TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/6 W282 2229611-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.05.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

06.05.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W282 2229611-3/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Florian KLICKA, BA als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl: XXXX , über die weitere Anhaltung von XXXX, geb. XXXX, StA. Marokko, in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 27.09.2019 während seiner Strafhaft einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, der mit Bescheid vom 08.11.2019 vom Bundesamt und die Beschwerde hiergegen am 18.12.2019 vom Bundesverwaltungsgericht vollinhaltlich abgewiesen wurde.

2. Es besteht gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 20.11.2019 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

3. Der Beschwerdeführer wird seit 25.11.2019 in Schubhaft angehalten.

4. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.03.2020, W137 2229611-1/5E sowie vom 10.04.2020, W140 2229611-2/5E, wurde gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft des Beschwerdeführers überprüft und festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

5. Das Bundesamt legte dem Bundesverwaltungsgericht am 30.04.2020 die Akten gemäß §22a BFA-VG zur neuerlichen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat von Amts wegen erwogen:

1. Feststellungen:

Folgende Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in den Erkenntnissen vom 18.03.2020 und 10.04.2020. werden festgestellt:

"Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer (BF) ist marokkanischer Staatsangehöriger. Er durchlief in Österreich (und anderen Ländern) unter tatsachenwidrigen Angaben zu seiner Identität asyl-und fremdenrechtliche Verfahren.

2. Nach einem Fingerabdruck-Vergleich durch Interpol Rabat/Marokko und die damit verbundene Abklärung seiner Identität wurde über den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 20.11.2019 die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG im unmittelbaren Anschluss an eine laufende Strafhaft angeordnet. Begründet wurde dies mit der Straffälligkeit des Beschwerdeführers, die Verschleierung der Identität, einer wahrscheinlich beabsichtigten Weiterreise in einen dritten Staat sowie der fehlenden Verankerung im Bundesgebiet.

3. Währen dieser Anhaltung wurde sein Antrag auf internationalen Schutz vom 27.09.2019 mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt/BFA) vom 08.11.2019 vollinhaltlich abgewiesen und mit einer Rückkehrentscheidung in den Herkunftsstaat Marokko verbunden. Das Bundesverwaltungsgericht hat die diesbezügliche Beschwerde mit Erkenntnis vom 18.12.2019, I405 2226400-1/6E als unbegründet abgewiesen; diese Entscheidung erwuchs im Dezember 2019 in Rechtskraft. Gegen diese Entscheidung wurde kein (außerordentliches) Rechtsmittel an den Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof eingebracht.

4. Am 16.03.2020 langte der Verfahrensakt zur amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 22 Abs. 4 BFA-VG beim Bundesverwaltungsgericht ein. In einem beiliegenden Schreiben führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass das HRZ-Verfahren noch im Laufen sei und verwies auf die Straffälligkeit des Beschwerdeführers sowie das bewusste Verschleiern der Identität. Zuletzt sei für den Einzelfall am 26.02.2020 schriftlich urgiert worden. Die Botschaft habe die Unterlagen zur Prüfung nach Marokko übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Betreffend den Beschwerdeführer liegt eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung hinsichtlich seines Herkunftsstaates Marokko vor. Dem Beschwerdeführer kommt kein faktischer Abschiebeschutz zu. Das im November 2019 eingeleitete HRZ-Verfahren ist aktuell noch im Laufen und bewegt sich im üblichen Zeitrahmen hinsichtlich des hier relevanten Herkunftsstaates. Das Bundesamt hat regelmäßig urgiert - in Folge einer Einzelurgenz am 26.02.2020 wurde die Zusage der Überprüfung der Identitätsdaten des Beschwerdeführers in Marokko erwirkt. Diese ist derzeit im Laufen und kann voraussichtlich in wenigen Monaten abgeschlossen werden.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich seit (mindestens) 02.05.2018 ausschließlich in Justizanstalten und Polizeianhaltezentren gemeldet. Seit diesem Zeitpunkt ist er nicht mehr in Freiheit. Der Beschwerdeführer zeigte sich während seiner beiden Asylverfahren in Österreich nicht kooperativ und machte bewusst tatsachenwidrige Angaben zu seiner Identität (Name, Geburtsdatum) sowie zu seinem Herkunftsstaat. Die nunmehr im Spruch festgehaltene Identität beruht auf einer Auskunft von Interpol Rabat/Marokko.

