TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/8 L521 2150327-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.11.2019
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Entscheidungsdatum

08.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L521 2150327-1/26E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Mathias Kopf, LL.M. über die Beschwerde des XXXX , Staatsangehörigkeit Irak, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, 1090 Wien, Alser Straße 20, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.02.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 17.04.2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte im Gefolge seiner schlepperunterstützten unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet am 12.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung am Tag der Antragstellung legte der Beschwerdeführer dar, den im Spruch genannten Namen zu führen, ledig und Staatsangehöriger des Irak zu sein. Er sei am XXXX geboren und habe im Herkunftsstaat in der Region XXXX gelebt und gehöre der ethno-religiösen Gruppen der Jesiden an.

Im Hinblick auf seinen Reiseweg brachte der Beschwerdeführer vor, den Irak am 03.08.2014 legal von seiner Herkunftsregion ausgehend auf dem Landweg über Syrien in die Türkei verlassen zu haben. Am 06.06.2015 habe er mit Unterstützung eines Schleppers in Istanbul einen Lastkraftwagen bestiegen, mit welchem er in der Folge Österreich verbracht worden sei.

Zu den Gründen seiner Ausreise befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass er als Jeside vor den Milizen des Islamischen Staates habe flüchten müssen.

2. Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 02.08.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, im Beisein eines Dolmetschers in kurdischer Sprache niederschriftlich vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter einvernommen.

Eingangs bestätigte der Beschwerdeführer, die kurdisch Sprache sowie den anwesenden Dolmetscher zu verstehen und der Einvernahme in gesundheitlicher Hinsicht folgen zu können. Zur Person befragt legte der Beschwerdeführer insbesondere dar, er sei ledig und habe keine Kinder. Seine Eltern lebten gegenwärtig in der Türkei, von seinen vier Brüdern würden zwei Brüder bei seinen Eltern in der Türkei leben. Ein Bruder lebe in der Nähe der Stadt Dohuk in der autonomen Region Kurdistan, ein weiterer Bruder lebe in Hamburg. Von seinen sechs Schwestern würden sich drei Schwestern in der Türkei bei seinen Eltern aufhalten, eine weitere Schwester sei verheiratet und halte sich an einen ihm unbekannten Ort im Irak auf. Zwei Schwestern würden schließlich bei seinem Bruder in der Nähe der Stadt Dohuk in der autonomen Region Kurdistan leben.

Er selbst habe vor der Ausreise im Dorf XXXX in der Region XXXX gelebt. Die Schule habe er nur zwei Jahre lang besucht, daher im elterlichen Betrieb habe mitarbeiten müssen. Des Lesens und des Schreibens sei ermächtigt. Im Irak habe er zuletzt in der Landwirtschaft sowie als Maler und Lackierer gearbeitet.

Befragt nach dem Grund für das Verlassen des Heimatstaates gab der Beschwerdeführer an, die Milizen des islamischen Staates hätten am 03.08.2014 seinen Heimatort angegriffen und erobert. Er sei dann zunächst in das Gebirge geflüchtet und habe dann am 10.8.2014 den Irak verlassen können.

3. Mit dem hier angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.02.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wider den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG 2005 erlassen sowie unter einem gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak gemäß § 46 FPG 2005 zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 wurde ausgesprochen, dass die Frist für eine freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, das Vorbringen des Beschwerdeführers werde im Hinblick auf den Ausreisegrund als glaubhaft erachtet, jedoch sei der Beschwerdeführer vor der Ausreise keiner konkreten individuellen Bedrohung ausgesetzt gewesen, da er keine erlittenen oder ihm drohenden Übergriffe in den Raum gestellt habe. Dem Beschwerdeführer stehe eine Rückkehr in die autonomen Region Kurdistan als innerstaatliche Aufenthaltsalternative offen. Er verfüge dort über nahe Verwandte, sodass ihm eine Rückkehr möglich und zumutbar wäre.

4. Mit Verfahrensanordnung vom 27.02.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben und der Beschwerdeführer ferner gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

5. Gegen den dem Beschwerdeführer am 02.03.2017 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet sich die im Wege der dem Beschwerdeführer beigegebenen und von ihm bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

In dieser wird inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert und beantragt, den angefochtenen Bescheid abzuändern und dem Antrag auf internationalen Schutz Folge zu geben und dem Beschwerdeführer der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen oder hilfsweise des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen oder hilfsweise dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 oder § 57 AsylG 2005 zu erteilen und die Rückkehrentscheidung aufzuheben. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt und jedenfalls die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht begehrt.

