Entscheidungsdatum
18.05.2020Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W110 2196164-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Peter CHVOSTA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.04.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger der Volksgruppe der Hazara, stellte am 9.11.2015 nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen der am 11.11.2015 durchgeführten Erstbefragung gab der Beschwerdeführer als Fluchtgrund die schlechte Sicherheitslage in Kabul sowie als Rückkehrbefürchtung seine Verfolgung durch die Taliban aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit an.
Mit Schriftsatz vom 18.10.2017 legte der Beschwerdeführer Unterlagen zum Beweis seiner fortgeschrittenen Integration vor.
2. In seiner Einvernahme am 24.4.2018 legte der Beschwerdeführer neben weiteren integrationsbescheinigenden Unterlagen Zertifikate und Fotos vor, die ihn mit Angehörigen der US-Streitkräfte sowie bei seiner Tätigkeit als Dolmetscher zeigen sollen. Auf Nachfrage gab der Beschwerdeführer an, zunächst als Lehrer bei der afghanischen National-Armee ca. sechs Monate lang gearbeitet zu haben. In dieser Zeit habe er Soldaten, die Analphabeten waren, in Mathematik, Englisch und Dari unterrichtet. Schon zuvor habe er bereits an einer Universität als Lehrer Englisch unterrichtet. Von 2012 bis 2014 habe er als Dolmetscher für die US-amerikanischen Streitkräfte in Helmand und Kashaki gearbeitet. Als zwei Verwandte, die ebenfalls als Dolmetscher tätig gewesen seien, in Herat bzw. Farah von den Taliban getötet worden seien, habe er, der Beschwerdeführer, auf Drängen seiner Familie die Arbeit für die Amerikaner aufgegeben und kurz darauf aus Angst vor einer Verfolgung durch die Taliban wegen seiner Unterstützung der "Ungläubigen" das Land verlassen.
3. Mit Bescheid vom 28.4.2018 wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I 100 idF BGBl. I 145/2017 (im Folgenden: AsylG 2005), als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ab (Spruchpunkte I. und II.). In Spruchpunkt III. wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 leg. cit. nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 erlassen und nach § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt IV. und V.). Gemäß § 55 Abs. 1 - 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Nach Wiedergabe der Einvernahmeprotokolle traf die belangte Behörde in ihrer Bescheidbegründung Länderfeststellungen zur allgemeinen Situation in Afghanistan und stellte die Nationalität und Volksgruppenzugehörigkeit, nicht jedoch die Identität des Beschwerdeführers fest. Die belangte Behörde stellte ferner fest, dass der Beschwerdeführer als Lehrer sowie als Dolmetscher gearbeitet habe. Was die Ausreisegründe anbelangt, stellte die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer in Kabul Übergriffe der Taliban zu befürchten habe, ihm bei einer Rückkehr jedoch kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohe. Eine "darüber hinausgehende Verfolgung" habe - so die belangte Behörde - nicht festgestellt werden können. Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer eine persönliche konkrete Bedrohung nicht glaubhaft schildern habe können. Es sei nicht ersichtlich und auch vom Beschwerdeführer nicht dargetan worden, weshalb sich seine Rückkehrsituation als "ca. 20 Jahre alter afghanischer Staatsbürger" von der Situation eines gleichaltrigen afghanischen Staatsangehörigen ohne familiäre Bindung wesentlich unterscheide.
4. Mit Verfahrensanordnung vom 28.4.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater für eine allfällige Beschwerdeerhebung zur Seite gestellt.
5. Gegen diesen Bescheid richtete sich die vorliegende, rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, mangelhaftem Ermittlungsverfahren und unschlüssiger Beweiswürdigung. Unter Berufung auf die Richtlinien von UNHCR wurde begründend ausgeführt, dass der Beschwerdeführer als ehemaliger Dolmetscher der US-Streitkräfte zu einer besonders gefährdeten Personengruppe gehöre. Überdies sei die Beweiswürdigung unstimmig, wenn die belangte Behörde feststellte, dass der Beschwerdeführer Übergriffe der Taliban zu befürchten habe, aber keiner Verfolgung im Falle einer Rückkehr ausgesetzt sei.
6. Am 23.5.2018 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor und teilte ihren Verzicht auf die Durchführung und Teilnahme an einer Verhandlung mit.
Mit Schriftsatz vom 4.6.2018 wies der Beschwerdeführer auf ein Youtube-Video hin, das ihn bei der Zusammenarbeit mit US-Soldaten zeige.
Am 1.8.2019 wurden weitere integrationsbescheinigende Unterlagen vorgelegt.
7. Mit Verfügung vom 17.4.2020 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht der belangten Behörde eine Zusammenfassung aktueller Länderberichte und wies - angesichts des Verzichts der Behörde auf die Durchführung einer Verhandlung - vor dem Hintergrund der behördlichen Feststellungen über die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Dolmetscher auf spezifische Berichte über die Gefährdungslage von Dolmetschern und anderen Unterstützern der ausländischen Streitkräfte in Afghanistan hin.
Die eingeräumte Frist zur Abgabe einer Stellungnahme ließ die belangte Behörde ungenützt.
8. Beweis wurde erhoben durch die Einvernahme des Beschwerdeführers, durch Einsichtnahme in den Inhalt des Verwaltungsaktes, in die vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen sowie in das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 13.11.2019 (kurz: LIB 13.11.2019) und in die UNHCR-Richtlinien 2018 bzw. einen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 12.9.2019 über Gefährdungsprofile in Afghanistan.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Folgender Sachverhalt steht fest:
1.1. Zur Situation in Afghanistan:
1.1.1. Allgemeines
Nach Jahrzehnten gewaltsamer Konflikte befindet sich Afghanistan in einer schwierigen Aufbauphase und einer weiterhin volatilen Sicherheitslage. Die staatlichen Strukturen sind noch nicht voll arbeitsfähig. Tradierte Werte stehen häufig einer umfassenden Modernisierung der afghanischen Gesellschaft entgegen (Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes vom 2.9.2019, S. 5).