Das Bundesamt hat die gesetzlich vorgesehene Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt und entsprechende Aktenvermerke verfasst. Der Beschwerdeführer wurde wegen der Begehung von (qualifizierten) Vermögensdelikten im Februar 2018 zunächst zu einer teilbedingten und im Mai 2018 wegen der Begehung eines Gewaltdeliktes zu einer unbedingten (15 Monate) Freiheitsstrafe verurteilt. Der bedingt nachgesehene Teil der ersten Freiheitsstrafe wurde gleichzeitig widerrufen.

Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht weiterhin. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand - kooperatives Verhalten des Beschwerdeführers vorausgesetzt - mit wenigen Monaten einzustufen. Eine Abschiebung im Sommer 2020 ist jedenfalls realistisch. Das Erfordernis einer HRZ-Ausstellung und die dadurch bedingte Anhaltedauer sind allein dem Beschwerdeführer zuzurechnen.

Zum angeführten realistischen Abschiebezeitpunkt ist auch damit zu rechnen, dass die gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit Covid-19 zumindest weitgehend gelockert und Abschiebungen durchführbar sind. Eine Verzögerung der Abschiebung unmittelbar aufgrund dieser Umstände ist nicht ersichtlich.

Der Beschwerdeführer ist nicht Asylwerber; es kommt ihm kein faktischer Abschiebeschutz zu. Er ist in besonderem Ausmaß nicht vertrauenswürdig. Er ist in Österreich in keiner Form integriert, spricht nicht Deutsch und verfügt über keine familiären oder substanziellen sozialen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Zudem verfügt er über keine gesicherte Unterkunft; jedoch über Barvermögen in Höhe von rund 3.000 ?. Der Beschwerdeführer ist grundsätzlich gesund und arbeitsfähig sowie jedenfalls haftfähig.

Für eine erhöhte Gefährdung hinsichtlich einer Infektion mit Covid-19 während der laufenden Anhaltung im Polizeianhaltezentrum gibt es keinen Hinweis.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage im gegenständlichen Verfahren sowie den Gerichts- und Verwaltungsakten zu seinen Asylverfahren (BVwG-GZ 2186679-1 und 2226400-1). Die Feststellungen bezüglich der Meldeadressen des Beschwerdeführers ergeben sich aus einem rezenten Auszug aus der Aktenlage. Die Feststellungen zu den strafrechtlichen Verurteilungen sind dem Strafregister entnommen. Der Beschwerdeführer hat im Asylverfahren nachweislich unterschiedliche Angaben zu seiner Identität und seinem Herkunftsstaat gemacht - was aus den Akten, insbesondere der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Beschwerde im zweiten Asylverfahren (I405 2226400-1/6E vom 08.11.2019), ersichtlich ist.

2.2. Die realistische Möglichkeit der Rücküberstellung ergibt sich aus der diesbezüglich grundsätzlich problemlosen Zusammenarbeit mit den Vertretungen und Behörden des Herkunftsstaates. Abschiebungen finden regelmäßig statt. Ebenso regelmäßig muss diesen ein Ermittlungsverfahren im Herkunftsstaat vorangehen, weil die Betroffenen keine Personal- oder Reisedokumente vorweisen können. Diese benötigen üblicherweise einige Monate. Angesichts der Einleitung des HRZ-Verfahrens im September 2019 und der erfolgreichen Urgenz im Februar (mit Interpol-Daten) ist damit eine HRZ-Ausstellung und eine Abschiebung im Sommer 2020 realistisch.

Die dargestellten Ermittlungs- und Prüfungsverfahren sind allein dem Beschwerdeführer zuzurechnen, weil er ohne Dokumente durch Europa reiste und bei Behördenkontakten bewusst tatsachenwidrige Behauptungen zu seiner Identität und Staatsangehörigkeit machte. Zum gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt ist - unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage und der existenziellen Bedürfnisse der österreichischen Bevölkerung - damit zu rechnen, dass die gegenwärtigen restriktiven Maßnahmen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie in einigen Wochen zumindest substanziell gelockert werden. Damit ist kein Zusammenhang mit dem voraussichtlichen Abschiebetermin erkennbar.

2.3. Die Feststellungen zur fehlenden Integration des Beschwerdeführers und seiner Vermögenslage ergeben sich aus der Aktenlage. Die in besonderem Maße geminderte Vertrauenswürdigkeit ergibt sich aus den vom Beschwerdeführer in den Asylverfahren bewusst getätigten falschen Angaben zu seiner Person und der Begehung von Straftaten. Hinweise für ein Fehlen der Haftfähigkeit oder gröbere gesundheitliche Probleme sind im Verfahren nicht hervorgetreten. Zudem befand sich der Beschwerdeführer vor Anordnung der Schubhaft rund eineinhalb Jahre lang in Strafhaft.

3. Rechtliche Beurteilung:

(...)

