Entscheidungsdatum
26.03.2020Index
90/01 StraßenverkehrsordnungNorm
StVO 1960 §19 Abs1 und Abs7Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch den Richter Dr. Philipp Lindermuth über die Beschwerde des A B, geb. am xx, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Steiermark vom 21.03.2019, GZ: VStV/918300146994/2018,
z u R e c h t e r k a n n t:
I. Gemäß § 50 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (im Folgenden VwGVG) wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG iVm § 38 VwGVG
eingestellt.
II. Gemäß § 25a Abs 4 Verwaltungsgerichtshofgesetz (im Folgenden VwGG) ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
III. Der belangten Behörde steht die Möglichkeit einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof nicht offen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde vom 21.03.2019, dem Beschwerdeführer am 26.03.2019 zugestellt, wird dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe am 22.06.2017 um 14:35 Uhr in G, auf Höhe der Adresse J-Straße, an der Kreuzung der J-Straße zur Bstraße als wartepflichtiger Lenker des Fahrzeugs mit dem Kennzeichen X durch Kreuzen den Vorrang eines von rechts kommenden Fahrzeugs nicht beachtet, wodurch dessen Lenker zu unvermitteltem Bremsen und Ablenken seines Fahrzeugs genötigt worden sei und es zu einem Verkehrsunfall mit Verletzung gekommen sei. Dadurch habe der Beschwerdeführer die Rechtsvorschriften der § 19 Abs 7 iVm § 19 Abs 1 StVO verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von € 150,00, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 2 Tagen und 20 Stunden gemäß § 99 Abs 3 lit. a StVO verhängt werde.
1.2. Nach einer Darstellung des Verfahrensgangs wird in diesem Straferkenntnis inhaltlich ausschließlich ausgeführt, dass die Behörde im Rahmen der freien Beweiswürdigung zur Ansicht gelangt sei, dass der Beschuldigte die ihm im Spruch angelastete Verwaltungsübertretung begangen habe. Gemäß § 19 Abs 1 StVO hätten Fahrzeuge, die von rechts kämen, sofern die folgenden Absätze nichts anderes bestimmten, den Vorrang. Gemäß § 19 Abs 7 StVO dürfe, wer keinen Vorrang habe, durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen. Bei der Tatörtlichkeit handle es sich um eine Straße mit öffentlichem Verkehr, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden könne und bei der die Rechtsregel gemäß § 19 Abs 1 StVO zur Anwendung komme. Die Behörde stelle fest, dass der Beschuldigte an der gegenständlichen Kreuzung als Wartepflichtiger durch Kreuzen den Vorrang eines von rechts kommenden Fahrzeugs nicht beachtet habe, wodurch dessen Lenker zu unvermitteltem Bremsen und Ablenken seines Fahrzeugs genötigt worden sei und es zu gegenständlichem Verkehrsunfall mit Verletzung gekommen sei. Der Beschuldigte habe der Behörde ein Gutachten eines Sachverständigen samt Lichtbildern als Beweis dafür vorgelegt, dass ihn an dem Unfall keine Schuld treffe. Anhand der Lichtbilder sei deutlich ersichtlich, dass der Beschuldigte die Kreuzung gut einsehen habe können und er den Zweitbeteiligten sehen hätte müssen, zumal sich dieser in seinem Blickfeld befunden habe. Aufgrund der Aktenlage und der Lichtbilder der Tatörtlichkeit bestehe für die Behörde keinerlei Zweifel daran, dass der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Übertretung begangen habe. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
1.3. Zur Strafbemessung führt die belangte Behörde aus, dass der Beschuldigte hinsichtlich seiner Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse keine Angaben gemacht habe, weshalb von einem durchschnittlichen monatlichen Einkommen ausgegangen worden sei. Es seien weder Milderungs- noch Erschwerungsgründe vorgelegen. Die verhängte Strafe scheine somit dem Verschulden sowie den objektiven und subjektiven Kriterien der Strafbemessung angepasst, zumal sich die Strafe ohnehin bloß im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens bewege.
2.1. Mit seiner am 09.04.2019 per Post eingelangten und damit jedenfalls fristgerecht erhobenen Beschwerde ficht der Beschwerdeführer das Straferkenntnis vollumfänglich an und beantragt im Wesentlichen dessen Aufhebung und die Einstellung des Strafverfahrens, in eventu die Herabsetzung der Geldstrafe sowie, der belangten Behörde den Ersatz der Verfahrenskosten aufzutragen. Der Beschwerde ist das im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren eingeholte Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. C D vom 22.11.2017 beigelegt. Einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung stellte der Beschwerdeführer nicht.
