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L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §42 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde 1. der Adolfine Heindl und 2. des Mag. Gerald Heindl, beide in Wien, vertreten durch
Dr. Peter Getreuer, Rechtsanwalt in Wien III, Weyrgasse 6,
gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 12. August 1997, Zl. MD-VfR - B XXIII - 17/97, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: Paul Scheidl in Wien XXIII, Montessorigasse 3), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Ansuchen vom 26. April 1995 beantragte der Mitbeteiligte die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer Garage als Zubau zum bestehenden Wohnhaus auf seinem Grundstück in Wien XXIII, Montessorigasse 3. Die Beschwerdeführer sind mit ihrem Grundstück Montessorigasse 5 seitliche Nachbarn an jener Seite, an der zwischen dem Wohngebäude und der Grundstücksgrenze die Garage errichtet werden soll.
Bei der am 6. Dezember 1995 durchgeführten Bauverhandlung brachten sie vor: "Wir sind gegen die Höhe, Länge und den Standort der eingereichten Garage".
Mit Bescheid vom 30. Jänner 1997 erteilte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37 die begehrte Baubewilligung. Aufgrund der bekanntgegebenen Bebauungsbestimmungen soll in der rechten Abstandsfläche anstelle des vorhandenen Einstellplatzes eine gemauerte Garage errichtet werden. Als im Gesetz nicht begründet wurden die Anrainereinwendungen der Beschwerdeführer hinsichtlich der Beeinspruchung der Höhe, Länge und des Standortes der geplanten Garage abgewiesen, weil gemäß § 4 Abs. 4 Wiener Garagengesetz Kleinanlagen bis zu einer Bodenfläche von 50 m2 in Gebieten der Bauklasse I auch auf seitlichen Abstandsflächen errichtet werden können.
Die dagegen erhobene, ausführlich begründete Berufung der Beschwerdeführer wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unzulässig zurück. Eine Einwendung im Rechtssinn liege nur vor, wenn das Vorbringen die Behauptung der Verletzung eines subjektiven Rechtes durch das den Gegenstand des Bewilligungsverfahrens bildende Vorhaben zum Inhalt habe, wenn also dem Parteivorbringen die Verletzung eines bestimmten Rechtes entnommen werden könne. Diesen Zusammenhang zwischen dem Bauvorhaben und ihren subjektiv-öffentlichen Rechten hätten die Berufungswerber nicht hergestellt, da sie sich nur ganz allgemein gegen die Lage, Höhe und den Standort der Garage ausgesprochen und nicht etwa die Überschreitung der nach den Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes und Bebauungsplanes zulässigen Gebäudehöhe, die Unzulässigkeit der Verbauung der für die gegenständliche Garage vorgesehenen Grundfläche oder die Unvereinbarkeit des Projektes mit den Bestimmungen des Garagengesetzes geltend gemacht hätten. Diesem Vorbringen sei nicht zu entnehmen, worin die konkrete Verletzung ihrer Rechte durch das gegenständliche Bauvorhaben gelegen sein soll. Auch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei das Vorbringen eines Anrainers, mit dem Bauvorhaben nicht einverstanden zu sein - die gegenständliche Einwendung laufe darauf hinaus -, nicht als rechtswirksame Einwendung anzusehen. Aufgrund des Unterbleibens von rechtswirksamen, spezialisierten Einwendungen im Sinne des § 134a Abs. 1 der Bauordnung für Wien hätten die Beschwerdeführer keine Parteistellung erlangt. Dadurch, daß die Baubehörde erster Instanz die Einwendungen irrtümlich abgewiesen und nicht zurückgewiesen habe, seien die Beschwerdeführer in keinem Recht verletzt worden.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Einräumung der Parteistellung verletzt erachten. Sie begehren die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und
erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 134 Abs. 3 der Bauordnung für Wien (in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 34/1992; im folgenden: BO) sind die Eigentümer benachbarter Liegenschaften dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre im § 134a erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte berührt und sie spätestens bei der mündlichen Verhandlung Einwendungen im Sinne des § 134a gegen die geplante Bauführung erheben. § 134a BO lautet:
"Subjektiv-öffentliche Nachbarrechte, deren Verletzung die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften (§ 134 Abs. 3) im Baubewilligungsverfahren geltend machen können, werden durch folgende Bestimmungen, sofern sie ihrem Schutze dienen, begründet:
a)
Bestimmungen über den Abstand eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage zu den Nachbargrundgrenzen, jedoch nicht bei Bauführungen unterhalb der Erdoberfläche;
b)
Bestimmungen über die Gebäudehöhe;
c)
Bestimmungen über die flächenmäßige Ausnützbarkeit von Bauplätzen, Baulosen und Kleingärten;
d)
Bestimmungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Fluchtlinien;
e)
Bestimmungen, die den Schutz vor Immissionen, die sich aus der widmungsgemäßen Benützung eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage ergeben können, zum Inhalt haben. Die Beeinträchtigung durch Immissionen, die sich aus der Benützung eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage zu Wohnzwecken oder für Stellplätze im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß ergibt, kann jedoch nicht geltend gemacht werden."
