Entscheidungsdatum
04.06.2020Norm
AlVG §10Spruch
W209 2224980-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Mag. Gabriele STRAßEGGER und Peter STATTMANN als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , XXXX , XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Laxenburger Straße vom 19.06.2019 betreffend Einstellung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für die Zeit von 11.06.2019 bis 22.07.2019 zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit bekämpftem Bescheid vom 19.06.2019 stellte die belangte Behörde (im Folgenden: AMS) gemäß § 24 Abs. 1 iVm § 10 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) für die Zeit von 11.06.2019 bis 22.07.2019 das Arbeitslosengeld des Beschwerdeführers ein. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer ein ihm am 03.06.2019 vom AMS angebotenes Dienstverhältnis als Friedhofsarbeiter bei der Firma XXXX mit möglichem Arbeitsbeginn am 11.06.2019 nicht angenommen und hierfür gesundheitliche Probleme als Grund angegeben habe. Der Leistungsbezug müsse bis zur arbeitsmedizinischen Abklärung der gesundheitlichen Zumutbarkeit der dem Beschwerdeführer angebotenen Stelle für die Zeit vom 11.06.2019 bis 22.07.2019 eingestellt werden.
2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 26.06.2019 binnen offener Rechtsmittelfrist Beschwerde, die er im Wesentlichen damit begründete, dass er erst im August einen Termin beim BBRZ zur Abklärung der gesundheitlichen Zumutbarkeit der ihm zugewiesenen Beschäftigung erhalten habe, er bis dahin seine laufenden Kosten abdecken müsse und er daher das Arbeitslosengeld benötige.
3. Am 31.10.2019 einlangend legte das AMS die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. In einer beigefügten Stellungnahm teilte es mit, dass die Abklärung der gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers für die zugewiesene Stelle als Friedhofsgärtner mittels arbeitsmedizinischen Gutachtens vom 20.08.2019 ergeben habe, dass die Beschäftigung in gesundheitlicher Hinsicht zumutbar gewesen sei, und zwischenzeitlich mit gesondertem Bescheid vom 02.10.2019 gegen den Beschwerdeführer für die Zeit von 11.06.2019 bis 22.07.2019 (sechs Wochen) wegen Vereitelung der Aufnahme der verfahrensgegenständlichen Beschäftigung eine Sanktion gemäß § 10 AlVG verhängt worden sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen und Beweiswürdigung:
Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich aus dem im Punkt I. dargestellten Verfahrensgang und blieb von den Verfahrensparteien unbestritten.
2. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I. Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
§ 56 Abs. 2 AlVG normiert, dass über Beschwerden gegen Bescheide der Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat zu entscheiden hat, dem zwei fachkundige Laienrichter, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer angehören. Gegenständlich liegt daher Senatszuständigkeit mit Laienrichterbeteiligung vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
Im gegenständlichen Fall gelangen folgende maßgeblichen Bestimmungen des AlVG zur Anwendung:
§ 8 AlVG idF BGBl. I Nr. 3/2013:
"Arbeitsfähigkeit
§ 8. (1) Arbeitsfähig ist, wer nicht invalid und nicht berufsunfähig im Sinne des ASVG ist. Arbeitsfähig ist jedenfalls nicht, wer eine Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit oder der Erwerbsunfähigkeit bezieht. Arbeitsfähig ist weiters nicht, wer die Anspruchsvoraussetzungen für eine derartige Leistung erfüllt.
(2) Arbeitslose sind, wenn sich Zweifel über ihre Arbeitsfähigkeit ergeben oder zu klären ist, ob bestimmte Tätigkeiten ihre Gesundheit gefährden können, verpflichtet, sich ärztlich untersuchen zu lassen. Die Untersuchung der Arbeitsfähigkeit hat an einer vom Kompetenzzentrum Begutachtung der Pensionsversicherungsanstalt festgelegten Stelle stattzufinden. Die Untersuchung, ob bestimmte Tätigkeiten die Gesundheit einer bestimmten Person gefährden können, hat durch einen geeigneten Arzt oder eine geeignete ärztliche Einrichtung zu erfolgen. Wenn eine ärztliche Untersuchung nicht bereits eingeleitet ist, hat die regionale Geschäftsstelle bei Zweifeln über die Arbeitsfähigkeit oder über die Gesundheitsgefährdung eine entsprechende Untersuchung anzuordnen. Wer sich weigert, einer derartigen Anordnung Folge zu leisten, erhält für die Dauer der Weigerung kein Arbeitslosengeld.
(3) Das Arbeitsmarktservice hat Bescheide der Pensionsversicherungsträger und Gutachten des Kompetenzzentrums Begutachtung der Pensionsversicherungsanstalt zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit anzuerkennen und seiner weiteren Tätigkeit zu Grunde zu legen.
(4) Auf Personen, die der Verpflichtung zur ärztlichen Untersuchung gemäß Abs. 2 Folge leisten, sind § 7 Abs. 3 Z 1, Abs. 5, Abs. 7 und Abs. 8, § 9 und § 10 sowie Abs. 1 bis zum Vorliegen des Gutachtens zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit, längstens jedoch außer bei Vorliegen besonderer Gründe für drei Monate, nicht anzuwenden. Wenn auf Grund des Gutachtens anzunehmen ist, dass Arbeitsfähigkeit nicht vorliegt, so verlängert sich dieser Zeitraum bis zur bescheidmäßigen Feststellung des Pensionsversicherungsträgers, ob berufliche Maßnahmen der Rehabilitation zweckmäßig und zumutbar sind."
