TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/24 L521 2184094-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.09.2019
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Entscheidungsdatum

24.09.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L521 2184094-1/15E

L521 2184098-1/15E

L521 2184102-1/15E

L521 2184106-1/23E

L521 2184108-1/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Mathias Kopf, LL.M. über die Beschwerden XXXX , alle Staatsangehörigkeit Irak, alle vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, 1170 Wien, Wattgasse 48, jeweils gegen die Spruchpunkte II., III., IV., V. und VI. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.12.2017, Zlen. 1093770900-151698925, 1093771309-151698947, 1093772306-151698963, 1093771908-151698955 und 1104396010-160178519, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 26.03.2019 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer ist mit der Zweitbeschwerdeführerin verheiratet, die minderjährige Drittbeschwerdeführerin, der minderjährige Viertbeschwerdeführer und der minderjährige Fünftbeschwerdeführer sind die ehelichen Kinder der Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin.

Sämtliche Beschwerdeführer sind Staatsangehörige des Irak und gehören der kurdischen Volksgruppe an.

2.1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin stellten am 05.11.2015 für sich und als gesetzliche Vertreter ihrer mitgereisten Kinder, nämlich der Drittbeschwerdeführerin und des Viertbeschwerdeführers im Gefolge ihrer unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes des Stadtpolizeikommandos Salzburg am Tag der Antragstellung legte der Erstbeschwerdeführer dar, den Namen XXXX zu führen. Er sei am XXXX in XXXX geboren, Angehöriger der kurdischen Volksgruppe und bekenne sich zum Islam. Zuletzt habe er in XXXX gelebt und als Angestellter gearbeitet.

Im Hinblick auf den Reiseweg brachte der Erstbeschwerdeführer zusammengefasst vor, den Irak am 12.10.2015 mit der Zweitbeschwerdeführerin und den gemeinsamen Kindern legal von XXXX ausgehend im Luftweg in die Türkei verlassen zu haben. In der Folge sei er auf dem Seeweg nach Griechenland gelangt und von dort aus auf dem Landweg mit Bussen und der Eisenbahn nach Österreich verbracht worden.

Zu den Gründen der Ausreise befragt, führte der Erstbeschwerdeführer aus, er sei im Irak Angestellter eines Bauunternehmens gewesen. Am 12.10.2015 sei ihm ein Projekt zugeteilt worden. Daraufhin habe eine unbekannte Person von ihm Informationen über dieses Projekt abverlangt und ihn anschließend mit dem Tod bedroht, da er sich geweigert habe.

2.2. Die Zweitbeschwerdeführerin brachte im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes des Stadtpolizeikommandos Salzburg vor, den Namen XXXX zu führen. Sie sei am XXXX geboren, Angehörige der kurdischen Volksgruppe und bekenne sich zum Islam. Zuletzt habe sie in XXXX gelebt und den Haushalt geführt.

Zu den Gründen der Ausreise befragt, führte die Zweitbeschwerdeführerin aus, der Erstbeschwerdeführer sei "in seiner Firma samt der Familie bedroht" worden.

2.3. Der Fünfbeschwerdeführer wurde am 08.01.2016 in Salzburg geboren. Am 04.02.2016 stellte die Zweitbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin des Fünfbeschwerdeführers für diesen einen Antrag auf internationalen Schutz.

2.4. Nach Zulassung der Verfahren wurde der Erstbeschwerdeführer am 15.11.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, im Beisein eines geeigneten Dolmetschers in der Sprache Sorani niederschriftlich vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter einvernommen.

Eingangs bestätigte der Erstbeschwerdeführer, einvernahmefähig zu sein und die Sprache Sorani zu verstehen. Zu seiner Person legte er konkretisierend dar, im Herkunftsstaat zwölf Jahre die Schule besucht zu haben, ohne die Matura zu erlangen. Er habe in XXXX einerseits als öffentlich Bediensteter gearbeitete und zusätzlich nachmittags als Angestellter einer Telefongesellschaft. Er bekenne sich zum Islam der sunnitischen Glaubensrichtung und sei tatsächlich in Bagdad geboren.

Sein Vater sei verstorben, seine Mutter lebe ebenso wie seine zwei Brüder und vier Schwestern in XXXX . Seine Brüder wären als Taxifahrer und als Verkäufer erwerbstätig, die Schwestern wären allesamt verheiratet und führten den Haushalt. Seine Mutter sei aufgrund des Bezugs einer Witwenpension abgesichert. Mit der Zweitbeschwerdeführerin sei er verheiratet, die Heiratsurkunde könne er nicht vorweisen.

Befragt nach dem Grund für das Verlassen des Heimatstaates gab der Erstbeschwerdeführer an, eine unbekannte Person habe von ihm die Übergabe von Kundendaten des Telekommunikationsunternehmens verlangt, bei dem er gearbeitet habe, und dafür Geld angeboten. Nachdem er sich geweigert habe, sei er am Nachhauseweg mit dem Umbringen bedroht worden. Am nächsten Tag habe ihn die Person telefonisch am Arbeitsplatz kontaktiert und ihm einen erneuten Besuch zur Abholung der Daten in Aussicht gestellt. Daraufhin habe er den Arbeitsplatz umgehend verlassen und sei zwei Tage später mit der Familie ausgereist.

2.5. Die Zweitbeschwerdeführerin wurde ebenfalls am 15.11.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, im Beisein eines geeigneten Dolmetschers in der Sprache Sorani niederschriftlich vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter einvernommen.

Auch die Zweitbeschwerdeführerin bestätigte eingangs, einvernahmefähig zu sein und die Sprache Sorani zu verstehen. Zu ihrer Person legte sie konkretisierend dar, sich zum Islam der sunnitischen Glaubensrichtung zu bekennen. Im Irak habe sie die Grundschule und die Mittelschule im Gesamtausmaß von neun Jahren besucht.

Ihre Eltern wären bereits verstorben, ihre drei Schwestern und ihre acht Brüder würden allesamt in XXXX leben. Ein Bruder arbeite als Arzthelfer, die anderen Brüder würden gemeinsam als Schneider in der Schneiderei der Familie arbeiten. Sie selbst habe im Irak nicht gearbeitet und nach der Eheschließung bis zur Ausreise den Haushalt geführt.

Befragt nach dem Grund für das Verlassen des Heimatstaates legte die Zweitbeschwerdeführerin dar, eine Personen hätten vom Erstbeschwerdeführer Dokumente und Daten von Kunden verlangt. Er sei daraufhin bedroht worden, weshalb sie selbst auch Angst um ihr Leben verspürt habe. Eigene Asylgründen könne sie jedoch nicht vorbringen, das gelte auch für ihre Kinder.

2.6. Am 30.11.2017 brachten die Beschwerdeführer vier irakische Reisepässe und eine Heiratsurkunde - jeweils im Original - in Vorlage.

2.7. Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.12.2017, Zlen. 1093770900-151698925, 1093771309-151698947, 1093772306-151698963, 1093771908-151698955 und 1104396010-160178519, wurden die Anträge des Erstbeschwerdeführers, der Zweitbeschwerdeführerin, der Drittbeschwerdeführerin, des Viertbeschwerdeführers und des Fünftbeschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten jeweils gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak jeweils gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde wider die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer in den Irak gemäß § 46 FPG 2005 zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 betrage die Frist für eine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, die vorgebrachte Bedrohung durch Privatpersonen könne ebensowenig festgestellt werden, wie eine Bedrohung durch staatliche Organe. Der Erstbeschwerdeführer sei in seinem Herkunftsstaat keiner Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt gewesen, sein Vorbringen habe sich als vage und detailarm erwiesen und hätte sich der Erstbeschwerdeführer durch Übersiedelung in einen anderen Landesteil einer Bedrohung leicht entziehen können.

Eine Rückkehr in den Irak sei den Beschwerdeführern möglich und zumutbar, da der Erstbeschwerdeführer gesund und arbeitsfähig sei und er im Fall einer Rückkehr in die autonome Region Kurdistan den Lebensunterhalt seiner Familie sicherstellen könne. Darüber hinaus bestünden familiäre Anknüpfungspunkte aufgrund der in der autonome Region Kurdistan lebenden Verwandten des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin.