§ 134 Abs. 3 BO knüpft somit nicht nur die Berücksichtigung von Einwendungen (§ 42 Abs. 1 AVG) sondern überhaupt die Parteistellung des Nachbarn an die rechtzeitige Erhebung der Einwendungen an. Die entscheidende Frage ist daher, ob das zitierte Vorbringen der Beschwerdeführer in der Bauverhandlung eine Einwendung im Rechtssinn darstellt oder nicht. Aus nachstehenden Erwägungen schließt sich der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung der belangten Behörde, das Vorbringen sei nicht als Einwendung zu werten, nicht an:
Dem Begriff der Einwendung ist die Behauptung einer Verletzung mit Bezug auf ein bestimmtes Recht immanent, das heißt, die Geltendmachung der Verletzung eines subjektiven Rechtes. Eine Einwendung im Rechtssinne liegt also nur vor, wenn das Vorbringen eine Behauptung der Verletzung eines subjektiven Rechtes durch das den Gegenstand des Bewilligungsverfahrens bildende Vorhaben zum Inhalt hat. Es muß gefordert werden, daß wenigstens erkennbar ist, aus welchen Gründen sich der Nachbar gegen das Bauvorhaben des Bauwerbers wendet, welche Rechtsverletzung behauptet wird (Hauer, Der Nachbar im Baurecht4, 84 m.w.N).
Die Beschwerdeführer waren mit einem Vorhaben konfrontiert, wonach eine Garage errichtet werden soll, die eine Höhe von 2,7 m oder 3,10 m (beide Angaben sind im Plan enthalten) aufweisen soll und in ihrer gesamten Länge von 7,60 m an der Grundstücksgrenze zum Grundstück der Beschwerdeführer errichtet werden soll. Mit dem Vorbringen, "wir sind gegen die Höhe" haben sie geltend gemacht, daß durch die geplante Garage Bestimmungen über die Gebäudehöhe (§ 134a lit. b BO) verletzt würden; mit dem Vorbringen, "wir sind gegen die Länge und den Standort", haben sie eine Verletzung von Bestimmungen über den Abstand eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage zu den Nachbargrundgrenzen (§ 134a lit. a BO) geltend gemacht. So wie der Bauwerber seinen Antrag nicht begründen muß, ist auch der Nachbar nicht verpflichtet, seinen Antrag, also seine Einwendung, zu begründen (Hauer, a.a.O.). Es wird zwar für die erfolgreiche Verfolgung der Rechte eines Nachbarn zweckmäßig sein, wenn er seine Einwendungen entsprechend begründet und exakt klarlegt, inwiefern ein Projekt gegen bestimmte gesetzliche Bestimmungen verstoße; für eine Einwendung, die die Basis der Parteistellung darstellt, muß es aber genügen, daß Rechtsverletzungen bloß behauptet werden. Schließlich fordert auch der Gesetzeswortlaut nur "Einwendungen" und nicht etwa "begründete" Einwendungen (vgl. § 63 Abs. 3 AVG). Die belangte Behörde zeigt selbst in der Gegenschrift auf, daß die Anrainer nicht verpflichtet sind, konkrete Gesetzesbestimmungen anzuführen, aus denen sich die Verletzung ihrer Nachbarrechte ergibt. Wenn sich ein Nachbar gegen die Gebäudehöhe, die Längsausdehnung und die Situierung wehrt, wurde den Mindestanforderungen von Einwendungen sehr wohl entsprochen und es kann keine Rede davon sein, daß es sich um eine begründungslose Ablehnung des eingereichten Projektes handle.
Da somit die Beschwerdeführer Einwendungen im Rechtssinne erhoben haben, kommt ihnen im gegenständlichen Bauverfahren Parteistellung zu. Dadurch, daß die belangte Behörde, ausgehend von einer unrichtigen Rechtsansicht, die Berufung der Beschwerdeführer nicht materiell behandelte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994; die Beschwerdeführer können nur den Ersatz der Stempelgebühren begehren, zu deren Entrichtung sie verpflichtet waren.
Durch die Entscheidung in der Sache selbst erübrigt sich ein Eingehen auf den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Schlagworte
Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Parteien BauRallg11/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997050261.X00Im RIS seit
03.05.2001