TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/12 L508 2192249-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.08.2019
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Entscheidungsdatum

12.08.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AVG §68 Abs2
BFA-VG §18
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55
VwGVG §27
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

L508 2192249-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , StA. Pakistan, vertreten durch Rechtsanwalt XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.06.2019, Zl. 1099155909-152005923, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid gemäß §§ 27, 28 Abs. 2 und Absatz 5 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend: BF), ein Staatsangehöriger aus Pakistan, brachte am 16.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

2. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 09.03.2018 den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 16.12.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch den Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Pakistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. (Spruchpunkt II.) ab. Unter einem wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Zif. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Zif 2 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Pakistan gem. § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). In Spruchpunkt VI. wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine 14-tägige Frist für seine freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt.

Das Bundesamt hat dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers die Glaubwürdigkeit versagt. In der rechtlichen Beurteilung wurde begründend dargelegt, warum der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Sachverhalt keine Grundlage für eine Subsumierung unter den Tatbestand des § 3 AsylG biete und warum auch nicht vom Vorliegen einer Gefahr iSd § 8 Abs. 1 AsylG ausgegangen werden könne. Zudem wurde ausgeführt, warum ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wurde, weshalb gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass seine Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Letztlich wurde erläutert, weshalb die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

3. Der Beschwerdeführer erhob gegen den obzitierten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl fristgerecht Beschwerde, welche beim Bundesverwaltungsgericht zu GZ W233 2192249 protokolliert wurde.

4. Über den Beschwerdeführer wurde mit Straferkenntnis der LPD XXXX , GZ: VStV/918300313469/2018, eine Verwaltungsstrafe in der Höhe von 800? verhängt. (Rechtskräftig am 25.04.2019), da er unter Drogeneinfluss ein Kraftfahrzeug gelenkt und damit die Rechtsvorschriften der § 99 Abs. 1b iVm § 5 Abs. 1 StVO verletzte.

5. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.06.2019 erfolgte eine Abänderung des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.03.2018 nach § 68 Abs. 2 AVG und wurde ausgesprochen, dass die Spruchpunkte III. und IV., von Amts wegen aufgehoben werden (Spruchpunkt I.).Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte fest, dass dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde (Spruchpunkt II.) und erließ dabei gegenüber dem Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idgF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF (Spruchpunkt III.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 leg.cit. fest, dass seine Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 leg.cit. zulässig sei (Spruchpunkt IV.). Weiters erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem BF gegenüber gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt V). Zudem erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI.). Schließlich hielt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fest, dass im Fall des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehen würde (Spruchpunkt VII.).

6. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.06.2019 fristgerecht Beschwerde. Der gegenständliche Verfahrensakt langte am 08.08.2019 beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Linz, ein.

7. Zwischenzeitlich erging seitens der für die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 09.03.2018, Zahl: 1099155909-152005923 zuständigen Gerichtsabteilung (W233) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.06.2019 eine Entscheidung über diese Beschwerde und wurde diese Beschwerde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.07.2019 GZ: W233 2192249-1/9E in allen Spruchpunkten als unbegründet abgewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

1.3. Prüfungsumfang

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Gemäß § 28 Absatz 5 VwGVG sind, wenn das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufhebt, die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

2. Zur Entscheidungsbegründung:

2.1. Feststellungen und Beweiswürdigung:

Der unter Punkt I. beschriebene Verfahrensgang steht fest; er gründet auf dem unbedenklichen Verfahrensakt, dem hg Akt zur GZ: L508 2192249-2 sowie dem hg. Akt zur GZ: W233 2192249-1.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A), Ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheids:

3.1. § 68 AVG lautet auszugsweise wie folgt:

"2. Abschnitt: Sonstige Abänderung von Bescheiden

Abänderung und Behebung von Amts wegen

§ 68. (1) Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

(2) Von Amts wegen können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.

(3) - (7) [...]"

