TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/1 L519 2147495-1

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Veröffentlicht am 01.10.2019
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Entscheidungsdatum

01.10.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L519 2147495-1/28E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Isabella ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch RA. Dr. EICHINGER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 26.1.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.4.2017 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57 und 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als "BF" bezeichnet), ein Staatsangehöriger des Irak, brachte nach nicht rechtmäßiger Einreise am 5.9.2015 bei der belangten Behörde einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der BF im Wesentlichen vor, er sei von den schiitischen Milizen verfolgt und mit dem Tod bedroht worden.

Beim BFA brachte er am 29.11.2016 zu seinem Fluchtgrund zusammengefasst vor, er habe im Irak als Polzist gearbeitet und sei von einer terroristischen Gruppe namens Asahib Ahl al Haq verfolgt worden, unter anderem habe er einen Drohbrief erhalten. Da er ins Gefängnis gemusst hätte, weil er seinen Beruf als Polizist aufgegeben hat, habe er das Land verlassen. Die Regierung habe ihn angezeigt, weil er einfach seinen Dienst aufgegebn hat. Auch ein Haftbefehl sei erlassen worden. In Abwesenheit sei der BF zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt worden.

Eine der Aufgaben als Polizist sei gewesen, Fahrzeuge anzuhalten und auf Waffen zu kontrollieren. In einem Fahrzeug, auf dem der Name Asahib Ahl al Haq stand, habe er am 9.8.2015 in XXXX , auf der XXXX . viele Waffen gefunden, nachdem sich die Terroristen ursprünglich nicht kontrollieren lassen wollten. 2 Personen seien ausgestiegen, einer habe auf den BF schießen wollen. Ein Kollege des BF sei anwesend gewesen. Hinter dem Fahrzeug der Terroristen sei eine Kolonne gestanden. Die Terroristen hätten den BF dann bedroht, dass sie ihn finden würden. Der BF habe ihnen gesagt, dass sie wieder umkehren müssen. Der BF habe den Vorfall seinem Vorgesetzten gemeldet, der aber auf Seite der Terrorgruppe stand und zum BF gesagt hat, er hätte die Leute weiterfahren lassen sollen.

Am nächsten Tag habe der BF zu Hause einen Drohbrief gefunden. Der BF sei der Ansicht, dass sein Vorgesetzter seine Adresse weitergegeben habe und den Terroristen gesagt habe, dass er Sunnit ist. Der BF sei dann für 5 Tage zu seinem Großvater in einen anderen Teil XXXX . In derselben Nacht habe die Miliz eine Bombe auf das Elternhaus des BF geworfen, wodurch dessen Bruder verletzt wurde.

I.2. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gem. § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zugesprochen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des BF in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

I.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus:

Die Angaben des BF seien absolut unglaubwürdig. Nicht glaubhaft sei zunächst, dass der BF überhaupt Polizist war. So gab er bei der Erstbefragung an, er sei Garagenwächter gewesen, während er beim BFA dann angab, Polizist gewesen zu sein. Über Vorhalt dieses Widerspruchs gab der BF an, dass ihn der Dolmetscher bei der Erstbefragung nicht verstanden habe. Dies sei unglaubwürdig, da es sich um einen gerichtlich beeideten Dolmetscher handelte. Zum anderen sei die Niederschrift dem BF übersetzt worden und habe er diese Seite für Seite unterschrieben. Schon damals hätte der BF seinen Beruf korrigieren können, was er aber nicht gemacht hat.

Außerdem brachte der BF vor, dass er bei seiner Rückkehr in den Irak von staatlicher Seite keine Sanktionen zu befürchten hätte. Auch das zeige, dass es das vor dem BFA vorgelegte Gerichtsurteil bzw. den vorgelegten Haftbefehl gar nicht gibt, sondern dass der BF vor dem BFA eine neue Fluchtgeschichte konstruierte und gefälschte Schriftstücke vorlegte.

Bei der ersten Einvernahme vor dem BFA wurde der BF gefragt, welchen Dienstgrad er bei der Polizei hatte. Er gab darauf an, dass er keinen hatte. Erst nachdem der BF vom Referenten darauf aufmerksam gemacht wurde, dass auf der Rückseite des Dienstausweises der Rang eines Constable angegeben sei, gab der BF an, dass er die Frage nicht verstanden habe und dass es richtig sei, dass er Constable ist.

Bei der 2. Einvernahme beim BFA gab der BF an, dass er den Rang eines "Arif" hatte, was einem Searganten oder Feldwebel entspricht. Arif würde dem englischen Corporal entsprechen. Dem BF wurde vorgehalten, dass er bei der 1. Einvernahme gesagt hat, er sei Constable gewesen. Er gab darauf an, dass er bei der letzten Einvernahme gesagt hätte, dass er den den Dienstgrad "Arif" gehabt hätte. Da dies nicht der Wahrheit entspricht, wurden dem BF seinen Angaben in der vorangegangenen Niederschrift gezeigt und übersetzt.

Weiter sei auf dem vorgelegten Dienstausweis auf der Vorderseite in arabischer Schrift bei Dienstgrad zu lesen: "Angehöriger". Auf der Rückseite sei auf Englisch "Constable" angeführt. Als dem BF dies vorgehalten wurde, fragte er plötzlich, was "Constable" bedeutet. Daraufhin wurde der BF vom Referenten darauf hingewiesen, dass er selbst bei der letzten Einvernahme gesagt hat, dass der Dienstgrad Constable richtig sei und warum der BF jetzt fragt, was ein Constable ist. Der BF wurde auch gefragt, weshalb er den Dienstgrad damals bestätigen konnte, wenn er ihm jetzt fremd ist. Darauf gab der BF an, dass er den Constable nicht erwähnt habe. Da auch das nicht richtig war, wurden dem BF seine Angaben zur Frage nach dem Dienstgrad aus der NS vom 29.11.2016 neuerlich übersetzt. Dazu meinte dieser nur, dass er angab, einen Dienstgrad zu haben, aber er habe Arif gesagt.

In weiterer Folge wurde dem BF vorgehalten, dass es den auf seinem Polizeiausweis angeführten Dienstgrad Constable im irakischen Polizeidienst nicht gibt und dieser auf der internationalen Liste Deutsch-Englisch Übersetzung zu den Dienstgraden der irakischen Polizei nicht aufscheint.

Aufgrund dieser Ungereimtheiten und Widersprüche wird die Echtheit des Polizeidienstausweises ebenso in Zweifel gezogen wie die behauptung, dass der BF Polizist gewesen sei.

Der BF brachte auch vor, er sei Sunnit. Als das BFA telefonisch Kontakt zum Vater des BF aufnahm, um diesen zu befragen, gab dieser an, dass die ganze Familie Schiiten seien. Über Vorhalt dieser Aussage bestritt der BF und gab an, seine Mutter und er seien Sunniten. Dazu sei festzuhalten, dass der Vater des BF keine Veranlassung hatte, die Religionszugehörigkeit zu verschleiern und daher seinen Angaben Glauben geschenkt wird. Der BF hingegen erweckte mit seiner Aussage, er sei Sunnit, den Eindruck, dass er dadurch einer Bedrohung durch schiitische Milizen glaubhafter zum Ausdruck bringen möchte. Im Übrigen hatte der BF auch nur angeben, dass er vermute, aufgrund seiner Religion verfolgt zu werden.

Nach Übersetzung der vom BF vorgelegten Schriftstücke kam das BFA zur Auffassung, dass diese nicht echt sein können bzw. gefälscht sein müssen:

In den 3 vom BF vorgelegten Haftbefehlen wird der BF mit dem Namen XXXX bezeichnet. Dieser Name entspricht nicht dem angegebenen Namen bzw. ist auch in der Reisepasskopie des BF sein Name so nicht geschrieben. Als der BF damit konfrontiert wurde, gab er an, dass dies der Name seines 2. Großvaters sei, der aber nicht im Reisepass eingetragen wird. Dass der Name des BF in Kombination mit dem Namen seines Großvaters auf diese Weise in einem Haftbefehl eingetragen wird, sei mehr als ungewöhnlich und daher nicht glaubwürdig.