2.2. Begründend führt der Beschwerdeführer – auf das Wesentliche reduziert – aus, dass er sich entsprechend der Vorgaben der Straßenverkehrsordnung verhalten habe und es zu keiner Übertretung gekommen sei. Unrichtig sei, dass er den Vorrang eines von rechts kommenden Fahrzeugs nicht beachtet hätte und es dadurch zu dem gegenständlichen Verkehrsunfall gekommen wäre. Aufgrund des gegenständlichen Verkehrsunfalls sei durch die Staatsanwaltschaft Graz ein zur GZ: 62 BAZ 56/17v protokolliertes Ermittlungsverfahren geführt worden. Der in diesem Verfahren bestellte Sachverständige Dipl.-Ing. C D komme in seinem Gutachten vom 22.11.2017 zum Ergebnis, dass für eine sichere visuelle Wahrnehmung des im peripheren Gesichtsfeld auftauchenden Mopedfahrers die Platzverhältnisse durch die die Sicht behindernden Objekte nicht ausreichten. Um den Mopedfahrer visuell wahrnehmen zu können, hätte der Beschwerdeführer seinen Blick laut dem Sachverständigen nach Überfahren der Bezugslinie annähernd 90° nach rechts richten und dort einige Zeit blicktechnisch verharren müssen. Der Sachverständige komme zu dem Ergebnis, dass dieser Blick an der gegenständlichen Kreuzung nicht erforderlich und daher dessen Unterlassung auch nicht vorwerfbar sei. Aus diesen physiologischen Gründen und aufgrund der Sichteinschränkung sei nach dem Sachverständigen eine Nachweisbarkeit der Bemerkbarkeit des herannahenden Mopedfahrers für den Beschwerdeführer mit der für einen Strafprozess notwendigen Sicherheit nicht gegeben. Entgegen der Meinung der belangten Behörde hätte der Beschwerdeführer daher den Mopedfahrer nicht sehen müssen, sodass dem Beschwerdeführer kein Vorwurf am Zustandekommen des Unfalls gemacht werden könne. Der Unfallgegner hingegen habe den Verkehrsunfall aufgrund einer überhöhten Geschwindigkeit verursacht. Zur Untermauerung seiner Ausführung lege er nun auch das Ergänzungsgutachten des Sachverständigen C D vom 22.11.2017 vor. Dieses strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer sei vor dem Hintergrund dieser Ausführungen des Sachverständigen auch eingestellt worden.
2.3. Aber selbst für den ausdrücklich bestrittenen Fall der Verwirklichung der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretung sei die verhängte Geldstrafe weder schuld- noch tatangemessen. Der objektive Unrechtsgehalt der Tat müsse als bloß geringfügig angesehen werden. Insbesondere aus spezialpräventiven Überlegungen sei eine Herabsetzung der verhängten Geldstrafe geboten, weil eine derart hohe Geldstrafe keinesfalls notwendig sei, um den Beschwerdeführer von der Begehung weiterer derartiger Handlungen abzuhalten.
3. Die belangte Behörde sah von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung ab, legte den Verwaltungsstrafakt dem Landesverwaltungsgericht Steiermark vor und stellte keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung, obwohl in dem offenbar vorgefertigten Formular zur Beschwerdevorlage ein solcher durch bloßes Ankreuzen eines vorgesehenen Kästchens gestellt werden hätte könnte. Unter einem legte die belangte Behörde einen Auszug aus dem Verwaltungsstrafregister vor, in dem zwei verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen des Beschwerdeführers zu anderen Verwaltungsübertretungen als der vorgeworfenen aufscheinen.
4. Im verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahren wurde die Staatsanwaltschaft Graz um Übermittlung einer Kopie des Akts zu dem zur GZ: 62 BAZ 650/17v protokollierten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer ersucht.
5. In Entsprechung dieses Ersuchens übermittelte die Staatsanwaltschaft Graz dem Landesverwaltungsgericht Steiermark am 29.11.2019 eine Kopie des vollständigen, zur GZ: 62 BAZ 56/17v protokollierten Akts zur Einstellung des Strafverfahrens gegen den Beschwerdeführer aufgrund des auch dem vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren zugrunde liegenden Sachverhalts. In diesem Akt sind auch zwei Gutachten des gerichtlich beeideten Sachverständigen für Straßenverkehrsunfälle, KFZ-Schäden und -Bewertung Dipl.-Ing. C D, nämlich ein Gutachten vom 30.10.2017 sowie ein Ergänzungsgutachten vom 22.11.2017, enthalten.
