Index
60/04 Arbeitsrecht allgemein;Norm
AuslBG §12a Abs2 idF 1995/257;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde der Wojnar"s Wiener Leckerbissen Delikatessenerzeugung Gesellschaft mbH in Wien, vertreten durch Dr. Lukas Kozak, Rechtsanwalt in Wien III, Landstraßer Hauptstraße 47-49, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 18. März 1997, Zl. LGSW/Abt. 10/13113/1668735/1997, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende Partei beantragte beim Arbeitsmarktservice Angestellte Wien die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für die polnische Staatsangehörige Jolanda Michalik (geboren am 24. April 1971) für die berufliche Tätigkeit als "Exportkorrespondentin für Polen"; als spezielle Kenntnisse oder Ausbildung für diese Tätigkeit verlangte die beschwerdeführende Partei "Verkaufs- und Warenkenntnis, polnische Sprachkenntnis".
Diesen Antrag wies das Arbeitsmarktservice Angestellte Wien mit Bescheid vom 6. Februar 1997 gemäß § 4 Abs. 7 AuslBG (in Zusammenhalt mit der Kundmachung des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die Bundeshöchstzahl 1997 und der Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung) ab.
Dagegen erhob die beschwerdeführende Partei Berufung. Sie brachte darin im wesentlichen vor, die beantragte Ausländerin verfüge über eine für die in Aussicht genommene Tätigkeit "sehr gute Qualifikation". Diese Ausländerin werde dringend für die Abwicklung der Exportgeschäfte, insbesondere mit dem Osten Europas benötigt. Die wirtschaftliche Zukunft des Betriebes sei direkt davon abhängig, daß diese Geschäfte abgewickelt werden könnten. Falls die Beschäftigungsbewilligung nicht erteilt werde, würde "ein großer österreichischer Betrieb gefährdet werden". Die angewendete Bestimmung des § 4 Abs. 7 AuslBG sei verfassungswidrig. Infolge der "speziellen Kenntnisse und Fertigkeiten der Arbeitnehmerin Michalik" bestünden gesamtwirtschaftliche Interessen an ihrer Beschäftigung.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 18. März 1997 wurde die Berufung der beschwerdeführenden Partei gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4 Abs. 7 AuslBG (in Zusammenhalt mit § 12a Abs. 1 und 2 sowie der Kundmachung des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die Bundeshöchstzahl 1997 und die Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung) abgewiesen und damit der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Zur Begründung führte die belangte Behörde nach Darlegung der maßgebenden Rechtslage - soweit für den Beschwerdefall relevant - aus, auf die mit Kundmachung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 26. November 1996, BGBl. Nr. 646/1996, festgesetzte Bundeshöchstzahl für das Kalenderjahr 1997 (262 246) seien laut Statistik des Arbeitsmarktservice Österreich derzeit (Stand Ende Februar 1997) 264 065 Ausländer anzurechnen. Die Bundeshöchstzahl 1997 sei daher überschritten. Es sei festgestellt worden, daß die beantragte ausländische Arbeitskraft nicht aufgrund einer Beschäftigungsbewilligung, Arbeitserlaubnis oder eines Befreiungsscheines nach dem AuslBG unselbständig beschäftigt gewesen sei, daß diese keinen Arbeitslosengeldanspruch habe, und daß für diese auch keine Sicherungsbescheinigung ausgestellt worden sei. Das Vorliegen von gesamtwirtschaftlichen Interessen könne nur bejaht werden, wenn der Ausländer für Aufgaben von erheblicher Bedeutung eingesetzt werden solle, insbesondere für unerläßliche Arbeiten in Ausführung einer gesetzlichen Verpflichtung.
