BF zu erkennen. So stehen die Eheleute auf dem als "aaa 367" bezeichneten Foto vor einem Auto mit kosovarischem Kennzeichen und auf dem als "VID_20190421_134231" bezeichneten Video ist beispielsweise ein grauer Mercedes mit einer alten kosovarischen Kennzeichentafel ( XXXX ) zu sehen. Auf dem als "IMG 20190105-WA0078" bezeichneten Foto sind die Eheleute mit zwei weiteren Personen vor einem Denkmal zu sehen, worauf etwa Vedat Misimi, ein 12-jähriger Sohn einer aus dem Kosovo vertriebenen Familie (siehe http://www.benmareskosovo.org/aid-recipients-in-kosovo/family-misimi-from-mitrovic/) erwähnt wird. Aufgrund dieser Hinweise auf gemeinsame Aufenthalte der Eheleute im Kosovo in Zusammenschau mit den aktenkundigen Einträgen im Reisepass der Ehegattin und den Angaben der Eheleute erweist sich die Vermutung der ÖB, wonach die Ehegattin von Serbien aus in ihre Heimat Rumänien und nicht in den Kosovo gereist sei, als widerlegt. Vielmehr belegen die unzähligen Fotos auch in Zusammenschau mit den Stempeln im Reisepass der Ehegattin die behaupteten zahlreichen Reisen in den Kosovo, dortige Ausflüge, Treffen mit Angehörigen und Familienfeiern. Es war in diesem Zusammenhang für das erkennende Gericht nicht vorstellbar, dass der Austausch von derart privaten Fotos bzw. Videos über einen derart langen Zeitraum und die häufigen Aufenthalte der Ehegattin in der Heimat des BF lediglich zur Begründung einer Aufenthaltsehe gedient haben sollen.

Dabei war auch zu berücksichtigen, dass die Argumentation der ÖB hinsichtlich der Schwangerschaft der Ehegattin des BF und der Vaterschaft des BF einer Überprüfung nicht standhält. Auch wenn die Vaterschaft des BF hinsichtlich des frühzeitig verlorenen Kindes nicht nachweisbar ist, sprechen doch zahlreiche Indizien dafür, dass der BF tatsächlich der Vater dieses ungeborenen Kindes war. Angesichts der unterschiedlichen Methoden zur Berechnung der Schwangerschaftswoche und der zwei möglichen Varianten ihrer Bezeichnung (siehe https://www.babycenter.de/a8668/so-berechnet-babycenter-ihre-schwangerschaftswoche) steht die Datierung des Landesklinikums XXXX am 14.04.2019 mit "SSW 5/6" der Vaterschaft des BF nicht entgegen. Aus den Reisepasseinträgen der Ehegattin ergibt sich ein Auslandsaufenthalt vom 20.03.2019 bis zum 31.03.2019, sodass die Empfängnis in diesem Zeitraum stattgefunden haben müsste. Da die Schwangerschaftswoche im Allgemeinen jedoch vom ersten Tag der letzten Periode und nicht - wie von der ÖB angenommen - ab dem Zeitpunkt der Empfängnis berechnet wird, ist es rechnerisch möglich, dass der BF der Vater des ungeborenen Kindes war. Vor diesem Hintergrund ist auch die dem BF unterstellte Täuschungsabsicht aufgrund der Aussage, seine Ehegattin sei in der dritten/vierten Schwangerschaftswoche gewesen, nicht gerechtfertigt. Da von der ÖB keine sonstigen Gründe, welche gegen die Vaterschaft des BF sprechen könnten, ins Treffen geführt wurden, die Eheleute übereinstimmend die Vaterschaft des BF bejahen und sich die diesbezüglich in Vorlage gebrachten Unterlagen mit den Angaben der Ehegattin zur Schwangerschaft sowie dem verlorenen Kind decken, liegen keine Anhaltspunkte vor, welche eine Vaterschaft des BF in Frage stellen würden, und kann jedenfalls nicht behauptet werden, dass der BF nicht der Vater war.