6.1. Während das Ergänzungsgutachten vom 22.11.2017 im vorgelegten Verwaltungsstrafakt enthalten ist und dieses auch im angefochtenen Straferkenntnis angeführt wird, ist nicht ersichtlich, dass der belangten Behörde bei ihrer Entscheidung auch das Gutachten vom 30.10.2017 vorgelegen ist. Daher wurde dieses der belangten Behörde mit der Möglichkeit zur Stellungnahme übermittelt. Unter einem wurde die belangte Behörde darüber in Kenntnis gesetzt, dass das Landesverwaltungsgericht Steiermark mangels Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung beabsichtige, im Sinne einer kosteneffizienten Vorgangsweise ohne weitere Anhörung auf Grundlage dieser Sachverständigengutachten und anhand der Aktenlage zu entscheiden.
6.2. Dem Beschwerdeführer wurden sowohl das Gutachten vom 30.10.2017 als auch das Ergänzungsgutachten vom 22.11.2017 mit der Möglichkeit zur Stellungnahme übermittelt. Unter einem wurde der Beschwerdeführer darüber in Kenntnis gesetzt, dass das Landesverwaltungsgericht Steiermark mangels Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung beabsichtige, im Sinne einer kosteneffizienten Vorgangsweise ohne weitere Anhörung auf Grundlage dieser Sachverständigengutachten und anhand der Aktenlage zu entscheiden.
7. In ihrer Stellungnahme vom 10.10.2019 führte die belangte Behörde ausschließlich aus, dass sich trotz des Gutachtens vom 30.10.2017 nichts an der Rechtsmeinung der belangten Behörde ändere.
8. Der Beschwerdeführer erstattete keine Stellungnahme.
II. Sachverhalt:
1. Am 22.06.2017 um ca. 14:35 Uhr ereignete sich zwischen dem Beschwerdeführer und E F auf der Kreuzung zwischen der J-Straße und der Bstraße ein Verkehrsunfall. Zum Unfallzeitpunkt bestanden gute Sichtverhältnisse und war die Fahrbahn im Nahebereich der Unfallstelle trocken.
2. Die J-Straße verläuft im Kreuzungsbereich mit der Bstraße geradlinig von Osten nach Westen und ist als asphaltierte Fahrbahn mit einer Breite von ca. 4,50 m östlich des Kreuzungsbereichs ausgeführt. Die Bstraße verläuft annähernd in Nord-Süd-Richtung und nähert sich der J-Straße – bezogen auf die beiden Fahrbahnlängsachsen – in einem Winkel von ca. 100° an. Die asphaltierte Fahrbahn hat vor der Einmündung eine Breite von ca. 6 m. Südlich der Kreuzung hat die Bstraße einen Versatz von ca. 1,8 m nach Osten und ist mittels Hinweistafel als verkehrsberuhigter Bereich (Spielstraße) gekennzeichnet. Die nördliche Verschneidungslinie zwischen den beiden Straßen hat eine Länge von ca. 21,4 m. Im Kreuzungsbereich befinden sich keine Fahrbahnmarkierungen, Verkehrsschilder sind ebenfalls nicht aufgestellt. Für alle Nebenstraßen, die, wie die J-Straße, im Osten von der Sstraße abzweigen, ist am Beginn mit einer gelben Fahrbahnmarkierung gekennzeichnet, dass eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h gilt. Auch für die Bstraße gilt im verfahrensgegenständlichen Bereich eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h. Mangels anderslautender Vorschriftszeichen haben im angeführten Kreuzungsbereich Fahrzeuge, die von rechts von der Bstraße kommen, gemäß § 19 Abs 1 StVO den Vorrang. Als Bezugslinie wird eine Normale zur Fahrbahnlängsachse der J-Straße auf Höhe des östlichen Ecks des Zauns des Hauses im nordöstlichen Kreuzungsast festgelegt.
In einer Übersichtsaufnahme stellt sich der Unfallbereich wie folgt dar:
[Bild durch Evidenzbüro auf Grund von personenbezogenen Daten entfernt]
Die festgelegte Bezugslinie stellt sich in der Natur wie folgt dar:
[Bild durch Evidenzbüro auf Grund von personenbezogenen Daten entfernt]
3. Zum Unfallzeitpunkt fuhr der Beschwerdeführer mit dem PKW mit dem amtlichen Kennzeichen X auf der J-Straße in westliche Richtung und fuhr im Kreuzungsbereich mit der Bstraße geradeaus weiter. Zu diesem Zeitpunkt fuhr der Unfallgegner E F mit dem Motorfahrrad (Moped) mit dem amtlichen Kennzeichen X auf der Bstraße in Richtung Süden und näherte sich dem Kreuzungsbereich von rechts kommend. Der Beschwerdeführer überfuhr dabei die Bezugslinie um etwa 14,5 m, als es zur Kollision mit dem aus nördlicher Richtung kommenden Unfallgegner kam.