Ende Februar 2020 unterzeichneten die USA und die Taliban ein Friedensabkommen unterzeichnet, das den Abzug der US-Truppen vorsieht. Die afghanische Regierung wurde nicht beteiligt. Ein beidseitiger Gefangenenaustausch gilt als Voraussetzung für direkte Gespräche zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban. Über die Umsetzung gibt es aber Streit, speziell bei der Frage, ob die Regierung auch ranghohe Befehlshaber der Extremisten freilässt. Derweil gab es am 10.4.2020 abends Angriffe in den Provinzen Kandahar und Ghazni, bei denen Regierungsvertreter jeweils die Taliban als Verantwortliche vermuteten. In Kandahar wurden drei Zivilisten getötet und zwei verletzt. Die anhaltende Gewalt weckt Zweifel, wie fruchtbar die innerafghanischen Friedensgespräche sein können, die die USA mit den Taliban vorbereitet haben (Zeit-Online am 11.4.2020).
In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan, und stellt nicht nur für die beiden Länder eine Sicherheitsherausforderung dar, sondern eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität (LIB 13.11.2019, S. 26).
Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, das Personenstands- und Urkundenwesen ist kaum entwickelt. Die Regierung registriert jedoch Rückkehrer. Durch die hohe soziale Kontrolle ist gerade im ländlichen Raum keine, aber auch in den Städten kaum Anonymität zu erwarten (LIB 13.11.2019, S. 324).
Im Frühjahr 2019 hatten sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart. Traditionell markiert die Ankündigung der jährlichen Frühjahrsoffensive der Taliban den Beginn der sogenannten Kampfsaison - was eher als symbolisch gewertet werden kann, da die Taliban und die Regierungskräfte in den vergangenen Jahren auch im Winter gegeneinander kämpften (LIB 13.11.2019, S. 18).
1.1.2. Sicherheitslage
Der afghanischen Regierung ist es weiterhin gelungen, die Kontrolle über die Hauptstadt Kabul, die größeren Bevölkerungszentren, die meisten wichtigen Straßen, über Provinzzentren und die Mehrheit der Distrikte aufrecht zu erhalten. Die afghanischen Sicherheitskräfte verfügen jedoch nicht über genügend Kräfte, um den Taliban-Offensiven, die in über der Hälfte der 34 Provinzen stattfinden, standzuhalten (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 12.9.2019).
Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau. Die Ausnahme waren islamische Festtage, an denen, wie bereits in der Vergangenheit auch schon, das Kampfniveau deutlich zurückging, als sowohl regierungsfreundliche Kräfte, aber auch regierungsfeindliche Elemente ihre offensiven Operationen reduzierten. Im Gegensatz dazu hielt das Kampftempo während des gesamten Fastenmonats Ramadan an, da regierungsfeindliche Elemente mehrere Selbstmordattentate ausführten und sowohl regierungsfreundliche Truppen, als auch regierungsfeindliche Elemente, bekundeten, ihre operative Dynamik aufrechtzuerhalten. Die Taliban verlautbarten, eine asymmetrische Strategie zu verfolgen: die Aufständischen führen weiterhin Überfälle auf Kontrollpunkte und Distriktzentren aus und bedrohen Bevölkerungszentren. Angriffe haben sich zwischen November 2018 und Jänner 2019 um 19% im Vergleich zum Vorberichtszeitraum (16.8. - 31.10.2018) verstärkt (LIB 13.11.2019, S. 19).
Weder die afghanischen Sicherheitskräfte noch regierungsfeindliche Elemente erzielten zuletzt signifikante territoriale Gewinne. Das aktivste Konfliktgebiet ist die Provinz Kandahar, gefolgt von den Provinzen Helmand und Nangarhar. Wenngleich keine signifikanten Bedrohungen der staatlichen Kontrolle über Provinzhauptstädte gibt, wurde in der Nähe der Provinzhauptstädte Farah, Kunduz und Ghazni über ein hohes Maß an Taliban-Aktivität berichtet. In mehreren Regionen wurden von den Taliban vorübergehend strategische Posten entlang der Hauptstraßen eingenommen, sodass sie den Verkehr zwischen den Provinzen erfolgreich einschränken konnten. So kam es beispielsweise in strategisch liegenden Provinzen entlang des Highway 1 (Ring Road) zu temporären Einschränkungen durch die Taliban. Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte stellen erhebliche Mittel für die Verbesserung der Sicherheit auf den Hauptstraßen bereit - insbesondere in den Provinzen Ghazni, Zabul, Balkh und Jawzjan.
Für das gesamte Jahr 2018, registrierten die Vereinten Nationen in Afghanistan insgesamt 22.478 sicherheitsrelevante Vorfälle. Gegenüber 2017 ist das ein Rückgang von 5%, wobei die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Jahr 2017 mit insgesamt 23.744 ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hatte (LIB 13.11.2019, S. 20). Für den Berichtszeitraum 10.5. - 8.8.2019 registriert die Vereinten Nationen insgesamt 5.856 sicherheitsrelevanter Vorfälle - eine Zunahme von 1% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 63% Prozent aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, die höchste Anzahl, wurde im Berichtszeitraum in den südlichen, östlichen und südöstlichen Regionen registriert. Für den Berichtszeitraum 8.2. - 9.5.2019 registrierte die UN insgesamt 5.249 sicherheitsrelevante Vorfälle - ein Rückgang von 7% gegenüber dem Vorjahreswert; wo auch die Anzahl ziviler Opfer signifikant zurückgegangen ist. Für den Berichtszeitraum 10.5. - 8.8.2019 sind 56% (3.294) aller sicherheitsrelevanten Vorfälle bewaffnete Zusammenstöße gewesen; ein Rückgang um 7% im Vergleich zum Vorjahreswert. Sicherheitsrelevante Vorfälle bei denen improvisierte Sprengkörper verwendet wurden, verzeichneten eine Zunahme von 17%. Bei den Selbstmordattentaten konnte ein Rückgang von 44% verzeichnet werden. Die afghanischen Sicherheitskräfte führen gemeinsam mit internationalen Kräften, weiterhin eine hohe Anzahl von Luftangriffen durch: 506 Angriffe wurden im Berichtszeitraum verzeichnet - 57% mehr als im Vergleichszeitraum des Jahres 2018. Im Gegensatz dazu, registrierte die NGO International NGO Safety Organisation für das Jahr 2018 landesweit 29.493 sicherheitsrelevante Vorfälle, welche auf NGOs Einfluss hatten. In den ersten acht Monaten des Jahres 2019 waren es 18.438 Vorfälle. Zu den gemeldeten Ereignissen zählten, beispielsweise geringfügige kriminelle Überfälle und Drohungen ebenso wie bewaffnete Angriffe und Bombenanschläge (LIB 13.11.2019, S. 21).