In der Sache bringt der Beschwerdeführer nach neuerlicher Darlegung des aus seiner Sicht maßgeblichen Sachverhaltes vor, im Verfahren wahrheitsgemäße Angaben getätigt zu haben. Die Milizen des islamischen Staates hätten das Dorf des Beschwerdeführers eingenommen und er habe deshalb den Irak verlassen müssen. Der irakische Staat sei nicht in der Lage, den Beschwerdeführer vor Verfolgung zu schützen. Das belangte Bundesamt habe es unterlassen, sich mit dem individuellen Vorbringen des Beschwerdeführers sachgerecht auseinanderzusetzen. Darüber hinaus sei die Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem belangten Bundesamt mangelhaft gewesen.

6. Die Beschwerdevorlage langte am 16.03.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen.

7. Zur Vorbereitung der für den 17.04.2018 anberaumten mündlichen Verhandlung übermittelte der Beschwerdeführer im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung am 12.04.2018 Beweismittel im Hinblick auf seine Integration im Bundesgebiet.

8. Am 17.04.2018 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers, seiner rechtsfreundlichen Vertretung und eines Dolmetschers für die Sprache Kurmancî durchgeführt. Im Verlauf dieser Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer einerseits Gelegenheit gegeben, neuerlich seine Ausreisemotivation umfassend darzulegen sowie die aktuelle Lageentwicklung im Irak anhand von Länderdokumentationsunterlagen eingehend erörtert.

9. Am 23.04.2018 langte eine schriftliche Stellungnahme des Beschwerdeführers insbesondere zu den in der mündlichen Verhandlung erörterten und ausgehändigten Länderdokumentationsunterlagen beim Bundesverwaltungsgericht ein.

10. Das Bundesverwaltungsgericht richtete am 20.6.2018 eine Anfrage an die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl im Hinblick auf die gegenwärtige Lage in der Region XXXX und die dortigen Aktivitäten schiitischer Milizen.

11. Die bezughabende Anfragebeantwortung langte am 28.09.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

12. Mit Noten des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.12.2018, vom 23.04.2019 und vom 18.09.2019 wurden dem Beschwerdeführer im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung jeweils aktualisierte Berichte zur Lage im Herkunftsstaat zur Abgabe einer Stellungnahme übermittelt. Der Beschwerdeführer nahm dazu mit Eingaben vom 14.12.2018, vom 20.8.2019 und vom 03.10.2019 Stellung bzw. brachte seinerseits weitere Beweismittel im Hinblick auf seine Integration im Bundesgebiet in Vorlage.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , er ist Staatsangehöriger des Irak und Angehöriger der ethno-religiösen Gruppe der Jesiden. Er wurde am XXXX in Syrien geboren, seine Geburt wurde jedoch nach der Übersiedlung seiner Eltern in die Stadt XXXX im gleichnamigen Distrikt des Gouvernements Ninawa erst dort erfasst. Er lebte vor der Ausreise in einem in seinem Besitz befindlichen Haus im Ort XXXX in im Distrik XXXX . Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Er beherrscht Kurmancî auf muttersprachlichem Niveau, außerdem spricht er auf mittlerem Niveau Arabisch.

Der Beschwerdeführer ist gesund und steht nicht in medizinischer Behandlung.

Der Beschwerdeführer besuchte im Herkunftsstaat die Schule im Ausmaß von höchstens zwei Jahren und erwarb dort rudimentäre Kenntnisse im Lesen und Schreiben. Im Anschluss verließ er die Schule und trat bereits im Alter von zwölf Jahren in das Berufsleben ein, indem er in einer Tischlerei zu arbeiten begann. Zuletzt war der Beschwerdeführer als Handwerker - Tischler, Elektriker und Maler - beruflich tätig und arbeitete nebenbei auch in der Landwirtschaft.

Die Eltern des Beschwerdeführers leben in der Türkei, ebenso wie drei seiner Schwestern und zwei seiner Brüder. Ein Bruder des Beschwerdeführers lebt in Hamburg. Ein weiterer Bruder des Beschwerdeführers lebt ebenso wie zwei seiner Schwestern in der Stadt XXXX im Gouvernement Dohuk der autonomen Region Kurdistan. Eine weitere Schwester des Beschwerdeführers ist verheiratet und lebt im Irak, ihr gegenwärtiger Aufenthaltsort ist dem Beschwerdeführer nicht bekannt.

