Entscheidungsdatum
18.05.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs3Spruch
W169 1315437-3/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX geb. XXXX StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.05.2017, Zl. 760034205-151896030, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 10 Abs. 3, 55 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 21 Abs. 5 BFA-VG idgF wird festgestellt, dass die Rückkehrentscheidung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig war.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Asylverfahren:
1.1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler, schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 09.01.2006 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am selben Tag durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.
1.2. Am 16.01.2006 und am 10.10.2007 wurde der Beschwerdeführer durch das Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen.
1.3. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.10.2007, Zl. 06 00.342-BAE, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und gemäß § 8 Abs. 1 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien abgewiesen. Der Beschwerdeführer wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen.
Begründend führte das Bundesasylamt aus, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen kein Glauben geschenkt werde. Unabhängig davon stehe dem Beschwerdeführer aber eine innerstaatliche Fluchtalternative offen. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Falle einer Rückkehr nach Indien sei nicht gegeben. Der Ausweisung des Beschwerdeführers stehe sein Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nicht entgegen.
1.4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung.
1.5. In Erledigung der Berufung behob der Unabhängige Bundesasylsenat am 21.05.2008 zur Zl. 315.437-1/2E-XIII/65/07 den bekämpften Bescheid und verwies die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurück.
Begründend wurde ausgeführt, dass die Beweiswürdigung und die darauf aufbauenden Feststellungen mangelhaft seien und die Frage der Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der indischen Behörden nicht geprüft worden sei. Die Ausführungen zur innerstaatlichen Fluchtalternative als Zentralargumentation wurden als nicht ausreichend erachtet.
1.6. Am 30.07.2008 wurde eine neuerliche niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers beim Bundesasylamt durchgeführt.
Der Beschwerdeführer brachte in seinen verwaltungsbehördlichen Einvernahmen zu seiner Person im Wesentlichen vor, aus dem Bundesstaat Punjab zu stammen und die Sprache Punjabi zu sprechen. Er gehöre der Volksgruppe der Punjabi und der Religionsgemeinschaft der Sikh an. Im Herkunftsstaat habe der Beschwerdeführer sechs Jahre die Grundschule, vier Jahre die Mittelschule und zwei Jahre das College besucht. Er habe auf der elterlichen Landwirtschaft gearbeitet. In Indien würden sich die Eltern des Beschwerdeführers befinden, mit denen er im gemeinsamen Haushalt gelebt habe. Er sei ledig, kinderlos und gesund.
Zu seinen Fluchtgründen brachte er zusammengefasst im Wesentlichen folgendes vor: Sein Vater habe aus Geldnot dem Nachbarn XXXX im Jahr 2004 oder 2005 die ganze Landwirtschaft verpachtet und dafür von diesem einen Kredit in Höhe von 80.000,- oder 100.000,- indischen Rupien bekommen. Das Geld habe sein Vater benötigt, um einen Traktor zu kaufen. Als der Beschwerdeführer und sein Vater dem Nachbarn das Geld im Mai 2005 oder Jänner 2005 zurückbezahlt hätten, hätten sie dennoch ihr Grundstück nicht zurückbekommen. Der Nachbar habe sich geweigert, eine Bestätigung auszustellen und habe behauptet, das Geld nicht erhalten zu haben. Der Beschwerdeführer sei daraufhin mit dem Traktor zum strittigen Grundstück gefahren und habe das Grundstück bewirtschaftet. Dort sei er vom Nachbarn und seinem Sohn bzw. vom Nachbarn, seinem Sohn und einem Bekannten geschlagen worden. Er sei danach immer wieder vom Nachbarn geschlagen oder bedroht worden. Die Polizei habe nichts unternommen, da sie von diesen Personen bestochen worden sei; diese hätten großen Einfluss. Der Beschwerdeführer und sein Vater hätten auch versucht, über einen Rechtsanwalt das Grundstück zurückzubekommen, jedoch habe dies nicht zum Erfolg geführt. Aus Angst um seine Sicherheit habe der Beschwerdeführer dann sein Dorf verlassen und habe sich danach bei einem Freund im Dorf Tanda und in der Stadt Bombay (Mumbai) aufgehalten. In Mumbai sei er drei Monate gewesen. Danach habe er von Delhi aus legal sein Heimatland verlassen.
1.7. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.08.2008, Zl. 06 00.342/1-BAE, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz neuerlich gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien abgewiesen. Der Beschwerdeführer wurde gemäß § 10 Abs. 1 AsylG aus dem Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen.
Begründend führte das Bundesasylamt erneut aus, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen kein Glauben geschenkt werde. Unabhängig davon stehe dem Beschwerdeführer aber eine innerstaatliche Fluchtalternative offen. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Falle einer Rückkehr nach Indien sei nicht gegeben. Der Ausweisung des Beschwerdeführers stehe sein Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nicht entgegen.
