Entscheidungsdatum
07.08.2019Norm
BFA-VG §9Spruch
L507 2209441-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Habersack über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch RA Dr. Erich Jungwirth, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.06.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.05.2019, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid gemäß
§ 28 Abs. 1 und 5 VwGVG ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Türkei, heiratete 2014 einen österreichischen Staatsangehörigen.
Die Beschwerdeführerin reiste mittels eines österreichischen Visums C in Österreich ein und ist seit dem 07.07.2016 in Österreich aufhältig.
Am 02.08.2016 brachte die Beschwerdeführerin beim Amt der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ein. Am 09.09.2016 wurde der Beschwerdeführerin vom Magistrat der Stadt Wien ein Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" mit Gültigkeit bis zum 09.09.2017 erteilt.
Am 29.08.2017 brachte die Beschwerdeführerin beim Amt der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, einen Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" ein.
Mangels Vorlage einer von der Beschwerdeführerin beizubringenden Bestätigung über ihre Erwerbsabsicht in Österreich wurde vom Amt der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, am 20.12.2017 eine fremdenpolizeiliche Stellungnahme gemäß
§ 25 Abs. 1 NAG vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eingeholt.
Mit Note des BFA vom 12.03.2018 wurde dem Amt der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, mitgeteilt, dass von Seiten des BFA Bedenken hinsichtlich der Erteilung eines Aufenthaltstitels an die Beschwerdeführerin bestünden und daher angeregt, ein Verfahren gemäß § 25 NAG einzuleiten.
Mit Schreiben des Amtes der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, vom 14.03.2018 wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert zum Nachweis ihrer Erwerbsabsicht innerhalb einer Frist von 14 Tagen eine Stellungnahme abzugeben, zumal der Nachweis der Erwerbsabsicht als Voraussetzung für die Verlängerung des Aufenthaltstitels der Beschwerdeführerin fehlen würde und deshalb beabsichtigt sei, gemäß § 25 Abs. 1 NAG ein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung im Sinne der §§ 52 ff FPG einzuleiten.
Am 26.04.2018 brachte die Beschwerdeführerin ein Konvolut von Unterlagen betreffend den Besuch eines Deutschkurses in Vorlage, den die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit einer AMS-Beratung besucht habe.
Mit 16.05.2018 wurde der Akt des Amtes der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, dem BFA wegen des Fehlens von Erteilungsvoraussetzungen für die Verlängerung eines Aufenthaltstitels zur Aufenthaltsbeendigung gemäß § 25 Abs. 1 NAG übermittelt.
2. Mit einem als "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" bezeichneten Schreiben des BFA vom 30.01.2018 wurde die Beschwerdeführerin betreffend die beabsichtigte Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Kenntnis gesetzt und aufgefordert innerhalb einer Frist von 14 Tagen eine Stellungnahme dazu abzugeben.
Am 22.02.2018 langte eine Stellungnahme der Beschwerdeführerin beim BFA ein.
3. Mit Bescheid des BFA vom 13.06.2018, Zl. XXXX , wurde gemäß
§ 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG die Türkei zulässig sei. Gemäß § 50 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
In diesem Bescheid wurde vom BFA im Wesentlichen festgestellt, dass sich die Beschwerdeführerin seit mindestens 08.07.2016 im österreichischen Bundesgebiet aufhalte.
Im Zuge des Antrages auf Verlängerung des Aufenthaltstitels vom 29.08.2018 sei vom Amt der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, festgestellt worden, dass die Beschwerdeführerin entgegen ihren Angaben im Erstantragsverfahren bis dato im Bundesgebiet keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen sei und sich somit ihren ersten vom Amt der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, erteilten Aufenthaltstitel, durch falsche Angaben erschlichen habe.
Ferner wurde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin verheiratet sei und keine Sorgepflichten habe. Sie lebe im gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten, gehe im Bundesgebiet keiner Beschäftigung nach und finanziere ihren Lebensunterhalt durch Zuwendungen ihres Ehegatten.