Gemessen also an § 76 Abs. 3, konkret an dessen ersten Satz "liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 - immer noch - vor, da "bestimmte Tatsachen", nämlich jene bereits im Rahmen der angeführten Beweiswürdigung relevierten, indizieren, dass sich der Beschwerdeführer einer drohenden Abschiebung in den Herkunftsstaat entziehen wird.

Die Gründe, aus denen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Schubhaft anordnete, haben sich seither nicht geändert und erweisen sich als grundsätzlich nachvollziehbar. Insbesondere hat der Beschwerdeführer das Kriterium der Ziffer 1 des § 76 Abs. 3 FPG durch bewusst falsche Angaben zu seiner Identität im Rahmen des Asylverfahrens erfüllt.

Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass eine Schubhaft nunmehr auch originär auf § 76 Abs. 2 Z 2 FPG gestützt werden kann, da der Beschwerdeführer nicht mehr Asylwerber ist.

Mit der Anordnung gelinderer Mittel kann dementsprechend weiterhin nicht das Auslangen gefunden werden. Angesichts (in besonderem Umfang) fehlender persönlicher Vertrauenswürdigkeit - siehe dazu auch die wiederholte Nutzung falscher Identitätsangaben und die Straffälligkeit fast unmittelbar nach der ersten Asylantragstellung - kommen diese schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht.(...)

Die mit der Erlangung eines Heimreisezertifikats verbundene Dauer der Anhaltung in Schubhaft hat der Beschwerdeführer durch seine illegale Einreise ohne Personal- und Reisedokumenten selbst zu verantworten. Verzögerungen, die in der Sphäre des Bundesamtes liegen würden, sind nicht zu erkennen. Es wurde auch laufend bei der Botschaft urgiert.

Die (zum Entscheidungszeitpunkt) voraussichtliche Dauer der Anhaltung ergibt sich aus den oben angeführten Umständen und steht nicht im Zusammenhang mit den gegenwärtigen Restriktionen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie. Diese bewirken im gegenständlichen Fall (derzeit) keine längere Anhaltedauer des Beschwerdeführers in Schubhaft.(...)"

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) übermittelte am 30.04.2020 zum Zwecke der Überprüfung der Schubhaft im Sinne des § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verwaltungsakten womit "die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht gilt".

Mit E-Mail vom 30.04.2020 übermittelte das BFA unter Einem folgende Stellungnahme:

"Über den im Betreff genannten Fremden wurde mit Bescheid vom 20.11.2019 gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationanalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Die Anhaltung in Schubhaft erfolgt seit 25.11.2019 (Entlassung aus der Strafhaft).

Eingangs wird hinsichtlich des Verfahrensganges und den Feststellungen auf die umfangreichen Ausführungen im Bescheid zu Zahl 1176078709 / 191180645 verwiesen, die keine Änderung erfahren haben.

Gegenständlich soll der Fremde länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden. Nach § 22a Abs. 4 BFA-VG ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde (25.11.2019) und danach alle vier Wochen, vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakte gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht.

Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist.

- Der Beschwerdeführer brachte am 07.12.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ein. Dabei gab er an, den Namen XXXX zu führen, staatenlos und am XXXX geboren zu sein.

- Seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde am 14.12.2017 ein Konsultationsverfahren gem. Art. 18 (1) (b) der Dublin-VO mit Deutschland eingeleitet.

Die deutschen Behörden stimmten mit Anschreiben vom 20.12.2017 Ihrer Wiederaufnahme gem. Art. 18 (1) (d) Dublin-VO zu.

- Am 16.01.2018 wurde der BF aufgrund des Verdachts der Begehung einer strafbaren Handlung in die JA Wels verbracht.

- Durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurde den zuständigen deutschen Behörden am 18.01.2018 mitgeteilt, dass der BF in der Haft angehalten wird und dass daher seine Überstellung nach Deutschland derzeit nicht möglich ist.

- Mit Bescheid vom 22.01.2018 wurde sein Antrag auf internationalen Schutz vom 07.12.2017 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Absatz 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, als unzulässig zurückgewiesen. Für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz war gemäß Artikel DB III Wiederaufnahme gemäß Art 18 (1) (d) der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates Deutschland zuständig. Gemäß § 61 Absatz 1 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wurde gegen den BF die Anordnung der Außerlandesbringung angeordnet. Demzufolge war gemäß § 61 Absatz 2 FPG seine Abschiebung nach Deutschland zulässig.