Am 10.08.2014 verließ der Beschwerdeführer den Irak auf dem Landweg und gelangte über Syrien in die Türkei, wo er mehrere Monate zubrachte. Am 06.06.2015 verließ der Beschwerdeführer die Türkei und gelangte schlepperunterstützt auf dem Landweg nach Österreich, wo er am 12.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Für die Schleppung wendete er ca. USD 10.000,00 auf.

1.2. Der Beschwerdeführer gehört keiner politischen Partei oder politisch aktiven Gruppierung an und hatte in seinem Herkunftsstaat vor seiner Ausreise keine Schwierigkeiten mit Behörden, Gerichten oder Sicherheitskräften seines Herkunftsstaates zu gewärtigen.

Der Beschwerdeführer verließ seinen Heimatort am 03.08.2014 vor den vorrückenden Milizen des Islamischen Staates, ohne dass es zu einer persönlichen Konfrontation mit Kämpfern des Islamischen Staates oder gegen den Beschwerdeführer gerichteten Übergriffen kam. Den Irak verließ er am 10.08.2014 aufgrund der für Binnenvertriebene unzureichenden Versorgungs- und Sicherheitslage.

Der Beschwerdeführer ist im Fall einer Rückkehr in seine Herkunftsregion (Gouvernement Ninawa) nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer von staatlichen Organen oder Dritten ausgehenden individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt.

Der Beschwerdeführer ist im Fall einer Rückkehr in seine Herkunftsregion (Gouvernement Ninawa) auch nicht einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretenden individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt aufgrund seiner Zugehörigkeit zur ethno-religiösen Gruppe der Jesiden ausgesetzt.

Das Gouvernement Ninawa ist über den Flughafen Erbil und anschließend die Schnellstraße 2 (via Kalak und Bartella) oder über den Flughafen Bagdad und anschließend die Schnellstraße 1 (via Samarra, Tikrit und Baidschi) sicher erreichbar.

1.3. Dem Beschwerdeführer droht im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat nicht die Todesstrafe. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie kriegerische Ereignisse oder extremistische Anschläge im Irak.

1.4. Der Beschwerdeführer ist ein gesunder, arbeits- und anpassungsfähiger Mensch mit grundlegender Ausbildung in der Schule sowie mit im Herkunftsstaat erworbener Berufserfahrung in der Landwirtschaft sowie als Handwerker.

Der Beschwerdeführer verfügt über eine - wenn auch auf niedrigerem Niveau als im Bundesgebiet - gesicherte Existenzgrundlage in seiner Herkunftsregion (Gouvernement Ninawa, Distrikt Sinjar) und dort über Grundbesitz und nach der Instandsetzung über eine Wohnmöglichkeit im Haus seiner Familie. Dem Beschwerdeführer ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Sicherstellung seines Auskommens möglich und zumutbar. Der Distrikt Sinjar ist für den Beschwerdeführer sicher erreichbar.

1.5. Dem Beschwerdeführer steht darüber hinaus eine Rückkehr in seine Herkunftsregion und dort in ein jesidisch dominiertes Gebiet im Distrikt Sheikhan an der Grenze zum Gouvernement Dohuk offen. Er verfügt auch dort über eine - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherte Existenzgrundlage und es ist ihm auch dort die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Sicherstellung seines Auskommens möglich und zumutbar. Der Distrikt Sheikhan ist für den Beschwerdeführer sicher erreichbar.

1.6. Der Beschwerdeführer verfügt über irakische Ausweisdokumente im Original (Personalausweis, Staatsbürgerschaftsnachweis).

1.7. Der Beschwerdeführer hält sich seit dem 12.06.2015 in Österreich auf. Er reiste rechtswidrig in das Bundesgebiet ein, ist seither durchgehend im Bundesgebiet als Asylwerber aufhältig und verfügt über keinen anderen Aufenthaltstitel.

Der Beschwerdeführer bezieht seit der Antragstellung Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber und war zunächst Unterkünften für Asylwerber in der Gemeinden XXXX untergebracht. Seit dem 25.04.2017 lebt der Beschwerdeführer in Unterkünften für Asylwerber in der Stadt Salzburg, wobei sein Grundversorgungsbezug von Zeiten unsteten Aufenthaltes sowie einer unrechtmäßigen Weiterreise in die Bundesrepublik Deutschland unterbrochen ist. Zuletzt wurde die Wiederaufnahme in die Grundversorgung mit 11.09.2019 bewilligt.

Der Beschwerdeführer war im Bundesgebiet nicht legal erwerbstätig, er hat auch gegenwärtig keine Erwerbstätigkeit am regulären Arbeitsmarkt in Aussicht, ist jedoch arbeitswillig. Er verrichtete im Bundesgebiet keine gemeinnützigen Tätigkeiten.