1.8. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.
1.9. Der Asylgerichtshof wies nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.03.2009 mit Erkenntnis vom 24.04.2009, Zl. C7 315437-2/2008/9E, rechtskräftig mit 10.06.2009, die Beschwerde als unbegründet ab, wobei sich der Asylgerichtshof im Wesentlichen der Begründung des Bundesasylamtes anschloss.
2. Fremdenpolizeiliches Verfahren:
2.1. Für den 28.07.2009, den 04.09.2009, den 25.03.2010 und den 15.06.2010 wurde der Beschwerdeführer mittels Ladungsbescheiden der Bundespolizeidirektion Wien zur Verfügung des gelinderen Mittels bzw. Sicherung der Ausreise geladen, wobei er jeweils nicht erschien.
2.2. Vom 11.09.2009 bis 05.02.2010 verfügte der Beschwerdeführer über keine Meldung im Bundesgebiet.
2.3. Der Beschwerdeführer kam schließlich einem fünften Ladungsbescheid der Bundespolizeidirektion Wien nach und wurde am 05.08.2010 niederschriftlich von dieser einvernommen. Der Beschwerdeführer gab an, kein Reisedokument zu besitzen und wurde aufgefordert, binnen Frist Passfotos sowie ein ausgefülltes Antragsformular für ein Heimreisezertifikat vorzulegen.
2.4. In weiterer Folge verweigerte der Beschwerdeführer die Ausfüllung des Antragsformulars für ein Heimreisezertifikat.
2.5. Am 16.11.2010 beantragte die Bundespolizeidirektion Wien bei der indischen Botschaft ein Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer.
2.6. Am 26.11.2010 wurde der Beschwerdeführer erneut von der Bundespolizeidirektion Wien zur Erlangung eines Heimreisezertifikats niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer verweigerte Angaben und die Unterschrift.
2.7. Am 02.03.2011, 06.05.2011, 03.08.2011 und 04.11.2011 urgierte das Bundesministerium für Inneres bei der indischen Botschaft die Ausstellung eines Heimreisezertifikats für den Beschwerdeführer.
2.8. Am 15.11.2012 wurde der Beschwerdeführer von der Landespolizeidirektion Wien zur Zl. XXXX wegen rechtswidrigen Aufenthaltes im Bundesgebiet gemäß § 120 Abs. 1a FPG angezeigt.
2.9. Am 05.07.2016 wurde der Beschwerdeführer auf Ladung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl von Vertretern der indischen Botschaft einvernommen.
2.10. Am 23.02.2018 wurde der Beschwerdeführer nach Indien abgeschoben.
3. Verfahren gemäß Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG):
3.1. Am 08.03.2013 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung des Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 41a Abs. 9 NAG.
3.2. Mit Bescheid vom 02.05.2014, Zl. MA35-9/2976470-01, wies der Landeshauptmann von Wien, Magistratsabteilung 35, diesen Antrag zurück.
3.3. Die dagegen fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit rechtskräftigem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Wien vom 12.06.2015, Zl. VGW-151/039/26535/2014-7, als unbegründet abgewiesen.
4. Gegenständliches Verfahren:
4.1. Am 30.11.2015 stellte der Beschwerdeführer persönlich beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG.
Dabei füllte der Beschwerdeführer lediglich die Formularfelder "Antragsteller" und "Derzeitiger Wohnsitz des Antragstellers im Inland" aus. Insbesondere füllte er im Formular keine Angaben zu seiner Integration oder seinen Deutschkenntnissen aus.
Dem Antrag angeschlossen waren folgende Unterlagen: Ein kurzes Schreiben des Beschwerdeführers bezüglich seines Wunsches, in Österreich zu bleiben; eine Kursbesuchsbestätigung über einen Deutschkurs auf dem Niveau A1 vom 28.06.2011; ein Diplom des ÖSD über eine bestandene Deutschprüfung auf dem Niveau A2 vom 31.03.2012; ein Arbeitsvorvertrag vom 08.02.2013 mit Gültigkeit bis 31.12.2013 unter der Bedingung der Vorlage einer Beschäftigungsbewilligung; ein Zeugnis des "Internationalen Kulturinstituts" vom 28.04.2015, wonach der Beschwerdeführer eine Deutschprüfung auf dem Niveau B1 "ausreichend" bestanden habe; ein Melderegisterauszug; eine vorgefertigte Einstellungszusage vom 28.07.2015, wonach der Beschwerdeführer (!) eine dort bezeichnete Person bei Vorlage eines Aufenthaltstitels einstellen würde, wobei nicht ausgefüllt wurde, für welchen Beruf; sechs in schlechtem Deutsch verfasste Empfehlungsschreiben mit jeweils nahezu identem Inhalt; ein Versicherungsdatenauszug; eine Auskunft des KSV1870; ein Konvolut an Unterlagen, wonach der Beschwerdeführer von 2006 bis inklusive 2009 für die " XXXX " und die " XXXX " auf Werkvertragsbasis als Zusteller gearbeitet habe und dafür ein Gesamthonorar von EUR 32.145,20 erhalten habe; diverse indische Unterlagen über eine dort abgeschlossene Berufsausbildung als "Lineman" und "Wireman"; sowie eine indische Bestätigung, wonach der Beschwerdeführer ein guter Cricketspieler sei.