- Verurteilung durch das Landesgerichtes Wels, GZ: 013 HV 8/2018g, vom 21.02.2018 - rechtskräftig seit 21.02.2018, wegen dem Vergehen der dauernden Sachentziehung gem. § 135 (1) StGB, dem Vergehen Diebstahl gem. §127 StGB, dem Vergehen Diebstahl durch Einbruch oder mit Waffen gem. § 19 (1) Z 3 StGB, dem Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel gem. § 241e StGB sowie dem Vergehen der Urkundenunterdrückung gem. § 229 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 7 Monaten, davon 6 Monate bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren.

- Mit Erkenntnis des BVwG vom 23.02.2018 zur Zahl W233 2186679-1/2E wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 22.01.2018 zur Zahl 1176078709 - 171365039 gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

- Der BF wurde am 21.02.2018 aus der Strafhaft entlassen.

- Seit 25.02.2018 befand sich der BF erneut in Strafhaft, Entlassung am 25.11.2019.

- Verurteilung des Landesgerichtes Wels, GZ: 011 HV 50/2018v, vom 02.05.2018 - rechtskräftig seit 08.05.2018, wegen dem Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt gem. § 269 (1) 1. Fall StGB iVm § 15 StGB sowie dem Vergehen der gefährlichen Drohung gem. § 107 (1) StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten. Die bedingte Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 Monaten zum Urteil 013 HV 8/2018g vom 21.02.2018 wurde widerrufen.

- Die Frist zur Überstellung des Beschwerdeführers nach Deutschland ist mit 21.12.2018 abgelaufen und konnte daher nicht mehr durchgeführt werden.

- Mit Schreiben vom 06.02.2019 wurde der BF vom BFA, EAST-West, über die Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm. Einreiseverbot informiert und ihm Parteiengehör gewährt.

- In seiner Stellungnahme vom 17.02.2019 gab der BF dazu Folgendes an:

Bild kann nicht dargestellt werden

- Es konnte nach Mitteilung vom 24.04.2019 der Interpol Rabat/Marokko durch Abgleich seiner digitalen Fingerabdrücke eindeutig festgestellt werden, dass seine richtige Identität XXXX, geboren am XXXX in Chichaua/Marokko lautet.

- Der Beschwerdeführer ist bereits im Jahre 2008 in Spanien unter der Personalie XXXX, geb. XXXX in Marokko einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen worden.

- Der BF hat in Österreich unter der falschen Identität XXXX, geb. XXXX in Raza, staatenlos, am 07.12.2017 einen Asylantrag gestellt.

- Der BF wurde am 25.09.2019 vom BFA RD N Ast. St. Pölten zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm. Einreiseverbot und zur Prüfung der Verhängung der Schubhaft niederschriftlich einvernommen.

- Der BF stellte am 27.09.2019 erneut einen Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag).

- Der Beschwerdeführer wurde am 30.10.2019 niederschriftlich vom BFA RD N Ast. St. Pölten in der JA St. Pölten betreffend seinen Asylantrag einvernommen.

- Der BF wurde am 07.11.2019 erneut niederschriftlich vom BFA RD N Ast. St. Pölten in der JA St. Pölten betreffend seinen Asylantrag im Beisein seines Rechtsanwalts einvernommen.

- Mit Bescheid des BFA vom 08.11.2019 wurde sein Antrag auf internationalen Schutz vom 27.09.2019 wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen. Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wurde sein Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Marokko abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) idgF, erlassen. Es wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Marokko zulässig ist. Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 8 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Gemäß § 55 Absatz 1a FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise. Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über seinen Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt.

- Dieser Bescheid wurde von seiner Rechtsvertretung Dr. Farid RIFAAD am 14.11.2019 übernommen.

- Mit Schreiben vom 09.12.2019 wurde über die Rechtsvertretung Dr. Farid RIFAAT gegen den Asylbescheid Beschwerde erhoben.

- Mit Erkenntnis des BVwG vom 18.12.2019, Zahl I405 2226400-1/6E wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

- Der BF ist ein zweifach verurteilter Straftäter, wurde bereits ca. ein Monat nach seiner Einreise straffällig und war in Österreich melderechtlich nur in einem Asylquartier bzw. die meiste Zeit seines Aufenthalts in den Justizanstalten registriert.

- Über den BF wurde mit Bescheid vom 20.11.2019 gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationanalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

- Am 25.11.2019 wurde der BF aus der Strafhaft entlassen und in Schubhaft genommen.

- Vom 28.11.2019 bis 06.12.2019 befand sich der BF in Hungerstreik.

- Am 16.03.2020 erfolgte durch das BFA die Vorlage zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit zur weiteren Anhaltung in Schubhaft gem. § 22 a Abs. 4 BFA-VG.