3.2. Zunächst ist festzuhalten, dass es Ziel und Zweck der Regelung des § 68 AVG ist, die Bestandskraft von Bescheiden zu schützen, oder anders ausgedrückt, eine Aufhebung oder Abänderung des Bescheides durch die Verwaltungsbehörde, insbesondere der im Spruch des Bescheides getroffenen normativen Anordnung, außerhalb des Rechtsmittelverfahrens nur unter bestimmten, vom Gesetz eng begrenzten Voraussetzungen zuzulassen (vgl. Hengstschläger/Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, Wien 2018, § 68, RZ 1, mit Literaturhinweis).

Die Anwendbarkeit des § 68 AVG setzt nach herrschender Auffassung gemäß seinem Abs. 1 weiterhin, daran hat die AVG-Novelle BGBl. I Nr. 2013/33 nichts geändert, das Vorliegen eines "der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides" voraus. Mit "Berufung" sind alle ordentlichen Rechtsmittel iSd AVG gemeint. Die bis zur Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit herrschende Auffassung in Judikatur und Lehre ging davon aus, dass der Bescheid damit in formeller Rechtskraft erwachsen ist. Seit der Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit ist nun unter formeller Rechtskraft die Unanfechtbarkeit des Bescheides nicht nur mit ordentlichen Rechtsmitteln iSd AVG, sondern auch mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht zu verstehen. § 68 leg.cit. stellt nicht auf die formelle Rechtskraft von Bescheiden ab, sondern macht seine Anwendbarkeit ausschließlich davon abhängig, dass der Bescheid der Berufung (gemeint sind alle im AVG geregelten ordentlichen Rechtsmittel) nicht oder nicht mehr unterliegt. Bescheide, die noch mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht bekämpft werden können (und gegen die ein im AVG vorgesehenes ordentliches Rechtsmittel iSd § 68 Abs. 1 leg.cit. nicht mehr zur Verfügung steht), können jedoch gemäß § 68 leg.cit. von Amts wegen aufgehoben oder abgeändert werden. Dies bedeutet, dass die Möglichkeit sowie die Anhängigkeit einer zulässigen Beschwerde beim Verwaltungsgericht der Anwendung des § 68 leg.cit. nicht entgegenstehen (vgl. Hengstschläger/Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, Wien 2018, § 68, RZ 5, 6, 8 und 9, mit mehreren Hinweisen auf Literatur und Judikatur).

Nach dem Wortlaut des § 68 Abs. 2 AVG käme eine amtswegige Aufhebung oder Abänderung von der Berufung nicht (mehr) unterliegenden Bescheiden nach § 68 Abs. 2 leg.cit. nur für rein belastende Bescheide, eben solche, "aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist", in Betracht. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt allerdings in ständiger Rechtsprechung über den Wortlaut des § 68 Abs 2. leg.cit. hinausgehend die Auffassung, dass es letztendlich nicht darauf ankommt, ob der abzuändernde Bescheid selbst begünstigende oder belastende Wirkung hat. Ausschlaggebend für die Anwendbarkeit des § 68 Abs. 2 leg.cit. ist der Effekt der Aufhebung oder Abänderung. Wirkt sie zugunsten der Partei(en), ist sie in verfahrensrechtlicher Hinsicht nach § 68 Abs 2 leg.cit. stets zulässig, gleichgültig, ob der Partei aus dem Bescheid ein Recht erwachsen ist oder nicht. Belastende Abänderungen von der Berufung nicht (mehr) unterliegenden Bescheiden können aber nicht auf § 68 Abs. 2 leg.cit. gestützt werden (vgl. VwGH 27.05.2014, 2011/10/0197), auch dann nicht, wenn es sich um Bescheide handelt, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist. Im Ergebnis vertritt der Verwaltungsgerichtshof also den Standpunkt, dass es unmaßgeblich ist, ob es sich um einen begünstigenden oder belastenden Bescheid handelt, die Behörde aber von der ihr in § 68 Abs. 2 leg.cit. eingeräumten Möglichkeit nur dann Gebrauch machen darf, wenn damit keine Verschlechterung der Rechtsstellung einer Partei verbunden ist, weshalb eine Vorgangsweise, durch welche die Rechtslage - nicht sonstige Umstände - ungünstiger als durch den ursprünglichen, aufgehobenen oder abgeänderten Bescheid gestaltet wird, nicht auf § 68 Abs. 2 leg.cit. gestützt werden kann (s. Hengstschläger/Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, Wien 2018, § 68, RZ 81 und 84, mit weiteren Judikaturhinweisen unter Anführung von Literatur).