Der Beschwerdeführer besuchte Qualifizierungsmaßnahmen zum Erwerb der deutschen Sprache auf dem Niveau A1.1 im Umfang von 60 Einheiten in den Monaten September 2016 bis Januar 2017 und legte am 08.08.2019 die Prüfung auf dem Niveau A1 ab. Der Beschwerdeführer verfügt über grundlegende Kenntnisse der deutschen Sprache.

Der Beschwerdeführer ist für keine Person im Bundesgebiet sorgepflichtig und alleinstehend. Eine Unterstützerin (Deutschlehrerin) attestiert ihm Zuverlässigkeit und die Bereitschaft, sich zu integrieren. Eine weitere Unterstützerin (Deutschlehrerin) bezeichnet den Beschwerdeführer als bemüht und motiviert, freundlich, offen und respektvoll. Am 21.05.2016 nahm der Beschwerdeführer am "Refugee-Fußballturnier" in Bischofshofen teil. Im Übrigen pflegt der Beschwerdeführer normale soziale Kontakte zu Personen aus dem kurdischen Kulturkreis und zu österreichischen Staatsangehörigen an seinem Wohnort und spielt Fußball.

1.8. Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet war nie nach § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Abs. 1a FPG geduldet. Sein Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Der Beschwerdeführer wurde nicht Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder 382e EO.

1.9. Zu den Aktivitäten schiitischer Milizen in Sindschar und Übergriffen gegen religiöse Minderheiten in der Provinz Ninawa werden folgende Feststellungen getroffen:

Die PMF (Popular Mobilisation Forces bzw. "Volksmobilmachungseinheiten") bestehen aus mehr als 60 verschiedenen Gruppierungen. Dabei handelt es sich großteils um vom Iran unterstützte schiitische Milizen, es gibt jedoch auch irakische schiitische Milizen (Anhänger von Großayatollah Ali al-Sistani oder Muqtada al-Sadr) und Milizen ethnischer und/oder religiöser Minderheiten wie Sunniten (Ninewa Guards), Jesiden (Sinjar Resistance Units bzw. Yekîneyên Berxwedana Sengalê? [YBS], Lalish-Bataillon), Christen (Kataeb Babiliyoun), Turkmenen, Shabak, etc. Die Sinjar Resistance Units sind eine jesidische Gruppierung mit starker Verbindung zur Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) in der Türkei und zu den syrischen YPG. Jesiden kämpfen sowohl im Rahmen kurdischer Verbände wie der Peschmerga als auch schiitischer Milizen und haben darüber hinaus auch eine eigene Miliz, die YBS, gegründet.

Einem Bericht der International Crisis Group (ICG) zufolge hat 2017 eine Kombination aus irakischen Sicherheitskräften und vom Iran unterstützten schiitischen Milizen den Islamischen Staat sowie Peschmerga der PDK (Partiya Demokrata Kurdistanê) aus dem Bezirk Sinjar vertrieben. Im Mai 2017 eroberten schiitische Milizen die südliche Hälfte des Bezirks Sinjar. Zu jener Zeit kontrollierten jesidische Einheiten, die entweder der PKK oder der KDP nahestanden, die Stadt Sinjar und die Bezirkshälfte nördlich des Berges (Mount Sinjar). Die schiitischen Milizen wurden von der Miliz Kataaeb Imam Ali angeführt und stellten sich selbst als irakische Einheiten dar, die Bagdads Befehlen folgt. Die Einheiten der PDK wollten sich der durch die schiitischen Milizen angeführten Offensive gegen den Islamischen Staat im Süden Sinjars nicht anschließen. Die ortsansässigen Jesiden gründeten entweder eigene Bataillone, oder schlossen sich bereits existierenden wie dem Lalish-Bataillon (Fawj Lalish) an, den die PMF bereits 2014 gegründet hatten. Einige Jesiden verließen ihre PDK-Einheiten und schlossen sich schiitischen Milizen an, die entlang der Grenze und innerhalb des Bezirks stationiert waren. Nach der Vertreibung des sogenannten Islamischen Staates (IS) delegierten die PMF Angelegenheiten der inneren Sicherheit an die von ihnen gegründeten bewaffneten Gruppierungen. Die PMF zogen auch einige Stammesführer der Jesiden auf ihre Seite. Am 16.-17.10.2017, nach dem kurdischen Unabhängigkeitsreferendum, zogen sich kurdische Kräfte aus der Region Sindschar in Richtung der autonomen Region Kurdistan gänzlich zurück. An ihre Stelle traten irakische Streitkräfte und schiitische Milizen der PMF. Die 15. Division der Armee übernahm die arabische Stadt Rabiya (zwischen Sinjar und der Kurdenregion), PMF-Einheiten und mit ihnen verbündete Gruppen übernahmen die Grenze zwischen Rabiya und Umm Jaris. In Khanasour kontrollieren Kräfte der YPG/YBS (Sinjar Resistance Units) 15 km entlang der Grenze.