Bezüglich der weiteren Vorhalte der ÖB über widersprüchliche Antworten der Eheleute sind folgende Überlegungen maßgeblich:

Die ÖB beruft sich zur "Begründetheit der Beschwerde" auf den Seiten 9ff der Beschwerdevorentscheidung hinsichtlich der ins Treffen geführten Widersprüche in den Angaben des BF und seiner Ehegattin ausschließlich auf Befragungen zum bereits abgeschlossenen, abgewiesenen ersten Antrag des BF vom 12.04.2018. Im gegenständlichen Verfahren wurde bloß die Ehegattin des BF befragt. Eine vom BF, vom Leiter der Amtshandlung und allenfalls einem beigezogenen Dolmetscher unterfertigte Niederschrift über eine Einvernahme des BF liegt im Akt nicht auf, es sind bloß handschriftliche, schwer bis gar nicht leserliche Notizen teilweise in Frage-Antwort-Form auf der Rückseite eines IZR-Auszuges ohne sonstige Angaben vorhanden, sodass die in der Verfahrenserzählung der Beschwerdevorentscheidung auf den Seiten 4 bis 5 angeführten Auffälligkeiten im Aussageverhalten des BF nicht nachvollzogen werden können.

Obwohl der BF in den Schriftsätzen vom 16.08.2019 und 20.08.2019 zu den von der ÖB behaupteten widersprüchlichen Angaben der Eheleute einzeln Stellung bezog und die dafür abgegebenen Erklärungen im vorliegenden Fall vor dem Hintergrund der in Vorlage gebrachten, zahlreichen Bild- und Videoaufnahmen ohne nähere Prüfung nicht von der Hand zu weisen sind, zählte die ÖB die Themenbereiche zu angeblich widersprüchlichen Angaben auf den Seiten 11 und 15 der Beschwerdevorentscheidung bloß auf, ohne näher auf die Argumente des BF einzugehen. Lediglich zur Frage der Schulden und zum Sohn der Ehegattin finden sich Ausführungen auf den Seiten 13 und 14 der Beschwerdevorentscheidung, wobei jedoch unberücksichtigt blieb, dass der BF vorgebracht hatte, das Kind seiner Ehegattin aus erster Ehe noch nie persönlich, sondern nur einmal auf einem Foto gesehen zu haben, und es zumindest denkbar scheint, dass über womöglich unangenehme Themen wie Schulden und gescheiterte Beziehungen auch in einer liebevollen Beziehung nicht unbedingt (ausführlich) gesprochen wird.

Insofern die ÖB noch ausführt, dass nicht nachvollziehbar sei, wie eine Kommunikation zwischen den Eheleuten ohne gemeinsame Sprache möglich sein soll, ist zu entgegnen, dass als gemeinsame Sprache Albanisch in Frage kommt, zumal die Ehegattin des BF schon anlässlich der Beschuldigtenvernehmung vom 08.07.2018 angegeben hatte, dass sie mittlerweile so gut Albanisch spreche, sodass sie sich mit ihrem Mann bzw. seiner Familie verständigen könne und dies auch vom BF bei seiner Befragung am 04.05.2018 zum ersten Antrag bestätigt wurde ("Meine Gattin spricht Rumänisch, Deutsch und etwas Albanisch"). Zudem ist zu berücksichtigen, dass zwischen den Befragungen der Eheleute rund zwei Monate verstrichen sind, sodass es möglich ist, dass der BF erst nach seiner Einvernahme mit dem Deutschlernen begonnen hat. Seine Ehegattin merkte dann am 08.07.2018 an, dass der BF Albanisch spreche und gerade Deutsch lerne, wobei er die deutsche Sprache schon recht gut verstehe, sich aber beim Reden schwer tue. Dass die Ehegattin mit dem BF überwiegend Deutsch kommuniziere - wie in der Beschwerdevorentscheidung angeführt -, wurde von der Ehegattin des BF damals in dieser Allgemeinheit nicht behauptet, sie brachte im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung vom 08.07.2018 lediglich vor, dass sie Deutsch und Albanisch miteinander sprechen würden, man den BF "auf Deutsch langsam schon ganz gut verstehen" könne und er sich beim Reden noch schwer tue. Auch die Aussage der Ehegattin, wonach sie meistens Deutsch am Handy schreiben würden, lässt sich mit den Angaben des BF vom 04.05.2018 zur Verständigung über "Translate" in Einklang bringen, weil zum einen der bereits erwähnte verstrichene Zeitraum zu berücksichtigen ist und zum anderen die Verwendung von heutzutage schon gut funktionierenden Übersetzungsprogrammen das Schreiben von Handy-Nachrichten in einer Fremdsprache ermöglicht und beim Erlernen einer Fremdsprache hilfreich sein kann. In diesem Zusammenhang ist noch anzumerken, dass die Eheleute im gegenständlichen Verfahren nicht zu ihren Sprachkenntnissen befragt wurden.