Weiter wird im Gerichtsurteil angeführt, dass der BF gem. Art. 412 Abs. 1 des Strafrechts zu 5 Jahren Haft verurteilt wurde. Auf einem Haftbefehl wird ebenfalls Art. 412, allerdings Abs. 2 angegeben und dieser bezieht sich dabei auf eine schwere Körperverletzung.

Im anderen Haftbefehl steht, dass der BF gem. Art. 5 wegen Flucht beschuldigt werde. Da dies alles nicht zusammenpasst, wurde dem BF das Ganze vorgehalten. Darauf antwortete dieser, dass er mit jemandem von den Milizen gestritten und diesen verletzt habe und er deshalb vom Gericht wegen Körperverletzung verurteilt worden sei.

Da der BF in seiner letzten Einvernahme davon kein Wort erwähnte, sondern angab, dass er in Abwesenheit vom Gericht in XXXX wegen Desertion vom Polizeidienst mit Gerichtsbeschluss zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt wurde, wurde dem BF auch das vorgehalten. Darauf gab der BF an, dass er bei der Einvernahme beim BFA gesagt habe, dass er, weil er jemand verletzt hätte, vom Gericht wegen Körperverletzung verurteilt worden wäre. Da auch diese Angaben nicht der Wahrheit entsprachen, wurde der BF gefragt, ob ihm seine Angaben aus der damaligen Niederschrift neuerlich übersetzt werden sollen. Der BF lehnte ab und gab an, mit den Milizen gestritten zu haben.

Zum Gerichtsurteil wird angemerkt, dass sich gem. einer Recherche die Art./§§ 412 bis 416 des irak. Strafgesetzes auf Körperverletzung beziehen und deshalb das Gerichtsurteil, in welchem der BF angeblich wegen Art. 412 zu 5 jahren Haft verurteilt worden wäre - wegen unerlaubten Fernbleibens vom Polizeidienst - nicht den Tatsachen entsprechen kann. Nachdem dies dem BF vorgehalten wurde, gab er an, dass er das nicht wisse und ihm nur bekannt sei, dass ihn das Gericht verurteilt hat, weswegen sei ihm nicht klar. Er habe mit den Milizen bei der Kontrollstelle gestritten und sei desertiert. Dazu sei anzumerken, dass der BF bei seiner 1. Befragung vor dem BFA sehr wohl wusste, weshalb er vom Gericht verurteilt wurde ("wegen Desertion zu 5 Jahren Gefängnis"), aber nach Vorhalt seiner höchst zweifelhaften Schriftstücke war ihm plötzlich nicht mehr klar, weswegen er verurteilt worden wäre.

Ein weiteres starkes Indiz für die Unglaubwürdigkeit des BF sei Folgendes:

In einem der 3 vorgelegten Haftbefehle ist das Verfassungsdatum mit 5.9.2012 datiert und bezieht sich dieser Haftbefehl auf das Urteil des Gerichtsbeschlusses. Nur ist im Gerichtsbeschluss angeführt, dass das Strafgericht am 28.10.2015 zusammengetroffen ist, um über den BF zu urteilen. D.h. es gab bereits einen Haftbefehl, der sich auf ein Gerichtsurteil bezieht, das aber zu dieser Zeit noch gar nicht gefällt war. Der BF konnte dazu nichts angeben, das sei eine staatliche Sache gewesen.

Außerdem sei auch nicht glaubhaft, dass ein Polizist wegen Desertion zu 5 Jahren Haft verurteilt wird, beträgt der Strafrahmen doch nur 1 bis 3 Jahre in diesen Fällen. Auch hier haben Recherchen ergeben, dass zB bei einem Polizeioffizier, der sich nach Holland abgesetzt hat, als Urteil lediglich die Aberkennung aller Rechte und Ansprüche im Polizeidienst im Irak angewandt wurde. Er wurde in weiterer Folge unehrenhaft aus dem Polizeidienst entlassen. Eine Gefängnis- oder Ersatzfreiheitsstrafe wurde nicht ausgesprochen.

Bei der 1. Einvernahme vor dem BFA brachte der BF vor, dass er am 9.8.2015 in seiner Eigenschaft als Polizist ein Fahrzeug aufhielt, auf dem Asahib Ahl al Haq geschrieben stand. Darauf sei er gefragt worden, warum er das Fahrzeug überhaupt angehalten hat und ob er nicht wisse, wer diese Leute sind. Der BF habe angegeben, dass er diese Leute vorher nicht gekannt und nur gesehen hat, was auf dem Fahrzeug stand. Dazu wurde dem BF entgegengehalten, dass er als Polizist sehr wohl wissen musste, wer diese Organisation ist. Nach dem Vorhalt kannte der BF die Gruppe plötzlich doch, nur die Leute habe er nicht persönlich gekannt. Die Antworten bzw. Reaktionen des BF auf Vorhalte liessen unschwer erkennen, dass er seine Folgeantworten entsprechend anpasste um den Eindruck aufrechtzuerhalten, dass er Polizist gewesen und bedroht worden wäre.

Bei seiner Erstbefragung hatte der BF angegeben, dass er legal mit einem irakischen Reisepass aus dem Irak ausgereist ist. Auf die Frage, wo der Reisepass sei, gab der BF an, dass er diesen in den Irak zurückgeschickt habe, was auch bei Wahrunterstellung nicht logisch ist. Am 18.1.2017 gab er in diesem Punkt an, dass der Reisepass im Meer verloren gegangen sei. Er habe aber auf dem Handy ein Foto gespeichert und könne somit eine Kopie vorlegen. Über Vorhalt des Widerspruches gab der BF an, dass er bei der Erstbefragung angegeben habe, der Schlepper habe ihm den Reisepass abgenommen und wollte ihn in den Irak zurückschicken. Da auch das nicht der Wahrheit entsprach wurde der BF gefragt, weshalb er nunmehr angibt, den Reisepass im Meer verloren zu haben. Seine Antwort war: "Entschuldigung, ich wollte sagen, dass der Schlepper den Reisepass ins Meer geworfen hat." Dazu wurde dem BF vorgehalten, dass auch das nicht stimmen kann, da er in der Erstbefragung angab, dass der BF selbst den Reisepass in den Irak zurückgeschickt habe. Auch hier war der BF um keine Ausrede verlegen, indem er angab, dass ihm seinerzeit der Schlepper seinen Reisepass abgenommen und gesagt habe, dass er ihn in den Irak zurückschicken werde. Erst im Nachhinein habe der Schlepper dem BF gesagt, dass er den Reisepass ins Meer geworfen hat.

Bei der ersten Einvernahme durch das BFA brachte der BF auch vor, dass er von der Miliz einen Drohbrief erhalten habe. Dann sei der BF zu seinem Großvater, um sich dort zu verstecken. In derselben Nacht hätte die Miliz eine Bombe vor das Elternhaus des BF geworfen, wobei sein Bruder verletzt worden sei. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Miliz einen Drohbrief an den BF richtet und noch in derselben Nacht eine Bombe vor sein Haus wirft. Wozu sollte sich die Miliz die Mühe machen, dem BF einen Drohbrief zu schreiben, wenn sie noch in derselben Nacht eine Bombe wirft?

Dass die Miliz tatsächlich eine Bombe vor das Haus des BF geworfen hat ist nicht glaubhaft, da der BF diese Behauptung nur in den Raum stellte. Außerdem hätten die Eltern des BF weder Polizei noch Rettung oder Feuerwehr verständigt, weil sie gewusst hätten, dass die Miliz diese Bombe geworfen hat. Auch seinem Vorgesetzten habe der BF nicht von der Bombe erzählt, weil er der Meinung war, der Vorgesetzte habe seine Adresse der Miliz verraten. Dieses Vorbringen sei weder lebensnah noch begreiflich.

Laut Aussage des BF sei seit seiner Ausreise noch niemand, weder seitens des Staates noch seitens der Miliz, bei seiner Familie gewesen, um nach ihm zu fragen. Wäre der BF tatsächlich vom Gericht verurteilt worden, hätten sich die Behörden zu allererst bei seiner Familie nach ihm erkundigt, um seinen Aufenthaltsort auszuforschen und in weiterer Folge den vermeintlichen Haftbefehl zu vollziehen. Wäre die Miliz tatsächlich hinter dem BF her, hätte auch diese vorrangig bei der Familie des BF nach ihm gesucht.

