Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des R in M, vertreten durch Dr. Hellmut Weiser und Dr. Brigitte Weiser, Rechtsanwälte in Wien III, Geologengasse 3, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 27. Juni 1996, GZ 20/8-DOK/96, betreffend Suspendierung und Bezugskürzung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der im Jahre 1961 geborene Beschwerdeführer steht als Revierinspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er ist dem Gendarmerieposten Neulengbach zur Dienstleistung zugeteilt. Aufgrund einer Anzeige der M. ersuchte die Staatsanwaltschaft St. Pölten den Gendarmerieposten Melk, gegen den Beschwerdeführer wegen Verdachtes des schweren Betruges mit einer Schadenssumme von 1,5 Mio S Erhebungen zu führen und Anzeige zu erstatten. Der Gendarmerieposten Melk leitete das Ersuchen zwecks Durchführung der Erhebungen an die Kriminalabteilung beim Landesgendarmeriekommando für Niederösterreich (LGK NÖ) weiter. Am 22. Mai 1995 erstattete das LGK NÖ/Kriminalabteilung gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachtes des schweren Betruges bzw. der Veruntreuung Strafanzeige an das Landesgericht St. Pölten. Eine Durchschrift der erstatteten Strafanzeige wurde dem LGK NÖ als Dienstbehörde zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens vorgelegt. Diese ließ durch den Gendarmerieposten Neulengbach die mit 19. Juli 1995 datierte Disziplinaranzeige erstatten. Die Disziplinaranzeige wurde samt zugehörigen Beilagen dem Beschwerdeführer zugestellt. Das LGK NÖ leitete mit Schreiben vom 4. August 1995 die Disziplinaranzeige gemäß § 110 Abs. 1 Z. 2 Beamtendienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) an den Vorsitzenden der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres und den Disziplinaranwalt weiter.
Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres beschloß am 18. August 1995, gegen den Beschwerdeführer ein Disziplinarverfahren einzuleiten, dieses gemäß § 114 Abs. 2 BDG 1979 zu unterbrechen und gemäß § 114 Abs. 3 BDG 1979 erst nach rechtskräftiger Entscheidung bezüglich der Vorwürfe in strafgerichtlicher Hinsicht weiterzuführen. Dem Beschwerdeführer wurde darin vorgeworfen:
"RevInsp R. wird beschuldigt, er habe das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben beeinträchtigt, indem er verschuldete, daß gegen ihn wegen des Verdachtes des schweren Betruges und der Veruntreuung Anzeige an das Landesgericht St. Pölten erstattet werden mußte, weil er
1. im Jahre 1990 der Prokuristin M. durch das in Aussicht-Stellen eines lukrativen Geschäftes, mittels eines von ihm gemeinsam mit einem Freund entwickelten Computersystemes für Sportwetten und Lotterien hohe Gewinne machen zu können, einen Betrag von S 1,500.000,-- (eine Million fünfhunderttausend) herausgelockt und einen Teil dieser Summe, und zwar S 419.650,--
a) entgegen eines mit M. geschlossenen Partnerschaftsvertrages - worin er sich ua verpflichtete, den Betrag für Sportwetten in Anspruch zu nehmen - teilweise in Aktien investiert sowie
b) vermutlich insgesamt S 70.000,-- zur Abdeckung seines Girokontos bei der Sparkasse Melk verwendet habe und
2. im Rahmen einer in den Jahren 1991 und 1992 mit dem Trafikantenehepaar R. und W. und J. gebildeten Totogemeinschaft, die auf ihn anteilsmäßig entfallenden Einsätze nicht bezahlt habe, wodurch es zu einer Wetteinsatzschuld mit Zinsen zu Lasten der Familie W. in angeblicher Gesamthöhe von S 409.686,-- gekommen sei;
3. dem Ehepaar W. die baldige Bezahlung in Aussicht gestellt und als Sicherheit in seinem Besitz befindliche Aktien sowie eine Belehnung "seines" Hauses in E., H. Nr. 16, als Sicherstellung angeboten, obwohl
a)
die Aktien bereits verkauft waren und
b)
das als Sicherstellung angebotene Haus nicht im Besitz des Beschuldigten stand, sondern von ihm nur gepachtet war.