Auch wenn nicht verkannt wird, dass laut den im Akt einliegenden Protokollen der Befragungen der Eheleute zum ersten Antrag des BF mehrere Ungereimtheiten / Widersprüche auszumachen sind, trat der BF in seinen schriftlichen Stellungnahmen im Laufe des gegenständlichen Verfahrens diesen Auffälligkeiten konkret entgegen und die ÖB nahm weder Befragungen zu diesen Themenbereichen vor, noch setzte sie sich mit dem Vorbringen des BF in ihren Entscheidungen auseinander. Die einigen in der Beschwerdevorentscheidung angeführten Gegenargumente der ÖB zum Vorbringen des BF sind aus den soeben dargelegten Gründen im gegenständlichen Fall nicht tragfähig. Insofern sich die ÖB hinsichtlich der beantragten Einvernahme der Schwägerin des BF auf § 11a Abs. 2 FPG beruft, ist noch anzumerken, dass der BF schon im Zuge der ergänzenden schriftlichen Stellungnahme vom 20.08.2019 die Einvernahme seiner in Österreich wohnhaften Schwägerin beantragt hat, sodass ihm das Neuerungsverbot im Beschwerdeverfahren nicht entgegengehalten werden kann.

Schließlich ist hinsichtlich der von der ÖB vorgenommenen Schlussfolgerung, der BF sei vom 06.03.2015 bis zum 17.07.2016 in Österreich gemeldet gewesen, sodass er zum Zeitpunkt des behaupteten Kennenlernens im Sommer 2015 im Kosovo "nachweislich in Österreich und sohin nicht im Kosovo war", festzuhalten, dass sich im Akt keine Nachweise über die persönliche Anmeldung beim Meldeamt und eine Unterschriftsleistung in Österreich befinden, sondern anscheinend bloß eine informelle telefonische Nachfrage erfolgt ist. Darüber hinaus brachte der BF eine Erklärung für die irrtümliche Meldung vor, mit der sich die ÖB nicht auseinandersetzte bzw. der nicht nachgegangen wurde. Im Übrigen bestehen außer der genannten Wohnsitzmeldung keine Anhaltspunkte, dass sich der BF tatsächlich in Österreich während dieses Zeitraumes aufgehalten hat; dies wurde von den Eheleuten stets bestritten.

Zusammenfassend hat sich im vorliegenden Fall nach einer näheren Betrachtung der vorliegenden Beweismittel und eingehender Auseinandersetzung damit ergeben, dass trotz abweichender Angaben in den Befragungsprotokollen der Eheleute im Jahr 2018 anlässlich der ersten Antragstellung des BF vor dem Hintergrund der Einstellung des Ermittlungsverfahrens wegen Verdachts des Eingehens einer Aufenthaltsehe durch die Staatsanwaltschaft, der Vorlage eines umfangreichen Bild- und Videomaterials ab 2016 und des Fehlens von Anhaltspunkten dafür, dass der BF nicht der Vater eines in den ersten Schwangerschaftswochen verlorenen Kindes der Ehegattin war, aufgrund der Umstände des vorliegenden Einzelfalls in einer Zusammenschau der zum Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Ermittlungsergebnisse nicht von einer Aufenthaltsehe ausgegangen werden kann.

3.) Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Behebung des Bescheides und Zurückverweisung:

§§ 11 Abs. 1 ,11a, 15b und 26 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lauten:

"Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

...

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.

Begünstigte Drittstaatsangehörige

§ 15b. (1) Begünstigte Drittstaatsangehörige (§ 2 Abs. 4 Z 11) haben das Recht auf Aufenthalt für einen Zeitraum von drei Monaten, unterliegen aber der Visumpflicht, sofern Anhang I zur Visumpflichtverordnung (§ 2 Abs. 4 Z 20) auf sie Anwendung findet. Sie haben Anspruch auf Erteilung eines Visums.

(2) Amtshandlungen im Zusammenhang mit der Erteilung von Visa an begünstigte Drittstaatsangehörige sind prioritär zu führen und von Verwaltungsabgaben befreit.