4.2. Mit Eingabe vom 01.12.2015 gab der Beschwerdeführer ein Vollmachtsverhältnis zu einem rechtsfreundlichen Vertreter bekannt.
4.3. Mit Schreiben vom 11.04.2016 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aufgefordert, bis 01.06.2016 einen gültigen Reisepass, eine beglaubigt übersetzte Geburtsurkunde, einen aktuellen Nachweis des Rechtsanspruchs auf eine ortsübliche Unterkunft, einen Nachweis des gesicherten Lebensunterhalts, sowie einen Nachweis über die Ausübung einer erlaubten Erwerbstätigkeit vorzulegen.
4.4. Mit Eingabe vom 20.05.2016 legte der Beschwerdeführer eine indische Geburtsurkunde samt Übersetzung, ein Schreiben der "Mediaprint Zeitungs- und Zeitschriftenverlag GmbH & CO KG" vom 18.02.2016, einen mit dieser abgeschlossenen Werkvertrag als Zeitungszusteller vom 01.02.2016, Gutschriften aufgrund dieser Tätigkeit vom Februar und März 2016 in Gesamthöhe von EUR 674,81, einen Lieferschein, sowie einen Versicherungsdatenauszug vor. Gleichzeitig gab der Beschwerdeführer bekannt, einen Reisepass "derzeit" nicht vorlegen zu können und bat um Fristerstreckung bis 01.08.2016.
4.5. Am 28.10.2016 wurde der Beschwerdeführer durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen an, als Zeitungszusteller ungefähr EUR 300,- bis EUR 350,- (gemeint wohl: pro Monat) zu verdienen. Er verfüge über keine Beschäftigungsbewilligung. Er verfüge aktuell über Barmittel von EUR 200,- bis EUR 300,-. Er sei in einem Wohnheim der Diakonie gemeldet. Die Wohnkosten würden von der Diakonie getragen werden. Der Beschwerdeführer sei ledig und kinderlos. Er habe seit zehn Jahren keinen Kontakt zu seiner Familie in Indien. Er habe keine Angehörigen in Österreich. Er habe zwölf Jahre die Schule besucht und sodann nach vier Jahren ein Diplom als Elektriker abgeschlossen. Der Beschwerdeführer gab an, in Österreich bleiben zu wollen, da er seit über zehn Jahren schon hier sei. Dies sei sein Land, die Leute würden ihm sehr gefallen und er habe auch viele Freunde hier.
4.6. Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 29.05.2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den gegenständlichen Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG ab und erließ gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG (Spruchpunkt I.). Weiters wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig ist (Spruchpunkt II.). Schließlich wurde die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt III.).
Begründend wurde ausgeführt, dass in Österreich kein aufrechtes Familienleben bestehe und die Familie des Beschwerdeführers in Indien lebe. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet habe sich auf sein Asylverfahren begründet und er sei nach dessen negativem Abschluss im Jahr 2009 illegal im Bundesgebiet verblieben. Auch habe er sich nach Abschluss dieses Verfahrens nicht um die Ausstellung eines nationalen Identitätsdokumentes (Reisepass) bemüht, sondern vielmehr im fremdenpolizeilichen Verfahren die Feststellung seiner Identität erschwert, um seine Ausreise zu vereiteln. Es hätten sich auch keine entscheidungsrelevanten sozialen Bindungen in Österreich ergeben. Der Beschwerdeführer gehe mangels entsprechender Berechtigung keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und sei nicht selbsterhaltungsfähig. Es habe auch für den Fall einer Rückkehr nicht festgestellt werden können, dass er in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde und ihm die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre, zumal er über die landesüblichen Sprachkenntnisse verfüge und in Indien auch Familienangehörige habe. Die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers seien, zumal angesichts der Aufenthaltsdauer, nicht als überdurchschnittlich zu bewerten. Es seien somit keine derart außergewöhnlichen Umstände hervorgekommen, dass die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens überwiegen würden. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG komme daher nicht in Betracht, zumal dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers iSd Art. 8 EMRK nicht geboten sei. Im Falle des Beschwerdeführers liege zudem keine Gefährdung iSd § 50 Abs. 1 und 2 FPG vor. Auch eine Empfehlung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte iSd § 50 Abs. 3 FPG existiere nicht, weshalb die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.