2.8. Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.12.2017 wurde dem Erstbeschwerdeführer, der Zweitbeschwerdeführerin, der Drittbeschwerdeführerin, dem Viertbeschwerdeführers und dem Fünftbeschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

2.8. Gegen die dem Erstbeschwerdeführer, der Zweitbeschwerdeführerin, der Drittbeschwerdeführerin, dem Viertbeschwerdeführer und dem Fünftbeschwerdeführer am 20.12.2017 eigenhändig zugestellten Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.12.2017, Zlen. 1093770900-151698925, 1093771309-151698947, 1093772306-151698963, 1093771908-151698955 und 1104396010-160178519 richtet sich die im Wege der beigegebenen Rechtsberatungsorganisation fristgerecht eingebrachte gemeinsame Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

In dieser wird inhaltliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert und beantragt, die angefochtenen Bescheide abzuändern und dem Antrag auf internationalen Schutz Folge zu geben und dem Erstbeschwerdeführer, der Zweitbeschwerdeführerin, dem Drittbeschwerdeführer, dem Viertbeschwerdeführers und der Fünftbeschwerdeführerin den Status eines Asylberechtigten oder hilfsweise den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen oder hilfsweise festzustellen, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig sei und die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 AsylG 2005 vorlägen und den Beschwerdeführern eine Aufenthaltsberechtigung (plus) gemäß § 55 AsylG 2005 zu erteilen. Eventualiter wird ein Aufhebungsantrag gestellt und jedenfalls eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht begehrt.

In der Sache wird im Wesentlichen vorgebracht, das belangte Bundesamt habe die angefochtenen Bescheide auf unzureichende Länderinformationen gestützt, zumal den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat kein Bezug zum Ausreisevorbringen entnommen werden könne. Das belangte Bundesamt hätte sich eingehender mit Blutfehden im Irak und der Gefahr für Rückkehrer aus Europa und den Versorgungsmöglichkeiten in der autonomen Region Kurdistan auseinandersetzen müssen. In der Folge werden über mehrere Seiten Auszüge aus länderkundlichen Berichten zitiert.

Im Hinblick auf die Beweiswürdigung bringen die Beschwerdeführer zusammengefasst vor, die Beweiswürdigung des belangten Bundesamtes stelle sich als unschlüssig dar, der Erstbeschwerdeführer habe glaubhaft und nachvollziehbar vorgebracht. Der Erstbeschwerdeführer habe sich entgegen den Erwägungen des belangten Bundesamtes auch nicht an die Polizei wenden können, da für diesen Fall Drohungen gegen Familienmitglieder ausgesprochen worden wären. Der Erstbeschwerdeführer verfüge außerdem über "wertvolle Informationen über Telefonkunden", sodass eine "starke Motivation" bestehe, den Erstbeschwerdeführer zu finden und er im Rückkehrfall deshalb überall im Irak gefunden würde.

3. Die Beschwerdevorlage langte am 24.01.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtssachen wurden in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen.

4. Das Bundesverwaltungsgericht richtete am 17.01.2019 einen Rechercheauftrag an die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zur Sicherheitslage, zur sozioökonomischen Lage und zur Menschenrechtssituation in der autonomen Region Kurdistan.

Die bezughabenden Anfragebeantwortungen langten am 25.02.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

5. Mit Note des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.03.2019 wurden der rechtsfreundlichen Vertretung der Beschwerdeführer aktuelle Länderdokumentationsunterlagen zur allgemeinen Lage im Irak, Zusammenstellungen sicherheitsrelevanter Vorfälle im zweiten und dritten Quartal 2018 des Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED) sowie Anfragebeantwortungen von ACCORD vom 21.02.2019 und vom 29.03.2018 zur Sicherheitslage, zur sozioökonomischen Lage und zur Menschenrechtssituation in der autonomen Region Kurdistan sowie der Bericht des Auswärtigen Amtes vom 12.01.2019 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak zur Vorbereitung der für den 26.03.2019 anberaumten mündlichen Verhandlung übermittelt und die Möglichkeit einer Stellungnahme freigestellt.

Die Beschwerdeführer übermittelten dazu am 21.03.2019 im Wege der Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH eine Stellungnahme, worin nochmals hervorgehoben wird, dass der Erstbeschwerdeführer sich bei einem Umzug im neuen Bezirk in der autonomen Region Kurdistan anmelden müsse und deshalb leicht von seinen Verfolgern gefunden werden könnte. Im Fall einer Rückkehr wären insbesondere die minderjährigen Kinder einer Gefährdung aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen ausgesetzt. Die vorgelegten Berichte würden im Übrigen zur Kenntnis genommen. Der Stellungnahme ist ein Ausdruck der Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik vom Juli 2018 mit dem Titel "Die Kurden im Irak und in Syrien nach dem Ende der Territorialherrschaft des Islamischen Staates" angeschlossen.

Am 22.03.2019 langte darüber hinaus eine Stellungnahme der Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH namens der Beschwerdeführer ein, worin - teilweise unter auszugsweiser Zitierung der zur Stellungnahme zugemittelten Berichte - auf die unsichere Lage im Herkunftsstaat, die Bedrohung von Mitarbeitern von Telefongesellschaften und auf die schwierige Lage von Rückkehrern hingewiesen wird. Der Stellungnahme sind außerdem Beweismittel zur Integration der Beschwerdeführer im Bundesgebiet angeschlossen.

6. Am 26.03.2019 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung im Beisein des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin, ihrer rechtsfreundlichen Vertretung und eines Dolmetschers für die Sprache Sorani durchgeführt. Im Verlauf dieser Verhandlung wurde dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin - auch in ihrer Eigenschaft als gesetzliche Vertreter ihrer minderjährigen Kinder - einerseits Gelegenheit gegeben, neuerlich ihre Ausreisemotivation sowie ihre Rückkehrbefürchtungen umfassend darzulegen sowie die aktuelle Lageentwicklung im Irak anhand der im Vorfeld übermittelten Länderdokumentationsunterlagen und Anfragebeantwortungen erörtert. Darüber hinaus wurden der rechtsfreundlichen Vertretung eine eingeholte Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Lage von Kinder in der autonomen Region Kurdistan vom 25.03.2019 und eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 25.02.2018 betreffend Diabetes mellitus 2; Medikamente Sortis & Insulatard zur Abgabe einer Stellungnahme übermittelt. Die Zweitbeschwerdeführern würde im Irak keine adäquate medizinische Betreuung vorfinden.

Hinsichtlich der gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde das Beschwerdeverfahren vom Bundesverwaltungsgerichte als entscheidungsreif erachtet und im Anschluss an die mündliche Verhandlung die gegen Spruchpunkt I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.12.2017, Zlen. 1093770900-151698925, 1093771309-151698947, 1093772306-151698963, 1093771908-151698955 und 1104396010-160178519, erhobenen Beschwerden gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

7. Mit Schriftsatz vom 28.03.2019 nahmen die Beschwerdeführer zu den ihnen anlässlich der mündlichen Verhandlung übergebenen Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation Stellung. In der Stellungnahme wird im Wesentlichen vorgebracht, dass die Lage von Kindern als katastrophal zu bezeichnen sei und der irakische Staat die Schutz- und Leitungsfunktion für Kinder nicht bieten würde. Die Zweitbeschwerdeführerin würde im Herkunftsstaat keinen adäquaten Zugang zu Medikamenten gegen Zuckerkrankheit vorfinden. Aufgrund der Integration der Beschwerdeführer im Bundesgebiet sei eine Rückkehrentscheidung jedenfalls für auf Dauer unzulässig zu erklären.

8. Aufgrund der vorgebrachten Erkrankung der Zweitbeschwerdeführerin richtete das Bundesverwaltungsgericht am 09.08.2019 eine Anfrage an die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich der Behandelbarkeit von Diabetes mellitus Typ 2 in der autonomen Region Kurdistan. Die bezughabende Anfragebeantwortung langte am 03.09.2019 beim Bundesverwaltungsgericht und wurde in der Folge den beschwerdeführenden Parteien nebst weiteren aktuellen Berichten zur Lage im Herkunftsstaat mit Note vom 04.09.2019 zu Gehör gebracht.