Von Mitte Oktober 2017 an hatten ICG zufolge vom Iran unterstützte Volksmobilmachungseinheiten militärisch und politisch die Oberhand in Sinjar. Sie sind formal in die Strukturen der irakischen Sicherheitskräfte integriert, agieren aber als Parallelinstitutionen zu den staatlichen Sicherheitskräften mit eigener Kommandostruktur. Kommandeure der PMF bestimmen, wer an der irakisch-syrischen Grenze im Süden von Sinjar stationiert wird, wer strategische Straßen kontrolliert oder welcher Armee- oder PMF-Einheit sich die immer mehr werdenden jesidischen Rekruten anschließen sollen. Auch politisch übten die PMF großen Einfluss aus. Im selben Bericht der International Crisis Group findet sich eine Grafik, die verdeutlicht, welche bewaffneten Gruppierungen welche Gebiete im Jänner 2018 kontrollierten. Im Gebiet um Sinjar waren vor allem PMU/Volksmobilmachungseinheiten präsent, sowie nördlich des Mount Sinjar auch YPG/ YBS-Einheiten.

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Am 02.04.2018 veröffentlichte das New York Times Magazin eine Reportage über eine Reise der US-amerikanischen Journalistin und Irak-Korrespondentin Alissa J. Rubin im Jänner 2018 von Dohuk (Kurdistan) nach Sindschar. Sie beschreibt, dass die Region teils durch die starke Präsenz von bewaffneten Gruppierungen, die manchmal bestimmten Parteien nahestehen, abgeriegelt war, obwohl der Konflikt eigentlich schon vorbei ist. In der untenstehenden Grafik aus derselben Reportage ist zu sehen, welche bewaffnete Gruppierung welche Gebiete bzw. Teile der Route kontrollierte. Vom Damm bei Mossul bis nach Rabia war dies die irakische Armee, entlang der Grenze zwischen Rabia und bis nördlich des Mount Sinjar waren dies schiitische Milizen, zwischen der syrischen Grenze und Mount Sinjar haben jesidische Milizen das Gebiet kontrolliert.

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Derzeit sind verschiedene bewaffnete Gruppierungen in und um Sinjar präsent, wobei dazu unterschiedliche Informationen vorliegen. Da die Distriktverwaltung zuletzt den Abzug schiitischer Milizen und die Rückkehr zur Stationierung gemischter militärischer Kräfte der irakischen Armee und der kurdischen Peschmerga verlangte, zogen sich die vom Iran unterstützten schiitischen Milizen im August 2018 aus Sindschar zurück. Abu Mahdi al-Muhandis, der stellvertretende Kommandant der PMF, hatte angeordnet, die Milizen sollten Iraks "befreite Städte" verlassen. Die 92. Brigade der irakischen Armee sollte die abgezogenen schiitischen Milizen ersetzen. Es sind derzeit keine PMF-Einheiten in Sindschar präsent, außer dem jesidischen Lalish-Bataillon, das im Zentrum der Stadt Sindschar stationiert ist, und den jesidischen Peschmerga. Jesidische Peschmerga dürfen aber aufgrund des Widerstands der irakischen Streitkräfte keine Patrouillen fahren oder Checkpoints einrichten. Auch zwischen den verschiedenen Einheiten der PMF können Spannungen und Rivalitäten auftreten. Zuletzt kam es im September 2018 zu Zusammenstößen zwischen den Sinjar Resistance Units (YBS) und der irakischen Armee im Westen der Stadt Sindschar.