Außerdem war der BF vor seiner Einreise bereits in mehreren anderen Ländern vor einer allfälligen Verfolgung sicher, ohne dort Asyl zu beantragen. Da er dies nicht machte, ist davon auszugehen, dass der BF tatsächlich nicht im Irak verfolgt ist.

I.2.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Irak traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.

I.2.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam.

Es hätten sich weiter keine Hinweise für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK (§§ 55, 10 Abs. 2 AsylG 2005) dar.

I.3. Gegen diesen Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

Im Wesentlichen wurde neben Wiederholungen und allgemeinen Angaben vorgebracht, dass der BF aus religiösen Gründen und wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt würde. Der BF habe die fluchtauslösenden Ereignisse authentisch und nachvollziehbar geschildert.

Die Ausführungen, wonach die Beweismittel gefälscht seien, gehen ins Leere. Es sei nicht überraschend, wenn in englischen Übersetzungen aus dem Arabischen Irrtümer enthalten sind, andererseits entspreche "Arif" ohnedies einem Constable. Eine Überprüfung der Echtheit des Polizeiausweises habe überdies nicht stattgefunden.

Die Namensgebung sei im Irak kulturell wesentlich komplizierter als in Österreich. Sowohl Verwendung von Vaters- als auch Großvatersnamen und Stammesnamen seien üblich.

Die radikalen schiitischen Milizen seien eng mit irakischen Behörden verflochten. Überdies hätte die Behörde zu den Angaben des BF auch Recherchen durchführen können anstatt seine Beweismittel pauschal als gefälscht zu bezeichnen. Die Befürchtungen des BF würden auch durch die Länderberichte bestätigt, zumal er auch aufgrund seiner Religionszugehörigkeit Verfolgung befürchtet. Deshalb habe der Vater des BF am Telefon gegenüber einer unbekannten Person auch keine genauen Angaben zur Religionszugehörigkeit der Familie machen wollen.

Die Länderberichte bestätigen, dass die staatlichen Einrichtungen, insbesondere die Justiz, von den Schiiten dominiert sind und dass die radikal-schiitischen Milizen untrennbar mit der Exekutive des Irak verwoben sind. Diese Berichte haben keinen Eingang in die Beurteilung des Falles des BF genommen.

Im Übrigen sei der Erstbefragung, die in erster Linie der Ermittlung des Reiseweges und der Identität einer person dient, ein zu hoher Stellenwert beigemessen worden. Außerdem habe sich die belangte Behörde nicht mit der konkreten Situation des BF und der aktuellen Lage im Irak auseinandergesetzt.

Die Lage im Irak sei nachwievor massiv instabil und seien die irakischen Behörden nicht fähig und zum Teil auch nicht willig, den Bürgern Schutz zu gewähren. Überdies habe der BF umfangreiche Bemühungen zur Integration unternommen, er habe Deusch gelernt und umfangreiche soziale Kontakte geknüpft.

I.4. Für den 18.4.2017 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

I.5. Mit verfahrensleitender Anordnung des VwGH vom 12.7.2019, Fr 2019/19/0020, wurde dem BVwG gem. § 38 Abs. 4 VwGG aufgetragen, binnen 3 Monaten die Entscheidung zu erlassen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt.

I.6. Mit Schreiben des BVwG vom 7.8.2019 wurden den Verfahrensparteien die aktuellen Länderfeststellungen zum Irak mit der Einladung übermittelt, dazu binnen 2 Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Stellungnahmen dazu sind nicht eingegangen.

I.7. Hinsichtlich des Verfahrensganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

II.1.1. Der Beschwerdeführer:

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen irakischen Staatsangehörigen, welcher zur Volksgruppe der Araber gehört und sich zum Islam bekennt. Der BF ist damit Drittstaatsangehöriger. Nicht festgestellt werden kann, dass der BF Sunnit ist. Er spricht Arabisch auf muttersprachlichem Niveau.

Der BF ist ein lediger, junger, gesunder, arbeitsfähiger Mann mit einer im Irak - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage.

Der BF stammt aus XXXX und hat 9 Jahre die Schule besucht und anschließend 1 Jahr den Beruf eines Elektrikers erlernt. Nicht festgestellt werden kann, dass der BF im Irak als Polizist gearbeitet hat.

Im Irak, XXXX , Viertel XXXX , Str. XXXX , leben nach wie vor die Eltern des BF und seine 5 Geschwister. Weiter leben im Irak Onkel und Tanten des BF.

Der BF ist in Österreich strafrechtlich bislang unbescholten und lebt von der Grundversorgung. Der BF hat die A1-Prüfung abgelegt und den A2 Kurs besucht.

Für den BF wurde mit Bescheid des AMS vom 31.5.2017 eine Beschäftigungsbewilligung als landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter von 13.6. bis 31.10.2017 erteilt.

Der BF hat keine familiären oder relevanten privaten Anknüpfungspunkte in Österreich.

Die Identität des BF steht fest.

Er reiste unrechtmäßig in die Europäische Union und in weiterer Folge in das österreichische Bundesgebiet ein.

Der BF hält sich lediglich aufgrund der Bestimmungen des Asylgesetzes vorübergehend legal in Österreich auf und besteht kein Aufenthaltsrecht nach anderen gesetzlichen Bestimmungen.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Irak:

Zur asyl- und abschieberelevanten Lage im Irak werden folgende Feststellungen getroffen:

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 27.7.2019, Sicherheitsupdate 2. Quartal 2019 (relevant für Abschnitt 3. Sicherheitslage)

Die folgende Karte von liveuamap zeigt die Einteilung des Irak in offiziell von der irakischen Zentralregierung kontrollierte Gouvernements (in rosa), die autonome Region Kurdistan (KRG) (in gelb) und Gebiete unter der weitgehenden Kontrolle von Gruppen des Islamischen Staates (IS) (in grau). Die Symbole kennzeichnen dabei Orte und Arten von sicherheitsrelevanten Vorfällen, wie Luftschläge, Schusswechsel/-attentate, Sprengstoffanschläge/Explosionen, Granatbeschuss, u.v.m.

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Quelle: Liveuamap - Live Universal Awareness Map (30.6.2019): Map of Iraq, https://iraq.liveuamap.com/en/time/30.06.2019, Zugriff 30.6.2019

Die folgende Karte des Institute for the Study of War (ISW) weist neben Unterstützungszonen des Islamischen Staates (IS) im Irak und in Syrien auch Gebiete aus, in denen Angriffe und Manöver vom IS ausgeführt wurden, sowie Gebiete, in denen Änderungen in der Vorgehensweise des IS beobachtet wurden. Weiters werden Gebiete, die sowohl von der kurdischen Regionalregierung als auch von der irakischen Zentralregierung für sich beansprucht werden (die sogenannten "umstrittenen Gebiete") dargestellt (in grau schattierten Linien) .