Die Kollisionsposition des PKW des Beschwerdeführers mit dem Motorfahrrad des Unfallgegners stellte sich wie folgt dar, wobei auch die jeweilige Position der Fahrzeuge ca. 1 s vor der Kollision dargestellt ist:
[Bild durch Evidenzbüro auf Grund von personenbezogenen Daten entfernt]
4. Unmittelbar vor der Kollision wies das Motorfahrrad des Unfallgegners eine Fahrgeschwindigkeit zwischen 55 und 65 km/h und damit eine weit über der zulässigen Höchstgeschwindigkeit liegende Fahrgeschwindigkeit auf. Hingegen wies der PKW des Beschwerdeführers zum Kollisionszeitpunkt eine Fahrgeschwindigkeit zwischen 20 und 30 km/h auf und hielt damit die zulässige Höchstgeschwindigkeit jedenfalls ein. Eine genauere Bestimmung der Fahrgeschwindigkeit ist nicht möglich.
5. Der Beschwerdeführer legte von der mit der Bezugslinie festgelegten Einfahrt in den Kreuzungsbereich bis zum Kollisionsort eine Strecke von ca. 15 m zurück.
6.1. Trifft man die für den Beschwerdeführer für das vorliegende Verwaltungsstrafverfahren ungünstigste Annahme einer Geschwindigkeit des Unfallgegners von 55 km/h und einer Geschwindigkeit des Beschwerdeführers von 30 km/h, so hätte der Beschwerdeführer ca. 1,8 s von der – als Bezugslinie festgesetzten – Einfahrt in den Kreuzungsbereich bis zum Kollisionsort benötigt. Dabei hätte sich der Unfallgegner zum Zeitpunkt, als sich der Beschwerdeführer an der Bezugslinie befunden hat, 27,5 m von der Verschneidungslinie entfernt befunden. Hätte der Unfallgegner hingegen die Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h eingehalten, hätte er von dieser Position 3,3 s zur Verschneidungslinie benötigt. In dieser zusätzlichen Zeit von 1,5 s hätte der Beschwerdeführer den Kreuzungsbereich bereits verlassen gehabt und wäre es zu keiner Kollision gekommen.
In der folgenden über ein orthogonales Luftbild gelegten Grafik sind – unter Annahme der für den Beschwerdeführer ungünstigsten Fahrgeschwindigkeiten – sowohl die Positionen der unfallbeteiligten Fahrzeuge bei Einfahrt des Beschwerdeführers in den Kreuzungsbereich als auch die Kollisionspositionen dargestellt. Zudem sind die Bezugslinie sowie die äußerste Grenze des peripheren Sichtfelds markiert:
[Bild durch Evidenzbüro auf Grund von personenbezogenen Daten entfernt]
6.2. Somit hätte sich der Unfallgegner bei der für den Beschwerdeführer ungünstigsten Annahme der Geschwindigkeiten der Unfallbeteiligten zwar theoretisch im peripheren Sichtfeld des Beschwerdeführers befunden. Allerdings hätte der Beschwerdeführer, um den Unfallgegner im peripheren Sichtfeld wahrnehmen zu können, seinen Blick nach Überfahren der Bezugslinie annähernd 90° nach rechts richten müssen und dort einige Zeit mit seinem Blick verharren müssen. Üblicherweise ist ein derartiger Blick für eine Unfallvermeidung bei einer Geschwindigkeitsbeschränkung mit 30 km/h nicht erforderlich, da keine Kollisionsgefahr mit einem derart weit entfernten Fahrzeug besteht, wenn es sich an die Geschwindigkeitsbeschränkung hält. Ohne Blickrichtungsänderung um nahezu 90° hätte der Beschwerdeführer den Unfallgegner hingegen nicht wahrnehmen können, weil die Bäume und der Zaun im nordöstlichen Bereich des Kreuzungsasts die Wahrnehmung behinderten.