(3) Über den dreimonatigen Zeitraum nach Abs. 1 hinaus besteht ein Aufenthaltsrecht nach Maßgabe des 4. Hauptstückes des 2. Teiles des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes. Inhaber von Aufenthaltskarten und Daueraufenthaltskarten (§§ 54 und 54a NAG) oder von Aufenthaltskarten und Daueraufenthaltskarten anderer Mitgliedstaaten sind zur visumfreien Einreise berechtigt."

Die maßgeblichen Bestimmungen der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (Freizügigkeitsrichtlinie) lauten:

"Artikel 2 Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

1. "Unionsbürger" jede Person, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt;

2. "Familienangehöriger"

a) den Ehegatten;

b) den Lebenspartner, mit dem der Unionsbürger auf der Grundlage der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats eine eingetragene Partnerschaft eingegangen ist, sofern nach den Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats die eingetragene Partnerschaft der Ehe gleichgestellt ist und die in den einschlägigen Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats vorgesehenen Bedingungen erfüllt sind;

c) die Verwandten in gerader absteigender Linie des Unionsbürgers und des Ehegatten oder des Lebenspartners im Sinne von Buchstabe b, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder denen von diesen Unterhalt gewährt wird;

d) die Verwandten in gerader aufsteigender Linie des Unionsbürgers und des Ehegatten oder des Lebenspartners im Sinne von Buchstabe b, denen von diesen Unterhalt gewährt wird;

3. "Aufnahmemitgliedstaat" den Mitgliedstaat, in den sich der Unionsbürger begibt, um dort sein Recht auf Freizügigkeit oder Aufenthalt auszuüben.

Artikel 3 Berechtigte

(1) Diese Richtlinie gilt für jeden Unionsbürger, der sich in einen anderen als den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, begibt oder sich dort aufhält, sowie für seine Familienangehörigen im Sinne von Artikel 2 Nummer 2, die ihn begleiten oder ihm nachziehen.

(2) Unbeschadet eines etwaigen persönlichen Rechts auf Freizügigkeit und Aufenthalt der Betroffenen erleichtert der Aufnahmemitgliedstaat nach Maßgabe seiner innerstaatlichen Rechtsvorschriften die Einreise und den Aufenthalt der folgenden Personen:

a) jedes nicht unter die Definition in Artikel 2 Nummer 2 fallenden Familienangehörigen ungeachtet seiner Staatsangehörigkeit, dem der primär aufenthaltsberechtigte Unionsbürger im Herkunftsland Unterhalt gewährt oder der mit ihm im Herkunftsland in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat, oder wenn schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege des Familienangehörigen durch den Unionsbürger zwingend erforderlich machen;

b) des Lebenspartners, mit dem der Unionsbürger eine ordnungsgemäß bescheinigte dauerhafte Beziehung eingegangen ist.

Der Aufnahmemitgliedstaat führt eine eingehende Untersuchung der persönlichen Umstände durch und begründet eine etwaige Verweigerung der Einreise oder des Aufenthalts dieser Person.

Artikel 5 Recht auf Einreise

(1) Unbeschadet der für die Kontrollen von Reisedokumenten an den nationalen Grenzen geltenden Vorschriften gestatten die Mitgliedstaaten Unionsbürgern, die einen gültigen Personalausweis oder Reisepass mit sich führen, und ihren Familienangehörigen, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und die einen gültigen Reisepass mit sich führen, die Einreise. Für die Einreise von Unionsbürgern darf weder ein Visum noch eine gleichartige Formalität verlangt werden.

(2) Von Familienangehörigen, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, ist gemäß der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 oder gegebenenfalls den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften lediglich ein Einreisevisum zu fordern. Für die Zwecke dieser Richtlinie entbindet der Besitz einer gültigen Aufenthaltskarte gemäß Artikel 10 diese Familienangehörigen von der Visumspflicht.

Die Mitgliedstaaten treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um diesen Personen die Beschaffung der erforderlichen Visa zu erleichtern. Die Visa werden so bald wie möglich nach einem beschleunigten Verfahren unentgeltlich erteilt.

(3) ...

Artikel 6 Recht auf Aufenthalt bis zu drei Monaten

(1) Ein Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten, wobei er lediglich im Besitz eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses sein muss und ansonsten keine weiteren Bedingungen zu erfüllen oder Formalitäten zu erledigen braucht.

(2) Absatz 1 gilt auch für Familienangehörige im Besitz eines gültigen Reisepasses, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und die den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen.