Rund 39% der afghanischen Distrikte standen Anfang 2019 unter der Kontrolle der afghanischen Regierung standen, und 37% wurden von den Taliban kontrolliert. Diese Gebiete waren relativ ruhig, Zusammenstöße wurden gelegentlich gemeldet. Rund 20% der Distrikte waren stark umkämpft. Der Islamische Staat kontrollierte rund 4% der Distrikte. Die Kontrolle über Distrikte, Bevölkerung und Territorium befindet sich derzeit in einer Pattsituation (SIGAR 30.4.2019). Die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle Ende 2018 bis Ende Juni 2019, insbesondere in der Provinz Helmand, sind als verstärkte Bemühungen der Sicherheitskräfte zu sehen, wichtige Taliban-Hochburgen und deren Führung zu erreichen, um in weiterer Folge eine Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (LIB 13.11.2019, S. 23).
Die Vereinten Nationen dokumentierten für den Berichtszeitraum 1.1.-30.9.2019 8.239 zivile Opfer (2.563 Tote, 5.676 Verletzte) - dieser Wert ähnelt dem Vorjahreswert 2018. Regierungsfeindliche Elemente waren auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer; 41% der Opfer waren Frauen und Kinder. Wenngleich die Vereinten Nationen für das erste Halbjahr 2019 die niedrigste Anzahl ziviler Opfer registrierten, so waren Juli, August und September - im Gegensatz zu 2019 - von einem hohen Gewaltniveau betroffen. Zivilisten, die in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni, und Faryab wohnten, waren am stärksten vom Konflikt betroffen (LIB 13.11.2019, S. 24).
1.1.2.1. Situation in Kabul (Stadt/Provinz)
Kabul-Stadt ist die Hauptstadt Afghanistans und auch ein Distrikt in der Provinz Kabul. Es ist die bevölkerungsreichste Stadt Afghanistans mit rund 5 Mio. Einwohnern (LIB 13.11.2019, S. 36). Kabul ist Zielort für verschiedene ethnische, sprachliche und religiöse Gruppen, und jede von ihnen hat sich an bestimmten Orten angesiedelt, je nach der geografischen Lage ihrer Heimatprovinzen (LIB 13.11.2019, S. 38).
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul. Nichtsdestotrotz führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen im gesamten Jahr 2018, als auch in den ersten fünf Monaten 2019 insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen (LIB 13.11.2019, S. 38).
Im Jahr 2018 wurden 1.866 zivile Opfer (596 Tote und 1.270 Verletzte) in der Provinz Kabul dokumentiert. Dies entspricht einer Zunahme von 2% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Selbstmord- und komplexe Angriffe, gefolgt von improvisierten Sprengkörpern und gezielten Tötungen (LIB 13.11.2019, S. 40).
Im Vergleich zu Herat und Mazar-e Sharif ist Kabul - hinsichtlich der Nahrungsmittelsicherheit - nicht am stärksten vom Lebensmittelnotstand betroffen, jedoch importiert die Stadt den Großteil des Bedarfes aus umliegenden Regionen und dem Ausland. Es gibt große Schwankungen bei der Lieferung, und es kommt zu Knappheiten bei bestimmten Lebensmitteln. Es gibt keine Speicherkapazität für größere Mengen Getreide, und es gibt keine Maßnahmen wie Preisregulierungen oder Coupons, um vulnerable Haushalte zu schützen. Die Lebensmittelversorgung in Kabul und Mazar-e Sharif ist Stand Dezember 2018 "angespannt", das bedeutet, dass trotz humanitärer Unterstützung mindestens ein Fünftel der Haushalte einen minimal ausreichenden Lebensmittelkonsum aufweist, aber nicht in der Lage ist, notwendige Ausgaben abseits von Lebensmitteln zu bestreiten (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 3.5.2019, S. 3).
1.1.2.2. Situation in Herat
Herat gehört zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, jedoch sind Taliban-Kämpfer in einigen abgelegenen Distrikten aktiv und versuchen oft, terroristische Aktivitäten durchzuführen. Je mehr man sich von Herat-Stadt, die als "sehr sicher" gilt, und von den angrenzenden Distrikten Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer wird der Einfluss der Taliban.
Auch im Vergleich zu Kabul gilt Herat-Stadt einem Mitarbeiter von IOM-Kabul zufolge zwar als sicherere Stadt, doch gleichzeitig wird ein Anstieg der Gesetzlosigkeit und Kriminalität verzeichnet: Raubüberfälle nahmen zu und ein Mitarbeiter der Vereinten Nationen wurde beispielsweise überfallen und ausgeraubt. Entführungen finden gelegentlich statt, wenn auch in Herat nicht in solch einem Ausmaß wie in Kabul. Der Distrikt mit den meisten sicherheitsrelevanten Vorfällen ist der an Farah angrenzende Distrikt Shindand, wo die Taliban zahlreiche Gebiete kontrollieren. Wegen der großen US-Basis, die in Shindand noch immer operativ ist, kontrollieren die Taliban jedoch nicht den gesamten Distrikt (LIB 13.11.2019, S. 106).