9. Die beschwerdeführenden Parteien nahmen dazu im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung mit Eingabe vom 18.09.2019 Stellung und brachten ihrerseits Berichte zur Lage im Herkunftsstaat sowie Bestätigungen hinsichtlich des Schul- und Kindergartenbesuchs sowie Schulzeugnisse in Vorlage.

10. Da eine schriftliche Ausfertigung des am 26.03.2019 mündlich verkündeten Teilerkenntnisses innerhalb der dafür vorgesehenen Frist nicht beantragt wurde, wurden am heutigen Tage gekürzte Ausfertigungen gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG hergestellt und den Beschwerdeführern zugestellt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:

1.1.1. Der Erstbeschwerdeführer führt den Namen XXXX , er ist Staatsangehöriger des Irak und Angehörige der kurdischen Volksgruppe. Er wurde am XXXX in XXXX geboren und lebte zuletzt gemeinsam mit seiner Familie in der Stadt XXXX im gleichnamigen Gouvernement der autonomen Region Kurdistan in einem gemieteten Haus. Der Erstbeschwerdeführer ist Moslem und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam, er ist mit der Zweitbeschwerdeführerin seit dem 15.02.2005 verheiratet und der leibliche Vater der Drittbeschwerdeführerin, des Viertbeschwerdeführers und des Fünftbeschwerdeführers.

Der Erstbeschwerdeführer ist gesund und steht nicht in medizinischer Behandlung.

Die Erstbeschwerdeführer besuchte im Irak die Grundschule und eine weiterführende Schule im Gesamtausmaß von zwölf Jahren, ohne die Matura zu erlangen. In der Folge trat der Erstbeschwerdeführer in das Erwerbsleben ein. Er war zuletzt als Beamter im Grundbuchsamt (vormittags) und als Angestellter bei einem Telekommunikationsunternehmen im Verkauf (nachmittags bzw. abends) erwerbstätig.

Der Vater des Erstbeschwerdeführers verstarb im Jahr 2004 eines natürlichen Todes. Seine Mutter lebt in der autonomen Region Kurdistan in der Stadt XXXX in einem gemieteten Haus und bezieht Witwenpension. Der Erstbeschwerdeführer hat vier Schwestern und zwei Brüder, sie ebenfalls in der Stadt XXXX leben. Seine Schwestern sind allesamt verheiratet und haben Kinder, sie führten den Haushalt und werden von ihren Ehemännern versorgt. Ein Bruder des Erstbeschwerdeführers ist Verkäufer in einem Lebensmittelgeschäft, der zweite Bruder des Erstbeschwerdeführers besitzt ein Taxi und ist als Taxiunternehmer selbständig erwerbstätig. Die Brüder des Erstbeschwerdeführers sind ebenfalls verheiratet und haben Kinder.

Am 15.10.2015 verließ der Erstbeschwerdeführer den Irak von XXXX ausgehend gemeinsam mit seiner Familie im Luftweg in die Türkei und gelangte in der Folge auf dem Seeweg nach Griechenland und weiter nach Österreich, wo er am 03.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.1.2. Die Zweitbeschwerdeführerin führt den Namen XXXX , sie ist Staatsangehörige des Irak und Angehörige der kurdischen Volksgruppe. Sie wurde am XXXX in XXXX geboren lebte dort gemeinsam mit ihrer Familie bis zur Ausreise in einem gemieteten Haus. Die Zweitbeschwerdeführerin ist Moslemin, sie bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam und trägt Kopftuch (Hijab), sie ist mit dem Erstbeschwerdeführer seit dem 15.02.2005 verheiratet und die leibliche Mutter der Drittbeschwerdeführerin, des Viertbeschwerdeführers und des Fünftbeschwerdeführers.

Die Zweitbeschwerdeführerin leidet an Diabetes mellitus Typ II und nimmt dagegen das Medikament Metformin Hexal 500mg zweimal täglich ein. Bis zum Monat November 2018 nahm die Zweitbeschwerdeführerin auch cholesterinsenkende Medikamente und das Antidepressivum Sertralin, sie setzte beide Medikamente auf ärztlichen Rat ab. Ärztliche Befunde hinsichtlich psychischer Erkrankungen der Zweitbeschwerdeführerin liegen nicht vor. Sie nahm zuletzt vom März 2018 bis in den November 2018 psychologische Beratungsgespräche in Anspruch.

Die Zweitbeschwerdeführerin besuchte im Irak die Grundschule und die Mittelschule im Ausmaß von neun Jahren. Sie trat nicht in das Erwerbsleben ein und widmete sich nach ihrer Eheschließung der Führung des Haushaltes und der Erziehung der Kinder.

Die Mutter der Zweitbeschwerdeführerin verstarb im Jahr 2004 eines natürlichen Todes, ihr Vater verstarb im Jahr 2017 ebenfalls eines natürlichen Todes. Die Zweitbeschwerdeführerin hat drei Schwestern und acht Brüder. Ihre Schwestern sind allesamt verheiratet und haben Kinder, sie führten den Haushalt und werden von ihren Ehemännern versorgt. Ein Bruder ist als Arzthelfer erwerbstätig, alle anderen Brüder sind Schneider und betreiben gemeinsam eine Schneiderei. Von den Brüdern sind zwei noch ledig, die weiteren sind verheiratet und haben Kinder.

Am 15.10.2015 verließ die Zweitbeschwerdeführerin den Irak von XXXX ausgehend gemeinsam mit ihrer Familie im Luftweg in die Türkei und gelangte in der Folge auf dem Seeweg nach Griechenland und weiter nach Österreich, wo sie am 03.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.1.3. Die Drittbeschwerdeführerin führt den Namen XXXX , sie ist Staatsangehörige des Irak und Angehörige der kurdischen Volksgruppe. Sie wurde am XXXX in XXXX geboren und lebte dort gemeinsam mit ihrer Familie bis zur Ausreise in einem gemieteten Haus. Die Drittbeschwerdeführerin ist Moslemin, sie bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam.

Die Drittbeschwerdeführerin ist gesund und steht nicht in medizinischer Behandlung.

Am 15.10.2015 verließ die Drittbeschwerdeführerin den Irak von XXXX ausgehend gemeinsam mit ihrer Familie im Luftweg in die Türkei und gelangte in der Folge auf dem Seeweg nach Griechenland und weiter nach Österreich, wo sie am 03.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.1.4. Der Viertbeschwerdeführer führt den Namen XXXX , er ist Staatsangehöriger des Irak und Angehöriger der kurdischen Volksgruppe. Er wurde am XXXX in XXXX geboren und lebte dort gemeinsam mit seiner Familie bis zur Ausreise in einem gemieteten Haus. Der Viertbeschwerdeführer ist Moslem und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam.

Der Viertbeschwerdeführer ist gesund und steht nicht in medizinischer Behandlung.

Am 15.10.2015 verließ der Viertbeschwerdeführer den Irak von XXXX ausgehend gemeinsam mit seiner Familie im Luftweg in die Türkei und gelangte in der Folge auf dem Seeweg nach Griechenland und weiter nach Österreich, wo er am 03.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.1.5. Der Fünftbeschwerdeführer führt den Namen XXXX , er ist Staatsangehöriger des Irak und Angehöriger der kurdischen Volksgruppe. Er wurde am XXXX in XXXX geboren.

Der Sechstbeschwerdeführer ist gesund und steht nicht in medizinischer Behandlung. Er stellte am 04.02.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.1.6. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweibeschwerdeführerin sowie die Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführer verfügen über authentische irakische Reisedokumente im Original. Der Fünftbeschwerdeführer verfügt über kein irakisches Ausweisdokument im Original. Seine Identität steht aufgrund der vorgelegten Geburtsurkunde fest.