- Mit den Erkenntnissen des BVwG vom 18.03.2020, Zahl W137 2229611-1/5E und vom 10.04.2020, Zahl W 140 2229611-2/5E wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

Die Anhaltung in Schubhaft ist jedenfalls nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280). Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, "dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig" (VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527).

In concreto geht aber die erkennende Behörde im gegenständlichen Fall vom Vorliegen von Sicherungsbedarf aus. Dies insbesondere, weil gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde und dieser nicht bereit war, aus Eigenem nach Marokko zurückzukehren.

Der BF trat unter verschiedene Aliasidentitäten in Erscheinung, um sich dadurch in fremdenrechtlicher Hinsicht bzw. im Asylverfahren einen Vorteil zu verschaffen.

Der Fremde missbrauchte offenbar aufenthalts-, fremden- und asylrechtliche Bestimmungen, indem er ganz bewusst mehrfach unrichtige Angaben z. B. zu seinem Namen, Staatsangehörigkeit, Geburtsdatum, Geburtsort sowie der familiären und privaten Anknüpfungspunkte machte, um sich offenbar ein Aufenthaltsrecht in Österreich zu erschleichen.

Der Fremde ist bereits im Jahre 2008 in Spanien unter der Personalie XXXX, geb. XXXX in Marokko einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen worden.

In Österreich hat der BF unter der falschen Identität XXXX, geb. XXXX in Raza, staatenlos, am 07.12.2017 einen Asylantrag gestellt.

Es konnte nach Mitteilung vom 24.04.2019 der Interpol Rabat/Marokko durch Abgleich seiner digitalen Fingerabdrücke eindeutig festgestellt werden, dass die richtige Identität XXXX, geboren am XXXX in Chichaua/Marokko lautet.

Außerdem ergibt die Zusammenschau der zwei strafrechtlichen Verurteilungen und seines bisherigen Verhaltens, dass der Fremde zu keinem Zeitpunkt seines rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet gewillt war, die österreichischen Gesetze und Normen zu respektieren. Er wurde bereits ca. ein Monat nach seiner Einreise ins Bundesgebiet straffällig, melderechtlich ist der Fremde nur in einem Asylquartier bzw. die meiste Zeit seines Aufenthalts in den Justizanstalten registriert.

Im Strafregister der Republik Österreich - geführt von der Landespolizeidirektion Wien - scheinen folgende Verurteilungen auf:

> Verurteilung durch das Landesgerichtes Wels, GZ: 013 HV 8/2018g, vom 21.02.2018, rechtskräftig seit 21.02.2018, wegen dem Vergehen der dauernden Sachentziehung gem. § 135 (1) StGB, dem Vergehen Diebstahl gem. §127 StGB, dem Vergehen Diebstahl durch Einbruch oder mit Waffen gem. § 19 (1) Z 3 StGB, dem Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel gem. § 241e StGB sowie dem Vergehen der Urkundenunterdrückung gem. § 229 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 7 Monaten, davon 6 Monate bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren.

> Verurteilung des Landesgerichtes Wels, GZ: 011 HV 50/2018v, vom 02.05.2018 - rechtskräftig seit 08.05.2018, wegen dem Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt gem. § 269 (1) 1. Fall StGB iVm § 15 StGB sowie dem Vergehen der gefährlichen Drohung gem. § 107 (1) StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten. Die bedingte Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 Monaten zum Urteil 013 HV 8/2018g vom 21.02.2018 wurde widerrufen.

Der bisherige Aufenthalt des Fremdem in Österreich beeinträchtigte Grundinteressen der Gesellschaft, nämlich Ruhe, Sicherheit des Eigentums und sozialen Frieden. Sein Fehlverhalten ist gravierend und gefährdet massiv die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Der BF ist ein gerichtlich verurteilter Straftäter und stellt somit eine massive Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar.

Der Fremde besitzt kein gültiges Reisedokument und kann Österreich aus eigenem Entschluss nicht legal verlassen.

Er verfügt nicht über die nötigen finanziellen Mittel, um seine Ausreise zu gewährleisten.

Er verfügt nicht über ausreichend Barmittel, um seinen weiteren Unterhalt zu finanzieren.

Er ist nicht zur legalen Arbeitsaufnahme berechtigt und besteht in Anbetracht seines bisherigen Verhaltens durchaus die Gefahr, dass sich der Fremde durch die Begehung von Strafrechtsdelikten seine finanzielle Lage aufzubessern versucht oder in die real existierende und gesellschaftlich unerwünschte Schattenwirtschaft abwandert.