Beweiswürdigend wurde im angefochtenen Bescheid auszugsweise wie folgt ausgeführt:
"Bei ihrem am 29.08.2017 eingebrachten Verlängerungsantrag wurde seitens der Magistratsabteilung 35 festgestellt, dass sie entgegen ihren Angaben im Erstantragsverfahren bis dato im Bundesgebiet keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen sind und sich somit ihren ersten von der Magistratsabteilung 35 erteilten Aufenthaltstitel, durch falsche Angaben erschlichen haben, da im Falle einer vorliegenden Erwerbstätigkeit die Stillhalteklausel und das Assoziationsabkommen anzuwenden war."
In der rechtlichen Begründung des angefochtenen Bescheides wurde vom BFA auszugsweise wie folgt ausgeführt:
"Gemäß § 52 Abs. 4 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels, Einreisetitels oder der erlaubten visumfreien Einreise entgegengestanden wäre.
[...]
Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet, dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen.
§ 52 Abs. 4 Z 4 liegt in Ihrem Fall vor:
Sie haben sich Ihren von der Magistratsabteilung 35 erteilten Erstaufenthaltstitel aufgrund von falschen Angaben - Ausübung einer Erwerbstätigkeit - erschlichen, da Sie als Erwerbstätige unter die Stillhalteklausel und das Assoziationsabkommen gefallen wären bzw. sind.
[...]
Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie.
In Österreich lebt Ihr Gatte, mit welchem Sie in gemeinsamen Haushalt leben. Etwaige Sorgepflichten sind der Behörde nicht bekannt und können daher auch nicht gewürdigt werden. Sie lebten bis vor dem Zuzug nach Österreich knapp zwei Jahre von Ihrem Gatten getrennt. Sie verblieben nach der Eheschließung am 27.10.2014 in der Türkei und reisten erst laut ha. Aktenlage am 08.07.2016 in das Bundesgebiet ein.
Das Recht auf Achtung des Privatlebens sichert dem Einzelnen zudem einen Bereich, innerhalb dessen er seine Persönlichkeit frei entfalten und erfüllen kann.
Ein für das Verfahren relevantes Privatleben haben Sie in Ihrer Stellungnahme vom 22.02.2018 nicht geltend gemacht.
[...]
In Österreich besteht zwar ein aufrechtes Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK, da Ihr Gatte im Bundesgebiet lebt. Ihr Gatte ist türkischer Abstammung, besitzt aber die österreichische Staatsbürgerschaft. Sie leben mit Ihrem Gatten seit Ihrer Einreise im gemeinsamen Haushalt, etwaige Sorgepflichten sind der Behörde nicht bekannt. Ihr Aufenthalt kann als kurz bezeichnet werden, da Sie laut Aktenlage sich erst seit 08.07.2016 im Bundesgebiet befinden.
Sie ehelichten bereits am 02.10.2014 Ihren Gatten in der Türkei und reisten erst mittels Visum D im Juli 2016 in das Bundesgebiet ein. Ihren Erstaufenthaltstitel haben Sie sich aufgrund von falschen Angaben - Ausübung einer Erwerbstätigkeit - erschlichen, da Sie als Erwerbstätige unter die Stillhalteklausel und das Assoziationsabkommen gefallen wären bzw. sind. Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes und der bereits vor der Einreise bestandenen räumlichen Trennung von Ihrem Ehegatten geht die Behörde davon aus, dass es zumutbar ist, Ihr Familienleben für die Dauer der Legalisierung Ihres Aufenthaltes in der Türkei fortzuführen.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass Sie im Falle einer Rückkehr in die Türkei in eine existenzgefährdende Notlage geraten würden und Ihnen die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre zumal Sie über die landesüblichen Sprachkenntnisse und Ortskenntnisse verfügen.
Es steht Ihnen frei, nach Rückkehr in Ihr Herkunftsland allenfalls legal im Rahmen der niederlassungs- und aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen nach Österreich wieder einzureisen. Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie der Ihrer auf das Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens zuwiderlaufen. Überdies würde dies dazu führen, dass Fremde welche die fremdenrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen beachten, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, die ihren Aufenthalt im Bundesgebiet durch Nichteinhaltung der Normen erzwingen, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde.
Ihre persönlichen Interessen am Verbleib in Österreich wiegen daher nicht schwerer als die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen.
Daher ist die Rückkehrentscheidung nach § 9 Abs. 1-3 BFA-VG zulässig.