Artikel 7 Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate

(1) Jeder Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er

a) Arbeitnehmer oder Selbstständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist oder

b) für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen oder

c) bei einer privaten oder öffentlichen Einrichtung, die von dem Aufnahmemitgliedstaat aufgrund seiner Rechtsvorschriften oder seiner Verwaltungspraxis anerkannt oder finanziert wird, zur Absolvierung einer Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung als Hauptzweck eingeschrieben ist und über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügt und der zuständigen nationalen Behörde durch eine Erklärung oder durch jedes andere gleichwertige Mittel seiner Wahl glaubhaft macht, dass er für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, oder

d) ein Familienangehöriger ist, der den Unionsbürger, der die Voraussetzungen des Buchstaben a, b oder c erfüllt, begleitet oder ihm nachzieht.

(2) Das Aufenthaltsrecht nach Absatz 1 gilt auch für Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und die den Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat begleiten oder ihm nachziehen, sofern der Unionsbürger die Voraussetzungen des Absatzes 1 Buchstabe a, b oder c erfüllt.

(3) ...

Artikel 9 Verwaltungsformalitäten für Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen

(1) Die Mitgliedstaaten stellen den Familienangehörigen eines Unionsbürgers, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, eine Aufenthaltskarte aus, wenn ein Aufenthalt von über drei Monaten geplant ist.

(2) Die Frist für die Einreichung des Antrags auf Ausstellung der Aufenthaltskarte muss mindestens drei Monate ab dem Zeitpunkt der Einreise betragen.

(3) Die Nichterfüllung der Pflicht zur Beantragung einer Aufenthaltskarte kann mit verhältnismäßigen und nicht diskriminierenden Sanktionen geahndet werden.

Artikel 10 Ausstellung der Aufenthaltskarte

(1) Zum Nachweis des Aufenthaltsrechts der Familienangehörigen eines Unionsbürgers, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, wird spätestens sechs Monate nach Einreichung des betreffenden Antrags eine "Aufenthaltskarte für Familienangehörige eines Unionsbürgers" ausgestellt. Eine Bescheinigung über die Einreichung des Antrags auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte wird unverzüglich ausgestellt.

(2) Für die Ausstellung der Aufenthaltskarte verlangen die Mitgliedstaaten die Vorlage folgender Dokumente:

a) gültiger Reisepass;

b) Bescheinigung über das Bestehen einer familiären Beziehung oder einer eingetragenen Partnerschaft;

c) Anmeldebescheinigung des Unionsbürgers, den sie begleiten oder dem sie nachziehen, oder, wenn kein Anmeldesystem besteht, ein anderer Nachweis über den Aufenthalt des betreffenden Unionsbürgers im Aufnahmemitgliedstaat;

d) in den Fällen des Artikels 2 Nummer 2 Buchstaben c und d der urkundliche Nachweis, dass die dort genannten Voraussetzungen vorliegen;

e) in den Fällen des Artikels 3 Absatz 2 Buchstabe a ein durch die zuständige Behörde des

Ursprungs- oder Herkunftslands ausgestelltes Dokument, aus dem hervorgeht, dass die Betroffenen vom Unionsbürger Unterhalt beziehen oder mit ihm in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben, oder der Nachweis schwerwiegender gesundheitlicher Gründe, die die persönliche Pflege des Familienangehörigen durch den Unionsbürger zwingend erforderlich machen;

f) in den Fällen des Artikels 3 Absatz 2 Buchstabe b der Nachweis über das Bestehen einer dauerhaften Beziehung mit dem Unionsbürger.

KAPITEL VI

Beschränkungen des Einreise- und Aufenthaltsrechts aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit

Artikel 27 Allgemeine Grundsätze

(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen dieses Kapitels dürfen die Mitgliedstaaten die Freizügigkeit und das Aufenthaltsrecht eines Unionsbürgers oder seiner Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit beschränken. Diese Gründe dürfen nicht zu wirtschaftlichen Zwecken geltend gemacht werden.