Einzelbetriebliche Interessen könnten nicht berücksichtigt werden. Das Antrags- und Berufungsvorbringen sei nur als einzelbetriebliche Interessensargumentation zu qualifizieren. Der Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung stehe daher der Versagungsgrund nach § 4 Abs. 7 AuslBG entgegen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die beschwerdeführende Partei erachtet sich in dem Recht auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für die beantragte Ausländerin verletzt. Sie bringt im wesentlichen vor, die belangte Behörde habe die Bestimmung des § 1 Z. 3 BHZÜV, insbesondere den Begriff "gesamtwirtschaftlich" rechtlich unrichtig ausgelegt. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde komme betriebswirtschaftlichen Interessen große Bedeutung zu. Die Auslegung der belangten Behörde stehe mit dem Wortlaut der BHZÜV nicht in Einklang. Im Fall der lit. b des § 1 Z. 3 BHZÜV müßte der Ausländer nicht für Aufgaben des Bundes oder der Länder eingesetzt werden. Vielmehr bestehe aufgrund des mit der Beschäftigung des Ausländers verbundenen Zuflusses von Investitionskapital ein gesamtwirtschaftliches Interesse an der Beschäftigung. Ein solches Interesse bestehe auch an Ausländern, welche eine besondere Ausbildung, spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten oder besondere Erfahrungen aufweisen könnten. Der Begriff der Gesamtwirtschaft umfasse die Volkswirtschaft und die Betriebswirtschaft. Alles, was dem Einzelbetrieb nütze, sei auch direkt von Nutzen für die gesamte Volkswirtschaft. Keinesfalls sei die in Rede stehende Bestimmung dahin zu verstehen, daß einzelbetriebliche Interessen das Vorliegen gesamtwirtschaftlicher Interessen ausschließen würden. Die beantragte Arbeitskraft sei eine, an deren Beschäftigung "aufgrund ihrer speziellen Kenntnisse und Fertigkeiten ein einzelbetriebliches und auch ein gesamtwirtschaftliches Interesse besteht". Die beantragte Ausländerin werde benötigt, um das Betriebsergebnis zu halten und damit auch, um österreichische Arbeitsplätze zu erhalten und allenfalls weitere zu schaffen. Für den zu besetzenden Arbeitsplatz sei kein anderer Arbeitnehmer zu bekommen. Die beantragte Ausländerin sei eine "Schlüsselarbeitskraft". Das Ermittlungsverfahren sei mangelhaft geblieben, weil die belangte Behörde "Ermittlungen über den wahren Sachverhalt" hätte anstellen müssen. Dadurch hätte sich ergeben, daß die Beschäftigung der beantragten Ausländerin "von großer Bedeutung für das Unternehmen der Beschwerdeführerin ist".
Dieses Vorbringen vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Die belangte Behörde hat die Ablehnung der Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung ausschließlich auf § 4 Abs. 7 AuslBG (in Verbindung mit § 12a Abs. 1 und 2 AuslBG sowie der nach dem Zeitpunkt der Bescheiderlassung in Betracht kommenden Kundmachung über die Bundeshöchstzahl 1997 und die Verordnung BGBl. Nr. 278/1995) gestützt.
Die beschwerdeführende Partei tritt den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, wonach die im Beschwerdefall maßgebende Bundeshöchstzahl 1997 im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides überschritten und die sachverhaltsmäßigen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Bundeshöchstzahlenüberziehungsverfahrens gegeben gewesen seien, nicht entgegen. Es geht im Beschwerdefall demnach ausschließlich darum, ob - auch ungeachtet dieser Überschreitung der Bundeshöchtszahl - im Bundeshöchstzahlenüberziehungsverfahren die Beschäftigungsbewilligung für die beantragte ausländische Arbeitskraft erteilt werden durfte.
Gemäß § 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales, mit der die Gesamtzahl der unselbständig beschäftigten arbeitslosen Ausländer überzogen wird (in ihrer im Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 278/1995; Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung - BHZÜV), dürfen unter anderem nach der (aus Sicht des Beschwerdefalles relevanten) Z. 3 über die Gesamtzahl der unselbständig beschäftigten und arbeitslosen Ausländer (Bundeshöchstzahl) gemäß § 12a Abs. 1 AuslBG hinaus Sicherungsbescheinigungen ausgestellt und Beschäftigungsbewilligungen erteilt werden für:
"Ausländer, an deren Beschäftigung
a)
im Hinblick auf ihre besondere Ausbildung, speziellen Kenntnisse und Fertigkeiten oder besonderen Erfahrung oder
b)
im Hinblick auf den mit der Beschäftigung verbundenen Transfer von Investitionskapital gesamtwirtschaftliche Interessen bestehen;".
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. Oktober 1996, Zl. 96/09/0293, und vom 23. Jänner 1997, Zl. 96/09/0391) müssen nach § 1 Z. 3 lit. a BHZÜV zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein:
1. Eine besondere Qualifikation des Ausländers in bezug auf die beantragte Beschäftigung (subjektive, in der Person des beantragten Ausländers gelegene Komponente) und
2. ein gesamtwirtschaftliches Interesse an der Beschäftigung des qualifizierten Ausländers (objektive Komponente).