Der Beamte steht im Verdacht, über seine strafgerichtliche Verantwortlichkeit hinaus seine Dienstpflichten nach § 43 Abs 2 BDG 1979 hinsichtlich seiner Verpflichtung zur Erhaltung des Vertrauens der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben im Sinne des § 91 BDG 1979 schuldhaft verletzt zu haben."
Der dem Beschwerdeführer angelastete Sachverhalt gründe sich auf die vom LGK NÖ vorgelegte Disziplinaranzeige des Gendarmeriepostens Neulengbach vom 19. Juli 1995. Gegen den Einleitungsbeschluß wurde kein Rechtsmittel erhoben.
Laut Benachrichtigung des Landesgerichtes St. Pölten vom 19. Dezember 1995 wurde gegen den Beschwerdeführer am 17. August 1995 wegen §§ 146, 147 Abs. 3 StGB die Anklageschrift eingebracht. Am 25. Jänner 1996 fand vor dem Landesgericht St. Pölten die Hauptverhandlung statt, welche auf den 21. März 1996 vertagt wurde. Aus Anlaß der Hauptverhandlung erschien in der Tageszeitung "Kurier-NÖ" vom 26. Jänner 1996 unter "Gendarm wegen schweren Betrugs mit Fußballwetten vor Gericht. St. Pölten: Anklage wirft Inspektor vor, eineinhalb Millionen Schilling ergaunert zu haben" ein Zeitungsartikel.
Mit Bescheid vom 30. Jänner 1996 beschloß die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres, den Beschwerdeführer mit sofortiger Wirkung vom Dienst zu suspendieren. Dies habe gemäß § 112 Abs. 4 BDG 1979 die Kürzung des Monatsbezuges - unter Ausschluß der Kinderzulage - auf zwei Drittel für die Dauer der Suspendierung zur Folge. Die Behörde erster Instanz begründete ihren Bescheid folgendermaßen:
"Die Suspendierung eines Beamten ist eine vorbeugende Maßnahme, bei der die Disziplinarbehörde bei Beurteilung der Suspendierungsfrage abzuwägen hat, ob die Belassung des Beamten im Dienst wegen der Art, der ihm angelasteten Dienstpflichtverletzungen als vertretbar anzusehen ist oder nicht. Voraussetzung für die Suspendierung ist das Bestehen eines begründeten Verdachtes auf Vorliegen von Dienstpflichtverletzungen, die das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährden könnten.
Der beschuldigte Beamte steht im dringenden Verdacht, jene besonderen Pflichten, die sich aus seiner beruflichen Stellung als Exekutivbeamter ergeben, vorsätzlich verletzt zu haben.
RevInsp R. hat sich durch seine Vorgehensweise in den Verdacht der Verwirklichung eines schweren Betruges gesetzt. Es ist darin ein eindeutiger und schwerer Verstoß gegen jene Rechtsgüter zu sehen, zu deren Schutz er als Exekutivbeamter berufen ist. Die mit dem derart unerklärlichen und bedenklich erscheinenden Verhalten des Beschuldigten verbundene gravierende Beeinträchtigung des zwischen dem Beamten und der Verwaltung sowie seinen Vorgesetzten und Kollegen bestehenden besonderen Vertrauensverhältnisses läßt seine Weiterverwendung im Dienst nicht mehr für vertretbar erscheinen.
Bei Belassung des Beschuldigten im Amte wäre eine Schädigung des Ansehens des gesamten Exekutivkörpers zu befürchten, zumal in der Öffentlichkeit der Eindruck entstünde, daß sich die Bundesgendarmerie auf Beamte stützt, denen nicht das volle Vertrauen entgegengebracht werden kann.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
Gemäß § 112 Abs 4 BDG 1979 hat die verfügte Suspendierung die Kürzung des Monatsbezuges - unter Ausschluß der Kinderzulage - auf zwei Drittel auf die Dauer der Suspendierung zu Folge.
