TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/18 W166 2230310-1

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Veröffentlicht am 18.05.2020
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Entscheidungsdatum

18.05.2020

Norm

BBG §41 Abs2
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W166 2230310-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Ivona GRUBESIC sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Chronisch Krank, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 27.03.2020, betreffend die Zurückweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 05.07.2019 einen Antrag auf Neuausstellung eines Behindertenpasses wegen Ungültigkeit sowie einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (in weiterer Folge: belangte Behörde) und wurde ihm nach dem durchgeführten Ermittlungsverfahren ein Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 50 v.H. ausgestellt.

Sein Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, welcher vom Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises umfasst war, wurde mangels Vorliegen der Voraussetzungen mit Bescheid vom 08.01.2020 abgewiesen.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen kein Rechtsmittel, stellte indessen am 06.02.2020 einen neuen Antrag auf Vornahme der genannten Zusatzeintragung in seinen Behindertenpass und legte seinem Antrag eine orthopädische Stellungnahme vom 15.01.2020 bei.

Die orthopädische Stellungnahme wurde dem Ärztlichen Dienst im Haus der belangten Behörde zugeleitet und erstattete dieser mit Sofortiger Beantwortung vom 26.03.2020 die Äußerung, dass der neu vorgelegte Befund keine offenkundige Änderung ergebe.

Die belangte Behörde wies den Antrag des Beschwerdeführers vom 06.02.2020 mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 27.03.2020 zurück und führte in der Begründung aus, dass der Beschwerdeführer eine offenkundige Änderung seiner Funktionsbeeinträchtigungen in seinem Antrag nicht glaubhaft geltend machen habe können. Dabei zitierte sie die Bestimmung des § 41 Abs. 2 Bundesbehindertengesetz (BBG).

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 07.04.2020 das Rechtsmittel der Beschwerde und stellte den Antrag, das Bundesverwaltungsgericht möge den Bescheid vom 27.03.2020 beheben und dem Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung stattgeben, in eventu diesen an die Behörde zurückverweisen, in eventu Beweis durch einen Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Orthopädie einholen.

Die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 14.04.2020 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 50 v.H.

Mit Bescheid vom 08.01.2020 wies das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Antrag des Beschwerdeführers vom 05.07.2019 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in seinen Behindertenpass ab. Im dieser Entscheidung zugrundeliegenden Ermittlungsverfahren wurde ein Sachverständigengutachten eingeholt, dessen Ergebnis zeigte, dass die Voraussetzungen für diese Zusatzeintragung nicht vorlagen.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen kein Rechtsmittel und wurde die Entscheidung mit Ablauf der Rechtsmittelfrist von sechs Wochen rechtskräftig.

Nach etwa einem Monat, am 06.02.2020 - sohin innerhalb eines Jahres seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung - stellte der Beschwerdeführer einen neuen Antrag auf Vornahme eben dieser Zusatzeintragung.

Ein zwischenzeitlicher Eintritt einer offenkundigen Änderung des Leidenszustandes wurde nicht geltend gemacht. Aus der mit dem Antrag vorgelegten orthopädischen Stellungnahme vom 15.01.2020 ist keine offenkundige Änderung erkennbar.

2. Beweiswürdigung:

Dass der Beschwerdeführer im Besitz eines Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 50 v.H. ist, kann aus dem Datenstammblatt abgelesen werden, welches im vorgelegten Verwaltungsakt einliegend ist.

Die Feststellung zur rechtskräftigen Entscheidung der belangten Behörde beruht auf der dem Verwaltungsakt einliegenden Bescheid vom 08.01.2020.

Dass der Beschwerdeführer am 06.02.2020 einen neuen Antrag auf Vornahme der genannten Zusatzeintragung einbrachte, beruht ebenfalls auf dem Akteninhalt, dem der Antrag einliegt.

Im Antrag selbst befindet sich keine Erklärung oder Behauptung zu einem seit der letzten Entscheidung vom 08.01.2020 eingetretenen geänderten Gesundheitszustand. Aus dem vorgelegten medizinischen Beweismittel vom 15.01.2020 kann keine offenkundige Änderung erblickt werden.