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Quelle: ISW - Institute for the Study of War (16.4.2019): ISIS Resurgence Update - April 2019, https://iswresearch.blogspot.com/2019/04/isis-resurgence-update-april-16-2019.html, Zugriff 17.6.2019

Obwohl die terroristischen Aktivitäten im Irak deutlich zurückgegangen sind, stellt der Islamische Staat (IS) nach wie vor eine Bedrohung dar (SCR 30.4.2019). Nachdem der IS am 23.3.2019 in Syrien das letzte von ihm kontrollierte Territorium verloren hatte (ISW 19.4.2019), kündigte er Anfang April einen neuen Feldzug an, um den Gebietsverlust in Syrien zu rächen (Joel Wing 3.5.2019). Der IS vergrößerte so seine "Unterstützungszonen" [Anm. eine Kategorie des ISW für Gebiete, in denen der IS aktive und passive Unterstützung durch die lokale Bevölkerung lukrieren kann] im Irak und weitete seine Angriffe in bedeutenden Städten, wie Mossul und Fallujah, sowie im irakischen Kurdistan aus (ISW 19.4.2019). Neu wiederorganisierte IS-Zellen verstärkten ihre Operationen und Angriffe in den Gouvernements Anbar, Babil, Bagdad, Diyala, Kirkuk, Ninawa und Salahaddin (UNSC 2.5.2019). Das führte zu einem starken Anstieg der Angriffe in der zweiten Woche des Monats April. So erfolgten alleine in der zweiten Aprilwoche 41 der im gesamten Monat verzeichneten 97 sicherheitsrelevanten Vorfälle. Danach gingen die Vorfälle jedoch wieder auf das niedrige Niveau der Vormonate zurück (Joel Wing 3.5.2019). Für Mai 2019 wurden im Zuge der Frühjahrsoffensive des IS wieder die höchsten monatlichen Angriffszahlen seit Oktober 2018 verzeichnet (Joel Wing 5.6.2019). Es gab tägliche Berichte über IS-Kämpfer, die Hit-and-Run-Angriffe auf Sicherheitspersonal und Infrastruktur sowie Entführungen und Tötungen von lokalen Beamten und Zivilisten in Gebieten mit massiven Sicherheitslücken durchführten - vor allem in den Wüstenregionen Anbars, nahe der Grenze zu Syrien, als auch in den umstrittenen Gebieten, in denen es "Lücken" zwischen den irakischen und kurdischen Truppen gibt (Rudaw 9.5.2019).

Irakische Einheiten führten wiederholt Operationen in Rückzugsgebieten des IS durch (Rudaw 9.5.2019). Beispielsweise am 11.4.2019 in den Hamrin Bergen (ISW 19.4.2019; vgl. Kurdistan 24 11.4.2019) und am 5.5.2019 in den Gouvernements Anbar, Salahaddin und Ninewa (Xinhua 6.5.2019). Solche Operationen hatten jedoch nur begrenzten Erfolg, da sie die Operationsmöglichkeiten des IS nur geringfügig einschränkten. Eine große Herausforderung für die irakischen Streitkräfte besteht in Versäumnissen ihrer Geheimdienste. Unzureichende Ausbildung, Finanzierung, schlechte Kommunikation zwischen den Behörden des Sicherheitsapparats und damit einhergehend die mangelnde Fähigkeit, Informationen zu verarbeiten und zu nutzen, behindern die Aufklärungsarbeit (Rudaw 9.5.2019).

Einem Bericht des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom Februar 2019 zufolge kontrolliert der IS immer noch zwischen 14.000 und 18.000 Kämpfer im Irak und in Syrien (UNSC 1.2.2019). Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums, unter Berufung auf Geheimdienstquellen, verfügt der IS noch über 20.000 bis 30.000 Angehörige - Kämpfer, Anhänger und Unterstützer - im Irak und in Syrien (USDOD 7.5.2019).

Der IS hat seine Präsenz in den Gouvernements Ninewa und Anbar durch Kämpfer aus dem benachbarten Syrien erhöht. Auch das Gouvernement Diyala bleibt weiterhin ein Kerngebiet des IS, der sich auf Gebiete im Norden und Osten des Irak fokussiert. Vorfälle in Bagdad und im Süden bleiben sporadisch (Joel Wing 3.5.2019).

Die folgende Grafik von Iraq Body Count (IBC) stellt die von IBC im Irak dokumentierten zivilen Todesopfer seit 2003 dar (pro Monat jeweils ein Balken). Seit Februar 2017 sind nur vorläufige Zahlen (in grau) verfügbar (IBC 6.2019).

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Quelle: Iraq Bodycount (7.2019): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 17.7.2019

Die folgende Tabelle des IBC gibt die Zahlen der Todesopfer an. Für April 2019 sind 140 zivile Todesopfer im Irak ausgewiesen. Im Mai 2019 wurden von IBC 166 getötete Zivilisten im Irak dokumentiert (IBC 6.2019).

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Quelle: Iraq Bodycount (7.2019): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 17.7.2019

Vom Irak-Experten Joel Wing wurden für den Gesamtirak im Lauf des Monats April 2019 99 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 105 Toten und 100 Verletzten verzeichnet. 36 Tote gingen auf Funde älterer Massengräber im Gouvernement Ninewa zurück, wodurch die Zahl der tatsächlichen gewaltsamen Todesfälle im April auf 69 reduziert werden kann. Die meisten Opfer gab es in den Gouvernements Diyala und Ninewa (Joel Wing 3.5.2019).

Im Mai 2019 verzeichnet Joel Wing 137 sicherheitsrelevante Vorfälle, von denen 136 auf den Islamischen Staat (IS) zurückgehen (Joel Wing 5.6.2019). Bei einem dieser Vorfälle handelte es sich um einen Raketenbeschuss der "Green Zone" in Bagdad durch eine mutmaßlich pro-iranische Gruppe (Joel Wing 5.6.2019; vgl. DS 19.5.2019). Insgesamt wurden im Mai 163 Todesfälle und 200 Verwundete registriert, wobei 35 Tote auf einen Massengräberfund im Bezirk Sinjar in Ninewa zurückgehen (Joel Wing 5.6.2019).

Im Mai 2019 hat der Islamische Staat (IS) im gesamten Mittelirak landwirtschaftliche Anbauflächen in Brand gesetzt, mit dem Zweck die Bauernschaft einzuschüchtern und Steuern zu erheben, bzw. um die Bauern zu vertreiben und ihre Dörfer als Stützpunkte nutzen zu können. Das geschah bei insgesamt 33 Bauernhöfen - einer in Bagdad, neun in Diyala, 13 in Kirkuk und je fünf in Ninewa und Salahaddin - wobei es gleichzeitig auch Brände wegen der heißen Jahreszeit und wegen lokalen Streitigkeiten gab (Joel Wing 5.6.2019; vgl. ACLED 18.6.2019). Am 23.5.2019 bekannte sich der Islamische Staat (IS) in seiner Zeitung Al-Nabla zu den Brandstiftungen. Kurdische Medien berichteten zudem von Brandstiftung in Daquq, Khanaqin und Makhmour (BAMF 27.5.2019; vgl. ACLED 18.6.2019).

Im Juni 2019 wurden von Joel Wing 99 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet. Da jedoch zwei Hauptquellen zur Sicherheitslage im Irak den gesamten Monat Juni über offline waren, kann es sein, dass es tatsächlich mehr Angriffe gab, als registriert wurden. Sechs Vorfälle werden pro-iranischen Gruppen zugeschrieben, die mutmaßlich wegen der Spannungen zwischen den USA und dem Iran ausgeführt wurden (Joel Wing 1.7.2019).

Das irakische Militär und die Koalitionstruppen [Anm. die Truppen der von den USA geführten Koalition westlicher Staaten im Irak] führten eine Reihe von Angriffen gegen den IS durch, insbesondere im Gouvernement Anbar (ACLED 11.6.2019) und in den Hamrin Bergen (ISW 19.4.2019; vgl. Kurdistan 24 11.4.2019; Jane's 1.5.2019).

BAGDAD

Laut Joel Wing ist Bagdad ist eine weitgehend vergessene Front des Islamischen Staates (IS). Seit Anfang des Jahres 2019 wurden dort wochenweise überhaupt keine terroristischen Aktivitäten verzeichnet (Joel Wing 3.5.2019). Der IS versucht jedoch wieder in Bagdad Fuß zu fassen (Joel Wing 3.5.2019) und baut seine "Unterstützungszone" im südwestlichen Quadranten der "Bagdad-Belts" wieder auf, um seine Aktivitäten im Gouvernement Anbar mit denen in Bagdad und dem Südirak zu verbinden (ISW 19.4.2019). Alle im Gouvernement Bagdad verzeichneten Angriffe betrafen nur die Vorstädte und Dörfer im Norden, Süden und Westen (Joel Wing 3.5.2019; vgl. Joel Wing 1.7.2019). Während es sich dabei üblicherweise nur um kleinere Schießereien und Schussattentate handelte, wurden im Juni, bei einem kombinierten Einsatz eines improvisierten Sprengsatzes mit einem Hinterhalt für die den Vorfall untersuchenden, herankommenden irakischen Sicherheitskräfte, sechs Soldaten getötet und 15 weitere verwundet (Joel Wing 1.7.2019).