Der Senat konnte keine Gründe finden, diese Kürzung zu mindern. RevInsp R. hat einen monatlichen Gesamtbezug in der Höhe von S 18.427,-- ohne Kinderzulage. Er ist ledig und hat für ein außereheliches Kind zu sorgen.
Sein notwendiger Lebensunterhalt ist daher durch die Bezugskürzung nicht gefährdet."
Die dagegen erhobene Berufung lautet:
"Bei der mir im Bescheid Zl. 32/18-DK/45/95, der Disziplinarkommission, Senat 45 in der Begründung unter Punkt 1, zur Last gelegten Tatbestände handelt es sich seitens der Anklägerin um eine reine Verleumdung.
Die unter Punkt 2 und 3 angeführten Tatbestände treffen nicht zu, da diese vom LG St. Pölten bereits eingestellt worden sind. Hier handelte es sich um eine selbständige Anzeigeerstattung der KA.f.NÖ, ohne daß das Trafikantenehepaar bei den erhebenden Beamten Verdachtsmomente gegen mich geäußert hat.
Die unter Punkt 3, lit. b) angeführte Anschuldigung bezüglich einer Sicherstellung des von meiner Lebensgefährtin gemieteten Hauses, ist eine Erfindung der KA f.NÖ und wurde seitens R. oder W. nie behauptet.
Weiters bitte ich um Aufhebung der Kürzung des Monatsbezuges, da ich eine monatliche Fixbelastung von 12.000,-- (Miete, Kreditrückzahlung, sowie diverse Abbuchungsaufträge) habe und daher mein notwendiger Lebensunterhalt gefährdet ist.
Ich finde es nicht gerechtfertigt, daß auf Grund des Artikel im NÖ-Kurier vom 26.01.1996, meine Suspendierung ausgesprochen worden ist, da die Dienstbehörde seit Oktober 1994, von der Einleitung eines Strafverfahrens gegen mich, in Kenntnis war und eine Suspendierung trotz eingeleitetem Disziplinarverfahren nicht ausgesprochen wurde."
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt der Berufung keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid. Die belangte Behörde stützte sich in ihrer Begründung auf die mittlerweilig erfolgte Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landesgericht St. Pölten vom 11. April 1996 wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 StGB. Dadurch sei der Verdacht der Verletzung von Dienstpflichten durch den Beschwerdeführer "im Umfang des Einleitungsbeschlusses" vorliegend. Die belangte Behörde setzte in der Begründung fort:
"Die Notwendigkeit, eine vorläufige Maßnahme (nämlich die Suspendierung) zu setzen, ergibt sich aus der Verurteilung des Beamten sowie aus der Tatsache, daß die Vorwürfe an den Beschuldigten besondere Publizität erlangt haben und für die Öffentlichkeit der untragbare Eindruck entstehen könnte, daß ein Beamter, der als Mitarbeiter der Exekutive selbst strafrechtlich relevante Tatbestände setzt, deren Bekämpfung zu seinem engsten Pflichtenkreis zählt.
Gerade die Gefahr, daß in der Allgemeinheit ein solcher Eindruck entstehen könnte, rechtfertigt die Suspendierung bis zum endgültigen Abschluß des Verfahrens. Für eine gedeihliche Zusammenarbeit im Dienst fehlt derzeit das notwendige Vertrauensverhältnis zum Beschuldigten. Dadurch sind nicht nur das Ansehen des Amtes, sondern auch wesentliche Dienstinteressen gefährdet. Die Argumente in der Berufung kommen dagegen nicht an.