6.3. Die folgende Abbildung zeigt das Blickfeld des Beschwerdeführers, somit jenes Sichtfeld, das beim zentralen Sehen ohne Blickrichtungsänderung sichtbar ist, nach Überfahren der Bezugslinie. Zu diesem Zeitpunkt hat sich der Unfallgegner noch nicht im Blickfeld des Beschwerdeführers befunden:
[Bild durch Evidenzbüro auf Grund von personenbezogenen Daten entfernt]
6.4. Die folgende Panoramaaufnahme stellt einen größeren Sichtbereich dar, als dies durch einen Menschen wahrgenommen wird. Das über das Blickfeld hinausgehende periphere Sichtfeld des Beschwerdeführers an der Bezugslinie (das Messrad links des Baumes stellt die äußere Grenze dieses peripheren Sichtfelds dar) umfasste zwar auch die Position, an der sich der Unfallgegner unter Zugrundelegung der für den Beschwerdeführer ungünstigsten Annahme der Fahrgeschwindigkeiten befunden hat. Allerdings behinderten die (mit roten Linien markierten) Bäume und der Zaun im nordöstlichen Bereich des Kreuzungsasts die Wahrnehmung, sodass der Beschwerdeführer den Unfallgegner nur wahrgenommen hätte, wenn er seinen Blick nach Überfahren der Bezugslinie annähernd 90° nach rechts gerichtet und dort einige Zeit mit seinem Blick verharrt hätte, was üblicherweise bei einer Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h nicht erforderlich ist:
[Bild durch Evidenzbüro auf Grund von personenbezogenen Daten entfernt]
7.1. Trifft man hingegen die für den Beschwerdeführer für das vorliegende Verwaltungsstrafverfahren günstigste Annahme einer Geschwindigkeit des Unfallgegners von 65 km/h und einer Geschwindigkeit des Beschwerdeführers von 20 km/h, so hätte der Beschwerdeführer ca. 2,7 s von der – als Bezugslinie festgesetzten – Einfahrt in den Kreuzungsbereich bis zum Kollisionsort benötigt. Dabei hätte sich das Fahrzeug des Unfallgegners zum Zeitpunkt, als sich das Fahrzeug des Beschwerdeführers an der Bezugslinie befunden hat, noch 48,75 m von der Verschneidungslinie entfernt und damit jedenfalls außerhalb des möglichen Sichtbereichs des Beschwerdeführers befunden. Hätte der Unfallgegner hingegen die Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h eingehalten, hätte er von dieser Position 5,85 s zur Verschneidungslinie benötigt. In dieser zusätzlichen Zeit von 3,15 s hätte der Beschwerdeführer den Kreuzungsbereich bereits verlassen gehabt und wäre es zu keiner Kollision gekommen.
7.2. Somit hätte der Beschwerdeführer unter der Annahme der für den Beschwerdeführer günstigsten Fahrgeschwindigkeiten den Unfallgegner bei der Einfahrt in den Kreuzungsbereich nicht wahrnehmen können.
8. Nach der Einfahrt in den Kreuzungsbereich hatte der Beschwerdeführer bei einer zugrunde zu legenden Reaktionsdauer von 1 s keine Möglichkeit mehr gehabt, den Pkw rechtzeitig vor dem Motorfahrrad anzuhalten. Auch eine Änderung der Fahrlinie in südliche Richtung hätte die Kollision nicht mehr verhindert. Somit ist dem Beschwerdeführer auch nach der Einfahrt in den Kreuzungsbereich weder ein Fahrfehler noch eine Reaktionsverspätung vorwerfbar.
9.1. Zusammenfassend kann daher Folgendes festgehalten werden:
9.2. Hätte der Unfallgegner E F die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h eingehalten, wäre es jedenfalls zu keiner Kollision gekommen:
9.3. Unter der Annahme der für den Beschwerdeführer ungünstigsten Fahrgeschwindigkeiten hätte sich der Unfallgegner zum Zeitpunkt, als der Beschwerdeführer in den Kreuzungsbereich eingefahren ist, zwar theoretisch in dessen äußersten peripheren Sichtfeld befunden. Der Beschwerdeführer hätte den Unfallgegner aber nur durch eine Blickrichtungsänderung wahrnehmen können, die bei einer Geschwindigkeitsbeschränkung mit 30 km/h nicht erforderlich ist.
9.4. Unter der Annahme der für den Beschwerdeführer günstigsten Fahrgeschwindigkeiten hätte sich der Unfallgegner zum Zeitpunkt, als der Beschwerdeführer in den Kreuzungsbereich eingefahren ist, jedenfalls außerhalb des möglichen Sichtbereichs des Beschwerdeführers befunden.
10. Wie sich dem Ermittlungsakt der Staatsanwaltschaft Graz entnehmen lässt, wurde das strafgerichtliche Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer auf Grund des Gutachtens vom 30.10.2017 und des Ergänzungsgutachtens vom 22.11.2017 eingestellt.
III. Beweiswürdigung:
1. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten des allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für Verkehrsunfälle, Straßenverkehr, Unfallanalyse sowie für Kfz-Reparaturen, Havarieschäden und Bewertung, Dipl.-Ing. C D vom 30.10.2017 und vom 22.11.2017.
2.1. Die den Feststellungen zugrunde gelegten Gutachten von Dipl.-Ing. C D sind vollständig, da sie Befund und Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Sachverständige stützt sich in seinen Gutachten auf eine umfangreiche Befundaufnahme des Unfallorts, die durch Lichtbilder im Gutachten nachvollziehbaren Schäden an den unfallbeteiligten Fahrzeugen, Crashversuche sowie die – im übermittelten Akt der Staatsanwaltschaft Graz enthaltene – fotogrammetrische Auswertung des Landeskriminalamts. Anhand dieser Befundgrundlagen ist das Gutachten des Sachverständigen hinreichend nachvollziehbar.