Darin führte der Facharzt für Orthopädie aus, dass ihm der Beschwerdeführer von drei Kontakten bekannt sei. Bereits daraus ergibt sich, dass die orthopädischen Leiden des Beschwerdeführers nicht neu sind. Weshalb er einen Befund seines Orthopäden nicht bereits im ersten Verfahrensgang, mit seinem Antrag vom 05.07.2019 vorlegte oder zur Untersuchung am 02.10.2019 mitbrachte, ist nicht verständlich, insbesondere wenn er, wie in der Stellungnahme vom 15.01.2020 angedeutet gerade aufgrund der orthopädischen Leiden die öffentlichen Verkehrsmittel nicht benützen könne.

Dass sich aus diesem medizinischen Beweismittel keine Änderung ergibt, wurde überdies durch die sofortige Beantwortung des Ärztlichen Dienstes im Hause der belangten Behörde bestätigt.

Im Beschwerdeschreiben vom 07.04.2020 wurde ebenfalls keine Änderung dargelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes durch den Senat zu erfolgen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 i.d.F. BGBl. I 138/2017, geregelt (§ 1 leg.cit.).

Zu Spruchpunkt A) Abweisung der Beschwerde

Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 42 Abs. 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 leg. cit. nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Gemäß § 41 Abs. 2 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

Der Beschwerdeführer stellt seinen neuen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung innerhalb der Jahresfrist des § 41 Abs. 2 BBG und ist ein solcher Antrag gemäß § 41 Abs. 2 BBG zurückzuweisen, es sei denn, es wird eine offenkundige Änderung einer Funktionseinschränkung glaubhaft geltend gemacht wird. Bei der Beurteilung, ob eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung (glaubhaft) geltend gemacht wird, handelt es sich um eine Rechtsfrage.

Wie der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) u.a. (betreffend Zurückweisung des Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung) ergangenen Erkenntnis vom 16.09.2008, 2008/11/0083, ausgeführt hat, sind "offenkundig" solche Tatsachen, deren Richtigkeit - unter Bedachtnahme auf die Lebenserfahrung - der allgemeinen Überzeugung entsprechen bzw. allgemein bekannt sind. Offenkundigkeit bringe es mit sich, dass eine Tatsache erkennbar ist, ohne dass eine Prüfung der individuellen Situation erforderlich ist.

Unter Zugrundelegung dieses - vom VwGH formulierten - Maßstabes ist darauf hinzuweisen, dass die vom Beschwerdeführer nach nicht einmal ein Monat nach der rechtskräftigen Entscheidung der belangten Behörde vorgelegten orthopädischen Stellungnahme nicht geeignet ist, eine seit diesem Zeitpunkt (offenkundig) eingetretene Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung im Sinne des § 41 Abs. 2 BBG darzutun.

Die vorgelegte Stellungnahme dokumentiert vielmehr die bereits im vorangegangenen Verfahren, welches mit Bescheid der belangten Behörde vom 08.01.2020 abgeschlossen wurde, festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen. Dies wird durch die Sofortige Beantwortung des Ärztlichen Dienstes vom 26.03.2020 bestätigt. Offenkundige Änderungen wurden vom Beschwerdeführer weder in seinem Antrag noch in seiner Beschwerde behauptet.

Die belangte Behörde wies den Antrag des Beschwerdeführers vom 06.02.2020 zu Recht zurück, da der Antrag binnen der Jahresfrist gemäß § 41 Abs. 2 BBG gestellt wurde und der Beschwerdeführer keine Änderung glaubhaft geltend machte.

Die dagegen erhobene Beschwerde war daher spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

3. wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird.

Im vorliegenden Fall war der das Verwaltungsverfahren einleitende Antrag bereits von der Behörde zurückzuweisen und erwies sich diese Entscheidung nach Durchsicht des Verwaltungsaktes als rechtsrichtig. Eine mündliche Verhandlung war insbesondere aufgrund des geklärten Sachverhaltes, welcher vollständig dem Verwaltungsakt zu entnehmen war nicht geboten.

Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Eine mündliche Erörterung ließ eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten und ist damit eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG), weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Antragstellung Behindertenpass Frist offenkundige Änderung Zurückweisung Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W166.2230310.1.00

Im RIS seit

09.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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