4.7. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und führte aus, dass er seit zehn Jahren in Österreich aufhältig sei und versucht habe, sich sprachlich, sozial, gesellschaftlich und beruflich zu integrieren. Er sei selbsterhaltungsfähig. Er habe am Verfahren mitgewirkt und Beweismittel vorgelegt. Es liege ein massiver Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers vor.
Beantragt wurde unter anderem die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.
4.8. Mit Schriftsatz vom 16.04.2018 wurde das Vollmachtsverhältnis vom rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers aufgelöst.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien aus dem Bundesstaat Punjab, gehört der Religionsgemeinschaft der Sikh und der Volksgruppe der Punjabi an. Er beherrscht die Sprache Punjabi. Im Herkunftsstaat besuchte er sechs Jahre die Grundschule, vier Jahre die Mittelschule und zwei Jahre das College. Er arbeitete auf der elterlichen Landwirtschaft und als Elektriker. Der Beschwerdeführer hat im gemeinsamen Haushalt mit seinen Eltern gelebt. Die gesamte Familie des Beschwerdeführers lebt im Heimatland. Der Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos, gesund und im erwerbsfähigen Alter.
Der Beschwerdeführer reiste im Jänner 2006 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 09.01.2006 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer befand sich seit dieser Antragstellung lediglich aufgrund einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz durchgängig rechtmäßig in Österreich. Seit Abschluss seines Asylverfahrens durch das Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 24.04.2009, Zl. C7 315437-2/2008/9E, welches am 10.06.2009 in Rechtskraft erwuchs, hielt sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig in Österreich auf. Weder kam er seiner Ausreiseverpflichtung aus eigenem nach, noch wirkte er maßgeblich an der Erlangung eines Heimreisezertifikats mit. Erst im Zuge der Stellung des gegenständlichen Antrags am 30.11.2015 legte der Beschwerdeführer eine indische Geburtsurkunde samt Übersetzung vor und kam einer Ladung zur indischen Botschaft nach. Der Beschwerdeführer wurde am 23.02.2018 nach Indien abgeschoben.
Der Beschwerdeführer hat keine Familienangehörigen oder Verwandten im Bundesgebiet. Er hatte Freunde und Bekannte in Österreich.
In den Jahren 2006, 2007, 2008 und 2009 war der Beschwerdeführer bei einem Gesamtverdienst von EUR 32.145,20 als Zeitungszusteller tätig und nahm in dieser Zeit im Wesentlichen keine Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch. Von Oktober 2009 bis zu seiner Abschiebung im Februar 2018 war der Beschwerdeführer aber fast durchgängig in der Grundversorgung und war dadurch nicht selbsterhaltungsfähig. Ab Februar 2016 war der Beschwerdeführer wieder - ohne entsprechende Berechtigung - als Zeitungszusteller tätig und verdiente monatlich ungefähr EUR 300,-.
Der Beschwerdeführer besitzt geringe Deutschkenntnisse.
Er ist strafgerichtlich unbescholten.
Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor.
Der Beschwerdeführer wurde am 23.02.2018 nach Indien abgeschoben.
1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:
1. Sicherheitslage
Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven, die sich oft in kommunal begrenzten Ausschreitungen entladen (GIZ 3.2018a). Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011 in Mumbai, September 2011 in New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 in Chennai und Dezember 2014 in Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Aber auch im Rest des Landes gab es Terroranschläge mit islamistischem Hintergrund. Im März 2017 platzierte eine Zelle des "Islamischen Staates" (IS) in der Hauptstadt des Bundesstaates Madhya Pradesh eine Bombe in einem Passagierzug. Die Terrorzelle soll laut Polizeiangaben auch einen Anschlag auf eine Kundgebung von Premierminister Modi geplant haben (BPB 12.12.2017).
Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 3.2018a). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 18.9.2018).
Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 898 Todesopfer durch terrorismus-relevante Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 803 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2018 wurden 935 Menschen durch Terrorakte getötet. Bis zum 13.1.2019 wurden 12 Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 13.1.2019).
Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.) einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie. Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, sondern vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2018).
Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 18.9.2018).
Pakistan und Indien
Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 11.2018b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege aufgrund des umstrittenen Kaschmir-Gebiets (BBC 23.1.2018).
Nach dem friedlichen Unabhängigkeitskampf gegen die britische Kolonialherrschaft zeigte bereits die blutige Teilung Britisch-Indiens, die mit einer Massenflucht, schweren Gewaltausbrüchen und Pogromen einherging, wie schwierig es sein wird, die ethnisch, religiös, sprachlich und sozioökonomisch extrem heterogene Gesellschaft in einem Nationalstaat zusammenzuhalten. Die inter-religiöse Gewalt setzte sich auch nach der Teilung zwischen Indien und Pakistan fort (BPB 12.12.2017).
Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und ein terroristischer Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs im September 2016 hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Gemäß Regierungserklärung reagierte Indien auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. Immer wieder kommt es zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 11.2018b).
Der von 2014-2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist 2016 zum Stillstand gekommen. Aktuell sind die Beziehungen auf sehr niedrigem Niveau stabil (AA 11.2018b).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
- AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien
- AA - Auswärtiges Amt (11.2018b): Indien, Außenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/-/206046, Zugriff 23.1.2019
- BBC - British Broadcasting Corporation (23.1.2018): India country profile - Overview, http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 29.1.2019
- BPB - Bundeszentrale für Politische Bildung (12.12.2017): Innerstaatliche Konflikte - Indien, http://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/215390/indien, Zugriff 23.10.2018
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (3.2018a): Indien, https://www.liportal.de/indien/geschichte-staat/, Zugriff 11.10.2018
- ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018): Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion
- SATP - South Asia Terrorism Portal (13.1.2019): Data Sheet - India Fatalities: 1994-2019, http://www.satp.org/satporgtp/countries/india/database/indiafatalities.htm, Zugriff 23.1.2019
2. Folter und unmenschliche Behandlung
Indien hat im Jahr 1997 das VN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe unterzeichnet, jedoch bisher nicht ratifiziert (AA 18.9.2018). Es sind außerdem keine für die Ratifizierung notwendigen Änderungen der nationalen Gesetzgebung eingeleitet worden (BICC 12.2018). Ein Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Folter (Bill on the Prevention of Torture), welcher innerstaatliche Voraussetzung der Ratifizierung der VN Anti-Folterkonvention ist, wurde vom Parlament bisher nicht verabschiedet (AA 18.9.2018).
Folter ist in Indien jedoch verboten (AA 18.9.2018) und der indische Staat verfolgt Folterer grundsätzlich und veranstaltet Kampagnen zur Bewusstseinserhöhung der Sicherheitskräfte, doch bleiben Menschenrechtsverletzungen von Polizeibeamten und paramilitärischen Einheiten häufig ungeahndet und führen nicht einmal zu Ermittlungsverfahren. Besonders gefährdet sind Angehörige unterer Kasten und andere sozial benachteiligte Bevölkerungsschichten (ÖB 12.2018). Aufgrund von Folter erlangte Aussagen sind vor Gericht nicht zur Verwertung zugelassen (AA 18.9.2018). Das Gesetz verbietet somit Folter, aber es gibt Berichte von NGOs, dass solche Praktiken verbreitet sind, speziell in Konfliktgegenden (USDOS 20.4.2018). Folter durch Polizeibeamte, Armee und paramilitärische Einheiten bleibt häufig ungeahndet, weil die Opfer ihre Rechte nicht kennen, eingeschüchtert werden oder die Folter nicht überleben (AA 18.9.2018).
Menschenrechtsexperten zufolge versuchte die Regierung auch weiterhin Personen festzunehmen und ihnen einen Verstoß nach dem - aufgehobenen - Gesetz zur Bekämpfung von Terrorismus, terroristischer Akte und zerstörenden Handlungen anzulasten. Dieses Gesetz besagte, dass Geständnisse, die vor einem Polizisten abgelegt wurden, als zulässige Beweise im Gericht behandelt werden (USDOS 20.4.2018).
Nach glaubwürdigen, vertraulichen Schätzungen des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) kommt es weiterhin zu systematischer Folter in den Verhörzentren in Jammu und Kaschmir. Für den Zeitraum Januar bis August 2017 beziffert Amnesty International die Zahl der Todesfälle in Haftanstalten auf 894, in Polizeigewahrsam auf 74 (AA 18.9.2018).
Trotz der Trainings für senior police officers, bleiben willkürliche Verhaftungen, Folter und erzwungene Geständnisse durch Sicherheitskräfte verbreitet (ÖB 12.2018).
Es kommt immer wieder zu willkürlichen Übergriffen der Staatsorgane, insbesondere der Polizeikräfte, vor allem gegenüber Häftlingen in Polizeigewahrsam. In einigen Fällen wird von willkürlichen und nicht gemeldeten Verhaftungen berichtet, bei denen dem Verhafteten mitunter ausreichend Wasser und Nahrung vorenthalten werden. Von etlichen Ausnahmen abgesehen, werden gesetzeswidrige Handlungen in diesem Bereich geahndet. Die angerufenen Gerichte haben hierbei in den letzten Jahren verstärkt Verantwortung gezeigt, zumal NGOs und die Presse kritisch über die ihnen bekannt gewordenen Fälle berichten. Auch über Übergriffe der Militärs und der paramilitärischen Gruppen bei ihren Einsätzen im Inneren (vor allem in Jammu und Kaschmir sowie in Indiens Nordosten) berichten Menschenrechtsorganisationen und die Nationale Menschenrechtskommission. Auch diese werden vereinzelt (militär-) gerichtlich geahndet, Prozess und Prozessausgang bleiben allerdings geheim (ÖB 12.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
- BICC - Bonn International Centre for Conversion (12.2018): Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien, http://www.ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/indien/2018_indien.pdf, Zugriff 29.1.2019
- ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018): Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018
3. Allgemeine Menschenrechtslage
Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 18.9.2018). Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 12.2018). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 18.9.2018). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, aber ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u.a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden. Es gibt glaubhafte Berichte über extralegale Tötungen (AA 18.9.2018).
Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme sind Missbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigung. Korruption bleibt weit verbreitet und trägt zur ineffektiven Verbrechensbekämpfung bei, insbesondere auch von Verbrechen gegen Frauen, Kinder und Mitglieder registrierter Kasten und Stämme sowie auch gesellschaftlicher Gewalt aufgrund von Geschlechts-, Religions-, Kasten- oder Stammeszugehörigkeit (USDOS 20.4.2018).
Eine verallgemeinernde Bewertung der Menschenrechtslage ist für Indien kaum möglich: Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft. Vor allem die Realität der unteren Gesellschaftsschichten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist oftmals von Grundrechtsverletzungen und Benachteiligung geprägt (AA 18.9.2018). Ursache vieler Menschenrechtsverletzungen in Indien bleiben tiefverwurzelte soziale Praktiken wie nicht zuletzt das Kastenwesen (AA 18.9.2018). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niederer Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 12.2018). Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, dort wo es interne Konflikte gibt, teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Insbesondere hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten, wird den Sicherheitskräften Parteilichkeit vorgeworfen. Die Stimmung wird durch hindu-nationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 12.2018).
Separatistische Rebellen und Terroristen in Jammu und Kaschmir, den nordöstlichen Bundesstaaten und im "Maoistengürtel" begingen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, darunter Morde an Zivilisten, Polizisten, Streitkräften und Regierungsbeamten. Aufständische sind für zahlreiche Fälle von Entführung, Folter, Vergewaltigung, Erpressung und den Einsatz von Kindersoldaten verantwortlich (USDOS 20.4.2018).
In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein, Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 20.4.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
- BICC - Bonn International Centre for Conversion (12.2018): Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien, http://www.ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/indien/2018_indien.pdf, Zugriff 29.1.2019
- ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018: Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018
4. Grundversorgung und Wirtschaft
In Indien lebt etwa ein Viertel der Bevölkerung unter dem veranschlagten Existenzminimum der Vereinten Nationen. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine das Überleben sichernde Nahrungsversorgung auch der untersten Schichten der Bevölkerung zum Großteil gewährleistet. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe gibt es nicht, die Rückkehrer sind auf die Unterstützung der eigenen Familie oder von Bekannten angewiesen (ÖB 12.2018).
Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2016/2017 bei 7,1 Prozent und in 2017/18 bei 6,75 Prozent mit wieder steigender Tendenz. Indien zählt damit nach wie vor zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt (AA 11.2018a).
2016 lag die Erwerbsquote laut Schätzungen der ILO bei 55,6 Prozent. Der Hauptteil der Menschen arbeitet im Privatsektor. Es gibt immer noch starke Unterschiede bei der geschlechtlichen Verteilung des Arbeitsmarktes. Indien besitzt mit 478,3 Millionen Menschen die zweitgrößte Arbeitnehmerschaft der Welt (2012). Jährlich kommen 12,8 Millionen Arbeitskräfte hinzu. Im Jahr 2015 lag die Arbeitslosenquote bei 3,4 Prozent (nach ILO 2016) (BAMF 3.9.2018).
Schätzungen zufolge stehen nur circa 10 Prozent aller Beschäftigten in einem vertraglich geregelten Arbeitsverhältnis. Die übrigen 90 Prozent werden dem sogenannten "informellen Sektor" zugerechnet - sie sind weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert, noch haben sie Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung (AA 11.2018a). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 16,4 Prozent (2017/18) der Gesamtwirtschaft, obgleich fast 50 Prozent der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (AA 11.2018a).
Die Regierung hat überall im Land rund 1.000 Arbeitsagenturen (Employment Exchanges) eingeführt um die Einstellung geeigneter Kandidaten zu erleichtern. Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle frei ist (BAMF 3.9.2018; vgl. PIB 23.7.2018). Das Nationale Mahatma Gandhi Beschäftigungsgarantieprogramm für die ländliche Bevölkerung (Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act, MGNREGA), läuft bis 2019. Das Ziel des laufenden Programms besteht darin, die ländliche Infrastruktur zu verbessern, die Land- und Wasserressourcen zu vergrößern und der armen Landbevölkerung eine Lebensgrundlage zu bieten: Jedem Haushalt, dessen erwachsene Mitglieder bereit sind, manuelle Arbeiten zu verrichten, welche keiner besonderen Qualifikation bedarf, wird mindestens 100 Tage Lohnarbeit pro Haushaltsjahr garantiert (SNRD 26.3.2018). Einige Staaten in Indien geben Arbeitssuchenden eine finanzielle Unterstützung für die Dauer von drei Jahren. Für weitere Informationen sollte die jeweilige lokale Vermittlungsagentur kontaktiert werden. Diese bieten auch Beratungen an, bei denen sie Informationen zu Verfügung stellen (BAMF 3.9.2018).
Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei rund 1.970 USD. Auf dem Human Development Index der UNDP (Stand: September 2016) steht Indien auf Platz 130 unter 188 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut entkommen (AA 11.2018a).
Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zu meist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an, welche sich jedoch an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (BAMF 3.9.2018).
Die Arbeitnehmerrentenversicherung ist verpflichtend und mit der Arbeit verknüpft. Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmer ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 3.9.2018).
55,3 Prozent der Bevölkerung (642,4 Mio.) lebt in multi-dimensionaler Armut (HDI 2016). Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine für das Überleben ausreichende Nahrungsversorgung auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der Familie oder Freunde angewiesen. Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 18.9.2018).
Im September 2018 bestätigte der Oberste Gerichtshof die Verfassungsmäßigkeit des biometrischen Identifikationsprojekts Aadhaar (HRW 17.1.2019). Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar-ID Nummer ausgestellt. Ursprünglich wurde das System eingeführt, um Steuerbetrug entgegenzuwirken. In den folgenden Jahren wurde der Umfang jedoch stark ausgeweitet: In einigen indischen Bundesstaaten werden mittels Aadhaar Pensionen, Stipendien und die Essensausgabe für arme Menschen abgewickelt (ORF 27.9.2018). Aadhaar stellt für den Großteil der Bevölkerung den einzigen Zugang zu einem staatlich anerkannten Ausweis dar. Diejenigen, die sich bei Aadhaar angemeldet haben, erhielten nach der Übermittlung ihrer Fingerabdrücke und Netzhautscans eine eindeutige zwölfstellige Identifikationsnummer (BBC 26.9.2018).
Menschenrechtsgruppen äußern Bedenken, dass die Bedingungen zur Registrierung für Aadhaar, arme und marginalisierte Menschen daran hindern, wesentliche, verfassungsmäßig garantierte Dienstleistungen wie etwa Nahrung und Gesundheitsversorgung zu erhalten (HRW 18.1.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
- AA - Auswärtiges Amt (11.2018a): Indien, Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/-/205976, Zugriff 17.1.2019
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (3.9.2018): Länderinformationsblatt Indien, http://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2018_India_DE.pdf, Zugriff 17.12.2018
- BBC British Broadcasting Corporation (26.9.2018): Aadhaar: India top court upholds world's largest biometric scheme, https://www.bbc.com/news/world-asia-india-44777787, Zugriff 20.11.2018
- HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - India, ttps://www.ecoi.net/de/dokument/2002249.html, Zugriff 23.1.2019
- HRW - Human Rights Watch (13.1.2018): India: Identification Project Threatens Rights, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422175.html, Zugriff 19.11.2018
- ORF - Österreichischer Rundfunk (27.9.2018): Indiens Form der digitalen Überwachung, https://orf.at/stories/3035121/, Zugriff 20.11.2018
- ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018): Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion
- PIB - Press Information Bureau Government of India Ministry of Labour & Employment (23.7.2018): Modernisation of Employment Exchanges, http://pib.nic.in/newsite/PrintRelease.aspx?relid=180854, Zugriff 20.11.2018
- SNRD - Sector Network Natural Resources and Rural Development Asia (26.3.2018): Environmental Benefits of the Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act (MGNREGA-EB), https://snrd-asia.org/environmental-benefits-of-the-mahatma-gandhi-national-rural-employment-guarantee-act-mgnrega-eb/, Zugriff 29.1.2019
- WKO - Außenwirtschaft Austria (26.9.2018): Außen Wirtschaft Update Indien, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indien-update.pdf, Zugriff 20.11.2018
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zur Herkunft und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seiner schulischen Ausbildung und Arbeitserfahrung, sowie zu seiner familiären Situation beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers im Asylverfahren, im gegenständlichen Verfahren sowie seiner im gegenständlichen Verfahren vorgelegten Geburtsurkunde mit beglaubigter Übersetzung.
Die Feststellungen zum Asylverfahren des Beschwerdeführers, zu seinem aufenthaltsrechtlichen Status, seiner Ausreiseverpflichtung, seiner Nichtmitwirkung an der Ausreise, zum gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK und zu seiner Abschiebung ergeben sich aus den Verwaltungs- und Gerichtsakten.
Die Feststellungen über die Lebenssituation des Beschwerdeführers im Bundesgebiet beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren und den darin vorgelegten Unterlagen.