Das Ausmaß der Gewalt ist im Vergleich zu einigen Gebieten des Ostens, Südostens, Südens und Nordens Afghanistans deutlich niedriger. Im Jahr 2018 wurden 259 zivile Opfer (95 Tote und 164 Verletzte) in Herat dokumentiert. Dies entspricht einem Rückgang von 48% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren improvisierten Sprengkörper, gefolgt von Kämpfen am Boden und gezielten Tötungen. In der Provinz Herat kommt es regelmäßig zu militärischen Operationen. Unter anderem kam es dabei auch zu Luftangriffen durch die afghanischen Sicherheitskräfte. In manchen Fällen wurden bei Drohnenangriffen Taliban(anführer) getötet.
Der volatilste Distrikt von Herat ist Shindand, wo es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen rivalisierenden Taliban-Fraktionen kommt, wie auch zwischen den Taliban und regierungsfreundlichen Kräften. Regierungskräfte führten beispielsweise im Dezember 2018 (KP 17.12.2018) und Januar 2019 Operationen in Shindand durch. Obe ist neben Shindand ein weiterer unsicherer Distrikt in Herat: Im Dezember 2018 wurde berichtet, dass die Kontrolle über Obe derzeit nicht statisch sei, sondern sich täglich ändere und sich in einer Pattsituation befinde. Im Juni 2019 griffen die Aufständischen beispielsweise mehrere Posten der Polizei im Distrikt an, und die Sicherheitskräfte führten zum Beispiel Anfang Juli 2019 in Obe Operationen durch. Außerdem kommt es in unterschiedlichen Distrikten immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften, wie z.B in den Distrikten Adraskan, Fersi, Kushk-i-Kohna, Obe, Rabat Sangi, Shindand und Zawol. Auf der Autobahn zwischen Kabul und Herat sowie Herat und Farah werden Reisende immer wieder von Taliban angehalten; diese fordern von Händlern und anderen Reisenden Schutzgelder (LIB 13.11.2019, S. 108 f.).
Was die Nahrungsmittelversorgung anbelangt, ist zu bemerken, dass weit verbreitete Konflikte und die schwere Dürre über 150.000 Menschen gezwungen haben, aus ihren Dörfern im Nordwesten Afghanistans zu fliehen und in der Stadt Herat Schutz zu suchen. Ihr Zustand ist nach wie vor äußerst prekär, da sie mit Nahrungsmittelmangeln und begrenztem Zugang zur Gesundheitsversorgung konfrontiert sind. Die Lebensbedingungen dieser Menschen sind unzureichend und in Bezug auf Unterkünfte, Wasser und sanitäre Einrichtungen besonders schlecht (ACCORD Themendossier zur Sicherheits- und sozioökonomischen Lage in Herat und Masar-e Sharif vom 27.7.2019 S. 11). Das Famine Early Warning System Network (FEWS NET) bewertet die Versorgungslage in der Stadt Herat mit Phase 2 (Phase 1 "Minimal" - 5 "Hungersnot"), wonach die Haushalte nur einen gerade noch angemessenen Lebensmittelverbrauch aufweisen und nicht in der Lage sind, sich wesentliche, nicht-nahrungsbezogene Güter zu leisten, ohne dabei irreversible Bewältungsstrategien anzuwenden (ACCORD Themendossier zur Sicherheits- und sozioökonomischen Lage in Herat und Masar-e Sharif vom 26.11.2019, S. 7).
1.1.2.3. Situation in Mazar-e Sharif
Die Provinz Balkh, deren Hauptstadt Mazar-e Sharif ist, gilt nach wie vor als eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Mazar-e Sharif ist ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut.
In den letzten Monaten versuchen Aufständische der Taliban die nördliche Provinz Balkh aus benachbarten Regionen zu infiltrieren. Drei Schlüsseldistrikte, Zari, Sholagara und Chahar Kant, zählen zu jenen Distrikten, die in den letzten Monaten von Sicherheitsbedrohungen betroffen waren. Die Taliban überrannten keines dieser Gebiete. Es gibt eine Gruppe von rund 50 Kämpfern in der Provinz Balkh, welche mit dem Islamischen Staat sympathisiert. Bei einer Militäroperation im Februar 2019 wurden unter anderem in Balkh IS-Kämpfer getötet.
Im Jahr 2018 wurden 227 zivile Opfer (85 Tote und 142 Verletzte) in Balkh dokumentiert. Dies entspricht einer Steigerung von 76% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von improvisierten Bomben und gezielten Tötungen. Für das Jahr 2018 waren insgesamt 99 zivile Opfer durch Bodenkämpfe in der Provinz verzeichnet worden. In den ersten 6 Monaten konnte ein allgemeiner Anstieg ziviler Opfer verzeichnet werden (LIB 13.11.2019, S. 61 ff.).
Was die Nahrungsmittelversorgung betrifft, bewertet das FEWS NET die Versorgungslage in Mazar-e Sharif mit Phase 2 (Phase 1 "Minimal" - 5 "Hungersnot"), wonach die Haushalte nur einen gerade noch angemessenen Lebensmittelverbrauch aufweisen und nicht in der Lage sind, sich wesentliche, nicht-nahrungsbezogene Güter zu leisten, ohne dabei irreversible Bewältungsstrategien anzuwenden (ACCORD Themendossier zur Sicherheits- und sozioökonomischen Lage in Herat und Masar-e Sharif vom 26.11.2019 S. 7).
1.1.3. Menschenrechtslage
Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen erhebliche Fortschritte gemacht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern nur schwer durchzusetzen (LIB 13.11.2019, S. 264).