1.2. Zu den Ausreisegründen der Beschwerdeführer und zur Rückkehrgefährdung:

1.2.1. Die Beschwerdeführer gehören keiner politischen Partei oder politisch aktiven Gruppierung an und hatten in ihrem Herkunftsstaat vor der Ausreise keine Schwierigkeiten mit staatlichen Organen, Sicherheitskräften oder Justizbehörden zu gewärtigen. Die Beschwerdeführer hatten darüber hinaus vor der Ausreise keine Schwierigkeiten aufgrund ihre ethnischen Zugehörigkeit und ihres religiösen Bekenntnisses zu gewärtigen.

1.2.2. Die Zweibeschwerdeführerin, die Drittbeschwerdeführerin, der Viertbeschwerdeführer und der Fünftbeschwerdeführer brachten keine eigenen asylrelevanten Ausreisegründe vor.

1.2.3. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Erstbeschwerdeführer vor seiner Ausreise von unbekannten bewaffneten Personen mit dem Tod bedroht wurde, weil er sich als Angestellter einer Telefongesellschaft weigerte, diesen Personen Kundendaten auszuhändigen.

1.2.4. Es kann nicht festgestellt werden, dass die minderjährigen Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in den Irak und dort in der autonomen Region Kurdistan maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von geschlechtsspezifischer Gewalt, Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit oder Zwangsehe betroffen wären.

1.2.5. Es kann schließlich nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer vor ihrer Ausreise aus ihrem Herkunftsstaat einer anderweitigen individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt in seinem Herkunftsstaat durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt waren oder sie im Falle einer Rückkehr dorthin einer solchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wären. Den Beschwerdeführern droht außerdem im Rückkehrfall keine strafrechtliche Verfolgung.

Ihr Antrag auf internationalen Schutz wurde hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.03.2019 gemäß § 3 AsylG 2005 rechtskräftig abgewiesen und seitens der Beschwerdeführer innerhalb der dafür vorgehenden Frist keine schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Teilerkenntnisses beantragt.

1.2.6. Es kann nicht festgestellt werden, dass den Beschwerdeführern im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat die Todesstrafe droht. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung der Beschwerdeführer festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine im Irak und dort in der autonomen Region Kurdistan drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie im Hinblick auf kriegerische Ereignisse, extremistische Anschläge, stammesbezogene Gewalt oder organisierte kriminelle Handlungen.

1.2.7. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer vor ihrer Ausreise in ihrem Herkunftsstaat von einer existentiellen Notlage betroffen waren, vielmehr lebten die Beschwerdeführer in guten finanziellen Verhältnissen. Die Beschwerdeführer verfügen auch gegenwärtig im Fall ihrer Rückkehr über eine gesicherte Existenzgrundlage in ihrer Herkunftsregion XXXX sowie über familiäre Anknüpfungspunkte in ihrer Herkunftsregion XXXX in Gestalt der dort lebenden zahlreichen Familienangehörigen.

Der Erstbeschwerdeführer ist ein gesunder, arbeitsfähiger Mensch mit mehrjähriger Ausbildung in der Schule sowie mit im Herkunftsstaat erworbener Berufserfahrung im öffentlichen Dienst als Beamter des Grundbuchamtes und in der Privatwirtschaft als Verkäufer bei einem Telekommunikationsunternehmen. Ihm ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Sicherstellung des Familienauskommens im Rückkehrfall möglich und zumutbar.

Die Zweitbeschwerdeführerin ist ebenfalls ein - von ihrer Zuckerkrankheit, die die grundsätzliche Arbeitsfähigkeit nicht einschränkt, abgesehen - gesunder, arbeitsfähiger Mensch mit mehrjähriger Ausbildung in der Schule. Auch der Zweitbeschwerdeführerin ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Sicherstellung des Familienauskommens im Rückkehrfall - soweit es die Betreuungspflicht in Ansehung der minderjährigen Beschwerdeführer zulässt - grundsätzlich möglich und zumutbar.

1.2.8. Die minderjährige Drittbeschwerdeführerin, der minderjährige Viertbeschwerdeführer und der minderjährige Fünftbeschwerdeführer verfügen in ihrer Herkunftsregion XXXX über eine - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherte Existenzgrundlage, ferner ist eine hinreichende Betreuung durch ihre Eltern und den Familienverband und eine hinreichende Absicherung in ihren altersentsprechenden Grundbedürfnissen gegeben. Den minderjährigen Beschwerdeführern steht ferner kostenfreier und nichtdiskriminierender Zugang zum öffentlichen Schulwesen sowie leistbarer und nichtdiskriminierender Zugang zu einer adäquaten medizinischen Versorgung in der autonomen Region Kurdistan zur Verfügung.

1.2.9. Die in der autonomen Region Kurdistan ist im Luftweg direkt mit Linienflügen ( XXXX gefahrlos erreichbar.

1.2.10. Diabetes mellitus (Typ II) kann in den staatlichen Krankenhäusern sowohl in XXXX als auch in XXXX behandelt werden. Die Behandlung und Nachsorge in öffentlichen Krankenhäusern wird grundsätzlich kostenlos durchgeführt. Gegebenenfalls müssen die Patienten eine Gebühr in Höhe von ca. USD 5,00 (EUR 4,54) bezahlen. Das Medikament Metformin Hexal 500mg ist im Irak nicht verfügbar. In XXXX und in XXXX sind jedoch andere Medikamente mit dem Wirkstoff Metformin erhältlich. Medikamente mit dem Wirkstoff Metformin können gegen eine Gebühr von USD 5,00 (EUR 4,54) in öffentlichen Krankenhäusern bezogen werden. Alternativ kann ein solches Medikament auch in Privatapotheken für ca. USD 10,00 (EUR 9,09) je 60 Tabletten gekauft werden.

1.3. Zur Lage der Beschwerdeführer im Bundesgebiet:

1.3.1. Der Erstbeschwerdeführer, die Zweitbeschwerdeführerin, die Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführer halten sich seit dem 03.11.2015 im Bundesgebiet auf. Sie reisten rechtswidrig in das Bundesgebiet ein, sind seither Asylwerber und verfügen über keinen anderen Aufenthaltstitel.

Der Sechstbeschwerdeführer wurde am 08.01.2016 im Bundesgebiet geboren, er stellte am 04.02.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, er ist seither Asylwerber und verfügt ebenfalls über keinen anderen Aufenthaltstitel.

Die Beschwerdeführer leben nach einer anfänglichen Unterbringung in Übergangsquartieren des Bundes vom 05.01.2016 an in einer Unterkunft für Asylwerber in XXXX . Seit dem 12.02.2018 sind die Beschwerdeführer in einer Unterkunft für Asylwerber in XXXX untergebracht. Die Beschwerdeführer beziehen seit der Antragstellung bis dato Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber und sind nicht erwerbstätig. Weder der Erstbeschwerdeführer, noch die Zweitbeschwerdeführerin haben eine Erwerbstätigkeit am regulären Arbeitsmarkt in Aussicht. Der Erstbeschwerdeführer ist der Ansicht, über einen bei KTM AG beschäftigten Freund eine Arbeitsstelle bei der KTM AG erlangen zu können, brachte jedoch bis zum Entscheidungszeitpunkt keine Einstellungszusage bei. Der Zweibeschwerdeführerin wurde eigenen Angaben zufolge ein Arbeitsplatz in einem Supermarkt in Aussicht gestellt, sie brachte jedoch bis zum Entscheidungszeitpunkt ebenfalls keine Einstellungszusage bei.

Der Erstbeschwerdeführer besuchte Qualifizierungsmaßnahmen zum Erwerb der deutschen Sprache - darunter einen berufsbezogenen Deutschkurs "Handel" in den Monaten Oktober und November 2017 - und absolvierte am 20.05.2017 die Prüfung auf dem Niveau A2. Er verfügt über grundlegende Kenntnisse der deutschen Sprache, die für eine Verständigung im Alltag auf einfachem Niveau ausreichen.

Die Zweitbeschwerdeführerin besuchte Qualifizierungsmaßnahmen zum Erwerb der deutschen Sprache und absolvierte bereits am 11.03.2017 die Prüfung auf dem Niveau A2. Sie verfügt über fortgeschrittene Kenntnisse der deutschen Sprache.