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist für die Anwendbarkeit des § 68 Abs 2 AVG der Effekt der Aufhebung oder Abänderung ausschlaggebend. Wirkt sie zugunsten der Partei, ist sie in verfahrensrechtlicher Hinsicht nach § 68 Abs 2 AVG stets zulässig, gleichgültig, ob der Partei aus dem Bescheid ein Recht erwachsen ist oder nicht (vgl VfGH 21.02.2014, B 1512/2011). Belastende Abänderungen von der Berufung nicht (mehr) unterliegenden Bescheiden können allerdings nicht auf § 68 Abs 2 AVG gestützt werden (vgl VwGH 27. 5. 2014, 2011/10/0197), auch dann nicht, wenn es sich um Bescheide handelt, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist (vgl VwSlg 1293 A/1950; VwGH 26. 4. 1993, 90/10/0209; 17. 5. 2001, 2001/07/0034).

Die Anwendung des § 68 Abs 2 AVG ist dann ausgeschlossen, wenn mit dem neuen Bescheid eine der Partei auferlegte Pflicht vergrößert werden soll. Durch die nachträgliche Vergrößerung einer Verpflichtung, so der Verwaltungsgerichtshof, werde die Partei nämlich nicht weniger beeinträchtigt als durch die nachträgliche Verminderung eines ihr zuerkannten Rechts und es ließe sich eine sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung dieser beiden Fälle nicht auffinden (VwSlg 9875 A/1979). Die Behörde darf daher von der ihr in § 68 Abs 2 AVG eingeräumten Möglichkeit nur dann Gebrauch machen, wenn damit keine Verschlechterung der Rechtsstellung der Partei verbunden ist (VwSlg 1293 A/1950; VwGH 20.03.1996, 95/21/0369; 24.02.2005, 2004/11/0215). Es ist ein Günstigkeitsvergleich durchzuführen (VwGH 22. 4. 2002, 99/10/0144).

Ein hinsichtlich des abzuändernden oder auszuhebenden Bescheids anhängiges Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht hindert die Behörde nicht, nach § 68 Abs 2 AVG vorzugehen (dazu grundlegend VwGH 16.11.2015 Ra 2015/12/0029).

Besondere Bedeutung kommt schließlich der jüngst ergangenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, VwGH vom 26.06.2019, Ra 2019/21/0146 zu, in welcher dieser eine Amtsrevision des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl (das BFA erließ während eines anhängigen Beschwerdeverfahrens einen Abänderungsbescheid gemäß § 68 Abs 2 AVG; das BVwG behob ersatzlos mangels einer tauglichen Grundlage für eine benachteiligende Bescheidabänderung) abgewiesen hat. Der wesentliche Tenor dieser Entscheidung lautet wie folgt: Eine Rückkehrentscheidung (allenfalls mit Einreiseverbot) sei vor dem Abspruch über den Antrag auf internationalen Schutz grundsätzlich nicht zulässig (vgl Rz 16); daran können auch Tunlichkeitserwägungen nichts ändern (vgl Rz 25); dem BVwG ist es verwehrt, Gründe für die Erlassung eines Einreiseverbots aufzugreifen und erstmals ein solches zu verhängen (siehe Rz 18); das BVwG nahm zu Recht einen "Günstigkeitsvergleich" vor (vgl Rz 21); die Ausführungen des VwGH im Erkenntnis vom 16.11.2015, Ra 2015/12/0029, lassen sich nicht generalisieren bzw. auf ein nachträgliche Einreiseverbote übertragen (vgl Rz 22ff); die Erlassung eines Einreiseverbots (nach Abspruch über den Antrag auf internationalen Schutz) sei möglich, auch wenn die hierfür maßgeblichen Tatsachen bereits vor der Rechtskraft der schon erlassenen Rückkehrentscheidung bestanden haben (vgl Rz 25).