Aufgrund des gerichtlich strafbaren Verhaltens wurde seitens des BFA eine Rückkehrentscheidung iVm. Einreiseverbot erlassen.

Der Fremde ist in keinster Weise vertrauenswürdig. Das Risiko eines Untertauchens in Österreich ergibt sich zwingend aus seinem bisherigen Verhalten und aus seiner gezeigten Ablehnung gegenüber den geltenden Rechtsvorschriften.

Das gesamte Verhalten des Fremden ist ein besonders starkes Indiz für die Annahme, dass sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit massiv gefährdet. Auf Grund Ihres bisherigen Verhaltens geht die Behörde davon aus, dass die Verhängung der Schubhaft nach Haftentlassung dringend erforderlich ist, zumal diese durch Ihre Mitwirkung bei der reibungslosen Durchsetzung Ihrer Ausreisepflicht auf ein unbedingt notwendiges Ausmaß beschränkt werden kann.

Zur Nichtanwendung eines gelinderen Mittels wurde insgesamt seitens des Bundesamtes berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima ratio - Maßnahme darstellt. Es war daher zu prüfen, ob die Anordnung gelinderer Mittel gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich wäre. In Betracht käme dabei das gelindere Mittel gem. § 77 FPG mit den dafür vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten bzw. der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit.

Dabei kommt die finanzielle Sicherheitsleistung aufgrund der finanziellen Situation nicht in Betracht. Genügend Barmittel fanden bislang keine Erwähnung und wurden auch nicht in Vorlage gebracht.

Doch auch was die Unterkunftsnahme in von der Behörde bestimmten Räumlichkeiten und auch was die periodische Meldeverpflichtung betrifft, kann in diesem Fall damit nicht das Auslangen gefunden werden da dem Fremden von Seiten der Behörde, insbesondere aufgrund seiner mehrfachen Straffälligkeit jegliche Vertrauenswürdigkeit abgesprochen werden muss.

Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Bezüglich der Erlangung eines Heimreisezertifikats darf mitgeteilt werden, dass dieses Verfahren von der BFA Direktion, Abt. B II/1 jedenfalls prioritär geführt wird.

Nach Mitteilung der Interpol Rabat/Marokko vom 24.04.2019 konnte durch Abgleich der digitalen Fingerabdrücke des BF eindeutig festgestellt werden, dass die richtige Identität XXXX, geboren am XXXX in Chichaua/Marokko lautet.

Folgende Schritte wurden bislang gesetzt:

27.11.2019: Antrag bei der marokkanoischen Botschaft auf Ausstellung eines HRZ

06.12.2019: Urgenz per E-Mail

10.01.2020: erneute Urgenz per E-Mail an Konsulat

20.02.2020: erneute Urgenz durch persönliche Übergabe einer Liste mit Marokkanern

26.02.2020: Einzelurgenz durch persönliche Übergabe - laut Botschaft des Königreichs Marokko wurden die Unterlagen nach Rabat/Marokko zur neuerlichen Überprüfung geschickt

15.04.2020: erneute Urgenz per Post an die Botschaft des Königreichs Marokko

Die Aufrechterhaltung der Schubhaft ist auch in der aktuellen Situation im Zusammenhang mit dem Corona-Virus (COVID-19) als verhältnismäßig einzustufen. Entsprechend der medialen Berichterstattung werden zwar aktuell die Reisebewegungen weltweit und aus Österreich vermehrt eingeschränkt. Jedoch handelt es sich bei den derzeitigen Restriktionen

um zeitlich begrenzte Maßnahmen. Dies bedeutet, dass im vorliegenden Fall eine Abschiebung zwar vorübergehend nicht möglich ist, jedoch in den kommenden Wochen möglich sein wird.

Im konkreten Fall liegt es gänzlich in der Hand des Fremden, die Erlangung eines Heimreisezertifikates im Rahmen der ihn treffenden Mitwirkungspflicht zu ermöglichen und dadurch die laufende Schubhaft so kurz als möglich zu halten. Es kann nicht sein, dass der Fremde durch Verstoß gegen ihn treffende Mitwirkungspflichten bzw. durch Fehlinformationen der Behörden gegenüber insofern einen Vorteil ziehen kann, als dadurch eine rechtmäßige Abschiebung von vornherein unmöglich gemacht wird. Durch ein rechtmäßiges Alternativverhalten würde zu jeder Zeit des Verfahrens die Möglichkeit bestehen, dieses wesentlich zu verkürzen und eine ehebaldigste Beendigung der Schubhaft durch Ausreise in seinen Herkunftsstaat zu erreichen. Tut er dies nicht, so ist ihm nach Ansicht ho. Behörde das angemessene Zuwarten einer Klärung im Stande der Schubhaft zumutbar (so auch BVwG 24.2.2017, W171 2148052-1).