2.2. So stützt sich der Sachverständige bei der Rekonstruktion der Fahrgeschwindigkeiten nachvollziehbar einerseits auf Crashversuche, die zu den vorliegenden Unfallschäden vergleichbare Deformationen an den beteiligten Unfallfahrzeugen ergaben, sowie auf die zeitliche Distanz zwischen dem Erstkontakt des Motorfahrrads mit dem PKW und dem Folgekontakt des linken Fußrasters, woraus sich aus sachverständiger Sicht ein Geschwindigkeitsbereich der Kollisionsgeschwindigkeiten ergibt, eine genauere Eingrenzung jedoch nicht erfolgen kann. Auch die Rekonstruktion der Kollisionsstellung aus der Endlage der Teile, des Motorfahrrads sowie des verunfallten Lenkers des Motorfahrrads in der fotogrammetrischen Auswertung des Landeskriminalamts ist schlüssig und nachvollziehbar.
2.3. Die Feststellungen zum Sichtbereich des Beschwerdeführers ergeben sich schlüssig und nachvollziehbar aus dem Ergänzungsgutachten vom 22.11.2017, das zu der Frage der Wahrnehmbarkeit des Unfallgegners für den Beschwerdeführer – unter Annahme der für den Beschwerdeführer ungünstigsten Fahrgeschwindigkeiten (Pkt. 6. des Gutachtens vom 30.10.2017) – in Auftrag gegeben wurde, die insbesondere auch im vorliegenden Beschwerdeverfahren relevant ist. Darin legt der Sachverständige nachvollziehbar dar, dass im peripheren Sichtfeld eine sichere visuelle Wahrnehmung wegen der Sichteinschränkung durch die Bäume und den Zaun nicht gegeben war und der Beschwerdeführer den Unfallgegner somit nur bei einer Blickrichtungsänderung von annähernd 90°, die bei der vorliegenden Geschwindigkeitsbeschränkung aber nicht erforderlich war, wahrgenommen hätte.
3.1. Zusammengefasst werden die beiden Gutachten von Seiten des Landesverwaltungsgerichts Steiermark als schlüssig und nachvollziehbar sowie in Einklang mit den Denkgesetzen gewertet, sodass keine Zweifel an der fachlichen Richtigkeit dieses Gutachtens bestehen. Zum einen legt der Sachverständige seine gutachterlichen Schlüsse schlüssig und nachvollziehbar dar, zum anderen erhob die belangte Behörde gegen das Gutachten keine sachlichen Einwände (siehe zu dieser Voraussetzung, um die fachliche Richtigkeit eines Gutachtens in Zweifel zu ziehen vgl. zB VwGH 30.06.2010, 2009/12/0124; 10.11.2008; 2003/12/0078).
3.2. Vielmehr findet sich im angefochtenen Straferkenntnis keinerlei inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Ergänzungsgutachten vom 22.11.2017, das im Verwaltungsakt erliegt und auf das im Straferkenntnis Bezug genommen wird. Warum die belangte Behörde anhand der Lichtbilder des Gutachtens davon ausgeht, dass der Beschuldigte die Kreuzung gut einsehen habe können und er den Zweitbeteiligten sehen hätte müssen, weil sich dieser in seinem Blickfeld befunden habe, ohne auf die gegenteiligen Ausführungen im Gutachten zu diesen Lichtbildern einzugehen, erschließt sich dem Landesverwaltungsgericht nicht. In dem der Behörde vorgelegenen Ergänzungsgutachten wird nämlich gerade zu Abbildung 1 einerseits ausgeführt, dass es sich dabei um eine Panoramaaufnahme handle, die einen größeren Sichtbereich darstelle, als dies von einem Menschen wahrgenommen werde, sowie andererseits dargelegt, dass auf Grund der Sichteinschränkung auch keine sichere visuelle Wahrnehmbarkeit des Unfallgegners im peripheren Sichtfeld vorgelegen habe. Zu Abbildung 2 wird im Ergänzungsgutachten ausdrücklich ausgeführt, dass sich der Unfallgegner bei der Kreuzungseinfahrt noch nicht im Blickfeld des Beschwerdeführers befunden habe.
3.3. Zusammengefasst weicht die belangte Behörde ohne nähere Begründung von den sachverständigen Äußerungen des Ergänzungsgutachtens ab und begründet die diametral diesem Gutachten widersprechende Feststellung, dass der Beschwerdeführer den Unfallgegner sehen hätte müssen, ausschließlich mit den Lichtbildern dieses Gutachtens, zu denen der Sachverständige gerade das Gegenteil ausführt.