Die Feststellungen über den Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung und der strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergeben sich aus der Einsichtnahme in das Grundversorgungssystem und ins österreichische Strafregister.
2.2. Die oben wiedergegebenen Feststellungen zur Lage in Indien ergeben sich aus den im angefochtenen Bescheid enthaltenen Länderberichten. Bei den angeführten Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter, teilweise vor Ort agierender, staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Indien ergeben und denen weder der Beschwerdeführer noch sein rechtsfreundlicher Vertreter entgegengetreten sind.
3. Rechtliche Beurteilung:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Zum Spruchteil A)
3.1. Zur Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid:
Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.
Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen: Die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8), die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9).
Gemäß § 58 Abs. 5 AsylG 2005 sind Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 AsylG 2005 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen. Im Antrag ist gemäß § 58 Abs. 6 AsylG 2005 der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 AsylG 2005 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.
Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 AsylG 2005 begründen gemäß § 58 Abs. 13 AsylG 2005 kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 AsylG 2005 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten.
Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist.
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.
Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).
Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
Der Beschwerdeführer hat keine Familienangehörigen oder sonstigen Verwandten in Österreich, weshalb die Rückkehrentscheidung keinen Eingriff in das Recht auf Achtung des Familienlebens des Beschwerdeführers darstellt.
Die aufenthaltsbeenden Maßnahme könnte daher allenfalls in das Privatleben des Beschwerdeführers eingreifen.
Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.
Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Die zeitliche Komponente spielt jedoch eine zentrale Rolle, da - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541).
Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).
Der Beschwerdeführer reiste im Jänner 2006 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 09.01.2006 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 24.04.2009, Zl. C7 315437-2/2008/9E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.08.2008 als unbegründet abgewiesen und der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen. Dieses Erkenntnis erwuchs am 10.06.2009 in Rechtskraft. Der Beschwerdeführer hielt sich daher ab diesem Zeitpunkt rechtswidrig in Österreich auf. Er verfügte nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des bloß vorübergehenden Aufenthaltsrechts aufgrund des Asylverfahrens. Er kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht aus eigenem nach, sondern nahm sogar mehrere Ladungen zur Sicherung seiner Ausreise nicht wahr und verweigerte über mehrere Jahre hinweg die Mitwirkung am Verfahren zu Erlangung eines Heimreisezertifikats. Zumal der Beschwerdeführer schlussendlich im Februar 2018 abgeschoben wurde, ist die Schutzwürdigkeit seines Privatlebens als deutlich gemindert anzusehen (vgl. VwGH 15.03.2016, Ra 2015/21/0180).
Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479). Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31. 10. 2002, 2002/18/0190).
Im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008, Nr. 26565/05) auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert. In seiner davor erfolgten Entscheidung Nnyanzi gegen United Kingdom vom 08.04.2008 (Nr. 21878/06) kommt der EGMR zu dem Ergebnis, dass bei der vorzunehmenden Interessensabwägung zwischen dem Privatleben des Asylwerbers und dem staatlichen Interesse eine unterschiedliche Behandlung von Asylwerbern, denen der Aufenthalt bloß aufgrund ihres Status als Asylwerber zukommt, und Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt gerechtfertigt sei, da der Aufenthalt eines Asylwerbers auch während eines jahrelangen Asylverfahrens nie sicher ist. So spricht der EGMR in dieser Entscheidung ausdrücklich davon, dass ein Asylweber nicht das garantierte Recht hat, in ein Land einzureisen und sich dort niederzulassen. Eine Abschiebung ist daher immer dann gerechtfertigt, wenn diese im Einklang mit dem Gesetz steht und auf einem in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten Grund beruht. Insbesondere ist nach Ansicht des EGMR das öffentliche Interesse jedes Staates an einer effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls höher als das Privatleben eines Asylwerbers; auch dann, wenn der Asylwerber im Aufnahmestaat ein Studium betreibt, sozial integriert ist und schon 10 Jahre im Aufnahmestaat lebte.
Auch wenn sich der Beschwerdeführer insgesamt zwölf Jahre im österreichischen Bundesgebiet aufhielt, wird das Gewicht des Aufenthaltes dadurch wesentlich relativiert, dass die Einreise illegal und der Aufenthalt für lediglich drei Jahre bloß aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber rechtmäßig war, und der Beschwerdeführer nach rechtskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens im Juni 2009 illegal in Österreich verblieb. In dieser Zeit kam der Beschwerdeführer weder selbständig seiner Ausreiseverpflichtung nach, noch wirkte er am Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates mit. Vielmehr kam er mehreren Ladungen nicht nach, verweigerte die Ausfüllung eines Antrags auf Ausstellung eines Heimreisezertifikats und machte auch sonst keine Angaben. Erst im Zuge der Stellung des gegenständlichen Antrages zeigte sich der Beschwerdeführer - of