[...]"
4. Gegen diesen der Beschwerdeführerin am 10.10.2018 durch persönliche Übergabe zugestellten Bescheid wurde am 07.11.2018 fristgerecht Beschwerde erhoben.
Begründend wurde unter anderem ausgeführt, dass die Stillhalteklausel und das Assoziationsabkommen nicht nur im Falle einer tatsächlich ausgeübten Erwerbstätigkeit zur Anwendung komme, sondern auch im Falle der Absicht, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Die Absicht der Beschwerdeführerin, sich in den Arbeitsmarkt in Österreich zu integrieren, ergebe sich bereits daraus, dass die Beschwerdeführerin seit März 2018 beim Arbeitsmarktservice als arbeitssuchend gemeldet sei, auch wenn bis dato vom Arbeitsmarktservice ein Dienstgeber noch nicht vermittelt worden sei.
Unabhängig davon habe sich die Beschwerdeführerin aber schon vor März 2018 aus eigener Initiative um eine Beschäftigung bemüht, auch wenn ihre Bewerbungen bedauerlicherweise erfolglos geblieben seien.
Erfreulicherweise sei es der Beschwerdeführerin zwischenzeitig gelungen, eine Beschäftigung zu bekommen, womit wohl jeder zuvor gehegte Verdacht, sie wolle sich nicht in den Arbeitsmarkt in Österreich integrieren, ausgeräumt sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin ist türkische Staatsangehörige und seit 2014 mit einem österreichischen Staatsangehörigen verheiratet. Sie ist seit Juli 2016 in Österreich aufhältig und lebt seither mit ihrem Ehegatten in einem gemeinsamen Haushalt.
Am 09.09.2016 wurde der Beschwerdeführerin vom Amt der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, ein Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" mit Gültigkeit bis zum 09.09.2017 erteilt.
Die Beschwerdeführerin besuchte ab April 2018 einen Deutschkurs, der ihr im Wege einer AMS-Beratung vermittelt wurde.
Die Beschwerdeführerin geht seit November 2018 einer Beschäftigung als Küchengehilfin in einem Gastronomiebetrieb nach und gehört dem regulären österreichischen Arbeitsmarkt an, weshalb ihr als türkische Staatsangehörige eine nach Art. 6 ARB 1/80 begünstigende Rechtsstellung zukommt.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt des vom BFA vorgelegten Verwaltungsaktes sowie aus dem Akt des Amtes der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, und dem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung.
3. Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu Spruchteil A):
3.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Gemäß § 28 Abs. 1 iVm Abs. 5 VwGVG ist das Gericht berechtigt, die Entscheidung der belangten Behörde durch Erkenntnis zu beheben (vgl. Fischer/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), Anm. 17 zu § 28 VwGVG). Die Behörden sind in diesem Fall verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichts entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
Bei einer Aufhebung gemäß § 28 Abs. 1 iVm Abs. 5 VwGVG handelt es sich um eine materielle Erledigung der Rechtssache durch (ersatzlose) Behebung des angefochtenen Bescheids in Form eines Erkenntnisses. Die Behebungsgründe werden gesetzlich nicht genannt. Die Regelung entspricht im Wesentlichen dem bisherigen § 66 Abs. 4 AVG (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, Rz 17ff zu § 28); Hengstschläger/Leeb, AVG, Manz Kommentar, Rz 97 zu § 66 [Abs. 4], führen mwN auf die höchstgerichtliche Judikatur aus:
"Hätte der angefochtene Bescheid nicht ergehen dürfen, weil nach den maßgeblichen Verwaltungsvorschriften in der anhängigen Rechtssache die Erlassung eines Bescheides entweder im unterinstanzlichen Verfahren überhaupt unzulässig war oder während des Berufungsverfahren unzulässig geworden ist, oder hätte ihn die betroffene Behörde (mangels Zuständigkeit) nicht erlassen dürfen und kann der dem materiellen Recht entsprechende Zustand nur durch die Kassation des zu Unrecht ergangenen Bescheides hergestellt werden, hat die Rechtsmittelbehörde den Bescheid gem. § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos, dh ohne eine darüber hinausgehende Sachentscheidung, zu beheben".