Im April 2019 wurden zehn sicherheitsrelevante Vorfälle im Gouvernement Bagdad verzeichnet (Joel Wing 3.5.2019). Diese führten zu sieben Toten und einer verwundeten Person (Joel Wing 1.5.2019). Auch im Mai 2019 wurden zehn Vorfälle erfasst, mit 16 Toten und 14 Verwundeten. Ein weiterer mutmaßlicher Vorfall, eine Autobombe in Sadr City betreffend, ist umstritten (Joel Wing 5.6.2019). Im Juni gab es 13 Vorfälle mit 15 Toten und 19 Verwundeten (Joel Wing 1.7.2019).

Am 19.5.2019 ist eine Rakete des Typs Katjuscha in der hoch gesicherten Grünen Zone in der irakischen Hauptstadt Bagdad, Standort der US-Botschaft, sowie einiger Ministerien und des Parlaments, eingeschlagen und explodiert. Verletzte oder Schäden habe es laut dem irakischen Militär nicht gegeben (DS 19.5.2019).

AUTONOME REGION KURDISTAN / KURDISCHE REGION IM IRAK

Der Islamische Staat (IS) erweitert seine Netzwerke im irakischen Kurdistan. Es wird vermutet, dass er versucht diese mit seinen wieder auflebenden Unterstützungszonen in den Gouvernements Kirkuk und Diyala zu verbinden. Einheiten der Asayish [Anm.: Inlandsgeheimdienst der Autonomen Region Kurdistan] konnten laut eigenen Angaben seit Jänner 2019 unter anderem drei arabische IS-Zellen sprengen - in Sulaymaniyah City, in Chamchamal, zwischen Sulaymaniyah und der Stadt Kirkuk, sowie in Kalar, im Nordosten des Diyala Flußtales. Am 11. April verhafteten die Asayish einen IS-Kämpfer, der für das Schleusen von Kämpfern zwischen Kirkuk Stadt, Hawija und Dibis im Gouvernement Kirkuk verantwortlich war (ISW 19.4.2019).

Die türkische Luftwaffe führte in den Gouvernements Dohuk, Erbil und Sulaymaniya Luftangriffe durch und verursachte materielle Schäden, ohne dass jedoch Verluste an Menschenleben gemeldet wurden. Zwischen 14. Februar und 9. April meldeten die türkischen Streitkräfte mindestens zwölf Einsätze sowie zwei Zusammenstöße mit Einheiten der kurdischen Arbeiterpartei (PKK) (UNSC 2.5.2019). Am 27.5.2019 startete das türkische Militär die "Operation Klaue" mit dem Ziel PKK-Hochburgen im Nordirak, in der Region Qandil zu beseitigen (ACLED 2.7.2019; vgl. Al Jazeera 28.5.2019). Nach einer anfänglich defensiven Haltung der PKK kam es zu einer Zunahme der Angriffe auf die türkischen Streitkräfte, insbesondere im Südosten der Türkei, wie den Bezirk Cukurca in der Provinz Hakkari. Kurdische Einheiten zogen sich dabei grenzüberschreitend auch in den Iran zurück (ACLED 2.7.2019). Über 60 PKK-Kämpfer wurden seit Beginn der "Operation Klaue" als "neutralisiert" (d.h. getötet, gefangen genommen oder verletzt) gemeldet (ACLED 11.6.2019; vgl. ACLED 2.7.2019). Ebenso wurde die Zerstörung von Sprengmittel (Landminen, IEDs) und Verstecken der PKK gemeldet (ACLED 11.6.2019; vgl. Reuters 8.6.2019).

Türkisches Bombardement, das die Ortsränder dreier Dörfer im Bezirk Amadiya im Gouvernement Dohuk traf, zwang deren Einwohner zur Flucht (Kurdistan 24 9.4.2019).

NORD- UND ZENTRALIRAK

In den 2017 von der Zentralregierung übernommenen, umstrittenen Gebieten nutzt der Islamische Staat (IS) die geringe Zahl an Sicherheitskräften und deren Konkurrenzverhältnis zueinander aus, woraus sich die hohe Zahl an Übergriffen ableiten lässt (Joel Wing 1.7.2019). Kleinere Gruppen von IS-Kämpfern infiltrieren von Syrien kommend immer wieder die zerklüfteten Gebiete und Wüstenlandschaft im Westirak (Xinhua 6.5.2019).

Das irakische Militär und die von den USA geführte internationale Koalition führten eine Reihe von Angriffen gegen den IS durch, insbesondere im Gouvernement Anbar (ACLED 11.6.2019). Am 5.5.2019 startete ein gemischter Verband der irakischen Armee und paramilitärischen Stammeseinheiten, mit Luftunterstützung der Koalition, und in Abstimmung zwischen den Militärkommandos der Gouvernements Anbar, Salahaddin und Ninewa, eine großangelegte Militäroperation im Westirak (Xinhua 6.5.2019).

Der Islamische Staat (IS) hat seine Präsenz in Ninewa durch Kräfte aus Syrien verstärkt und führte seine Operationen hauptsächlich im Süden und Westen des Gouvernements aus (Joel Wing 3.5.2019). Er verfügt aber auch in Mossul über Zellen (Joel Wing 5.6.2019). Es wird außerdem vermutet, dass der IS vorhat in den Badush Bergen, westlich von Mossul, Stützpunkte einzurichten (ISW 19.4.2019).

Im April 2019 wurden in Ninewa 19 Vorfälle (Joel Wing 3.5.2019) mit 46 Toten und zehn Verletzten (Joel Wing 1.5.2019) verzeichnet, wobei hier auch der Fund eines Massengrabs älteren Datums, mit 36 Leichen, eingerechnet ist (Joel Wing 3.5.2019). Im Mai 2019 wurden 25 Vorfälle mit 64 Toten und 26 Verwundeten registriert, wobei der Fund eines jesidischen Massengrabes älteren Datums im Bezirk Sinjar, mit 35 Leichen, miteingerechnet ist (Joel Wing 5.6.2019). Im Juni wurden zehn Vorfälle mit 24 Toten und 22 Verletzten registriert, wobei hier vier Brandstiftungen von landwirtschaftlichen Flächen und zwei Explosionen von Kriegsrelikten aus der Schlacht um Mossul (Anm.: 17.10.2016 bis 9.7.2017) inkludiert sind (Joel Wing 1.7.2019).

Der Islamische Staat (IS) hat Zugang zu allen ländlichen Gebieten des Gouvernements Diyala, konzentriert sich aber besonders auf den Bezirk Khanaqin im Nordosten, der eines der zwischen der Zentralregierung und der Autonomen Kurdischen Region umstrittenen Gebiete ist (Joel Wing 3.5.2019; vgl. Joel Wing 5.6.2019).

In Diyala kam es im April 2019 zu 30 sicherheitsrelevanten Vorfällen (Joel Wing 3.5.2019) mit 22 Toten und 23 Verletzten (Joel Wing 1.5.2019). Im Mai 2019 wurden 35 Vorfälle mit 22 Toten und 42 Verwundeten registriert (Joel Wing 5.6.2019) und im Juni 27 Vorfälle mit zwölf Toten und 20 Verletzten (Joel Wing 1.7.2019).

Im Gouvernement Kirkuk ist der Islamische Staat (IS) in allen Bezirken aktiv und hat auch regelmäßigen Zugang zu Kirkuk City (Joel Wing 3.5.2019; vgl. Joel Wing 5.6.2019). Insbesondere die Hamrin Berge, sowie die Haine im Westen des Gouvernements dienen dem IS als Rückzugsorte (Joel Wing 3.5.2019). Üblicherweise ereignen sich sicherheitsrelevante Vorfälle in Kirkuk im Süden des Gouvernements (Joel Wing 1.7.2019). Am 30. Mai fand jedoch in Kirkuk City mit der Detonation von sechs "Unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen" (IEDs) der schwerwiegendste Angriff des Monats statt, der fünf Tote und 35 Verletzte forderte (Joel Wing 5.6.2019; vgl. Reuters 30.5.2019). Im Juni wurden acht Angriffe in Kirkuk City verzeichnet (Joel Wing 1.7.2019). Eine Veränderung in der Taktik des IS in Kirkuk stellt das Legen von Hinterhalten für die Sicherheitskräfte dar (Joel Wing 3.5.2019).