Auch in der Frage der Bezugskürzung pflichtet der Senat den Ausführungen der Erstinstanz bei."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Mit einer Stellungnahme zur Gegenschrift legte der Beschwerdeführer die Entscheidung des OGH vom 1. Oktober 1996, GZ 11 Os 135/96-7, über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Beschwerdeführers sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 11. April 1996 vor, mit welchem der OGH der Nichtigkeitsbeschwerde Folge gegeben und das angefochtene Urteil im Schuldspruch und demzufolge auch im Strafausspruch sowie im Adhäsionserkenntnis aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen hat. Eine Entscheidung des OGH in der Sache habe noch nicht zu erfolgen, weil die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung in erster Instanz nicht zu vermeiden sei.
Mit Schreiben der belangten Behörde vom 6. Oktober 1997 wurde dem Verwaltungsgerichtshof mitgeteilt, daß der Beschwerdeführer nach der am 17. September 1997 beim Landesgericht St. Pölten stattgefundenen Hauptverhandlung erneut gemäß §§ 146 und 147 Abs. 3 StGB verurteilt worden sei. Es sei eine Freiheitsstrafe von 12 Monaten ausgesprochen worden, deren Vollzug bedingt auf drei Jahre aufgeschoben worden sei. Der Beschwerdeführer habe Berufung eingelegt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die maßgeblichen Normen des BDG 1979 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung lauten:
"§ 94. (1) Der Beamte darf wegen einer Dienstpflichtverletzung nicht mehr bestraft werden, wenn gegen ihn nicht
1.
innerhalb von sechs Monaten, gerechnet von dem Zeitpunkt, zu dem der Disziplinarbehörde die Dienstpflichtverletzung zur Kenntnis gelangt ist, oder
2.
innerhalb von drei Jahren, gerechnet von dem Zeitpunkt der Beendigung der Dienstpflichtverletzung,
eine Disziplinarverfügung erlassen oder ein Disziplinarverfahren vor der Disziplinarkommission eingeleitet wurde. Sind von der Dienstbehörde vor Einleitung des Disziplinarverfahrens im Auftrag der Disziplinarkommission notwendige Ermittlungen durchzuführen (§ 123 Abs. 1 zweiter Satz), verlängert sich die unter Z. 1 genannte Frist um sechs Monate.
...
(4) Hat der Sachverhalt, der einer Dienstpflichtverletzung zugrunde liegt, zu einer strafgerichtlichen Verurteilung geführt und ist die strafrechtliche Verjährungsfrist länger als die Abs. 1 Z. 2 genannte Frist, so tritt an die Stelle dieser Frist die strafrechtliche Verjährungsfrist.
§ 112. (1) Wird über den Beamten die Untersuchungshaft verhängt oder würden durch die Belassung des Beamten im Dienst wegen der Art der ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzung das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet, so hat die Dienstbehörde die vorläufige Suspendierung zu verfügen.
...
(3) Jede vorläufige Suspendierung ist unverzüglich der Disziplinarkommission mitzuteilen, die über die Suspendierung zu entscheiden hat. Die vorläufige Suspendierung endet spätestens mit dem Tag dieser Entscheidung. Ist jedoch ein Disziplinarverfahren bei der Disziplinarkommission (Disziplinaroberkommission) bereits anhängig, so hat diese bei Vorliegen der im Abs. 1 genanten Voraussetzungen die Suspendierung zu verfügen.
(4) Jede durch Beschluß der Disziplinarkommission (Disziplinaroberkommission) verfügte Suspendierung hat die Kürzung des Monatsbezuges des Beamten - unter Ausschluß der Kinderzulage - auf zwei Drittel für die Dauer der Suspendierung zur Folge. Die Disziplinarkommission (Disziplinaroberkommission) kann auf Antrag des Beamten oder von Amts wegen die Kürzung vermindern oder aufheben, wenn und soweit dies zur Aufrechterhaltung des notwendigen Lebensunterhaltes des Beamten und seiner Familienangehörigen, für die er sorgepflichtig ist, unbedingt erforderlich ist.