(2) Bei Maßnahmen aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren und darf ausschließlich das persönliche Verhalten des Betroffenen ausschlaggebend sein. Strafrechtliche Verurteilungen allein können ohne Weiteres diese Maßnahmen nicht begründen. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

(3) Um festzustellen, ob der Betroffene eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt, kann der Aufnahmemitgliedstaat bei der Ausstellung der Anmeldebescheinigung oder - wenn es kein Anmeldesystem gibt - spätestens drei Monate nach dem Zeitpunkt der Einreise des Betroffenen in das Hoheitsgebiet oder nach dem Zeitpunkt, zu dem der Betroffene seine Anwesenheit im Hoheitsgebiet gemäß Artikel 5 Absatz 5 gemeldet hat, oder bei Ausstellung der Aufenthaltskarte den Herkunftsmitgliedstaat und erforderlichenfalls andere Mitgliedstaaten um Auskünfte über das Vorleben des Betroffenen in strafrechtlicher Hinsicht ersuchen, wenn er dies für unerlässlich hält. Diese Anfragen dürfen nicht systematisch erfolgen. Der ersuchte Mitgliedstaat muss seine Antwort binnen zwei Monaten erteilen.

(4) Der Mitgliedstaat, der den Reisepass oder Personalausweis ausgestellt hat, lässt den Inhaber des Dokuments, der aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit aus einem anderen Mitgliedstaat ausgewiesen wurde, ohne jegliche Formalitäten wieder einreisen, selbst wenn der Personalausweis oder Reisepass ungültig geworden ist oder die Staatsangehörigkeit des Inhabers bestritten wird.

Artikel 35 Rechtsmissbrauch

Die Mitgliedsstaaten können die Maßnahmen erlassen, die notwendig sind, um die durch diese Richtlinie verliehenen Rechte im Falle von Rechtsmissbrauch oder betrug- wie z.B. durch Eingehung von Scheinehen - zu verweigern, aufzuheben oder zu widerrufen. Solche Maßnahmen müssen verhältnismäßig sein und unterliegen den Verfahrensgarantien nach den Artikeln 30 und 31."

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des europäischen Parlaments und des Rates (Visakodex) lauten wie folgt:

"Prüfung der Einreisevoraussetzungen und Risikobewertung

Art. 21 (1) Bei der Prüfung eines Antrags auf ein einheitliches Visum ist festzustellen, ob der Antragsteller die Einreisevoraussetzungen nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a, c, d und e des Schengener Grenzkodexes erfüllt, und ist insbesondere zu beurteilen, ob bei ihm das Risiko der rechtswidrigen Einwanderung besteht, ob er eine Gefahr für die Sicherheit der Mitgliedstaaten darstellt und ob er beabsichtigt, vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des beantragten Visums das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu verlassen.

(2) Zu jedem Antrag wird das VIS gemäß Artikel 8 Absatz 2 und Artikel 15 der VIS-Verordnung abgefragt. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass alle Suchkriterien gemäß Artikel 15 der VIS-Verordnung voll und ganz verwendet werden, um falsche Ablehnungen und Identifizierungen zu vermeiden.

(3) Bei der Kontrolle, ob der Antragsteller die Einreisevoraussetzungen erfüllt, prüft das Konsulat,

a) dass das vorgelegte Reisedokument nicht falsch, verfälscht oder gefälscht ist;

b) ob die Angaben des Antragstellers zum Zweck und zu den Bedingungen des beabsichtigten Aufenthalts begründet sind und ob er über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des beabsichtigten Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunfts- oder Wohnsitzstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügt oder in der Lage ist, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben;

c) ob der Antragsteller im Schengener Informationssystem (SIS) zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben ist;

d) ob der Antragsteller keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit oder die öffentliche Gesundheit im Sinne von

Artikel 2 Nummer 19 des Schengener Grenzkodexes oder für die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaats darstellt und ob er insbesondere nicht in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden ist;

e) ob der Antragsteller, soweit erforderlich, im Besitz einer angemessenen und gültigen Reisekrankenversicherung ist.

(4) Das Konsulat prüft gegebenenfalls anhand der Dauer früherer und geplanter Aufenthalte, ob der Antragsteller die zulässige Gesamtaufenthaltsdauer im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht überschritten hat, ungeachtet etwaiger rechtmäßiger Aufenthalte aufgrund eines nationalen Visums für den längerfristigen Aufenthalt oder eines von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Aufenthaltstitels.

(5) Die Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts während des geplanten Aufenthalts werden nach der Dauer und dem Zweck des Aufenthalts und unter Zugrundelegung der Ausgaben für Unterkunft und Verpflegung in dem/den betreffenden Mitgliedstaat(en) nach Maßgabe eines mittleren Preisniveaus für preisgünstige Unterkünfte bewertet, die um die Zahl der Aufenthaltstage multipliziert werden; hierzu werden die von den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 34 Absatz 1 Buchstabe c des Schengener Grenzkodexes festgesetzten Richtbeträge herangezogen. Der Nachweis einer Kostenübernahme und/oder einer privaten Unterkunft kann ebenfalls das Vorhandensein ausreichender Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts belegen.