Die 1. und 2. Brigade der Irakischen Spezialeinheiten (ISOF) begannen am 11. April, unterstützt durch die US-geführte Koalition, mit der bisher größten Säuberungsaktion gegen die "Unterstützungszone" des IS in den Hamrin Bergen (ISW 19.4.2019; vgl. Kurdistan 24 11.4.2019). Die US-amerikanische Luftwaffe (USAF) bombardierte ein Tunnelnetz des IS in den Hamrin Bergen (Jane's 1.5.2019). Ähnliche Operationen wurden bereits in den vergangenen Monaten durchgeführt (Kurdistan 24 11.4.2019). Laut lokalen Quellen wurden im Zuge der Operation sechs bedeutende Anführer des IS getötet und damit die Kommandokette in dem Gebiet stark beeinträchtigt (D&S 24.4.2019).

In Kirkuk wurden im April 2019 13 Vorfällen registriert (Joel Wing 3.5.2019) mit 18 Toten und 53 Verletzten (Anm.: Summe aus Joel Wing 1.5.2019 und Joel Wing 5.6.2019). Im Mai 2019 wurden in Kirkuk 35 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 29 Toten und 78 Verwundeten, die höchsten Opferzahlen dieses Monats im Irak, verzeichnet (Joel Wing 5.6.2019). Im Juni sanken die registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle auf 18, mit 18 Toten und 40 Verletzten (Joel Wing 1.7.2019).

Obwohl sich das Gouvernement Salahaddin die Hamrin-Gebirge, das dem Islamischen Staat (IS) als Basis dient, mit dem Gouvernement Diyala teilt, konzentrieren sich die Aufständischen in ihren Aktivitäten stärker auf Diyala (Joel Wing 3.5.2019).

In Salahaddin wurden im April 2019 acht Vorfälle (Joel Wing 3.5.2019) mit zehn Toten und neun Verletzten (Joel Wing 1.5.2019) registriert. Einer davon war ein Angriff auf einen ISF-Konvoi, gefolgt von einem Hinterhalt für die Einsatzkräfte, die am Tatort eintrafen (Joel Wing 3.5.2019; vgl. UNAMI 3.1.2019). Im Mai 2019 wurden 20 Vorfälle mit 22 Toten und 28 Verwundeten verzeichnet (Joel Wing 5.6.2019) und im Juni neun Vorfälle mit vier Toten und neun Verletzten (Joel Wing 1.7.2019). Zwei Angriffe auf das Alas Ölfeld im Mai weiteten sich zu großen Feuergefechten aus (Joel Wing 5.6.2019).

Der Islamische Staat (IS) hat vermehrt Kämpfer und Material durch die Jazeera Wüste zwischen Ostsyrien und dem Westirak in den Westen des Gouvernements Anbar verlegt (ISW 19.4.2019; vgl. Joel Wing 3.5.2019). In dieser Region passierten auch die meisten der in Anbar verzeichneten Gewaltakte (Joel Wing 3.5.2019).

Seit Ende Jänner 2019 werden Trüffelsammler, meist in den Wüsten Anbars, vom IS entführt und manchmal, im Fall von Schiiten, getötet. Die irakischen Sicherheitskräfte bestätigten die Entführung von 44 Trüffelsammlern in diesem Jahr, wobei davon auszugehen ist, dass weitere Vorfälle nicht gemeldet wurden (NYT 19.5.2019). Im April wurde eine Autobombe gezündet, die gegen Trüffelsammler in der Rutba Wüste gerichtet war (Joel Wing 3.5.2019).

Die Rutba Wüste an der Grenze zu Saudi Arabien war das Ziel einer von einem gemischten irakischen Verband mit Luftunterstützung der Koalition durchgeführten Militäroperation (Rudaw 9.5.2019). Der Manöverbereich des IS in der Wüste konnte durch die irakischen Sicherheitskräfte um einige Kilometer verkleinert werden (D&S 10.6.2019).

Im April 2019 wurden in Anbar 16 Vorfälle (Joel Wing 3.5.2019) mit sieben Toten und 30 Verletzten (Joel Wing 1.5.2019) registriert , im Mai 2019 acht Vorfälle mit acht Toten und sieben Verwundeten (Joel Wing 5.6.2019) und im Juni 13 Vorfälle mit einem Toten und sieben Verletzten (Joel Wing 1.7.2019).

SÜDIRAK

Der Islamische Staat (IS) arbeitet daran seine Netzwerke im Norden des Gouvernements Babil wieder aufzubauen, mutmaßlich um Angriffe auf leichte Ziele (Anm. orig. "soft targets") in Bagdad und im Süden, in den heiligen Städten Karbala und Najaf, auszuführen (ISW 19.4.2019).

Fast immer, wenn es im Gouvernement Babil zu sicherheitsrelevanten Vorfällen kommt, geschehen diese im Bezirk Jurf al-Sakhr. Der vom Gouvernement Anbar aus zugängliche Bezirk musste von seiner Bevölkerung verlassen werden und dient nun den al-Hashd al-Sha'bi (Volksmobilisierungseinheiten, PMF) als Basis, weswegen der IS für gewöhnlich hier zuschlägt (Joel Wing 5.6.2019). Am 9. April stieß die 47. Brigade der Volksmobilisierungseinheiten (PMF) in Jurf al-Sakhr mit dem IS zusammen. Dieser zog sich zwar vorübergehend aus dem Gebiet zurück, es erfolgte jedoch keine vollständige Säuberung durch die PMF (ISW 19.4.2019). Im Mai fanden zwei Angriffe im nordwestlichen Jurf al-Sakhr und einer im zentralen Mahawil statt (Joel Wing 5.6.2019). Eine SVBIED-Attacke (Suicide Vehicle Borne Improvised Explosive Device) - die erste seit 2014 - in Jurf al-Sakhr konnte durch die 46. PMF-Brigade verhindert werden (ISW 19.4.2019).

Im April 2019 wurden in Babil drei sicherheitsrelevante Vorfälle (Joel Wing 5.6.2019) mit fünf Verletzten (Joel Wing 1.5.2019) registriert. Im Mai gab es drei Vorfälle mit zwei Toten und fünf Verletzten ( Joel Wing 5.6.2019) und im Juni waren es drei Vorfälle mit zwei Verletzten (Joel Wing 1.7.2019).

In Basra wurden im Juni zwei Vorfälle mit drei Verletzten registriert. Ein von internationalen Ölgesellschaften genutzter Gebäudekomplex wurde von Raketen getroffen. Mutmaßlich steckt eine pro-iranischen Gruppe hinter diesem Angriff (Joel Wing 1.7.2019).