§ 10 AlVG idF BGBl. I Nr. 3/2013:
"§ 10. (1) Wenn die arbeitslose Person
1. sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 AMFG durchführenden Dienstleister zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, oder
2. sich ohne wichtigen Grund weigert, einem Auftrag zur Nach(Um)schulung zu entsprechen oder durch ihr Verschulden den Erfolg der Nach(Um)schulung vereitelt, oder
3. ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt, oder
4. auf Aufforderung durch die regionale Geschäftsstelle nicht bereit oder in der Lage ist, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nachzuweisen,
so verliert sie für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen. Die Erhöhung der Mindestdauer des Anspruchsverlustes gilt jeweils bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde.
(2) Hat sich die arbeitslose Person auf einen durch unwahre Angaben über Umfang und Ausmaß von Teilzeitbeschäftigungen begründeten besonderen Entgeltschutz nach Teilzeitbeschäftigungen berufen, so erhöht sich die Mindestdauer des Anspruchsverlustes nach Abs. 1 um weitere zwei Wochen.
(3) Der Verlust des Anspruches gemäß Abs. 1 ist in berücksichtigungswürdigen Fällen wie zB bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen.
(4) Wer, ohne dadurch den Erfolg der Schulungsmaßnahme zu gefährden, tageweise nicht an einer Schulungsmaßnahme teilnimmt, verliert den Anspruch auf Arbeitslosengeld für Tage des Fernbleibens, außer wenn dieses durch zwingende Gründe gerechtfertigt ist."
§ 24 AlVG idF BGBl. I Nr. 38/2017:
"Einstellung und Berichtigung des Arbeitslosengeldes
§ 24. (1) Wenn eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld wegfällt, ist es einzustellen; wenn sich eine für das Ausmaß des Arbeitslosengeldes maßgebende Voraussetzung ändert, ist es neu zu bemessen. Die bezugsberechtigte Person ist von der amtswegigen Einstellung oder Neubemessung unverzüglich durch Mitteilung an die zuletzt bekannt gegebene Zustelladresse in Kenntnis zu setzen. Die bezugsberechtigte Person hat das Recht, binnen vier Wochen nach Zustellung der Mitteilung einen Bescheid über die Einstellung oder Neubemessung zu begehren. Wird in diesem Fall nicht binnen vier Wochen nach Einlangen des Begehrens ein Bescheid erlassen, so tritt die Einstellung oder Neubemessung rückwirkend außer Kraft und die vorenthaltene Leistung ist nachzuzahlen. Ein späterer Widerruf gemäß Abs. 2 und eine spätere Rückforderung gemäß § 25 werden dadurch nicht ausgeschlossen.
(2) Wenn die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes gesetzlich nicht begründet war, ist die Zuerkennung zu widerrufen. Wenn die Bemessung des Arbeitslosengeldes fehlerhaft war, ist die Bemessung rückwirkend zu berichtigen. Der Widerruf oder die Berichtigung ist nach Ablauf von drei Jahren nach dem jeweiligen Anspruchs- oder Leistungszeitraum nicht mehr zulässig. Wird die Berichtigung vom Leistungsempfänger beantragt, ist eine solche nur für Zeiträume zulässig, die zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht länger als drei Jahre zurück liegen. Die Frist von drei Jahren nach dem Anspruchs- oder Leistungszeitraum verlängert sich, wenn die zur Beurteilung des Leistungsanspruches erforderlichen Nachweise nicht vor Ablauf von drei Jahren vorgelegt werden (können), bis längstens drei Monate nach dem Vorliegen der Nachweise."
Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:
Mit angefochtenem Bescheid vom 19.06.2019 stellte das AMS für die Zeit von 11.06.2019 bis 22.07.2019 das Arbeitslosengeld des Beschwerdeführers ein. Begründet wurde dies damit, dass der Beschwerdeführer ein ihm am 03.06.2019 vom AMS angebotenes Dienstverhältnis als Friedhofsarbeiter mit möglichem Arbeitsbeginn am 11.06.2019 nicht angenommen habe und vom Beschwerdeführer gesundheitliche Probleme als Grund hierfür angeführt worden seien. Bis zur arbeitsmedizinischen Abklärung der gesundheitlichen Zumutbarkeit der zugewiesenen Stelle habe der Leistungsbezug für die Zeit vom 11.06.2019 bis 22.07.2019 eingestellt werden müssen. In rechtlicher Hinsicht stützte sich das AMS auf § 24 Abs. 1 iVm § 10 AlVG.
Entgegen der Rechtsansicht des AMS berechtigt jedoch die Abklärung der gesundheitlichen Zumutbarkeit einer Tätigkeit nicht, das Arbeitslosengeld einzustellen, wenn der Arbeitslose - wie im vorliegenden Fall - der Anordnung des AMS, sich ärztlich untersuchen zu lassen, Folge leistet (vgl. § 8 Abs. 2 letzter Satz AlVG, wonach nur im Fall der Weigerung kein Arbeitslosengeld gebührt).
Dass das AMS - entgegen der ausdrücklich erfolgten Einstellung des Arbeitslosengelds - mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid eine Sanktion gemäß § 10 Abs. 1 AlVG verhängen wollte, worauf die ausdrückliche Bezugnahme auf § 10 AlVG und die Begründung des Bescheids schließen lassen könnten, ist jedoch nicht anzunehmen, weil es dies in der Folge mit gesondertem Bescheid vom 02.10.2019 tat.
Dementsprechend bestand für die Erlassung des angefochtenen Bescheids keine Rechtsgrundlage, weswegen er gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos zu beheben war.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG entfallen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Arbeitslosengeld Einstellung gesundheitliche Eignung Rechtsgrundlage ZumutbarkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W209.2224980.1.00Im RIS seit
09.09.2020Zuletzt aktualisiert am
09.09.2020