Zu den bedeutendsten Menschenrechtsfragen zählen außergerichtliche Tötungen, Verschwindenlassen, willkürliche Verhaftungen, Festnahmen (u. a. von Frauen wegen "moralischer Straftaten") und sexueller Missbrauch von Kindern durch Mitglieder der Sicherheitskräfte. Weitere Probleme sind Gewalt gegenüber Journalisten, Verleumdungsklagen, durchdringende Korruption und fehlende Verantwortlichkeit und Untersuchung bei Fällen von Gewalt gegen Frauen. Diskriminierung von Behinderten, ethnischen Minderheiten sowie aufgrund von Rasse, Religion, Geschlecht und sexueller Orientierung, besteht weiterhin mit geringem Zuschreiben von Verantwortlichkeit. Die weit verbreitete Missachtung der Rechtsstaatlichkeit und die Straffreiheit derjenigen, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben, sind ernsthafte Probleme. Missbrauchsfälle durch Beamte, einschließlich der Sicherheitskräfte, werden von der Regierung nicht konsequent bzw. wirksam verfolgt. Bewaffnete aufständische Gruppierungen greifen mitunter Zivilisten, Ausländer und Angestellte von medizinischen und nicht-staatlichen Organisationen an und begehen gezielte Tötungen regierungsnaher Personen. Regierungsfreundliche Kräfte verursachen eine geringere - dennoch erhebliche - Zahl an zivilen Opfern (LIB 13.11.2019, S. 265).
Ob eine Person bedroht ist, kann nur unter Berücksichtigung regionaler und lokaler Gegebenheiten und unter Einbeziehung sämtlicher individueller Aspekte des Einzelfalls, wie Ethnie, Konfession, Geschlecht, Familienstand und Herkunft, beurteilt werden (Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes vom 2.9.2019, S. 7).
1.1.4. Rekrutierung durch die Taliban
Das Konfliktschema in Afghanistan hat sich seit der Übergangsperiode 2014 verändert: Die Taliban konzentrieren sich seither auf den Aufbau einer professionelleren militärischen Organisation. Das hat Folgen für die Rekrutierung, sowohl im Hinblick auf das Profil der rekrutierten Personen, als auch im Hinblick auf ihre Ausbildung. Religion und die Idee des Dschihad spielen bei der Rekrutierung weiterhin eine bedeutsame Rolle, ebenso die wirtschaftlichen Gegebenheiten. Es sind Fälle von Zwangsrekrutierung dokumentiert, sie bilden allerdings die Ausnahme. Die Rekrutierung durch die Taliban ist nicht durch Zwang, Drohungen und Gewalt gekennzeichnet. Die Veränderungen des Konfliktschemas wirken sich auf die Rekrutierungsstrategien der Taliban aus, sowohl im Hinblick auf das Profil der rekrutierten Personen als auch auf die Ausbildung der Rekruten. Das Profil hat sich insofern verändert, als es sich nun um Personal handelt, das im direkten Konflikt mit dem Feind stehen wird. Das lässt vermuten, dass die Taliban sich aktiver als bisher bemühen, Personal mit militärischem Hintergrund und/oder militärischen Fertigkeiten zu rekrutieren. Die Mitglieder werden auf der Grundlage ihrer Beziehung, ihres Rufes und ihrer Position von den Kommandanten persönlich rekrutiert. Ohne Zustimmung der Familie, insbesondere des Familienoberhaupts, wird für gewöhnlich nicht rekrutiert. Diejenigen zwischen 15 und 18 Jahren, die den Taliban eingegliedert werden, werden vermutlich nur nach Einsatzfähigkeit und Qualifikationen beurteilt, d.h. man wird mobilisiert, wenn man als tauglich befunden wird (Landinfobericht 2017 zur Rekrutierung durch die Taliban, S. 20 - 27).
Regierungsfeindliche Kräfte nutzen in Gebieten, in denen sie die tatsächliche Kontrolle über das Territorium und die Bevölkerung ausüben, verschiedene Methoden zur Rekrutierung von Kämpfern, einschließlich Maßnahmen unter Einsatz von Zwang. Aufständische Gruppen blieben auch weiterhin die Haupttäter bei der Rekrutierung und dem Einsatz von Kindern. Personen, die sich der Rekrutierung widersetzen, sind ebenso wie ihre Familienmitglieder gefährdet, getötet oder bestraft zu werden. Die Rekrutierer bedienen sich dabei skrupelloser Herangehensweisen. Regierungsfeindliche Kräfte rekrutieren weiterhin Kinder, um sie für Selbstmordanschläge, als menschliche Schutzschilde oder für die Beteiligung an aktiven Kampfeinsätzen zu verwenden, um Sprengsätze zu legen, Waffen und Uniformen zu schmuggeln sowie als Spione, Wachposten oder Späher für die Aufklärung (UNHCR-Richtlinien vom 30.8.2018, S. 7f.)
Die Rekrutierung durch die Taliban läuft hauptsächlich über bestehende traditionelle Netzwerke und organisierte Aktivitäten im Zusammenhang mit religiösen Institutionen. Layha, der Verhaltenskodex der Taliban enthält einige Bestimmungen über verschiedene Formen der Einladung sowie Bestimmungen, wie sich die Kader verhalten sollen, um Menschen zu gewinnen und Sympathien aufzubauen. Eines der Sonderkomitees der Quetta Schura ist für die Rekrutierung verantwortlich. In Gebieten, in denen regierungsfeindliche Gruppen Kontrolle ausüben, gibt es eine Vielzahl an Methoden, um Kämpfer zu rekrutieren, darunter auch solche, die auf Zwang basieren. Die Zwangsmaßnahmen können auch andere schwerwiegende Maßnahmen beinhalten und gegen Dritte, beispielsweise Familienmitglieder, gerichtet sein. Auch wenn jemand keinen Drohungen oder körperlichen Übergriffen ausgesetzt ist, können Faktoren wie Armut, kulturelle Gegebenheiten und Ausgrenzung die Unterscheidung zwischen freiwilliger und zwangsweiser Beteiligung zum Verschwimmen bringen. Die Taliban haben keinen Mangel an freiwilligen Rekruten und machen nur in Ausnahmefällen von Zwangsrekrutierung Gebrauch. Druck und Zwang, den Taliban beizutreten, sind jedoch nicht immer gewalttätig (LIB 13.11.2019, S. 261).