Der Großteil der jesidischen Bevölkerung von Sindschar ist weiterhin vertrieben. Handel wird nur sporadisch getrieben, der Wiederaufbau stockt. Der Bezirksrat sowie Verwaltungsbehörden, die vor allem aus Jesiden bestanden, flohen in die autonome Region Kurdistan. Die Herrschaft der schiitischen Milizen seit Oktober 2017 hat nicht für nachhaltigen Wiederaufbau und die Herstellung staatlicher Ordnung gesorgt. Medien und Regierungsbeamte gaben zu Protokoll, das es zu Fällen kam, in welchen Peschmerga und PMF es vertriebenen sunnitischen Arabern, Jesiden, Turkmenen und anderen nicht erlaubten, in ihre Häuser in vom Islamischen Staat befreiten Gebieten zurückzukehren. Christliche und jesidische Binnenflüchtlinge nannten Sicherheitsvorfälle als größte Sorge. In Sinjar und der Ebene von Ninewa sind die fehlende zentrale Führung und Kontrolle einiger PMF-Einheiten als größte Sorge genannt worden. Einheiten der PMF bedrohten in nicht quantifizierbaren Fällen jesidische Rückkehrer und verhinderten ihre Rückkehr. Christen beschwerten sich über PMF-Einheiten und deren Checkpoints, die die Bewegungsfreiheit in und um christliche Städte in der Ninewa-Ebene einschränkten, unter anderem die 30. Brigade in Bartalla und die 50. Brigade in Bashiqa und Tel Kayf. In den Menschenrechtsberichten (Berichtszeitraum 2017) des US-Außenministeriums, von Amnesty International und Human Rights Watch wird demgegenüber nicht von Übergriffen schiitischer Milizen (PMUs) gegenüber Jesiden berichtet. Auch in einem Bericht der Crisis Group vom 20.2.2018 über die Rolle der Schiitischen Milizen (PMU) in Sindschar werden keine Übergriffe gegenüber Jesiden erwähnt. Ganz im Gegenteil wären jesidische Milizen integriert bzw. auch Jesiden rekrutiert worden. Auch sonst liegen keine Berichte vor, wonach es im Gouvernement Ninawa bzw. insbesondere in der Region Sindschar zu Übergriffen seitens schiitischer Milizen auf Jesiden gekommen wäre. In einer Quelle wird allerdings von einer jesidischen Kämpferin beklagt, dass arabisch-schiitische Milizen jesidische Dörfer und umliegendes Land besetzt und die Jesiden daran gehindert hätten, zurückzukehren oder die dort befindlichen Massengräber aufzusuchen.

Trotz Vertreibung des Islamischen Staates wollen nur wenige ehemalige Bewohner in die Region Sindschar zurückkehren. Streitigkeiten zwischen der irakischen Regierung und den Behörden in der Region Kurdistan in Sindschar haben auch nach der Befreiung vom Islamischen Staat Hilfsleistungen behindert. Angeblich leben noch etwa 4000 Menschen am Berg. Von den kolportierten 6000 entführten Jesiden wird etwa die Hälfte nach wie vor vermisst; es wird angenommen, dass viele davon tot sind. Betroffene sagen, dass von den ursprünglich 50.000 Familien bis jetzt nur etwa 4.000 nach Sindschar zurückgekehrt sind. Es mangelt an Infrastruktur und Geld für den Wiederaufbau. Rückkehrer müssen oft in beschädigten Häusern oder in Flüchtlingslagern leben.

Quellen:

- Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 23.07.2018 betreffend Übergriffe schiitischer Milizen im Sindschar

- Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 24.09.2018 betreffend Schiitische Milizen in Sinjar und Übergriffe gegen religiöse Minderheiten in der Provinz Ninawa

1.10. Zur gegenwärtigen Lage im (gesamten) Gouvernement Ninawa werden folgende Feststellungen getroffen:

Das Gouvernement Ninawa ist im Nordwesten des Irak gelegen und grenzt einerseits im Westen an Syrien und im Norden und im Osten an die Gouvernements Dohuk und Erbil, sohin die autonomen Region Kurdistan. Im Süden und Südosten grenzt das Gouvernement Ninawa an die Gouvernements Anbar und Salah ad-Din. Ninewa ist mit 37 323 km² (8,6% der Gesamtgröße des Irak) das drittgrößte Gouvernement und hat die zweitgrößte Bevölkerung im Irak (3.729.998 Menschen im Jahr 2018). Die Hauptstadt von Ninawa ist Mossul im Nordosten und mit geschätzte Bevölkerung von mehr als 1,5 Millionen Einwohnern. Die zweitgrößte Stadt ist Tal Afar, nordwestlich von Mossul. Andere große Städte sind Sinjar im Westen und Qayara im Süden.