(6) Bei der Prüfung eines Antrags auf ein Visum für den Flughafentransit überprüft das Konsulat insbesondere Folgendes: a) dass das vorgelegte Reisedokument nicht falsch, verfälscht oder gefälscht ist; b) den Ausgangs- und Zielort des betreffenden Drittstaatsangehörigen und die Kohärenz der geplanten Reiseroute und des Flughafentransits; c) den Nachweis der Weiterreise zum Endbestimmungsland.

(7) Die Prüfung eines Antrags stützt sich insbesondere auf die Echtheit und Vertrauenswürdigkeit der vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen und den Wahrheitsgehalt und die Glaubwürdigkeit seiner Aussagen.

Visumverweigerung

Art. 32 (1) Unbeschadet des Artikels 25 Absatz 1 wird das Visum verweigert,

a) wenn der Antragsteller:

i) ein Reisedokument vorlegt, das falsch, verfälscht oder gefälscht ist;

ii) den Zweck und die Bedingungen des geplanten Aufenthalts nicht begründet;

iii) nicht den Nachweis erbringt, dass er über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des geplanten Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunfts- oder Wohnsitzstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügt, bzw. nicht in der Lage ist, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben;

iv) sich im laufenden Sechsmonatszeitraum bereits drei Monate im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten auf der Grundlage eines einheitlichen Visums oder eines Visums mit räumlich beschränkter Gültigkeit aufgehalten hat;

v) im SIS zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben ist;

vi) als eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit oder die öffentliche Gesundheit im Sinne von Artikel 2 Absatz 19 des Schengener Grenzkodexes oder für die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaats eingestuft wird, insbesondere wenn er in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden ist; oder

vii) nicht nachweist, dass er, soweit erforderlich, über eine angemessene und gültige Reisekrankenversicherung verfügt; oder

b) wenn begründete Zweifel an der Echtheit der von dem Antragsteller vorgelegten Belege oder am Wahrheitsgehalt ihres Inhalts, an der Glaubwürdigkeit seiner Aussagen oder der von ihm bekundeten Absicht bestehen, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vor Ablauf der Gültigkeit des beantragten Visums zu verlassen.

(2) Eine Entscheidung über die Verweigerung und die entsprechende Begründung werden dem Antragsteller unter Verwendung des Standardformulars in Anhang VI mitgeteilt.

(3) Antragstellern, deren Visumantrag abgelehnt wurde, steht ein Rechtsmittel zu. Die Rechtsmittel sind gegen den Mitgliedstaat, der endgültig über den Visumantrag entschieden hat, und in Übereinstimmung mit dem innerstaatlichen Recht dieses Mitgliedstaats zu führen. Die Mitgliedstaaten informieren die Antragsteller über das im Falle der Einlegung eines Rechtsmittels zu befolgende Verfahren nach Anhang VI.

..."

Rechtsgrundlage für die gegenständliche Beurteilung ist primär die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates frei bewegen und aufhalten zu dürfen (Freizügigkeitsrichtlinie), deren Regelungen durch den österreichischen Gesetzgeber in § 15b FPG und §§ 51-56 NAG umgesetzt wurden und welche gemäß Beschluss der Kommission K (2010) 1620 endgültig vom 19.03.2010 über ein Handbuch für die Bearbeitung von Visumanträgen und die Änderung von bereits erstellten Visa als "lex specialis" in Bezug auf den Visakodex anzusehen ist.