3.4. Aber auch in der Stellungnahme zu dem der belangten Behörde übermittelten Gutachten vom 30.10.2017 führt diese ausschließlich aus, dass sich „trotz des Gutachtens vom 30.10.2017 nichts an der Rechtsmeinung“ ändere, setzt sich aber mit diesem Gutachten in keiner Weise inhaltlich auseinander. Im Übrigen hat das Gutachten vom 30.10.2017 nach dem Akteninhalt der belangten Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses nicht vorgelegen, obwohl dieses für das Verständnis des Ergänzungsgutachtens und die Feststellung des vorliegenden Sachverhalts essentiell ist, zumal die gutachterlichen Schlussfolgerungen des Ergänzungsgutachtens nur für die Annahme der für den Beschwerdeführer ungünstigsten Fahrgeschwindigkeiten gelten, während bei der Annahme der günstigsten Fahrgeschwindigkeiten von vornherein ausgeschlossen ist, dass sich der Unfallgegner im möglichen Sichtbereich des Beschwerdeführers bei Einfahrt in die Kreuzung befunden hat.
4. Auf Grund der Vollständigkeit, Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit der durch die Staatsanwaltschaft Graz zum selben Beweisthema eingeholten Gutachten war es dem Verwaltungsgericht schon nach dem Grundsatz der Verfahrensökonomie iSd § 17 VwGVG iVm § 39 Abs 2 AVG verwehrt, ein weiteres Gutachten zum selben Beweisthema einzuholen, zumal eine (trotz Entscheidungsreife erfolgte) Beauftragung eines weiteren Sachverständigen – abgesehen vom Kostenaspekt – wohl jedenfalls eine unnötige Verfahrensverzögerung zur Folge gehabt hätte (vgl. VwGH 28.02.2017, Ro 2014/06/0027; 26.09.2012, 2008/04/0117, wonach das Gutachten eines anderen Verfahrens zu demselben Beweisthema herangezogen werden kann; vgl. dazu auch Schiffkorn, Zur Beteiligung von Amtssachverständigen am Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, ZVG 2014, 216 [218]).
IV. Rechtsgrundlagen
Die im vorliegenden Fall maßgebliche Bestimmung des § 19 Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960 in seiner zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl. I Nr. 518/1994 (StVO) lautet auszugsweise wie folgt:
„§ 19. Vorrang.
(1) Fahrzeuge, die von rechts kommen, haben, sofern die folgenden Absätze nichts anderes bestimmen, den Vorrang; Schienenfahrzeuge jedoch auch dann, wenn sie von links kommen.
[…]
(7) Wer keinen Vorrang hat (der Wartepflichtige), darf durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang (die Vorrangberechtigten) weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen.“
V. Rechtliche Beurteilung:
1. Bei den sich an der Unfallörtlichkeit kreuzenden J-Straße und Bstraße handelt es sich um keine Vorrangstraßen. Mangels anderslautender Vorschriftszeichen kommt somit an der den Verfahrensgegenstand bildenden Kreuzung der Rechtsvorrang gemäß § 19 Abs 1 StVO zur Anwendung.
2. Gemäß § 19 Abs 7 StVO darf derjenige, der keinen Vorrang hat (der Wartepflichtige) durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen. Dabei ist das Erfordernis des „unvermitteltem Bremsens oder Ablenkens“ objektiv zu verstehen, sodass der Tatbestand auch dann gegeben sein kann, wenn der Vorrangberechtigte, obwohl er objektiv gesehen unvermittelt bremsen oder ablenken hätte müssen, in Wirklichkeit weder das eine noch das andere getan hat, sodass es zu einem Unfall gekommen ist (VwGH 17.12.1986, ZfVB 1987/4/1702). Eine konkrete Vorrangsituation liegt immer dann vor, wenn zwei Fahrzeuge auf verschiedenen Fahrstreifen so aufeinander zukommen, dass bei der Fortsetzung der Fahrten eine Überschneidung der Fahrlinien eintritt und im Kreuzungsbereich Kollisionsgefahr besteht. Der Wartepflichtige muss sich durch gehörige Beachtung des bevorrangten Verkehrs in seiner tatsächlichen Gestaltung die Gewissheit verschafft haben, dass das Einbiegen in eine Vorrangstraße ohne Gefährdung und ohne Behinderung eines bevorzugten Verkehrsteilnehmers möglich ist (vgl. VwGH 18.09.1981, 81/02/0140). Solange er nicht die volle Sicherheit hat, eine solche verpönte Folge bei der Einfahrt ausschließen zu können, muss er seine Wartepflicht einhalten.
3. Der Inhalt dieser Wartepflicht zerfällt in eine zeitliche Komponente, die besagt, wann der Wartepflichtige weiterfahren darf, und in eine örtliche Komponente, die besagt, bis zu welcher Stelle der Wartepflichtige vorfahren darf, um den Zeitpunkt des endgültigen Weiterfahrens abzuwarten. Hierfür müssen die örtlichen Verhältnisse, insbesondere die Sichtverhältnisse in Betracht gezogen werden (OGH 07.04.1976, ZVR 1977/4).