Bei Kooperation des Fremden - freiwillige Ausreise / Vorlage eines Personal- oder Reisedokumentes - hätte die Anhaltung in Schubhaft mit hoher Wahrscheinlichkeit schon früher beendet werden können. Dass sie noch andauert - und damit nun auch von den Maßnahmen hinsichtlich der Covid-19-Pandemie betroffen ist - hat zu einem überwiegenden Teil der Fremde selbst zu verantworten.

Der Genannte befindet sich derzeit im Stande der Schubhaft im PAZ Hernalser Gürtel.

Zusammengefasst gelangt die Behörde somit zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorliegen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis steht und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich sowie geboten ist.

Entsprechend des bisherigen Verhaltens begründen die im Schubhaftbescheid ausführlich dargelegten Kriterien eine Fluchtgefahr und gefährdet der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 FPG.

Seitens des Bundesamtes war aus dem bisherigen Verhalten des Fremden jedenfalls deutlich erkennbar, dass dieser keinesfalls vertrauenswürdig ist und die begründete Annahme besteht, dass er seiner Ausreiseverpflichtung selbstständig und freiwillig nicht nachkommen wird.

Es darf nochmals darauf hingewiesen werden, dass der BF noch vor der Inschubhaftnahme am 27.09.2019 einen unbegründeten Folgeantrag eingebracht hat, welcher mit Erkenntnis des BVwG vom 18.12.2019 abgewiesen wurde.

Wie bereits ausführlich dargelegt, besteht im konkreten Fall aufgrund der persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund des bisherigen Verhaltens ein hohes Risiko des Untertauchens.

Zur Sicherung der Abschiebung ist daher die Schubhaft über den Zeitraum von 4 Monaten aufrecht zu halten. [..]"

In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 09.04.2020 führte das BFA im Verfahren

W140 2229611-2 Folgendes aus:

"Unter Bezugnahme auf die behördliche Schubhaft-Stellungnahme vom 07.04.2020 (Aktenvorlage - Überprüfung der Verhältnismäßigkeit nach § 22a Abs. 4 BFA-VG) wird berichtigend festgehalten, dass es aufgrund der andauernden gesundheitspolitischen Covid-19-Situation zwar zu Einschränkungen in der Kommunikation mit der marokkanischen Vertretungsbehörde gekommen ist, es jedoch weiterhin Mittel und Wege gibt, mit der Botschaft in Kontakt zu treten. Dies vor allem in telefonischer Form oder via E-Mail. Dazu wird angeführt, dass etwa entsprechende Urgenzlisten per E-Mail an das Konsulat übermittelt werden, so geschehen etwa am 06.12.2019 und am 10.01.2020. Das Bundesamt ist hier weiterhin bemüht, die Kommunikation mit der Botschaft aufrechtzuhalten.

Auch wird betont, dass der Genannte bereits von Interpol Rabat anhand seiner Fingerabdrücke identifiziert werden konnte. Die marokkanischen Heimatbehörden überprüfen diese Daten. Es sind keine Gründe ersichtlich oder bekannt, dass die weltweite Covid-19-Pandemie speziell in Marokko die dortige Behördenarbeit eingeschränkt oder lahmgelegt hätte. Sämtliche Unterlagen zur HRZ-Erlangung wurden via Botschaft des Königreiches Marokko an die dortigen Heimatbehörden übermittelt.

Das Ergebnis dieser Überprüfung wird abzuwarten sein.

Zwar kann derzeit aufgrund der gesundheitspolitischen Lage keine Vorführung zur Botschaft erfolgen, eine solche wurde jedoch weder seitens des Konsulates gefordert noch vom Bundesamt ins Auge gefasst.

Da eine Identifizierung seitens Interpol vorliegt, kann hier nach Ansicht der Behörde eine ergänzende Vorführung unterbleiben und ist eine solche derzeit nicht erforderlich."

Festgestellt wird weiters, dass das Bundesamt nachhaltige und angemessene Bemühungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF vornimmt. Es ist in diesem Zusammenhang als gerichtsnotorisch festzuhalten, dass die Ausstellung von Heimreisezertifikaten für das Königreich Marokko iaR einen längeren Zeitraum benötigt als bei anderen vergleichbaren Staaten.

Seit Mitte März 2020 wurde im Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie der Flugverkehr und die transnationale Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt; auch der internationale Postverkehr ist nur eingeschränkt möglich. Mit einer schrittweisen Aufhebung der Bewegungsfreiheit ist jedoch mit Abflauen der Pandemiesituation in den kommenden Monaten zu rechnen.