Das gesamtwirtschaftliche Interesse an der Beschäftigung des beantragten Ausländers (die objektive Komponente) setzt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein qualifiziertes, über das betriebsbezogene wirtschaftliche Interesse des Betriebes an der Befriedigung eines derartigen Arbeitskräftebedarfes hinausgehendes Interesse voraus (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 15. September 1994, Zl. 93/09/0330, und vom 7. September 1995, Zl. 94/09/0355, u.a.).
Im Beschwerdefall konnte die belangte Behörde nach dem von der beschwerdeführenden Partei im Verwaltungsverfahren erstatteten Vorbringen davon ausgehen, daß die tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 1 Z. 3 BHZÜV nicht erfüllt sind. Denn die beschwerdeführende Partei hat (im gesamten Verfahren) nicht dargelegt, über welche "besondere Qualifikation" die beantragte ausländischen Arbeitskraft verfügen soll. Daß die beantragte Ausländerin als "Exportkorrespondentin für Polen" notwendigerweise Kenntnisse der polnischen Sprache besitzen muß, ist noch nicht als besondere Qualifikation, sondern als ein für diese Tätigkeit unbedingt (und regelmäßig) notwendiges Erfordernis anzusehen. Inwieweit die beantragte Ausländerin über diese Sprachkenntnis hinaus eine besondere Qualifikation besitzt und solcherart als hochqualifizierte Arbeitskraft im Sinne des § 1 Z. 3 BHZÜV angesehen werden könnte, wurde von der beschwerdeführenden Partei weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde dargelegt. Denn die beschwerdeführende Partei hat nicht behauptet (noch viel weniger nachgewiesen), über welche (besondere) Ausbildung die beantragte Ausländerin verfügt und worin ihre besonderen Kenntnisse und Erfahrungen bestehen. Auch in der an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wird in dieser Hinsicht kein Sachverhalt dargetan sondern nur der Wortlaut des § 1 Z. 3 BHZÜV wiedergegeben. Daß die beantragte Ausländerin die genannte subjektive Komponente im Sinne des § 1 Z. 3 (lit. a) BHZÜV erfüllt, ist für den Verwaltungsgerichtshof daher auch vor dem Hintergrund dieses (theoretisch und abstrakt gebliebenen) Beschwerdevorbringen nicht zu finden.
Entgegen der Ansicht der beschwerdeführenden Partei kann im Bundeshöchstzahlenüberziehungsverfahren (nach § 1 Z. 3 BHZÜV) das einem Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung im Regelfall zugrunde liegende betriebliche Interesse an der Beschäftigung dieses Ausländers nicht genügen, um eine Überziehung der festgesetzten Bundeshöchstzahl zu rechtfertigen. Denn solcherart müßte im genannten Überziehungsverfahren jeder Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung - abgesehen von Ansuchen, in denen der Antragsteller(Arbeitgeber) sein fehlendes Interesse an der Beschäftigung des Ausländers bekundet - bis zum Erreichen der absoluten Grenze des § 12a Abs. 2 AuslBG regelmäßig bewilligt werden. Daß jede Beschäftigung im Regelfall im weitesten Sinn in irgendeiner Weise auch der Gesamtheit der Bevölkerung zugute kommt, bedeutet noch nicht, daß an dieser Beschäftigung deshalb ein qualifiziertes Interesse bestünde (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 6. März 1997, Zlen. 94/09/0148 und 94/09/0366, sowie vom 29. Oktober 1997, Zl. 95/09/0254). Inwiefern (im Beschwerdefall) demnach an der Beschäftigung von Exportkorrespondenten mit Kenntnissen der polnischen Sprache ein (am Bedarf hochqualifizierter Arbeitskräfte zu messendes) gesamtwirtschaftliches Interesse - und nicht nur ein einzelbetriebliches Interesse der beschwerdeführenden Partei - bestehen soll, wird in der Beschwerde nicht schlüssig aufgezeigt.
Wenn die belangte Behörde ausgehend von dem von der beschwerdeführenden Partei erstatteten Vorbringen zu dem Ergebnis gelangte, daß im Beschwerdefall die Voraussetzungen für eine Zuordnung der beantragten Arbeitskraft zum Personenkreis des § 1 BHZÜV nicht vorlägen, vermag der Verwaltungsgerichtshof dies nicht als rechtswidrig zu erkennen.
Bei diesem Ergebnis mangelt es schon aus den dargelegten Gründen den in der Beschwerde behaupteten Verfahrensverletzungen an der erforderlichen Relevanz (§ 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG).
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 41 AMSG und der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997090116.X00Im RIS seit
20.11.2000