Das Gouvernement Ninawa ist in neun Distrikte gegliedert, nämlich Mossul, Tel Kayf, Sheikhan, Akre, Tel Afar, Sinjar, Ba'aj, al-Hatra, und Hamdaniya. Mossul ist ein wichtiger regionaler Verkehrsknotenpunkt mit direkten Straßenverbindungen nach Bagdad, Kirkuk, Erbil, Dohuk sowie nach Syrien und in die Türkei, über Tal Afar und die syrische Grenze bei Rabia im Norden und nach Sinjar und Syrien im Westen

Ninewa ist das ethnisch vielfältigste Gouvernement des Irak. Die Mehrheit bilden sunnitische Araber, aber auch andere Gruppen teilen Macht und Einfluss: Die Kurden dominieren in den Distrikten Akre und Sheikhan. Die Distrikte Akre und Sheikhan wurden von der KRG seit der Errichtung der Grünen Linie nach dem Waffenstillstand zwischen Saddam Hussein und den Kurden im Jahr 1991 verwaltet. Die Ninewa-Ebene, östlich und nordöstlich von Mosul, ist das Gebiet, auf dem die Mehrheit der Christen des Gouvernements und die Angehörigen der ethno-religiösen Gruppe der Shabak leben (dieses Gebiet enthält auch große Ölfelder). In Tal Afar sind die Turkmenen (sowohl sunnitischer als auch schiitischer Religion) mehrheitlich vertreten, während in Sinjar mehrheitlich Jesiden leben, ebenso wie in ihrer heiligen Stadt Lalish im Distrikt Sheikhan. Aufgrund der ethnischen Vielfalt in Ninewa erhielt ein Großteil des Gouvernements die Einstufung als umstrittenes Gebiet gemäß Artikel 140 der irakischen Verfassung. Die Kontrolle über die nördlichen und östlichen Teile des Gouvernements bleibt umstritten. Die Grenzlinie der Kontrollgebiete zwischen kurdischen und irakischen Einheiten liegt heute in der Ninewa-Ebene und im Tal-Afar-Distrikt.

In Ninewa ging der Besetzung durch den Islamischen Staat ein jahrelanger Zustand von gewalttätigem Extremismus und organisiertem Verbrechen voraus, verursacht von verschiedenen konkurrierenden Milizen, von denen einige Vorläufer des Islamischen Staates und/oder Rivalen waren. Ninewa wird sowohl als "langjähriges Zentrum des sunnitisch-arabischen Nationalismus im Irak" beschrieben wie auch als Hochburg von Al-Qaida im Irak.

Mossul wurde im Juni 2014 vom Islamischen Staat handstreichartig übernommen und besetzt. Angriffe der Milizen des Islamischen Staates auf Sinjar, Zummar und die Ninewa-Ebene im August 2014 vertrieben fast 1 Million Menschen innerhalb weniger Wochen. Der Fall von Mosul im Juni 2014 und der Rückzug der kurdischen Streitkräfte aus weiten Teilen des Gouvernements führten im August 2014 zu einer großflächigen Verfolgung der Minderheiten durch die Milizen des Islamischen Staates: Turkmenen, Christen, Jesiden, Shabak, Kaka'i und andere Gruppen waren Folter, öffentlichen Hinrichtungen, Kreuzigungen, Entführungen und sexueller Sklaverei ausgesetzt.

Die Rückeroberung Mossul dauerte mehr als neun Monate. Der militärische Sieg über die Milizen des Islamischen Staates wurde erst Anfang Juli 2017 offiziell bekannt gegeben. Dabei war die Schlacht und insbesondere der zweite Teil mit der Eroberung der historischen Stadt West-Mosul die bislang härteste Auseinandersetzung zwischen den Milizen des Islamischen Staates und irakischen Regierungstruppen. Die Stadt erlitt während des gesamten Konflikts schwere Schäden. Während der Feindseligkeiten wurde eine große Zahl von Zivilisten getötet, Schätzungen zufolge waren 4.194 Tote und Verwundete zu beklagen. Eine Quelle gab an, dass mehr als 40.000 Zivilisten infolge der massiven Luft- und Artillerieangriffe der irakischen Sicherheitskräfte und der internationalen Koalition getötet worden sein könnten. Noch heute sind die Trümmer mit Sprengkörpern verschiedener Art kontaminiert, darunter nicht explodierte Minen und Sprengfallen.