Personen, die aus Afghanistan fliehen, können einem Verfolgungsrisiko aus Gründen ausgesetzt sein, die mit einem fortwährenden Konflikt in Afghanistan oder mit schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen, die nicht in direkter Verbindung zum Konflikt stehen, zusammenhängen oder auf Grund einer Kombination aus beiden Gründen. Männer im wehrfähigem Alter und Kinder im Kontext von Minderjährigen- und Zwangsrekrutierung können je nach spezifischen Umständen des Falls Risikoprofilen entsprechen (UNHCR-Richtlinien vom 30.8.2018, S. 59f). Ausweichmöglichkeiten für diskriminierte, bedrohte oder verfolgte Personen hängen maßgeblich vom Grad ihrer sozialen Verwurzelung, ihrer Ethnie und ihrer finanziellen Lage ab (Bericht des deutschen Außenamtes vom 2.9.2019, S. 22).
Zwangsrekrutierungsversuche der Taliban, nämlich junge Leute zu zwingen, mit ihnen zusammenzuarbeiten, bleiben lokal beschränkt, wenn es keine Feindschaft zwischen den Taliban und den betroffenen Personen gibt. D.h. In Bezug auf Personen, die vor den Taliban in die Großstädte flüchteten, ist deren Verfolgung für die Taliban uninteressant, weil diese Aktion kostspielig und für die Taliban mit großem Risiko verbunden ist (Auszug aus einem Sachverständigen-Gutachten zu W172 2161730-1/25E und W172 2161730-2/12E).
1.1.5. Dolmetscher im Dienst ausländischer Streitkräfte
Kollaborateure ausländischer Streitkräfte - unter Umständen jeder, der ausländische Streitkräfte unterstützt - sowie Dolmetscher, die für andere, den Taliban feindlich gesinnte Länder arbeiten, wurden von den Taliban als "unartig" betrachtet und deshalb wiederholt angegriffen. Afghanische Zivilisten, die u.a. als Dolmetscher oder in anderen zivilen Funktionen arbeiteten, wurden von regierungsfeindlichen Kräften bedroht und angegriffen. Letztere gehen auch gegen ehemalige Mitarbeiter der internationalen Streitkräfte vor (UNHCR-Richtlinien 2018 S. 45f.). Dolmetscher, Wachen, Logistiker, Küchenpersonal oder zivile Unternehmer, die für ausländische Streitkräfte arbeiten, gehören zu den prioritären Zielen der Taliban (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 12.9.2019 S. 10).
1.2.1. Zur Person des Beschwerdeführers und zu seinen Fluchtgründen:
Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Hazara an und bekennt sich zum schiitisch-muslimischen Glauben. Er wuchs in Kabul auf, besuchte die Schule und die Universität. Zunächst arbeitete er als Englisch-Lehrer an einer Hochschule, dann als Lehrer bei der afghanischen National-Armee, wo er Soldaten in Mathematik, Dari und Englisch unterrichtete. Von 2012 bis 2014 war er in einem Camp in Kashaki sowie in einem Camp in Helmand als Dolmetscher für die US-amerikanischen Streitkräfte tätig. Er beendete seine Tätigkeit als Dolmetscher, nachdem zwei weitschichtige Verwandte bei Anschlägen der Taliban ums Leben kamen.
Im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan wäre der Beschwerdeführer als eine Person, die für die US-amerikanischen Streitkräfte als Dolmetscher gearbeitet hat, vorrangiges Ziel von Verfolgungs- bzw. Vergeltungshandlungen der Taliban.
2. Diese Feststellungen gründen auf folgender Beweiswürdigung:
2.1.1. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
Die Länderfeststellungen beruhen auf den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten. Das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation basiert auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger unbedenklicher Quellen und gewährleistet einen in den Kernaussagen schlüssigen Überblick über die aktuelle Lage in Afghanistan.
Die Länderfeststellungen zur Gefährdungslage von Dolmetschern im Speziellen stützen sich auf die UNHCR-Richtlinien sowie auf einen jüngst erschienenen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe. Soweit die Gefährdung afghanischer Dolmetscher und anderer Mitarbeiter der US-Streitkräfte nach den Länderfeststellungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid dahingehend dargestellt wurde, dass "Anfeindungen" dieser Personengruppe "üblich" und "tätliche Übergriffe" auch als Ausdruck von "Missgunst" wegen verhältnismäßig guter Versorgung und Verpflegung der Mitarbeiter im Dienste der ausländischen Streitkräfte "vorkommen" würden (AS 164), ist Folgendes zu bemerken: Zum Einen lassen diese Ausführungen die Frage der Verfolgung von "Kollaborateuren" durch die Taliban unbeantwortet, da durch Missgunst motivierte Übergriffe gewiss nicht auf die Taliban zurückzuführen sein werden. Zum anderen wird im angefochtenen Bescheid darauf hingewiesen, dass "das Argument der Gefahr" bei lokalen Dolmetschern nach einer gewissen Zeit durch das Angebot, mit den Truppen in die USA zu übersiedeln, "behoben" worden sei (AS 164). Im Übrigen erscheint die von der belangten Behörde herangezogene Quelle, die vom November 2014 stammt, schon im Bescheiderlassungszeitpunkt als veraltet. Umso mehr muss dies für den gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt gelten.