4. Dabei setzt die Wartepflicht nach § 19 Abs 7 StVO die Wahrnehmbarkeit eines vorfahrtberechtigten Fahrzeugs durch den Wartepflichtigen voraus (OGH 28.06.1989, ZVR 1989/190). Somit kann eine Vorrangverletzung dem Wartepflichtigen dann nicht angelastet werden, wenn des bevorrangte Fahrzeug nicht wahrnehmbar ist. Dies gilt aber nur für den Fall, dass es dem Wartepflichtigen auch bei gehöriger Vorsicht und Aufmerksamkeit nicht möglich war, das andere Fahrzeug wahrzunehmen, nicht aber dann, wenn das Nichtwahrnehmen des bevorrangten Fahrzeugs auf ein Fehlverhalten des Wartepflichtigen zurückgeht (OGH 25.08.1994, ZVR 1995/109; vgl. auch Grundtner, Die Österreichische Straßenverkehrsordnung (41. Lfg 2019) 29 zu § 19 StVO mwN).
5. Zwar ist es für die Beurteilung des strafbaren Verhaltens des im Nachrang befindlichen Fahrzeuglenkers irrelevant, ob sich der Vorrangberechtigte gegebenenfalls – etwa durch Einhalten einer überhöhten Geschwindigkeit – ebenfalls rechtswidrig verhalten hat (VwGH 17.12.1986, 85/03/0014, 22.1.1982, 81/02/0285). In einem Fall wie dem vorliegenden aber, in dem der Unfallgegner mit einer die zulässige Höchstgeschwindigkeit um nahezu das Doppelte übersteigenden Geschwindigkeit unterwegs war, bei der Einfahrt des Beschwerdeführers in die Kreuzung außerhalb von dessen möglichem Sichtfeld war und nur durch eine bei Einhaltung der Höchstgeschwindigkeit nicht erforderliche Blickwinkeländerung von nahezu 90° wahrnehmbar gewesen wäre, ist dem Beschwerdeführer durch das Einfahren in die Kreuzung kein Fehlverhalten und keine Sorgfaltspflichtverletzung vorwerfbar. Im Übrigen wäre der Unfallgegner selbst bei einer Blickwinkeländerung von nahezu 90° nur bei der für den Beschwerdeführer ungünstigsten Annahme der Fahrgeschwindigkeiten überhaupt wahrnehmbar gewesen, während eine Wahrnehmbarkeit bei einer Annahme der Fahrgeschwindigkeiten zugunsten des Beschwerdeführers von vornherein ausgeschlossen wäre.
6. Da der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung der Wartepflicht gemäß § 19 Abs 7 StVO nicht begangen hat, ist das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen.
Zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung:
7. Gemäß § 44 Abs 3 Z 3 VwGVG konnte von der Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da keine der Parteien einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung gestellt hat (vgl. VwGH 26.02.2019, Ra 2019/06/0017, wonach es entbehrlich ist, der belangten Behörde nach der Beschwerdevorlage noch eine weitere Gelegenheit zur Einbringung eines Verhandlungsantrags einzuräumen, wenn diese einen solchen in dem offenbar vorgefertigten Formular zur Beschwerdevorlage durch bloßes Ankreuzen eines vorgesehenen Kästchens stellen hätte können; VwGH 17.12.2014, Ra 2014/03/0038) und die im angefochtenen Straferkenntnis verhängte Geldstrafe € 500,00 nicht übersteigt.
VI. Revision:
Gemäß Artikel 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Hat das Erkenntnis nur eine geringe Geldstrafe zum Gegenstand, kann durch Bundesgesetz vorgesehen werden, dass die Revision unzulässig ist.
Gemäß § 25a Abs 4 VwGG ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs 6 Z 1 B-VG) nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu € 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu € 400,00 verhängt wurde.
Nachdem die Voraussetzungen des § 25a Abs 4 VwGG hier vorliegen, kann der Beschwerdeführer gegen diese Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark keine Revision erheben.
Der belangten Behörde steht eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht offen, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Verkehrsunfall mit Verletzung, Sachverständiger, Gutachten, Sachverständigengutachten, Staatsanwaltschaft, Verfahrensökonomie, unnötige Verfahrensverzögerung, Verkehrsunfall, Vorrang, Vorrangberechtigter, Nachrang, Wartepflichtiger, unvermitteltes Bremsen, Ablenken, nötigen, doppelte Höchstgeschwindigkeit, Unfallgegner, Sichtfeld, BlickwinkeländerungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGST:2020:LVwG.30.4.1013.2019Zuletzt aktualisiert am
08.09.2020