Laut EuGH C-84/12 vom 19.12.2013 sind Art. 23 Abs. 4, Art. 32 Abs. 1 und Art. 35 Abs. 6 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.07.2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (Visakodex) dahin auszulegen, dass die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats nach Abschluss der Prüfung eines Antrags auf ein einheitliches Visum einem Antragsteller nur dann ein einheitliches Visum verweigern dürfen, wenn ihm einer der in diesen Bestimmungen aufgezählten Gründe für die Verweigerung des Visums entgegengehalten werden kann. Die betreffenden Behörden verfügen bei der Prüfung dieses Antrags über einen weiten Beurteilungsspielraum, der sich sowohl auf die Anwendungsvoraussetzungen dieser Vorschriften als auch auf die Würdigung der Tatsachen bezieht, die für die Feststellung maßgeblich sind, ob dem Antragsteller einer dieser Verweigerungsgründe entgegengehalten werden kann (EuGH C-84/12 vom 19.12.2013, Tenor).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinen Entscheidungen vom 07.04.2011, 2011/22/0005, und vom 14.04.2016, Ro 2016/21/0005, festgehalten, dass einem Fremden, der mit einem in Österreich lebenden, sein unionsrechtliches Recht auf Freizügigkeit in Anspruch nehmenden EU-Bürger aufrecht verheiratet ist (unabhängig davon, ob die Ehe als Aufenthaltsehe bzw. Scheinehe zu qualifizieren ist), die Rechtsposition als begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG zukommt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings in seiner Entscheidung vom 14.04.2016 ebenfalls zum Ausdruck gebracht, dass die Rechtsposition als begünstigter Drittstaatsangehöriger der Wahrnehmung einer Scheinehe aber nicht entgegensteht, sondern nur bedeutet, dass sich die Konsequenzen dieser Scheinehe nach den für begünstigte Drittstaatsangehörige geltenden Regeln bestimmen. Bei einem Aufenthalt im Bundesgebiet käme etwa die Erlassung eines Aufenthaltsverbots nach § 67 Abs. 1 FPG in Betracht, weil auf Grund des persönlichen Verhaltens des begünstigten Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet sein kann (vgl. in diesem Sinn etwa das noch zur Vorgängerregelung des nunmehrigen § 67 FPG - § 86 FPG idF vor dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011 - ergangene Erkenntnis des VwGH vom 21.02.2013, 2011/23/0647, das auf die aktuelle Rechtslage übertragbar ist). Aber auch die Versagung eines Visums ist auf dieser Basis zulässig (vgl. die, wenngleich noch zu § 21 Abs. 5 Z 4 FPG idF vor dem FNG-Anpassungsgesetz ergangenen, behauptete Scheinehen mit österreichischen Staatsbürgern betreffenden Erkenntnisse des VwGH vom 19.06.2008, 2007/21/0266, und vom 26.03.2015, Ro 2014/22/0026). Daran kann auch auf Grundlage der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG) kein Zweifel bestehen, sieht doch deren Art. 35 vor, dass die Mitgliedstaaten die Maßnahmen erlassen können, die notwendig sind, um die durch die Richtlinie verliehenen Rechte "im Falle von Rechtsmissbrauch oder Betrug - wie z. B. durch Eingehung von Scheinehen - zu verweigern". Ergänzend wird noch auf Art. 31 Abs. 4 der Freizügigkeitsrichtlinie verwiesen, wonach es die Mitgliedstaaten dem Betroffenen, der sich gegen eine zu seinen Lasten getroffene Entscheidung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit wendet, verbieten können, sich während eines anhängigen Rechtsbehelfsverfahrens in ihrem Hoheitsgebiet aufzuhalten, ihn jedoch nicht daran hindern dürfen, "sein Verfahren selbst zu führen, es sei denn, ... der Rechtsbehelf richtet sich gegen die Verweigerung der Einreise in das Hoheitsgebiet". Daraus ergibt sich klar, dass eine maßgebliche Verletzung der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, wie sie allgemein im Kapitel VI der Freizügigkeitsrichtlinie angesprochen wird, - konkret durch Abschluss einer Scheinehe - auch vor Einreise in das Staatsgebiet, namentlich durch Verweigerung eines notwendigen Visums, wahrgenommen werden kann.

Im vorliegenden Fall kam die ÖB aufgrund der oben dargelegten Erwägungen zu dem Schluss, dass eine Aufenthaltsehe vorliegen würde. Wie beweiswürdigend in der gegenständlichen Entscheidung dargelegt wurde, war diese Feststellung jedoch nach Ansicht des erkennenden Richters nicht ausreichend substantiiert. Die ÖB ist daher zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Aufenthaltsehe vorliegt.

Da den von der ÖB angeführten Gründen für die Verweigerung des Visums, wie oben ausgeführt, eine mangelhafte Begründung zugrunde lag, wird die ÖB im fortgesetzten Verfahren, bei weiterem Vorliegen aller maßgeblichen Voraussetzungen das Visum zu erteilen haben.

Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war das Beschwerdeverfahren ohne mündliche Verhandlung durchzuführen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufenthaltsehe Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung österreichische Botschaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W144.2225709.1.00

Im RIS seit

10.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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