Die UNHCR-Richtlinien sowie der Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe sind nicht nur aktuell und erscheinen auch in ihrer Zusammenschau plausibel, sie stützen sich ihrerseits auf weitere namhafte Quellen: So zitiert der Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe die EASO Country Guidance vom Juni 2019 sowie das deutsche Bundeswehrjournal vom August 2019, in dem von hunderten von lokalen Mitarbeitern berichtet wird, die nach ihrer Tätigkeit für die deutsche Bundeswehr vor Ort nach Deutschland übersiedelt seien. Der letztere Bericht verdeutlicht auch (und stimmt damit auch mit den diesbezüglichen Ausführungen von UNHCR überein), dass die Beendigung der Tätigkeit für ausländische Streitkräfte nicht zwangsläufig zur Abnahme der Gefährdungslage für lokale Mitarbeiter führt (vgl. in diesem Zusammenhang auch VfGH 25.2.2020, E 315/2019, sowie BVwG 26.3.2020, W204 2138973-1). Die oben zitierten Berichte lassen insgesamt den Schluss zu, dass die Verfolgungsgefährdung für Dolmetscher jedenfalls seit 2014 zugenommen hat.
An dieser Einschätzung vermögen auch die jüngst stattgefundenen Friedensgespräche zwischen den Taliban und der USA nichts zu ändern, da die Zahl der Gewaltakte landesweit keineswegs signifikant zurückgegangen ist (siehe oben 1.1.1.). Die vielerorts sehr vorsichtige bzw. skeptische Einschätzung der Lage in Afghanistan lässt die Annahme einer nachhaltigen Befriedung - und damit einer Abnahme der Gefährdung (ehemals) für die US-amerikanischen Streitkräfte tätiger Dolmetscher - im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu. Aktuell ist daher weiterhin vom unveränderten Fortbestehen der Bedrohungssituation sowie ferner davon auszugehen, dass afghanische Beschäftigte ausländischer Sicherheitskräfte, nach wie vor zu den "prioritären" Zielen der Taliban zählen.
2.2. Zur Person des Beschwerdeführers und zu seinen Fluchtgründen:
2.2.1. Die Feststellungen zur Nationalität, Religion- und Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers zu seinen Aufenthaltsorten und jenen seiner Familienangehörigen gründen auf den insoweit unbedenklichen Angaben des Beschwerdeführers. Dies gilt auch für die Feststellungen hinsichtlich seiner Erwerbstätigkeit in Afghanistan sowie seiner Lebenssituation derzeit in Österreich (siehe insbesondere AS 83 und 87; S. 3 ff. der Verhandlungsniederschrift).
2.2.2. Was seine Tätigkeit als Dolmetscher für die US-amerikanischen Streitkräfte im Besonderen betrifft, hat der Beschwerdeführer nicht nur überzeugende Angaben in seiner Einvernahme vor der belangten Behörde über seine Beschäftigung und seinen Alltag in zwei näher genannten Camps in Kashaki bzw. in Helmand gemacht (AS 75 f.). Er hat auch Unterlagen und Fotografien vorgelegt (AS 87 ff.), wobei die Daten der vorgelegten Dokumente mit den Angaben des Beschwerdeführers in seiner Einvernahme sich miteinander in Einklang bringen lassen. Die Schilderungen des Beschwerdeführers in seiner Einvernahme waren konkret, widerspruchsfrei und plausibel, wobei die Glaubwürdigkeit verstärkte, dass der Beschwerdeführer in seinen Angaben nicht den Eindruck erweckte, die Bedeutung seiner Tätigkeit für die amerikanischen Streitkräfte aus verfahrenstaktischen Gründen überzubetonen. Die belangte Behörde hat keine Zweifel an der Richtigkeit des diesbezüglichen Vorbringens des Beschwerdeführers geäußert und die Angaben des Beschwerdeführers über seine Dolmetscher-Tätigkeit den Feststellungen zugrunde gelegt. Das Bundesverwaltungsgericht erachtet diese Feststellungen aufgrund des Verwaltungsaktes in seiner Gesamtheit als unbedenklich und die diesbezüglichen Ausführungen des Beschwerdeführers als glaubwürdig.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1 Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates oder wegen Schutzes in einem EWR-Staat oder in der Schweiz zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist).
Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist ein Flüchtling, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist somit die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 5.9.2016, Ra 2016/19/0074 uva.).
Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (vgl. VwGH 10.6.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.2.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.1.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 mwN).
Die Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht" vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.3.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.6.2007, 2006/19/0265 mwN).
Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht gemäß § 3 AsylG 2005 setzt positiv getroffene Feststellungen von Seiten der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 11.6.1997, 95/01/0627). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers die zentrale Entscheidungsgrundlage dar. Dabei genügen aber nicht bloße Behauptungen, sondern bedarf es, um eine Anerkennung als Flüchtling zu erwirken, hierfür einer entsprechenden Glaubhaftmachung durch den Asylwerber (vgl. VwGH 4.11.1992, 92/01/0560). Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.5.2006, 2005/17/0252). Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel am Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen.
3.1.2. Es ist dem Beschwerdeführer gelungen, (drohende) Verfolgung glaubhaft zu machen: Der Beschwerdeführer hat - gemäß seinen glaubwürdigen und den Feststellungen zugrunde gelegten Aussagen - von 2012 bis 2014 als Dolmetscher für die US-amerikanischen Streitkräfte gearbeitet. Wie den Länderfeststellungen zu entnehmen ist, gelten Personen, die als Dolmetscher für die ausländischen Streitkräfte tätig sind bzw. waren, als "prioritäres Ziel" regierungsfeindlicher Kräfte, wie insbesondere der Taliban. Dies unterscheidet den vorliegenden Fall etwa von jenem, der dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6.4.2020, Ra 2019/01/0443, zugrunde lag, in dem eine sich Rekrutierungsversuchen der Taliban widersetzende Person nicht als "high value target" mit landesweiter Verfolgungsgefährdung qualifiziert wurde (zur Fallgruppe lokaler Dolmetscher im Dienste ausländischer Streitkräfte siehe überdies VfGH 25.2.2020, E 315/2019).
Die befürchtete (und in ihrer Intensität und Konsequenz massive) Verfolgung gründet auf der Unterstellung einer feindlichen politisch-religiösen Gesinnung des Verfolgten, da die Taliban mit der Tätigkeit für ausländische Streitkräfte zwangsläufig dem Betreffenden eine Gesinnung unterstellen, die sie als ihren Grundsätzen gegenüber feindlich interpretieren.
Eingedenk der getroffenen Feststellungen über die Sicherheitslage und die Ausbreitung regierungsfeindlicher Kräfte kann im vorliegenden Fall nicht angenommen werden, dass sich der Beschwerdeführer in Afghanistan in zumutbarer Weise niederlassen und eine Existenzgrundlage schaffen könnte, ohne dass durch seine sozialen Kontakte und allenfalls über seine familiären Anknüpfungspunkte regierungsfeindliche Kräfte Kenntnis von der früheren Tätigkeit des Beschwerdeführers für die US-amerikanischen Streitkräfte erlangen (siehe dazu auch ausführlich der Beschwerdeführer auf AS 81). In diesem Kontext ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Fallkonstellation lokaler Dolmetscher bei ausländischen Sicherheitskräften nicht um eine Personengruppe von nachrangiger Bedeutung handelt, sondern um Personen, die - gemäß den Länderfeststellungen - "prioritäres Ziel" der Verfolgung durch die Taliban sind. Mit dieser "Priorisierung" der Verfolgung von Dolmetschern durch die Taliban kommt eine Gewichtung der Tätigkeit dieser Personengruppe zum Ausdruck, die von Taliban offensichtlich vorgenommen wird. Sie lässt auch den Schluss nicht zu, dass der Umstand, wonach die Übersetzungstätigkeit des Beschwerdeführers mittlerweile schon einige Zeit zurückliegt, die Verfolgungsgefahr (in ihrer Aktualität) relativieren könnte. Aus diesem Grund kann die Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative im gegenständlichen Verfahren ebenfalls nicht in Betracht gezogen werden. Ausreichender Schutz durch staatliche Stellen kann in dieser allgemeinen Situation auch nicht erwartet werden.
Im vorliegenden Fall ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer aus Furcht vor ungerechtfertigten Eingriffen von erheblicher Intensität aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes seines Herkunftsstaates zu bedienen. Im Verfahren sind weder Ausschluss- noch Endigungsgründe iSd Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK hervorgekommen.
Zur - bereits oben erörterten - Aktualität der Verfolgung ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass die in den Länderfeststellungen erwähnten Friedensgespräche, die zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung nach der Einigung der Taliban mit der USA zwischenzeitlich stattfinden, die Zahl der Gewaltakte landesweit keineswegs signifikant zurückgehen hat lassen. Die allgemeine Einschätzung der Fragilität der Lage in Afghanistan lässt die Annahme einer nachhaltigen Befriedung nicht zu, weshalb im Entscheidungszeitpunkt vom unveränderten Fortbestehen der Bedrohungssituation - soweit sie im vorliegenden Verfahren entscheidungsrelevant ist - und auch in dieser Hinsicht von der Aktualität der verfolgungsrelevanten Befürchtungen nach wie vor ausgegangen werden muss (VfGH 25.2.2020, E 315/2019, sowie BVwG 26.3.2020, W204 2138973-1).
Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.
Bei diesem Ergebnis konnte die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung gemäß § 24 Abs. 2 iVm Abs. 4 VwGVG entfallen. Die belangte Behörde hatte bereits mit der Beschwerdevorlage ausdrücklich auf die Durchführung einer Verhandlung verzichtet. Überdies ist auch der maßgebliche Sachverhalt geklärt: Dass der Beschwerdeführer als Dolmetscher für die US-amerikanischen Streitkräfte von 2012 bis 2014 tätig war, blieb im Verfahren unbestritten, und das diesbezügliche Vorbringen wurde von der belangten Behörde den Feststellungen im angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt. Auch das Bundesverwaltungsgericht erachtet diese Angaben nach eingehender Prüfung des Verwaltungsaktes als absolut glaubwürdig und hat keine Bedenken gehabt, die diesbezügliche Feststellung der belangten Behörde zu übernehmen (siehe oben 2.2.2.). Soweit die belangte Behörde keine Gefährdung des Beschwerdeführers aufgrund seiner früheren Tätigkeit für die US-amerikanischen Streitkräfte angenommen hat, stützte sie sich auf veraltete (bzw. nicht hinreichende) Länderberichte, die durch das Bundesverwaltungsgericht durch aktuellere Berichte ersetzt werden konnte (siehe dazu oben 2.1.1.). Zu den insgesamt unbedenklichen Länderberichten über die Gefährdung lokaler Dolmetscher im Dienste ausländischer Kräfte in Afghanistan wurde der belangten Behörde im schriftlichen Weg ausreichend Parteiengehör (u.U. mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die Gefährdungsthematik im vorliegenden Fall und die diesbezüglichen in der Länderberichtszusammenfassung enthaltenen Ausführungen von UNHCR) gewährt.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Eine Revision gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt:
Entscheidend für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten war die Einschätzung der Gefährdungslage ehemaliger lokaler Dolmetscher im Dienste ausländischer Streitkräfte in Afghanistan. Dabei handelt es sich somit um eine Sachverhaltsfrage, die keine grundsätzliche Rechtsfrage darstellt.
Schlagworte
asylrechtlich relevante Verfolgung Dolmetscher Schutzunfähigkeit unterstellte politische Gesinnung wohlbegründete FurchtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W110.2196164.1.00Im RIS seit
10.09.2020Zuletzt aktualisiert am
10.09.2020