Die Drittbeschwerdeführerin besuchte im vergangenen Schuljahr die erste Klasse (fünfte Schulstufe) und nunmehr die zweite Klasse (sechste Schulstufe) der Neuen Mittelschule XXXX . Davor besuchte die Drittbeschwerdeführerin die Volksschule in XXXX . Das Verhalten der Drittbeschwerdeführerin wird im letzten Jahreszeugnis als sehr zufriedenstellend beschrieben, die Drittbeschwerdeführerin hat außerdem eine im Durchschnitt sehr gute Beurteilung erzielt. Schulleitung und Kollegium der Neuen Mittelschule XXXX befürworten "einen positiven Asylbescheid", da die Drittbeschwerdeführerin fleißig, begabt und beliebt sei und ihre Sprachsicherheit und ihre soziale Kompetenz für Erstaunen sorge. Die Drittbeschwerdeführerin wird als im Klassen- und Schulverband vollkommen integrierte und das Gemeinschaftsleben bereichernde Persönlichkeit beschrieben. Ihre Eltern würden die Erziehungsarbeit der Schule unterstützen.

Der Viertbeschwerdeführer besuchte im vergangenen Schuljahr die zweite Klasse der Volksschule XXXX , im gegenwärtigen Schuljahr die dritte Klasse. Der Viertbeschwerdeführer hat ausweislich des Jahreszeugnisses eine im Durchschnitt sehr gute Beurteilung erzielt. Die Leiterin der Volksschule XXXX befürwortet "die positive Entscheidung des Asylantrages", da der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin die schulischen Termine gewissenhaft wahrnehmen würden, der Viertbeschwerdeführer die deutsche Sprache fließend beherrsche, er gut integriert sowie beliebt sei und soziale Kontakte zu Mitschülern pflegen würde. Der Viertbeschwerdeführer nehme an allen Schulveranstaltungen teil.

Die schulpflichtigen Beschwerdeführer verfügen über sehr gute Kenntnisse der deutschen Sprache und sprechen flüssig Deutsch, sie pflegen darüber hinaus einen altersentsprechenden Umgang mit Freunden und Mitschülern.

Der Fünftbeschwerdeführer wurde bislang von der Zweitbeschwerdeführerin betreut und besucht nunmehr den Kindergarten in XXXX .

Der Erstbeschwerdeführer leistete in der Gemeinde XXXX gemeinnützige Arbeit und verrichtete Gartenarbeiten. Er ist nicht Mitglied eines Vereins und pflegt im Übrigen normale soziale Kontakte.

Die Zweitbeschwerdeführerin nahm im Jahr 2017 in XXXX an Veranstaltungen des Vereins Weidenkorb teil und unterstützte die Aktivitäten des Vereins insbesondere als Übersetzerin. Sie ist nicht Mitglied eines Vereins und pflegt im Übrigen normale soziale Kontakte.

Der Viertbeschwerdeführer spielte beim USV XXXX und nunmehr beim SV XXXX Fußball. Er nimmt am Schwimmtraining teil und absolvierte einen Workshop "Richtiges Verhalten gegenüber Hunden".

Ein besonderes Naheverhältnis der minderjährigen Beschwerdeführer zu bestimmten Bezugspersonen außerhalb der Kernfamilie (Freunde, Mitschüler, Lehrpersonen) kann nicht festgestellt werden.

1.3.2. Die Beschwerdeführer verfügen über keine Verwandten im Bundesgebiet.

1.3.3. Die Beschwerdeführer sind in Österreich strafrechtlich unbescholten. Der Aufenthalt der Beschwerdeführer im Bundesgebiet war und ist nicht nach § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Abs. 1a FPG 2005 geduldet. Ihr Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Sie wurden nicht Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder 382e EO.

1.4. Zur Lage im Herkunftsstaat:

1.4.1. Zur aktuellen Lage im Irak werden folgende Feststellungen unter Heranziehung der abgekürzt zitierten und gegenüber dem Beschwerdeführer offengelegten Quellen getroffen:

1. Aktuelle Ereignisse

13.05.2019: Die Sicherheitsrelevanten Vorfälle bleiben im bisherigen Verlauf des Monats Mai auf einem niedrigen Niveau. Berichten zufolge war die Provinz Diyala mit fünf Vorfällen am häufigsten betroffen. Vier davon ereigneten sich in Baquba und al-Muqdadiyya im Osten und in der Mitte der Provinz. Vier Vorfälle wurden aus der Provinz Salah ad-Din gemeldet. Weiterhin betroffen war Kirkuk mit drei Angriffen mit Schusswaffen und Mossul mit einem Autobombenattentat sowie der Entführung von vier Menschen. Ebenso kamen bei einem Selbstmordattentat auf einem Marktplatz in Bagdad mindestens sieben Menschen ums Leben, zahlreiche Personen wurden verletzt.

Der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch zufolge hat das nationale Versöhnungskomitee der irakischen Regierung einen Plan vorgelegt, der die Internierung von etwa 250.000 Personen in abgeschlossene Wohneinheiten außerhalb von Städten ermöglichen soll. Das Verlassen der Wohnkomplexe solle nur in Ausnahmesituationen (z.B. Krankenhausbesuche) möglich sein. Betroffen wären die Kernfamilien (inklusive Geschwister) von mutmaßlichen Kämpfern des Islamischen Staates, somit vor allem Frauen und Kinder. Auf den Geländen sollen Kliniken, Schulen und Deradikalisierungs- sowie Berufsausbildungsprogramme entstehen. Einkommensmöglichkeiten soll es nicht geben. Die Rückkehr von Familien aus der Internierung in ihre Heimatorte soll nur nach Abschluss des Deradikalisierungsprogramms und Zustimmung der lokalen Gemeinde in den Heimatorten möglich sein. Ein Zeitfenster für diesen Vorgang wurde nicht bekannt gegeben. Nur im Fall einer Rückkehrerlaubnis würden die Betroffenen Personaldokumente erhalten. HRW kritisiert die geplante Internierung ohne Einhaltung internationaler Standards (z.B. fairer Gerichtsprozess) und die kollektive Bestrafung von Familien.

20.05.2019: Am 13.05.2019 wurde bei der Explosion eines improvisierten Sprengsatzes im Ort Umm al-Masayed in der Provinz Ninawa ein irakischer Soldat getötet, drei weitere Soldaten wurden verletzt. Am 15.05.2019 und 16.05.2019 wurden in Kirkuk bei zwei Anschlägen von Kämpfern des Islamischen Staates sieben irakische Sicherheitskräfte getötet. Am 17.05.19 wurden bei zwei Bombenanschlägen in der Provinz Diyala, in dem umstrittenen Distrikt Khanaqin, zwei Zivilpersonen getötet.

Am 18.05.19 tötete die irakische Armee in der Provinz Salah ad-Din sechs Kämpfer des Islamischen Staates und zerstörte ihre Verstecke.

Kämpfer des Islamischen Staates, die sich in den Qarachogh-Bergen von Makhmour verstecken, sollen in den letzten Tagen mehrere lokale Felder in Brand gesetzt, nachdem sich die Bauern geweigert hatten, Steuern an den Islamischen Staat zu zahlen. Ebenso hätten Kämpfer des Islamischen Staates eine Farm in der Provinz Diyala in Brand gesetzt.

Am 19.05.2019 schlug in der hoch gesicherten sogenannten Grünen Zone in Bagdad eine Katjuscha-Rakete ein. Dem irakischen Militär zufolge habe es keine Verletzten gegeben. Die Straßen, die zur Grünen Zone führen, sollen kurzzeitig gesperrt gewesen sein. Erst im Dezember 2018 hatte die irakische Regierung die Grüne Zone wieder teilweise für den öffentlichen Verkehr freigegeben. Die Explosion ereignete sich inmitten erhöhter Spannungen zwischen den USA und dem Iran. Am 15.05.2019 hatten die US den Abzug aller bis auf unverzichtbarer Botschaftsmitarbeitenden aus der amerikanischen Botschaft in Bagdad und dem Generalkonsulat in Erbil angeordnet.