3.2. Gemäß § 52 Abs. 4 Z 1 FPG hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, zu erlassen, wenn nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder
§ 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre.
§ 11 Abs. 1 und 2 NAG lautet wie folgt:
"(1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn
1. gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot gemäß § 53 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht;
2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;
3. gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;
4. eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;
5. eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder
6. er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.
(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn
1. der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;
2. der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;
3. der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;
4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;
5. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden;
6. der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, rechtzeitig erfüllt hat, und
7. in den Fällen der §§ 58 und 58a seit der Ausreise in einen Drittstaat gemäß
§ 58 Abs. 5 mehr als vier Monate vergangen sind."
§ 25 NAG lautet wie folgt:
"(1) Fehlen in einem Verfahren zur Verlängerung des Aufenthaltstitels Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 11 Abs. 1 und 2, so hat die Behörde gegebenenfalls nach Einholung einer Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl den Antragsteller davon in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass eine Aufenthaltsbeendigung gemäß §§ 52 ff. FPG beabsichtigt ist und ihm darzulegen, warum dies unter Bedachtnahme auf den Schutz seines Privat- oder Familienlebens (§ 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012) zulässig scheint. Außerdem hat sie ihn zu informieren, dass er das Recht hat, sich hiezu binnen einer gleichzeitig festzusetzenden, 14 Tage nicht unterschreitenden Frist zu äußern. Nach Ablauf dieser Frist hat die Behörde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gegebenenfalls unter Anschluss der Stellungnahme des Fremden zu verständigen. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.
(2) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist das Verfahren über den Verlängerungsantrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels formlos einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung auf Antrag des Fremden fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird. Ist eine Aufenthaltsbeendigung unzulässig, hat die Behörde einen Aufenthaltstitel mit dem gleichen Zweckumfang zu erteilen.
(3) Fehlen in einem Verfahren zur Verlängerung eines Aufenthaltstitels besondere Erteilungsvoraussetzungen des 2. Teiles, hat die Behörde den Antrag ohne weiteres abzuweisen."
3.3. Nach der Judikatur des VwGH zu Art. 6 iVm Art. 3 ARB 1/80 ist die Stillhalteklausel nicht nur auf die schon in den Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates integrierten türkischen Staatsangehörigen anzuwenden, sondern auch auf türkische Staatsangehörige, bei denen die Absicht vorhanden ist, sich in den Arbeitsmarkt des betreffenden Mitgliedstaates zu integrieren (VwGH 18.04.2018, Ra 2018/22/0004).
Vor dem Hintergrund, dass die Beschwerdeführerin seit zumindest März 2018 die Beratung des Arbeitsmarktservice in Anspruch genommen hat, hat sie damit schlüssig bekannt gegeben, dass sie dem österreichischen Arbeitsmarkt zur Verfügung steht bzw. zeigte sie ihre Absicht, sich in den Arbeitsmarkt in Österreich zu integrieren.
Infolgedessen wäre davon auszugehen gewesen, dass der Beschwerdeführerin als türkische Staatsangehörige eine nach Art. 6 ARB 1/80 begünstigende Rechtsstellung zugekommen wäre.
Vor diesem Hintergrund und dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin seit November 2018 einer unselbstständigen Beschäftigung in Österreich nachgeht und somit dem Arbeitsmarkt in Österreich zur Verfügung steht bzw. in den österreichischen Arbeitsmarkt integriert ist, liegen die Voraussetzungen zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß
§ 52 Abs. 4 FPG nicht mehr vor und war der angefochtene Bescheid daher ersatzlos zu beheben.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die gegenständliche Entscheidung weicht weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl die oben angeführte Judikatur, welche nach Ansicht des erkennenden Gerichts, soweit sie zu früheren Rechtlagen ergangen ist, auf die inhaltlich überwiegend völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar ist); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenso wenig liegen sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist daher gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Schlagworte
Arbeitsmarktservice Arbeitsmarktzugang Aufenthaltstitel begünstigter Personenkreis Erwerbstätigkeit Integration Privat- und Familienleben Rechtsstellung Rückkehrentscheidung behobenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L507.2209441.1.00Im RIS seit
08.09.2020Zuletzt aktualisiert am
08.09.2020