(5) Die Suspendierung endet spätestens mit dem rechtskräftigen Abschluß des Disziplinarverfahrens. Fallen die Umstände, die für die Suspendierung des Beamten maßgebend gewesen sind, vorher weg, so ist die Suspendierung von der Disziplinarkommission (Disziplinaroberkommission), bei der das Disziplinarverfahren anhängig ist, unverzüglich aufzuheben.
(6) Die Berufung gegen eine Suspendierung oder gegen eine Entscheidung über die Verminderung (Aufhebung) der Bezugskürzung hat keine aufschiebende Wirkung. Über die Berufung hat die Disziplinaroberkommission ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber binnen zwei Monaten ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden."
Der Beschwerdeführer wendet Verjährung ein.
Die Verjährung ist in jeder Lage des Verfahrens vom Amts wegen aufzugreifen.
Zu § 94 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, daß die Dienstbehörde in einer die Frist dieser Bestimmung in Lauf setzenden Weise Kenntnis erlangt, wenn ihr von dem Verhalten des beschuldigten Beamten ausreichend Mitteilung gemacht worden ist. In Betracht kommt nur das auf sicheren Grundlagen beruhende Wissen über bestimmte Tatsachen, also nicht etwa das Erfahren eines bloßen Gerüchtes. Es kann dabei nur auf die Kenntnisnahme jener Umstände abgestellt werden, die für die Dienstbehörde gemäß § 110 Abs. 1 Z. 2 BDG 1979 die Pflicht zur Weiterleitung der Disziplinaranzeige an den Vorsitzenden der Disziplinarkommission begründen. Es kommt auch nur auf die "Kenntnis" und nicht auf das "Kennenmüssen" an (vgl. dazu beispielsweise die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Oktober 1994, Zl. 94/09/0144, und vom 11. April 1996, Zl. 94/09/0241).
"Kenntnis" erlangte die Dienstbehörde aber im konkreten Fall erst mit Einlangen der Strafanzeige des LGK NÖ/Kriminalabteilung nach dem 22. Mai 1995. Der Einleitungsbeschluß wurde am 18. August 1995 gefaßt und am 29. August dem Beschwerdeführer zugestellt. Somit liegt keine Verjährung im Sinne des § 94 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 vor.
Das beim Landesgericht St. Pölten anhängige Verfahren betrifft unter anderem den Verdacht des schweren Betruges gemäß § 147 Abs. 3 StGB. Die Begehung einer solchen Straftat mit einem einen S 500.000,-- übersteigenden Schaden ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren bedroht. Gemäß § 57 Abs. 3 StGB beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre, wenn die Handlung mit mehr als fünfjähriger, aber höchstens zehnjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist. Nach § 94 Abs. 4 BDG 1979 tritt die längere Verjährungsfrist nur dann an die Stelle der disziplinarrechtlichen dreijährigen Verjährungsfrist des § 94 Abs. 1 Z. 2 BDG 1979, wenn der Beamte wegen einer Tat strafgerichtlich verurteilt wurde, für die die strafgerichtliche Verjährungsfrist mehr als drei Jahre beträgt. Dies schließt aber nicht aus, daß bereits vor rechtskräftigem Abschluß eines strafgerichtlichen Verfahrens, mit dem nach der Art der angelasteten Straftat im Fall einer Verurteilung die Rechtswirkung nach § 94 Abs. 4 BDG 1979 verbunden sein könnte, die Disziplinarkommission eine Suspendierung verfügen darf, obwohl die Verjährungsfrist nach § 94 Abs. 1 Z. 2 BDG 1979 bereits verstrichen ist. In diesem Fall kann nicht davon die Rede sein, daß die Verjährung offenkundig eingetreten ist, besteht doch die Möglichkeit einer davon abweichenden Verjährungsfrist nach § 94 Abs. 4 BDG 1979 (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 1993, Zlen. 92/09/0318, 93/09/0077). Im gegenständlichen Fall könnte die verlängerte Verjährungsfrist gemäß § 94 Abs. 4 BDG 1979 von zehn Jahren zum Tragen kommen, weshalb bezüglich der Handlungen im Jahre 1990, auf die sich der Verdacht der Z. 1 des Einleitungsbeschlusses gründet, Verjährung nicht eingetreten wäre.