Nachdem mehrere Korruptionsfälle von der Sadr-Bewegung nahestehenden Geschäftsmännern bekannt wurden, kam es in mehreren Städten im Süd-Irak zu Protesten. Muqtada as-Sadr hatte zu Demonstrationen gegen Korruption aufgerufen. Neben friedlichen Kundgebungen sollen Demonstranten betroffene Büros und Geschäfte angegriffen haben. In Nadschaf schossen Wachmänner eines Einkaufszentrums auf die Demonstrierenden. Dabei wurden vier Personen getötet und weitere 17 verletzt. Irakischen Medien zufolge wurden in diesem Zusammenhang fünf Wachmänner verhaftet.

27.05.2019: Am 22.05.2019 wurden bei der Explosion einer Sprengfalle in der Provinz Ninawa ein Zivilist getötet und drei weitere verletzt. Sicherheitsquellen zufolge zielte die Sprengvorrichtung auf Bauern ab, die ihre Felder bebauen wollten. Am 22.05.2019 wurden bei einem Angriff des Islamischen Staates in der Provinz Salah ad-Din ein Polizist getötet und fünf weitere verletzt. Am 26.05.2019 wurden auf einem Markt in Rabia in der Provinz Ninawa fünf Menschen getötet und acht weitere verletzt, als eine Autobombe explodierte.

Am 26.05.2019 starb ein Mitglied der sunnitischen Miliz Hashd al-Ashairi, als eine Sprengvorrichtung am Straßenrand bei Ramadi in der Provinz Anbar explodierte.

In mehreren Provinzen kam es zur Verbrennung landwirtschaftlicher Flächen. Medienberichten zufolge soll der Islamische Staat Felder von Bauern angezündet haben, die nicht mit ihm kooperierten oder die geforderten Steuern nicht zahlten. Am 23.05.2019 soll sich der Islamische Staat in seiner Zeitung Al-Naba zur Brandstiftung in den Provinzen Kirkuk, Diyala, Ninewa und Salah ad-Din und in Provinzen in Syrien bekannt haben. Kurdische Medien berichteten zudem von Brandstiftung in Daquq, Khanaqin und Makhmour. Das irakische Ministerium für Landwirtschaft richtete am 20.05.2019 einen Krisenstab ein.

Lokalen, kurdischen Medienberichten zufolge kam es in der Provinz Kirkuk vermehrt zu Spannungen zwischen kurdisch- und arabischstämmigen Irakern. Den Berichten zufolge sollen Kurden gezwungen worden sein, ihre Häuser zu verlassen. Der Gouverneur von Kirkuk wurde beschuldigt, die Räumungsverordnungen zu billigen. Am 20.05.2019 traf sich der irakische Premierminister Adel Abdul-Mahdi mit Vertretern der kurdischen Regionalregierung, um die Beziehungen der beiden Regierungen und die Lage in Kirkuk sowie die sichere Rückkehr von im Oktober 2017 vertriebenen Kurden zu besprechen.

Der Parteivorsitzende der kurdischen Oppositionspartei "Neue Generation", Shaswar Abdulwahid, befindet sich nach seiner Festnahme seit einer Woche im Hungerstreik. Sein Gesundheitszustand ist laut Medienberichten instabil. Abdulwahid wurde wegen mutmaßlicher Erpressung und Verleumdung in der eigenen Partei am 16.05.2019 verhaftet. Gegen zehn weitere Parteimitglieder wurden Haftbefehle erlassen. Einer Stellungnahme der Partei zufolge fehle die rechtliche Basis für die Verhaftungen. Es handle sich um einen Versuch, die Opposition zu schwächen und die "Neue Generation" zu diskreditieren.

03.06.2019: Am 30.05.2019 kam es im Zentrum von Kirkuk zu einer Reihe von Explosionen. Dabei wurden mindestens drei Menschen getötet und 16 weitere verletzt. Die Sicherheitskräfte entschärften zwei weitere Sprengvorrichtungen, bevor es zu Explosionen kam.

Lokalen Medienberichten zufolge erhielt der irakische Parlamentssprecher al-Halbousi einen Drohbrief. Grund für die Bedrohung sei seine Position als Vermittler in der Krise zwischen Washington und Teheran. Hinweise deuten darauf hin, dass die Drohung von Seiten der irakischen Hizbollah-Brigade ausging.

Der lokal bekannte Journalist und Leiter der irakischen Nachrichtenagentur Baghdad Today, Nabil Jassim, erhielt am 26.05.2019 Drohanrufe. Zuvor hatte die Nachrichtenagentur eine Reihe von Dokumenten veröffentlicht, welche die Korruption eines Politikers beweisen sollen. Die irakische Journalistengewerkschaft verurteilte die Bedrohungen und forderte in einer Stellungnahme das irakische Innenministerium zu Ermittlungen auf. Die irakischen Sicherheitsbehörden teilten in einer Stellungnahme mit, dass die Quelle der Drohanrufe unbekannt sei.

Der Parteivorsitzende der kurdischen Oppositionspartei "Neue Generation", Shaswar Abdulwahid, wurde gegen Kaution aus der Haft entlassen. Fünf andere Parteimitglieder sollen ebenfalls entlassen werden. Ein Gerichtsurteil steht noch aus.

17.06.2019: Am 06.06.2019 griffen IS-Kämpfer ein Dorf in der Provinz Salahuddin an und töteten zwei Zivilpersonen, zwei weitere wurden verletzt. Am selben Tag wurden bei einer Bombenexplosion nordöstlich von Mossul vier Feuerwehrleute verletzt. Am 08.06.19 wurden bei drei Anschlägen in der Provinz Kirkuk insgesamt acht Menschen getötet und verletzt. Bei einer Bombenexplosion in der Provinz Anbar wurde ein Polizist verwundet. In der Provinz Diyala starben infolge von Bombenexplosionen im Zeitraum vom 08.06.2019 bis 12.06.2019 mindestens zwei Zivilpersonen, mindestens eine weitere wurde verletzt. Am 11.06.2019 wurde bei einem Granatenangriff nordöstlich von Bagdad ein Angehöriger der Sicherheitskräfte getötet und vier weitere verletzt. Am 13.06.2019 wurden bei einem Selbstmordanschlag auf ein Spirituosengeschäft im Zentrum von Bagdad zwei Zivilisten verletzt. Am 15.06.19 wurden nordwestlich von Hilla zwei Angehörige der Popular Mobilization Forces (PMF) bei einer Autobombenexplosion verletzt.

Die irakische Armee startete am 16.06.2019 - unterstützt von der Bundespolizei (Federal Police) und den PMF - eine groß angelegte Militäroperation nordöstlich von Baquba, um Kämpfer des Islamischen Staates aufzuspüren.

Aufgrund schwerer Brände auf Weizen- und Gerstenfeldern in der Gegend um Sinjar, Provinz Ninawa, schätzungsweise flohen 700 Familien nach Mossul. Zwei Bauern seien ums Leben gekommen. Irakische Sicherheitskräfte machen Kämpfer des IS für die Brände verantwortlich. In der vorangegangenen Woche habe es auf landwirtschaftlichen Flächen in der Region mehrmals gebrannt.

Am 10.06.2019 wurde Nechirvan Barzani, Neffe des langjährigen Präsidenten Massud Barzani, als Präsident der Kurdischen Region-Irak vereidigt. Das kurdische Regionalparlament hatte Barzani vor zwei Wochen zum Präsidenten gewählt.

Anfang Juni 2019 verurteilte ein irakisches Gericht zwei weitere mutmaßliche IS-Kämpfer aus Frankreich. Irakischen Justizkreisen zufolge seien damit nun mehr als neun Franzosen wegen Mitgliedschaft in der Terrormiliz IS zum Tode verurteilt worden. Gegen die Urteile kann Berufung eingelegt werden.