Quellen:

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- ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (18.6.2019): Regional Overview - Middle East 18 June 2019, https://www.acleddata.com/2019/06/18/regional-overview-middle-east-18-june-2019/, Zugriff 18.6.2019

- ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (11.6.2019): Regional Overview - Middle East 11 June 2019, https://www.acleddata.com/2019/06/12/regional-overview-middle-east-11-june-2019/, Zugriff 18.6.2019

- ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (5.6.2019): Regional Overview - Middle East 5 June 2019, https://www.acleddata.com/2019/06/05/regional-overview-middle-east-5-june-2019/, Zugriff 18.6.2019

- Al Jazeera (28.5.2019): Turkey launches operation against PKK fighters in northern Iraq, https://www.aljazeera.com/news/2019/05/turkey-launches-operation-pkk-fighters-northern-iraq-190528140950966.html, Zugriff 18.6.2019

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (27.5.2019): Briefing Notes 27. Mai 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2010482/briefingnotes-kw22-2019.pdf, Zugriff 18.6.2019

- Der Standard (19.5.2019): Rakete schlägt in Grüner Zone in Bagdad ein, https://derstandard.at/2000103450186/Rakete-schlaegt-in-Gruener-Zone-in-Bagdad-ein, Zugriff 14.6.2019

- D&S - Difesa & Sicurezza (24.4.2019): Iraq, Isis chain of command in the Hamrin mountains in Diyala decimated, https://www.difesaesicurezza.com/en/defence-and-security/iraq-isis-chain-of-command-in-the-hamrin-mountains-in-diyala-decimated/, Zugriff 17.6.2019

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- ISW - Institute for the Study of War (19.4.2019): ISIS Resurgence Update - April 2019, https://iswresearch.blogspot.com/2019/04/isis-resurgence-update-april-16-2019.html, Zugriff 17.6.2019

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- NYT - The New York Times (19.5.2019): They Go to the Desert to Hunt for Truffles. But ISIS Is Hunting Them, https://www.nytimes.com/2019/03/19/world/middleeast/isis-truffle-iraq.html, Zugriff 17.6.2019

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- UNSC - United Nations Security Council (1.2.2019): Eighth report of the Secretary-General on the threat posed by ISIL (Da'esh) to international peace and security and the range of United Nations efforts in support of Member States in countering the threat, https://www.un.org/sc/ctc/wp-content/uploads/2019/02/N1901937_EN.pdf, Zugriff 18.6.2019

- USDOD - US Department of Defense (7.5.2019): Operation Inherent Resolve - Lead Inspector General report to the United States Congress, January 1,2019-March31 2019, https://media.defense.gov/2019/May/07/2002128675/-1/-1/1/LIG%20OCO%20OIR%20Q2%20MARCH2019.PDF, Zugriff 18.6.2019

- Xinhua (6.5.2019): 8 IS militants killed in operation in western Iraq desert, http://www.xinhuanet.com/english/2019-05/06/c_138036239.htm, Zugriff 18.6.2019

KI vom 9.4.2019, Sicherheitsupdate 1. Quartal 2019 (relevant für Abschnitt 3. Sicherheitslage)

Die folgende Karte von liveuamap zeigt die Einteilung des Irak in offiziell von der irakischen Zentralregierung kontrollierte Gouvernements (in rosa), die autonome Region Kurdistan (KRG) (in gelb) und Gebiete unter der weitgehenden Kontrolle von Gruppen des Islamischen Staates (IS) (in grau). Die Symbole kennzeichnen dabei Orte und Arten von sicherheitsrelevanten Vorfällen, wie Luftschläge, Schusswechsel/-attentate, Sprengstoffanschläge/Explosionen, Granatbeschuss, uvm.

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Quelle: Liveuamap - Live Universal Awareness Map (1.4.2019): Map of Iraq, https://iraq.liveuamap.com/en/time/01.04.2019, Zugriff 1.4.2019

Seit Sommer 2018 ist die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Irak zurückgegangen. Im Dezember 2018 wurde ein Rekordtief an Sicherheitsvorfällen registriert (Joel Wing 2.1.2019). Anfang 2019 ist diese Zahl wieder leicht angestiegen, wobei die Monate Jänner und Februar in etwa die gleichen Zahlen an Angriffen und Opfern aufweisen (Joel Wing 4.3.2019). Für März 2019 wurde die niedrigste, je vom Irak-Experten Joel Wing registriere Zahl von Sicherheitsvorfällen verzeichnet (Joel Wing 3.4.2019).

Die folgende Grafik von Iraq Body Count (IBC) stellt die von IBC im Irak dokumentierten zivilen Todesopfer seit 2003 dar (pro Monat jeweils ein Balken). Seit Februar 2017 sind nur vorläufige Zahlen (in grau) verfügbar. (IBC 3.2019).

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Quelle: Iraq Bodycount (3.2019): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 1.4.2019

Die folgende Tabelle des IBC gibt die Zahlen der Todesopfer an. Für Dezember 2018 sind 155 zivile Todesopfer im Irak ausgewiesen. Im Jänner 2019 wurden von IBC 323 und im Februar 2019 271 getötete Zivilisten im Irak dokumentiert (IBC 3.2019).

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Quelle: IBC - Iraq Bodycount (3.2019): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 1.4.2019

Der Islamische Staat (IS) ist im Irak weitestgehend auf Zellen von Aufständischen reduziert worden, die meist aus jenen Gebieten heraus operieren, die früher unter IS-Kontrolle standen, d.h. aus den Gouvernements Anbar, Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salahaddin. Laut dem Institute for the Study of War (ISW) werden nur die Distrikte Shirqat und Tuz in Salahaddin, Makhmour in Erbil, Hawija und Daquq in Kirkuk, sowie Kifri und Khanaqin in Diyala als umkämpft angesehen (EASO 3.2019). Das ganze Jahr 2018 über führten IS-Kämpfer Streifzüge nach Anbar, Bagdad und Salahaddin durch, zogen sich dann aber im Winter aus diesen Gouvernements zurück. Die Anzahl der verzeichneten Übergriffe und zivilen Todesopfern sank daher im Vergleich zu den Vormonaten deutlich ab (Joel Wing 2.1.2019).

BAGDAD

Aufständische haben mittlerweile die meisten ihrer Ressourcen aus Bagdad abgezogen, einst das Hauptziel des Terrorismus (Joel Wing 4.3.2019). Im Dezember 2018 wurden 15 sicherheitsrelevante Vorfälle mit zehn Toten (Joel Wing 2.1.2019) verzeichnet, bzw. 17 Tote und drei Verwundete (UNAMI 3.1.2019). Im Jänner 2019 wurden zwölf sicherheitsrelevante Vorfälle mit 13 Toten erfasst (Joel Wing 4.2.2019), im Februar dagegen nur noch sieben Vorfälle mit sieben Toten (Joel Wing 4.3.2019) und im März vier Vorfälle mit fünf Toten und fünf verletzten (Joel Wing 3.4.2019). Dabei handelte es sich meist um Schießereien/Schussattentate in den Vorstädten und Dörfern des Gouvernements (Joel Wing 4.3.2019).

Der IS behielt jedoch eine latente Präsenz nördlich von Bagdad und begann damit seine Unterstützungszone weiter auszubauen (ISW 7.3.2019). Er verfügt in Bagdad und den Bagdad Belts über mehrere aktive Zellen (EASO 3.2019). Der nördliche "Bagdad-Belt" dient dabei als Transferroute von Kämpfern zwischen den Gouvernements Anbar, Salahaddin und Diyala, während das sogenannte "Dreieck des Todes" im südlichen Bagdad-Belt IS-Gruppen in den Gouvernements Anbar, Bagdad und Babil verbindet. Irakische Sicherheitskräfte (ISF) haben seit Dezember 2018 mehrere IS-Kämpfer an Kontrollpunkten entlang der Autobahnen, die das Gouvernement Babil mit Bagdad verbindet, festgenommen und im Februar 2019 180 Personen mit Verbindungen zum IS verhaftet (ISW 7.3.2019).

AUTONOME REGION KURDISTAN (KRG)

In Nordkurdistan setzte die Türkei ihre Angriffe auf PKK-Stellungen fort. Zwei Treffer durch Luftschläge in Ninewa zogen letztlich einen Protest der irakischen Regierung nach sich. Die Türkei gab jedoch bekannt, ihre Aktionen fortführen zu wollen (Joel Wing 2.1.2019). Als Folge eines Luftangriffs, bei dem mutmaßlich einige Zivilisten ums Leben kamen, stürmte eine aufgebrachte Menge einen Posten der türkischen Armee nahe Dohuk, wobei eine Person ums Leben kam und zehn verletzt wurden (BBC 26.1.2019). Im Dezember 2018 wurden zwölf Luftschläge mit 31 Toten registriert (Joel Wing 2.1.2019) im Jänner 2019 elf mit 35 Toten (Joel Wing 4.2.2019) und im März zwei Vorfälle mit 32 Toten und 10 Verletzten (Joel Wing 3.4.2019). Zusammenstöße zwischen türkischen Soldaten und kurdischen Kämpfern hatten Todesopfer auf beiden Seiten zur Folge (Joel Wing 26.3.2019). Am 30.3.2019 bombardierte die türkische Luftwaffe erneut PKK-Stellungen im Qandil Gebirge (BAMF 1.4.2019).