Wird eine Suspendierung nach ihrer Begründung auf mehrere Dienstpflichtverletzungen (im Verdachtsbereich) gestützt, so genügt schon, daß aufgrund einer schwerwiegenden Dienstpflichtverletzung (im Verdachtsbereich) das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes bei Belassung gefährdet wären, um sie im Instanzenzug zu bestätigen. Es muß im allgemeinen nicht geprüft werden, ob auch alle anderen von der Behörde erster Instanz herangezogenen Dienstpflichtverletzungen (für sich alleine oder im Zusammenhalt) die Suspendierung rechtfertigen würden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. November 1995, Zl. 94/12/0208). Im konkreten Fall ist das Gerichtsverfahren hinsichtlich der in Z. 1 des Einleitungsbeschlusses genannten Handlungen nach wie vor anhängig.
Die Verfügung der Suspendierung setzt den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung voraus, die wegen "ihrer Art" das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet. Es können daher nur schwerwiegende, auf der Hand liegende Interessen der Verwaltung als sachbezogen anerkannt werden und die Suspendierung rechtfertigen. So kann eine Suspendierung zunächst in Betracht kommen, weil das verdächtige Verhalten noch nicht abzugrenzen, aber als schwerwiegend zu vermuten ist. Das dienstliche Interesse, und zwar sowohl vor wie auch nach Aufklärung, liegt bei Verfehlungen auf der Hand, die in der Regel zur Disziplinarstrafe der Entlassung führen. Denn darin kommen eine so erhebliche Unzuverlässigkeit und ein so schwerer Vertrauensbruch zum Ausdruck, daß der Verwaltung und den Mitarbeitern bis zur Klärung und zum Abschluß des Falles eine Weiterbeschäftigung nicht zugemutet werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 1990, Zl. 89/09/0107).
Daß die Begehung eines schweren Betruges mit einem S 500.000,-- übersteigenden Schaden durch einen Exekutivdienstbeamten, dessen Aufgaben unter anderem die Verhinderung und Aufklärung strafgesetzwidriger Handlungen sind, eine derartige erhebliche Unzuverlässigkeit und einen so schweren Vertrauensbruch im obigen Sinne darstellen kann, daß über eine allfällige strafgerichtliche Verurteilung hinaus gemäß § 43 Abs. 2 BDG in Verbindung mit § 91 BDG sogar die Disziplinarstrafe der Entlassung ausgesprochen werden könnte, hat die belangte Behörde im Ergebnis zu Recht angenommen. Die Suspendierung erfolgte somit ungeachtet des Umstandes, daß sie erst nach öffentlichem Bekanntwerden der Tat aufgrund der Berichterstattung über eine der Öffentlichkeit zugänglichen Hauptverhandlung beim Landesgericht St. Pölten ausgesprochen wurde, zu Recht. Daß die Disziplinarbehörden nicht schon früher eine Suspendierung verfügten, ändert nichts daran, daß bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen eine Suspendierung auch später verfügt werden durfte, noch verletzt diese Vorgangsweise allein den Beschwerdeführer in einem subjektiv-öffentlichen Recht.
Wieso die Verwendung des ehemaligen Namens der M. Figl (= geschiedene Fildan), den sie im Tatzeitraum trug und unter dem sie dem Beschwerdeführer bekannt ist, "völlig falsch" sein soll, woraus sich ergebe, wie "oberflächlich und ungenau" die gegen den Beschwerdeführer erhobenen "Anschuldigungen" seien, bleibt im Dunkeln.