Darüber hinaus kann festgestellt werden, dass das BFA wie in der Stellungnahme vom 30.04.2020 angegeben, nachweislich am 15.04.2020 erneut bei der Botschaft des Königreichs Marokko die Ausstellung des Heimreisezertifikats urgiert hat.

Auf der Tatsachenebene liegt im Hinblick auf das Bestehen von Fluchtgefahr des BF keine Änderung vor.

Der BF ist haftfähig und es sind keine Umstände hervorgekommen, dass die weitere Anhaltung in Schubhaft unverhältnismäßig wäre. Mangels geänderter Umstände dahingehend ist auch nach wie vor davon auszugehen, dass eine Abschiebung des BF nach Ausstellung eines Heimreisezertifikats noch im Laufe des Sommers 2020 und somit innerhalb der zulässigen Höchstdauer der Schubhaft von 18 Monaten möglich ist. Der BF ist nach wie vor nicht kooperativ, verweigert die notwendigen Angaben und hat bis dato kein Ausweis- oder Reisedokument vorgelegt, dass seine Abschiebung nach Marokko und somit eine Entlassung aus der Schubhaft beschleunigen könnte.

In Österreich verfügt der BF über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen. Er ging auch vor seiner Straf- und Schubhaft keiner legalen Erwerbstätigkeit nach. Er bezog vor seiner Haft Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Er ist somit nicht selbsterhaltungsfähig. Er verfügt im Fall einer etwaigen Entlassung aus der Schubhaft über keinen gesicherten Wohnsitz.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des BF ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde und den genannten Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes, insbesondere den zitierten Vorerkenntnissen. Die Haftfähigkeit wurde letztmalig am 10.04.2020 überprüft und der BF für hafttauglich befunden. Die Negativ-Feststellungen zu familiären Beziehungen, zum Wohnsitz und zur Erwerbstätigkeit basieren auf dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.12.2019 zur GZ I405 2226400-1/6E.

Im Besonderen ist hervorzuheben, dass die Behörde fortgesetzt darlegt, dass sie sich im vorliegenden Fall um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates nach Kräften bemüht und nach den Erfahrungswerten davon auszugehen ist, dass ein solches auch von der Marokkanischen Botschaft auch auf elektronischem Wege erlangt werden kann. Laut Mitteilung von Interpol Rabat/Marokko konnte durch Abgleich der digitalen Fingerabdrücke des BF eindeutig die richtige Identität festgestellt werden. Die Unterlagen des BF befinden sich derzeit zur Überprüfung in Rabat/Marokko. Die Ausstellung des Heimreisezertifikates wurde durch das BFA auch bereits am 15.04.2020 erneut urgiert, wobei es glaubhaft ist, dass es bei der Ausstellung von Heimreisezertifikaten durch die globale COViD 19 Pandemie zu Verzögerungen kommen kann, auch wenn diese elektronisch übermittelt werden. Es ist jedoch mit zunehmender Rücknahme von Beschränkungen bei Rückgang der COViD 19 Pandemie mit einer zeitnahen Wiederaufnahme des internationalen Flugverkehrs zu rechnen, weshalb auch davon ausgegangen werden kann, dass die Abschiebung dann durchgeführt werden kann. Darüber hinaus ist es hg. aus zahlreichen weiteren Verfahren betreffend das Königreich Marokko gerichtsnotorisch, dass die Ausstellung von Heimreisezertifikaten hinsichtlich dieses Herkunftslandes einen längeren Zeitraum benötigt.

Weiters bringt das BFA zutreffend vor, dass der BF durch seine mangelnde Kooperationsbereitschaft zur Vorlage eines Ausweises oder Reisedokuments für seine Betroffenheit von den Maßnahmen zur Bekämpfung von COVID-19, der dadurch eingetreten Verzögerungen und somit auch für die nun längere Anhaltung in Schubhaft mitverantwortlich ist.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchteil A):

3.1 Fortsetzung der Schubhaft:

3.1.1 Gesetzliche Bestimmungen und Judikatur:

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

§§ 76, 77 und 80 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), § 22a Abs. 4 Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Verfahrensgesetz (BFA-VG) lauten auszugsweise:

Schubhaft (§ 76 FPG)

"§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

Gelinderes Mittel (§ 77 FPG)

"§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,

1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder

2. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen."

Dauer der Schubhaft (§ 80 FPG)

"(1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen."

Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft (§§ 22a BFA-VG)

"§ 22a (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde."

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise - wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG - erreicht werden ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig.

Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch i

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten