Entscheidungsdatum
26.05.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W123 2130324-2/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Michael ETLINGER über die Beschwerde des kosovarischen Staatsangehörigen XXXX , geb. am XXXX , vertreten durch RA Mag. Robert BITSCHE, gegen den Spruchpunkt III. des Bescheids des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 26.02.2020, Zl. 371191004-200221964, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer wurde am 25.12.2020 im Bundesgebiet aufgrund einer Fahrzeug- und Lenkerkontrolle angehalten. Dabei legitimierte er sich mittels slowenischem Führerscheins bzw. slowenischem Aufenthaltstitel. Durch die Exekutivbeamten wurde die Totalfälschung der beiden Dokumente festgestellt.
2. Am 26.02.2020 fand die Einvernahme des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde statt. Die Niederschrift lautete auszugsweise:
"[...]
Aufgrund einer Fahrzeug und Lenkerkontrolle wurden Sie am 25.02.2020 angehalten. Sie legitimierten sich mittels slowenischem Führerschein sowie einem slowenischen Aufenthaltstitel. Durch die Exekutivbeamten wurde die Totalfälschung Ihrer beiden Dokumente festgestellt.
F: Was sagen Sie dazu?
A: Ich habe die Fälschung um 700? gekauft.
[...]
F: Wo beziehen Sie seit Ihrer letzten Einreise Unterkunft?
A: Ich wohne bei Freunden.
[...]
F: Wo arbeiten Sie in Österreich?
A: Nein, ich arbeite nicht. Bin nur mit dem Auto von einem Freund gefahren.
F: Haben Sie nahe Angehörige im Bundesgebiet?
A: Mein Vater und meine Schwester leben in Österreich. Meine Mutter lebt im Kosovo.
F: Wo wohnen Sie Kosovo?
A: XXXX .
F: Welche Familienangehörigen von Ihnen wohnen in Kosovo?
A: Meine Mutter. Ich habe 3 Kinder. Ein Kind lebt im Kosovo und zwei Kinder wurden von Schwester adoptiert.
F: Was arbeiten Sie in Kosovo/Wovon leben Sie?
A: Ich arbeite nicht, mein Vater schickt aus Österreich Geld. Manchmal arbeite ich schwarz im Kosovo.
F: Wie viel Geld hatten Sie bei Ihrer Einreise, wie viel Bargeld haben Sie jetzt?
A: Mit ? 300 bin ich eingereist und jetzt habe ich 140?. Befragt gebe ich an, dass ich morgen ausreisen wollte.
F: Mit wie viel Geld bestreiten Sie in Serbien Ihren Lebensunterhalt?
A: Ungefähr 600?.
F: Warum und wie sind Sie nach Wien gekommen?
A: Mit dem Auto.
[...]"
3. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG kein Aufenthaltstitel erteilt und gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.) und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.) und der Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).
4. Mit Schriftsatz vom 19.03.2020 erhob der Beschwerdeführer hinsichtlich Spruchpunkt III. fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde. Begründend führte der Beschwerdeführer zusammenfassend aus, dass die Erlassung eines Einreiseverbotes in der Dauer von drei Jahren sich als wesentlich überhöht und nicht angemessen erweise. Tatsache sei, dass der Beschwerdeführer nachhaltig in Österreich verwurzelt sei. Dieser wohne gemeinsam mit seinem Vater und der Schwester im gemeinsamen Haushalt und stehe zu diesen in einem finanziellen Abhängigkeitsverhältnis. Zudem habe der Beschwerdeführer im bisherigen Verfahren angegeben, dass er seinen Vater pflege und betreue, da dieser an Bluthochdruck und Depressionen leide. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass gegen den Beschwerdeführer zuletzt ebenfalls ein Einreiseverbot wegen einer gerichtlichen Verurteilung ausgesprochen worden sei, dies aber mit 18 Monaten, sohin mit einer wesentlich kürzeren Dauer. Dieses Einreiseverbot sei auch bereits abgelaufen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Kosovo und im Besitz eines gültigen Personalausweises. Seine Identität steht fest.
Der Beschwerdeführer wurde aufgrund einer Fahrzeug- und Lenkerkontrolle am 25.02.2020 im Bundesgebiet angehalten. Er legitimierte sich mittels gefälschtem slowenischen Führerschein sowie mittels gefälschtem slowenischen Aufenthaltstitel. Die gefälschten Dokumente kaufte der Beschwerdeführer um EUR 700,00. Der Beschwerdeführer ist nicht im Bundesgebiet gemeldet.
Der Beschwerdeführer ist ca. Mitte Oktober 2019 letztmalig in das Bundesgebiet eingereist und wohnte in dieser Zeit bei Freunden. Bei seiner Einreise besaß er EUR 300,00, im Zeitpunkt der Befragung durch die belangte Behörde EUR 140,00. Der Beschwerdeführer arbeitete in dieser Zeit nicht in Österreich und wohnte bei Freunden.
Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Er hat keinen österreichischen Aufenthaltstitel. Der Beschwerdeführer hat drei Kinder. Die Mutter des Beschwerdeführers sowie ein Kind leben in Kosovo. Der Vater und die Schwester des Beschwerdeführers leben in Österreich. Der Beschwerdeführer geht in Kosovo keiner Arbeit nach. Sein Vater schickt ihm aus Österreich Geld. Gelegentlich arbeitet der Beschwerdeführer schwarz im Kosovo. Der Beschwerdeführer bestreitet mit ca. EUR 600,00 seinen Lebensunterhalt im Kosovo.
Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich nicht unbescholten: Er wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen für Wien am 06.02.2017 gemäß §§ 127, 128, 129 und 130 iVm § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 16 Monaten bedingt (Probezeit drei Jahre), rechtskräftig verurteilt.
Die Staatsanwaltschaft erhob am 21.04.2020 Anklage gegen den Beschwerdeführer wegen §§ 223 (2) und 224 StGB.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in einem gemeinsamen Haushalt mit seinem Vater und seiner Schwester in Österreich lebt. Ebenso konnte nicht festgestellt werden, dass der Vater des Beschwerdeführers krank ist und der Pflege durch den Beschwerdeführer bedarf.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG. Entscheidungswesentliche Widersprüche liegen nicht vor. Die Angaben des Beschwerdeführers bei der Einvernahme vor der belangten Behöre waren grundsätzlich schlüssig und plausibel und können der Entscheidung daher zugrunde gelegt werden.
Die Identität des Beschwerdeführers wurde durch den vorliegenden Personalausweis belegt. In Bezug auf die Verwendung von gefälschten slowenischen Ausweisen war der Beschwerdeführer geständig; die entsprechenden Feststellungen ergeben sich auch aus dem polizeilichen Amtsvermerk vom 25.02.2020 (vgl. AS 3 f).
Abgesehen von der Tatsache, dass der Vater und die Schwester des Beschwerdeführers in Österreich leben, sind keine Hinweise auf eine Integration des Beschwerdeführers zutage getreten. Insbesondere konnte - entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde - der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen, dass er mit seinem Vater und seiner Schwester im gemeinsamen Haushalt wohnt (vgl. dazu die eigenen Aussagen des Beschwerdeführers in der Befragung vom 26.02.2020, wonach er in Österreich "bei Freunden" gewohnt habe.). Ferner konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen, dass er seinen Vater pflegen müsse, da dieser an Bluthochdruck und Depression leiden würde. Der Beschwerdeführer wurde im Zuge der Einvernahme vor der belangten Behörde ausdrücklich nach den Gründen, warum er nach Wien gekommen sei befragt, gab jedoch lediglich an, dass er "mit dem Auto" gekommen sei. Weitere Auskünfte (nach dem warum) erteilte der Beschwerdeführer nicht.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer über lediglich EUR 140,00 an Bargeld verfügt, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben in der Einvernahme durch die belangte Behörde.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Zu den Spruchpunkten I. bis II. sowie V. und VI. des angefochtenen Bescheides:
3.1. Im gegenständlichen Fall wurde ausschließlich und ausdrücklich gegen das im angefochtenen Bescheid in Spruchpunkt III. erlassene Einreiseverbot Beschwerde erhoben. Damit erwuchsen die Spruchpunkte I. bis II. sowie IV. und V. in Rechtskraft.
Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides (Einreiseverbot):
Gemäß § 53 Abs. 1 und 2 FPG kann das BFA mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands und des Vereinigten Königreichs), Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, erlassen, wenn der Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig von seinem bisherigen Verhalten. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. § 53 Abs. 2 FPG enthält eine demonstrative Aufzählung von Tatbeständen, deren Vorliegen eine Gefährdung öffentlicher Interessen indiziert. Dies ist demnach z.B. dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag (§ 53 Abs. 2 Z 6 FPG). In diesem Fall kann ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens fünf Jahren erlassen werden.
Ein Einreiseverbot ist dann zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Aufenthalt stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Dabei ist sowohl für die Frage, ob überhaupt ein Einreiseverbot zu verhängen ist, als auch für die Bemessung seiner Dauer eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose vorzunehmen, in die das Gesamtverhalten des oder der Betroffenen einzubeziehen ist. Aufgrund konkreter Feststellungen ist eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick worauf die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt ist. Es ist weiters in Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, ob private oder familiäre Interessen der Verhängung eines Einreiseverbots in der konkreten Dauer entgegenstehen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10, 12; vgl auch VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289).
Aufgrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer über unzureichende Barmittel verfügt, resultiert die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, weshalb im Fall des Fehlens ausreichender Unterhaltsmittel die Annahme einer Gefährdung im Sinn des § 53 Abs. 2 FPG gerechtfertigt ist (VwGH 19.12.2018, Ra 2018/20/0309). Da dem Beschwerdeführer neben dem Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel auch zur Last fällt, dass er gefälschte Ausweisdokumente verwendete und so versuchte, eine unrichtige Identität als EWR-Bürger vorzutäuschen, geht von ihm eine signifikante Gefährdung öffentlicher Interessen aus.
Private oder familiäre Interessen des Beschwerdeführers stehen der Verhängung eines bis zu fünfjährigen Einreiseverbots nicht entgegen. Es bestehen keine signifikanten privaten, sozialen, beruflichen oder gesellschaftlichen Anknüpfungen in Österreich oder anderen Vertragsstaaten. Er hat starke Bindungen zu seinem Heimatstaat Kosovo, wo insbesondere seine Mutter und ein Kind lebt. Entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde ist auch im Verfahren nicht hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer in einem gemeinsamen Haushalt mit seinem Vater und seiner Schwester leben würde bzw. dass der Vater des Beschwerdeführers auf die Hilfe des Beschwerdeführers in Österreich unabdingbar angewiesen wäre. Vielmehr gab der Beschwerdeführer in der Einvernahme an, dass sein Vater und seine Schwester in Österreich leben würden, womit aber davon ausgegangen werden kann, dass selbst bei Zutreffens der Behauptung in der Beschwerde, wonach der Vater des Beschwerdeführers pflegebedürftig wäre, der Vater auf die (dauernde) Unterstützung der Schwester des Beschwerdeführers zurückgreifen kann.
Entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde, wonach ein Abhängigkeitsverhältnis des Vaters gegenüber dem Beschwerdeführer bestünde, ist aufgrund der eigenen Aussagen des Beschwerdeführers vielmehr hervorgetreten, dass der Beschwerdeführer auf seinen Vater - zumindest in finanzieller Hinsicht - angewiesen ist, da der Vater dem Beschwerdeführer aus Österreich Geld schickt (vgl. Aussagen in der Einvernahme am 26.02.2020).
Aufgrund des unrechtmäßigen Aufenthalts und der Verwendung gefälschter Dokumente sind dem Beschwerdeführer Verstöße gegen die öffentliche Ordnung im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 7 BFA-VG anzulasten. Zudem ist im Sinne des Art. 8 EMRK auch auf die strafrechtliche Verurteilung aus dem Jahr 2017, die noch nicht getilgt ist, hinzuweisen.
Im Ergebnis sind somit die Voraussetzungen für die Erlassung eines maximal fünfjährigen Einreiseverbots erfüllt, zumal der Beschwerdeführer den Kontakt zu seinen in Österreich lebenden Angehörigen durch Kommunikationsmittel wie Internet oder Telefon sowie bei Besuchen in Kosovo oder in anderen Staaten, für die das Einreiseverbot nicht gilt, pflegen kann. Die Dauer des Einreiseverbots von drei Jahren ist im Hinblick auf die Verstöße gegen die öffentliche Ordnung sowie unter Einbeziehung der Vorstrafe des Beschwerdeführers auch nicht als unangemessen oder wesentlich überhöht zu qualifizieren, zumal das Maximalausmaß von fünf Jahren seitens der belangten Behörde ohnedies nicht verfügt wurde.
Zum Entfall einer Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Der Sachverhalt ist im Gegenstand aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt, weshalb gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte. Eine mündliche Verhandlung wurde seitens des Beschwerdeführers auch nicht beantragt.
Zu B)
Die Revision ist nicht zu zulassen, weil das Bundesverwaltungsgericht keine qualifizierte Rechtsfrage iSd Art 133 Abs. 4 B-VG zu lösen hatte und sich an der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientieren konnte. Die bei der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vorzunehmende Interessenabwägung und die Erstellung einer Gefährdungsprognose können jeweils nur im Einzelfall beurteilt werden (vgl. VwGH 10.07.2019, Ra 2019/19/0186).
Schlagworte
Einreiseverbot Gefährlichkeitsprognose illegaler Aufenthalt Mittellosigkeit strafrechtliche VerurteilungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W123.2130324.2.00Im RIS seit
10.09.2020Zuletzt aktualisiert am
10.09.2020