Wenn der Beschwerdeführer meint, es habe "eine konkrete Abwägung sämtlicher persönlicher Umstände mit dem Ansehen des Amtes und damit zusammenhängend wesentlichen Dienstinteressen stattzufinden", und hiezu ausführt, daß er aufgrund seiner Unterhaltsverpflichtung und seiner weiteren völlig legalen Verbindlichkeiten und seines Lebensbedarfes nicht in der Lage sei, mit einem verkürzten Gehalt für die Dauer des Disziplinarverfahrens zu leben und zu wirtschaften, so verkennt er, daß es bei der Entscheidung über die Suspendierung nur auf die Gefährdung des Ansehens des Amtes oder wesentlicher Interessen des Dienstes ankommt, nicht aber auf Umstände, die in der Person des Beschwerdeführers gelegen sind. Sollte sich diese Ausführung des Beschwerdeführers jedoch auf § 112 Abs. 4 BDG 1979 beziehen (wonach die Disziplinarbehörden auf Antrag des Beamten oder von Amts wegen die Kürzung vermindern oder aufheben können, wenn und soweit bis zur Aufrechterhaltung des notwendigen Lebensunterhaltes des Beamten und seiner Familienangehörigen, für die er sorgepflichtig ist, unbedingt erforderlich ist) so hat der Beschwerdeführer gegen die von der Behörde in erster Instanz vorgenommene Begründung, daß - aus näher ausgeführten Gründen - sein notwendiger Lebensunterhalt durch die Bezugskürzung nicht gefährdet sei, weder in der Berufung noch in der Beschwerde eine andere Situation ausreichend konkret dargelegt. Die bloße Behauptung einer "monatlichen Fixbelastung von S 12.000,-- (Miete, Kreditrückzahlung, sowie diverse Abbuchungsaufträge)" zeigt nicht auf, daß es sich hiebei um seinen notwendigen Lebensunterhalt handelt (insbesondere ist aus "diverse Abbuchungsaufträge" deren Notwendigkeit nicht ersichtlich).
Lediglich ergänzend wird der Beschwerdeführer auf seine Rüge, es sei "unverständlich, warum überhaupt Informationen aufgrund einer angeblichen Dienstpflichtverletzung an Medien gelangen" darauf hingewiesen, daß die gerichtliche Hauptverhandlung vom 25. Jänner 1996 eine der Öffentlichkeit zugängliche Verhandlung vor einem Strafgericht war.
Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde auch eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften dergestalt vor, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid nicht innerhalb der "gemäß § 119 BDG" vorgesehenen "Frist für die Entscheidung über die Berufung gegen eine Suspendierung (von) einem Monat" erlassen, sondern die Frist um mehrere Monate überschritten habe. Der Beschwerdeführer ist zwar damit im Recht, daß gemäß § 112 Abs. 6 BDG über die Berufung gegen eine Suspendierung von der Disziplinaroberkommission ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber binnen zwei Monaten ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden ist, und daß die belangte Behörde diese Frist überschritten hat, doch wurde der Beschwerdeführer aufgrund der mit der Entscheidung erster Instanz gleichlautenden Entscheidung der Berufungsinstanz insoweit in einem subjektiv-öffentlichen Recht nicht verletzt.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der von dem Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten steht dem nicht entgegen, zumal es sich im gegenständlichen Fall nicht um eine Sache handelt, welche zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder die Stichhaltigkeit einer gegen den Beschwerdeführer erhobenen strafrechtlichen Anklage betrifft (vgl. die Entscheidung der Europäischen Kommission für Menschenrechte vom 7. Dezember 1981, Beschwerde-Nr. 9501/81, mwN., EuGRZ 1982, 60, unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung der Kommission). Danach ist bei Streitigkeiten über Entlassung aus dem öffentlichen Dienst nicht über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen zu entscheiden. Dies trifft - argumentum a maiori ad minus - umso mehr auf die Suspendierung bei einem Gendarmeriebeamten zu, welche weniger schwerwiegend in die Rechtssphäre des davon Betroffenen eingreift als eine Entlassung.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996090266.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
20.03.2011