24.06.2019: In Irak kommt es weiterhin zu Anschlägen. So wurde in der vergangenen Woche von Raketen-, Mörser- und IED-Angriffen insbesondere in den Provinzen Diyala, Ninive, Bagdad und Babil berichtet. Allein in Bagdad wurden am 21.06.19 bei einem Selbstmordanschlag auf eine schiitische Moschee im Distrikt Sadr City mindestens zehn Menschen getötet und mindestens 17 weitere verletzt.

In der Nähe der Stadt Basra schlug am Sitz mehrerer Ölkonzerne am 19.06.19 eine Rakete des Typs Katjuscha ein. Dabei wurden drei Menschen verletzt.

08.07.2019: Irakische Sicherheitskräfte starteten am 06.07.19 einen großangelegten Einsatz gegen den Islamischen Staat. Angaben des Generalleutnants Abdul Amir Rasheed Yarallah zufolge betreffe die Operation "Will of Victory" die Provinzen Anbar und die zentralen und nördlichen Regionen von Salah ad-Din und Ninawa. Im Fokus stehen die Provinzen an der Grenze zu Syrien. Der Einsatz werde mehrere Tage dauern.

15.07.2019: Laut Executive Order No. 37 der irakischen Regierung vom 01.07.2019 sollen die PMF-Militen (Hashd al-Shaabi) vollständig in die irakischen Sicherheitskräfte eingegliedert werden. Die betroffenen Milizen haben bis zum 31.07.2019 Zeit, die Anordnung umzusetzen, z.B. durch Schließung der Milizenbüros. Formal unterstehen die PMF-Milizen seit 2016 der Befehlsgewalt des Premierministers.

Am 03.07.19 veröffentliche die irakische Nationale Journalistengewerkschaft ihre Bedenken gegenüber dem Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Journalisten in Basra. Ein Mitglied der Sicherheitskräfte hätte angekündigt, Journalisten verhaften zu lassen, die über nicht genehmigte Demonstrationen berichteten. Zuletzt sei mindestens ein Journalist des irakischen Senders al-Sumaria verhaftet worden. In Basra war es wie im vergangenen Jahr zu Protesten gegen die schlechte Versorgungslage, Arbeitslosigkeit und Korruption gekommen.

22.07.2019: Am 17.07.19 wurde ein türkischer Konsulatsmitarbeiter in einem Restaurant in Erbil erschossen. Ein irakischer Staatsbürger wurde ebenfalls getötet und ein weiterer erlag seinen Verletzungen. Die kurdische Regionalregierung bezeichnete den Vorfall als geplanten Terroranschlag. Am 20.07.2019 wurde ein Verdächtiger von kurdischen Sicherheitskräften verhaftet.

Der Direktor des Al-Jazeera Büros in Erbil, Ahmad al-Zawiti, soll laut einer Stellungnahme des Senders während der Berichterstattung vor Ort von Sicherheitskräften zusammengeschlagen worden sein. Der irakischen Beobachtungsstelle für Pressefreiheit zufolge wurden in diesem Jahr 139 Fälle von Verletzungen der Pressefreiheit in der KR-I dokumentiert.

Am 10.07.19 berichten kurdische Medien von einer bei einem Luftangriff der iranischen Revolutionsgarde getöteten Zivilistin. Zwei ihrer Brüder wurden bei dem Angriff verletzt. Medienberichten zufolge führt die iranische Revolutionsgarde gelegentlich Luftangriffe gegen kurdische Gruppen, wie die Demokratische Partei des Iranischen Kurdistans (PDKI), durch.

Am 12.07.19 kündigte der türkische Verteidigungsminister den Beginn der Militäroperation Claw 2 in der Autonomen Region Kurdistan an. Am 27.05.19 begann die Militäroperation gegen PKK-Stellungen mit Luft- und Bodentruppen. Dem türkischen Verteidigungsministerium zufolge wurden zwischen dem 27.05.19 und 15.07.19 mindestens 71 PKK-Kämpfer getötet. Laut Pressemitteilungen des irakischen Verteidigungsministeriums und der kurdischen Regionalregierung sind auch Zivilisten unter den Opfern.

2. Politische Lage

Die politische Landschaft des Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 enorm verändert (KAS 2.5.2018). Gemäß der Verfassung ist der Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat mit allen Merkmalen der Gewaltenteilung (AA 12.01.2019), der aus 18 Provinzen (muhafazät) besteht (Fanack 27.9.2018). Artikel 47 der Verfassung sieht eine Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative vor (RoI 15.10.2005). Die Autonome Region Kurdistan ist Teil der Bundesrepublik Irak und besteht aus den drei nördlichen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaymaniya. Sie wird von einer Regionalverwaltung, der kurdischen Regionalregierung, verwaltet und verfügt über eigene Streitkräfte (Fanack 27.9.2018).

An der Spitze der Exekutive steht der irakische Präsident, der auch das Staatsoberhaupt ist. Der Präsident wird mit einer Zweidrittelmehrheit des irakischen Parlaments (majlis al-nuwwab, engl.: Council of Representatives, dt.: Repräsentantenrat), für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt und genehmigt Gesetze, die vom Parlament verabschiedet werden. Der Präsident wird von zwei Vizepräsidenten unterstützt. Zusammen bilden sie den Präsidialrat (Fanack 27.9.2018).

Teil der Exekutive ist auch der Ministerrat, der sich aus dem Premierminister und anderen Ministern der jeweiligen Bundesregierung zusammensetzt (Fanack 27.9.2018; vgl. RoI 15.10.2005). Der Premierminister wird vom Präsidenten designiert und vom Parlament bestätigt (RoI 15.10.2005). Am 002.10.2018 wählte das neu zusammengetretene irakische Parlament den moderaten kurdischen Politiker Barham Salih zum Präsidenten des Irak (DW 02.10.2018). Dieser wiederum ernannte den schiitischen Politik-Veteranen Adel Abd al-Mahdi zum Premierminister und beauftragte ihn mit der Regierungsbildung (BBC 3.10.2018). Abd al-Mahdi ist seit 2005 der erste Premier, der nicht die Linie der schiitischen Da'wa-Partei vertritt, die seit dem Ende des Krieges eine zentrale Rolle in der Geschichte Landes übernommen hat. Er unterhält gute Beziehungen zu den USA. Der Iran hat sich seiner Ernennung nicht entgegengestellt (Guardian 3.10.2018).

Der Premierminister führt den Vorsitz im Ministerrat und leitet damit die tägliche Politik (Fanack 27.9.2018) Im Gegensatz zum Präsidenten, dessen Rolle weitgehend zeremoniell ist, liegt beim Premierminister damit die eigentliche Exekutivgewalt (Guardian 3.10.2018). Die gesetzgebende Gewalt, die Legislative, wird vom irakischen Repräsentantenrat (Parlament) ausgeübt (Fanack 27.9.2018). Er besteht aus 329 Abgeordneten (CIA 17.10.2018). Die konfessionell/ethnische Verteilung der politischen Spitzenposten ist nicht in der irakischen Verfassung festgeschrieben, aber seit 2005 üblich (Standard 3.10.2018). So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnite, der Premierminister ist ein Schiite und der Präsident der Republik ein Kurde (Al Jazeera 15.9.2018).

In weiten Teilen der irakischen Bevölkerung herrscht erhebliche Desillusion gegenüber der politischen Führung (LSE 7.2018; vgl. IRIS 11.5.2018). Politikverdrossenheit ist weit verbreitet (Standard 13.5.2018). Dies hat sich auch in der niedrigen Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen im Mai 2018 gezeigt (WZ 12.5.2018). Der Konfessionalismus und die sogennante "Muhassasa", das komplizierte Proporzsystem, nach dem bisher Macht und Geld unter den Religionsgruppen, Ethnien und wichtigsten Stämmen im Irak verteilt wurden, gelten als Grund für Bereicherung, überbordende Korruption und einen Staat, der seinen Bürgern kaum Dienstleistungen wie Strom- und Wasserversorgung, ein Gesundheitswesen oder ein Bildungssystem bereitstellt (TA 12.5.2018).