Der IS rekrutiert in der kurdischen Autonomieregion (ISW 7.3.2019).

NORD- UND ZENTRALIRAK

In einem Bericht des UN-Sicherheitsrats vom 1.2.2019 heißt es, dass verbliebene IS-Kämpfer nach wie vor eine Bedrohung im Nord- und Zentralirak (Gouvernements Kirkuk, Ninewa und Salahaddin, sowie Anbar, Bagdad und Diyala) darstellen (UNSC 1.2.2019). Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salahaddin sind dabei das Herzstück der Umgruppierungsbemühungen des IS. Dort werden monatlich auch die meisten sicherheitsrelevanten Vorfälle verzeichnet. Der IS ist beinahe im gesamten ruralen Gebiet dieser Gouvernements aktiv, kann sich Berichten zufolge in einigen Städten nachts völlig frei bewegen und hebt Steuern ein (Joel Wing 3.4.2019). Die Lage in diesen umstrittenen Gebieten hat sich nach dem Abzug der kurdischen Peschmerga 2017 verschärft (Landinfo 8.1.2019). Die Konkurrenz zwischen der irakischen Zentralregierung und der kurdischen Autonomieregierung, erzeugt in diesen Gebieten zusätzliche Instabilität, die wiederum vom IS ausgenutzt werden kann (ISW 7.3.2019). Sowohl kurdische Streitkräfte als auch Mitglieder der vom Iran unterstützten Volksmobilisierungskräfte (PMF) üben weiterhin in unterschiedlichem Ausmaß Kontrolle und Einfluss aus, was die Zentralregierung in eine prekäre Lage versetzt, da sie sowohl mit zivilen Unruhen, als auch mit Versuchen einer Reorganisation des IS umgehen und gleichzeitig ihre Verbündeten unter Kontrolle halten muss (ACLED 2019).

Insbesondere ländliche Gebiete, das Hamrin-Gebirge, sowie das Diyala-Flußdelta dienen dem IS als Rückzugsorte, von wo bereits im Jahr 2018 ein Großteil der IS-Operationen im Irak ausgegangen sind (Landinfo 8.1.2019). Das Hamrin-Gebirge ermöglicht dabei den Nord-Süd Übergang zwischen den Gouvernements Ninewa und Diyala und bietet dem IS dauerhaften Schutz vor Luftangriffen und Bodenoffensiven (ISW 7.3.2019). Es gelang den irakischen Sicherheitskräften (ISF) bisher trotz umfangreicher Säuberungsaktionen nicht, den IS aus Hawija zu vertreiben (ISW 7.3.2019; vgl. Landinfo 8.1.2019). Zwischen 25. und 27. März wurde eine neuerliche koordinierte Luft- und Bodenoperation durch die Luftwaffe der Koalition und die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) gegen den IS im nordwestlichen Irak geführt (OIR 29.3.2019).

Der IS führt seine Operationen hauptsächlich südlich und westlich von Ninewas Hauptstadt Mossul durch (Joel Wing 4.2.2019). Er soll auch in der Stadt über Schläferzellen verfügen. und hat dort zuletzt im Februar 2019 eine Autobombe eingesetzt (ISW 7.3.2019). Seit einigen Wochen fordern IS-Angriffe insbesondere in Ninewa regelmäßig viele Opfer (Joel Wing 1.4.2019). So wurden in der Provinz im Dezember 2018 22 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 36 Toten und 37 Verwundeten registriert, wobei hier elf ältere Leichen eingerechnet wurden, die aus Trümmern der Altstadt von Mossul geborgen wurden. Mit den verbliebenen 25 im Dezember getöteten Personen und 37 Verwundeten verzeichnete die Provinz die meisten Gewaltopfer im Irak im Dezember (Joel Wing 2.1.2019). Die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen für den Irak nennt für den selben Zeitraum hingegen sieben Tote und 19 Verwundete (UNAMI 3.1.2019). Im Jänner 2019 wurden neun Vorfälle mit 75 Toten und einer verwundeten Person, sowie zwei Massengräberfunde (ältere Gräber aus der Zeit der IS-Herrschaft) mit den Überresten von insgesamt 66 Leichen verzeichnet (Joel Wing 4.2.2019). Im Februar kam es erneut zu einem Anstieg der IS-Aktivitäten, mit 20 Vorfällen mit 147 Toten und 31 Verletzten, wobei wiederum die meisten der Toten auf Funde von Massengräbern älteren Datums zurückgehen (Joel Wing 4.3.2019). Im März wurden elf Vorfälle mit 109 Toten und 53 Verletzten registriert (Joel Wing 3.4.2019).

In Diyala kam es im Dezember 2018 zu 28 sicherheitsrelevanten Vorfällen, mit insgesamt 15 Toten und 16 Verwundeten, darunter drei Angriffe auf Kontrollpunkte (Joel Wing 2.1.2019), sowie Mörserbeschuss der Stadt Saraya (Joel Wing 10.12.2018). Im Jänner 2019 wurden 32 Vorfälle mit zehn Toten und 21 Verwundeten registriert (Joel Wing 4.2.2019), im Februar 26 Vorfälle mit acht Toten und 16 Verwundeten (Joel Wing 4.3.2019) und im März 17 Vorfälle mit acht Toten und 18 Verletzten (Joel Wing 3.4.2019).

In Kirkuk wurden im Dezember 17 Vorfälle mit 204 Toten und 16 Verwundeten registriert, wobei 200 Leichenfunde aus einem Massengrab im Distrikt Hawija im Süden Kirkuks miteingerechnet wurden (Joel Wing 2.1.2019). Im Jänner 2019 wurden 28 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 13 Toten und 31 Verwundeten registriert (Joel Wing 4.2.2019), im Februar 17 Vorfälle mit 17 Toten und 7 Verwundeten (Joel Wing 4.3.2019) und im März 15 Vorfälle mit sieben Toten und sechs Verletzten (Joel Wing 3.4.2019). Die Stämme von Diyala kündigten um Jänner 2019 eine Mobilmachung gegen den IS an, um die Sicherheitskräfte in ihrem Kampf zu unterstützen (Diyaruna 21.1.2019).

In Salahaddin wurden im Dezember acht Vorfälle mit drei Toten und zwei, bzw. drei Verletzten registriert (Joel Wing 2.1.2019; vgl. UNAMI 3.1.2019), im Jänner 2019 14 Vorfälle mit 17 Toten und 36 Verwundeten (Joel Wing 4.2.2019), im Februar 18 Vorfälle mit 25 Toten und 48 Verwundeten (Joel Wing 4.3.2019) und im März acht Vorfälle mit acht Toten und 14 Verletzten (Joel Wing 3.4.2019).

In Anbar, ist es dem IS wieder gelungen eine Unterstützungszone in der Nähe von Amariyat al-Fallujah einzurichten, von der aus seit August 2018 Angriffe in Fallujah erfolgen (ISW 7.3.2019). Im Dezember 2018 wurden in Anbar acht Vorfälle mit acht Toten und 13 Verwundeten registriert (Joel Wing 2.1.2019), im Jänner 2019 16 Vorfälle mit elf Toten und 35 Verwundeten (Joel Wing 4.2.2019), im Februar 28 Vorfälle mit 46 Toten und 26 Verletzten und im März fünf Vorfälle mit acht Toten und fünf Verletzten (Joel Wing 3.4.2019). Der starke Anstieg im Februar wird auf das Einsickern fliehender IS-Kämpfer aus dem benachbarten Syrien zurückgeführt (Joel Wing 4.3.2019).

SÜDIRAK

Am 21.12.2018 setzte die Polizei scharfe Munition und Tränengas ein, um Demonstranten im südirakischen Basra an der Erstürmung eines Regierungsgebäudes zu hindern. Die zweitgrößte Stadt des Landes erlebt seit Juli 2018 ausgedehnte Proteste gegen Korruption, Misswirtschaft, die schlechte Grundversorgung und Arbeitslosigkeit (Guardian 18.7.2018; vgl. Reuters 21.12.2019). Auch 2019 kommt es weiterhin zu häufigen

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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