3.3. Für den gegenständlichen Fall ergibt sich aus der obzitierten Rechtsprechung folgendes:

3.3.1. Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde mit dem Bescheid vom 09.03.2018 ua gegenüber dem BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Frist für seine freiwillige Ausreise auf vierzehn Tage festgelegt; mangels gegenteiliger Anordnung kam einer Beschwerde gegen den Bescheid aufschiebenden Wirkung zu. Mit dem nunmehr angefochtenen, auf § 68 Abs. 2 AVG gestützten Bescheid vom 27.06.2019 wurde zusätzlich zur Rückkehrentscheidung ein auf zwei Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen, keine Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt und einer Beschwerde gegen den Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt. Dadurch hat die belangte Behörde die Rechtsstellung des BF im Vergleich zum Bescheid vom 09.03.2018 verschlechtert.

Entsprechend obzitierter Judikatur (zu verweisen ist insbesondere auf die jüngst ergangene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.06.2019, Ra 2019/21/0146) steht zwar die Anhängigkeit einer Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht der Anwendung des § 68 Abs. 2 AVG in Form einer Abänderung des zunächst erlassenen Bescheides durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht entgegen, jedoch ist eine Abänderung des zunächst erlassenen Bescheides, die zu einer Verschlechterung der Rechtsstellung für den Betroffenen führt, nicht zulässig. Ferner ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung (allenfalls mit Einreiseverbot) vor dem Abspruch über den Antrag auf internationalen Schutz grundsätzlich nicht zulässig und ist dem Bundesverwaltungsgericht auch verwehrt, Gründe für die Erlassung eines Einreiseverbots aufzugreifen und erstmals ein solches zu verhängen.

Da mit dem Ausspruch der Erlassung des auf zwei Jahren befristeten Einreiseverbotes, dem Ausspruch des Nichtbestehens einer Frist für die freiwillige Ausreise sowie der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung unzweifelhaft eine Verschlechterung der Rechtsstellung des Beschwerdeführers einhergeht, hätte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den angefochtenen Bescheid nicht erlassen dürfen.

3.3.2. Im gegenständlichen Fall tritt hinzu, dass nach Erlassung des Abänderungsbescheides der belangten Behörde vom 27.06.2019, seitens der für die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 09.03.2018 zuständigen Gerichtsabteilung (W233) eine Entscheidung über diese Beschwerde erging und wurde diese mit Erkenntnis des BVwG vom 19.07.2019 GZ: W233 2192249-1/9E in allen Spruchpunkten als unbegründet abgewiesen. Daraus folgt, dass die mit Bescheid des BFA vom 09.03.2018 ausgesprochene Rückkehrentscheidung seitens des BVwG bestätigt wurde und folglich in Rechtskraft erwachsen ist. Schon aus diesem Grund kann der Abänderungsbescheid des BFA vom 27.06.2019, die darin verfügte Behebung der vormaligen Rückkehrentscheidung, welche nunmehr durch das BVwG bestätigt wurde und in weiterer Folge die neu erlassene Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot keinen Bestand mehr haben.

Der Beschwerde war daher Folge zu geben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben.

3.4. Vor dem Hintergrund dieses Ergebnisses ist auf den in der Beschwerde erfolgten Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, nicht einzugehen.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Angesichts dieses Ergebnisses konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs 2 Z 1 2. Fall VwGVG abgesehen werden.

Zu B) Zum Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der (jeweils zitierten und - sofern sie sich auf die Rechtslage vor der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit bezieht - übertragbaren) bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Abänderung eines Bescheides Anhängigkeit Behebung der Entscheidung ersatzlose Behebung Rechtsstellung Rückkehrentscheidung Rückkehrentscheidung behoben Verschlechterung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L508.2192249.2.00

Im RIS seit

08.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

08.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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