Viele sunnitische Iraker stehen der schiitischen Dominanz im politischen System kritisch gegenüber. Die Machtverteilungsarrangements zwischen Sunniten und Schiiten sowie Kurden festigen den Einfluss ethnisch-religiöser Identitäten und verhindern die Herausbildung eines politischen Prozesses, der auf die Bewältigung politischer Sachfragen abzielt. Im Führungsgremium der Kommission für die Vorbereitung und Durchführung der Wahlen 2018 waren nur Schiiten, Sunniten und Kurden vertreten. Jeweils ein Turkmene und ein Christ waren nicht-stimmberechtigte Mitglieder. (AA 12.01.2019).

Die Zeit des Wahlkampfs im Frühjahr 2018 war nichtsdestotrotz von einem Moment des verhaltenen Optimismus gekennzeichnet, nach dem Sieg über den sogenannten Islamischen Staat (IS) im Dezember 2017 (ICG 9.5.2018). Am 09.12.2017 hatte Haider al-Abadi, der damalige irakische Premierminister, das Ende des Krieges gegen den IS ausgerufen (BBC 9.12.2017). Irakische Sicherheitskräfte hatten zuvor die letzten IS-Hochburgen in den Provinzen Anbar, Salah al-Din und Ninewa unter ihre Kontrolle gebracht. (UNSC 17.1.2018).

Im Irak leben ca. 36 Millionen Einwohner, wobei die diesbezüglichen Schätzungen unterschiedlich sind. Die letzte Volkszählung wurde 1997 durchgeführt. Im Gouvernement Bagdad leben ca. 7,6 Millionen Einwohner. Geschätzte 99% der Einwohner sind Moslems, wovon ca. 60%-65% der schiitischen und ca. 32%-37% der sunnitischen Glaubensrichtung angehören (CIA World Factbook 2014-2015, AA 12.01.2019). Die ethnische und religiöse Zusammensetzung der einzelnen Regionen des Irak ist aus der Grafik im Punkt Minderheiten ersichtlich.

Die infolge der Parlamentswahlen im Jahr 2018 neu gebildete Regierung von Ministerpräsident Adel Abdul-Mahdi steht unter erheblichem Druck, Reformen zu implementieren, die staatlichen Dienstleistungen zu verbessern und Korruption zu bekämpfen. Gleichzeitig muss der Sicherheitssektor umfassend reformiert werden. Milizen agieren zwar formell größtenteils unter dem Premierminister als Oberbefehlshaber, sind jedoch oftmals der verlängerte Arm politischer Akteure. Es besteht weiterhin enormer Bedarf an Stabilisierung, Wiederaufbau und Versöhnung in den vom IS befreiten Gebieten(AA 12.01.2019).

2.1. Parteienlandschaft

Es gibt vier große schiitische politische Gruppierungen im Irak: die Islamische Da'wa-Partei, den Obersten Islamischen Rat im Irak (OIRI) (jetzt durch die Bildung der Hikma-Bewegung zersplittert), die Sadr-Bewegung und die Badr-Organisation. Diese Gruppen sind islamistischer Natur, sie halten die meisten Sitze im Parlament und stehen in Konkurrenz zueinander - eine Konkurrenz, die sich, trotz des gemeinsamen konfessionellen Hintergrunds und der gemeinsamen Geschichte im Kampf gegen Saddam Hussein, bisweilen auch in Gewalt niedergeschlagen hat (KAS 2.5.2018).

Die meisten politischen Parteien verfügen über einen bewaffneten Flügel oder werden einer Miliz zugeordnet (Niqash 7.7.2016; vgl. BP 17.12.2017) obwohl dies gemäß dem Parteiengesetz von 2015 verboten ist (Niqash 7.7.2016; vgl. WI 12.10.2015). Milizen streben jedoch danach, politische Parteien zu gründen (CGP 4.2018) und haben sich zu einer einflussreichen politischen Kraft entwickelt (Niqash 5.4.2018; vgl. Guardian 12.5.2018). Die sunnitische politische Szene im Irak ist durch anhaltende Fragmentierung und Konflikt gekennzeichnet, zwischen Kräften, die auf Provinz-Ebene agieren, und solchen, die auf Bundesebene agieren. Lokale sunnitische Kräfte haben sich als langlebiger erwiesen als nationale (KAS 2.5.2018)

Die politische Landschaft der Autonomen Region Kurdistan ist historisch von zwei großen Parteien geprägt: der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) und der Patriotischen Union Kurdistans (PUK). Dazu kommen Gorran ("Wandel"), eine 2009 gegründete Bewegung, die sich auf den Kampf gegen Korruption und Nepotismus konzentriert, sowie eine Reihe kleinere islamistische Parteien (KAS 2.5.2018). Die Gorran-Bewegung ist ihrem Anspruch, eine politische Erneuerungsbewegung zu sein, bislang nicht gerecht geworden, was auch die Verluste der Partei bei den sowohl nationalen als auch regionalen Parlamentswahlen in diesem Jahr erklären kann (AA 12.01.2019).

Abgesehen von den großen konfessionell bzw. ethnisch dominierten Parteien des Irak, gibt es auch nennenswerte überkonfessionelle politische Gruppierungen. Unter diesen ist vor allem die Iraqiyya/Wataniyya Bewegung des Ayad Allawi von Bedeutung (KAS 2.5.2018).

Die folgende Grafik veranschaulicht die Sitzverteilung im neu gewählten irakischen Parlament. Sairoon, unter der Führung des schiitischen Geistlichen Muqtada al-Sadrs, ist mit 54 Sitzen die größte im Parlament vertretene Gruppe, gefolgt von der Fath-Bewegung des Milizenführers Hadi al-Amiri und Haider al-Abadi's Nasr ("Victory")-Allianz (LSE 7.2018).

Bild kann nicht dargestellt werden

Die Wahl im Mai 2018 war von Vorwürfen von Unregelmäßigkeiten und Wahlbetrug begleitet (Al-Monitor 23.8.2018; vgl. Reuters 24.5.2018, Al Jazeera 6.6.2018). Eine manuelle Nachzählung der Stimmen, die daraufhin angeordnet wurde, ergab jedoch fast keinen Unterschied zu den zunächst verlautbarten Ergebnissen und bestätigte den Sieg von Muqtada al-Sadr (WSJ 9.8.2018; vgl. Reuters 10.8.2018). Die Mehrheit der Abgeordneten im Parlament ist neu und jung (WZ 9.10.2018). Im Prozess zur Designierung des neuen Parlamentssprechers, des Präsidenten und des Premierministers stimmten die Abgeordneten zum ersten Mal individuell und nicht in Blöcken - eine Entwicklung, die einen Bruch mit den üblichen, schwer zu durchbrechenden Loyalitäten entlang parteipolitischer, konfessioneller und ethnischer Linien, darstellt (Arab Weekly 7.10.2018).

Nach den Parlamentswahlen am 12. Mai wurde der von der Verfassung vorgeschriebene Prozess zur Regierungsbildung - wenn auch mit einigen Umwegen - abgeschlossen. Am 03.09.2018 konstituierte sich das neue Parlament, am 15.09.2018 wurde der Parlamentspräsident Mohammad al-Halbousi gewählt, am 02.10.2018 folgte die Wahl des Staatspräsidenten Barham Salih. Es dauerte bis zum 24.10.2018, bis sich die divergierenden politischen Akteure auf einen Kompromisskandidaten für das Amt des Regierungschefs einigen konnten. Der neue Ministerpräsident Adel Abdul-Mahdi wurde nach langwierigen Verhandlungen gemeinsam mit 14 Ministern vom Parlament bestätigt. Die Besetzung weiterer acht Ministerposten steht weiterhin aus (AA 12.01.2019).

2.2. Protestbewegung

Die Protestbewegung, die es schon seit 2014 gibt, gewinnt derzeit an Bedeutung. Zumeist junge Leute gehen in Scharen auf die Straße, fordern bessere Lebensbedingungen, Arbeitsplätze, Reformen, einen effektiven Kampf gegen Korruption und die Abkehr vom religiösen Fundamentalismus (WZ 9.10.2018). Im Juli 2018 brachen im Süden des Landes, in Basra, nahe den Ölfeldern West Qurna und Zubayr Pro

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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