Im November 2018 veröffentlichte die UNAMI einen Bericht, wonach 202 Massengräber seit Juni 2014 entdeckt wurden, von denen Berichten zufolge die überwiegende Mehrheit Opfer des Islamischen Staates beinhalten. Schätzungen vom UNAMI zufolge wurden 6.000 bis über 12.000 Opfer des Islamischen Staates dermaßen begraben, wobei die meisten in Massengräbern den Gouvernements Ninewa (95), Kirkuk (37), Salah al-Din (36) und Anbar (24) beigesetzt sind. Zu den Opfern zählen Frauen, Kinder, ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen, Mitglieder und ehemalige Mitglieder der irakischen Streitkräfte und der Polizei sowie einige ausländische Arbeiter. Die meisten Massengräber in Ninawa wurden um Mosul und Distrikt Sinjar aufgefunden. Die unbestätigte Zahl der Opfer in den Massengräbern in Ninewa liegt zwischen 4.000 und 10.500. Minderheitengemeinschaften reagierten auf die Bedrohung durch den Islamischen Staat und die Tatsache, dass die irakische Armee und in gewissem Ausmaß auch die Peschmerga während der Offensive des Islamischen Staates 2014 ihre Posten aufgaben, indem sie lokalen Milizen in großer Zahl etablierten und ihre Loyalität dahingehend ausrichteten.

Sicherheitskräfte im Gouvernement Ninawa

Nach dem Sieg über das sogenannte Kalifat sind in Ninewa eine Vielzahl von bewaffneten Gruppen aktiv. Die wichtigsten bewaffneten Akteure können in die folgenden Kategorien eingeteilt werden: Irakische Sicherheitskräfte (ISF), Volksmobilmachungseinheiten (PMF), kurdische Sicherheitskräfte (Peschmerga)n an der autonomen Region Kurdistan ausgerichtete Milizen, nicht ausgerichtete Milizen, ausländische Streitkräfte und Aufständische.

Die regulären Einheiten der ISF in Ninewa untersteht dem Ninewa Operations Command (NOC), mit Ausnahme des Counterterrorism Service (CTS), der der irakischen Regierung direkt unterstellt ist. Das NOC befindet sich in Ost-Mosul. Quellen zufolge sind stellen die ISF in Ninewa der (zahlenmäßig) bedeutendste Teil der staatlichen Sicherheitskräfte. Das CTS hat den Ruf, die am besten ausgebildete, effektivste und disziplinierteste Einheit des Irak zu sein. Es hat die Fähigkeit, über konfessionelle Grenzen hinweg zu rekrutieren, und dies hat zu seiner weit verbreiteten Akzeptanz im Irak beigetragen. Die CTS-Soldaten durchlaufen vor der Aufnahme ein striktes Überprüfungsverfahren und dürfen sich weder politischen Parteien anschließen, noch sich konfessionell äußern bzw. betätigen. Das CTS besteht aus drei Brigaden, von denen die ISOF-2 die zentrale Einheit in Ninewa und hauptsächlich in der Nähe von Mossul stationiert ist. Bei den Kämpfen um Mossul hatte das CTS eine zentrale Rolle und erlitt schwere Verluste bei den Kämpfen. Es kehrte zu seiner früheren Rolle als schnelle Reaktionstruppe mit hoher Mobilität zurück. Die Kommandostruktur des CTS arbeitet parallel zum NOC und berichtet nicht an das Verteidigungsministerium, sondern direkt an den Premierminister.

Das Gouvernement Ninewa ist seit Februar 2018 in drei Bereiche unterteilt. Die Stadt Mossul wird von der örtlichen Polizei kontrolliert. Die Außenbezirke von Mossul werden von verschiedenen PMF-Milizen kontrolliert, wobei sowohl schiitische als auch lokale Milizen vertreten sind. Der Rest des Gouvernements, insbesondere die südlichen und nördlichen Gebiete von Ninewa, wird von der irakischen Armee kontrolliert. Die irakische Armee unterhält eine namhafte Streitmacht in Ninewa, nämlich die 15. und 16. Infanteriedivision, die 20. Infanteriedivision und Teile der 9. Panzerdivision sind derzeit dem NOC zugeordnet. Vor der militärischen Auseinandersetzung mit dem Islamischen Staat hatte die irakische Armee ein schwieriges Verhältnis zur sunnitisch-arabischen Bevölkerung in Ninewa. Sie war bekannt für Misshandlungen an Kontrollpunkten und harsche Reaktionen auf aufständische Angriffe. Darüber hinaus erfolgte die Rekrutierung in den früheren Jahren der US-Besatzung nach dem Sturz Saddam Husseins überwiegend in kurdischen Kreisen, weil sunnitische Araber nicht bereit waren, in der (neuen) irakischen Armee Dienst zu leisten. Nach der Befreiung vom Islamischen Staat hat sich das Image der irakischen Armee in Ninewa erheblich verbessert, obwohl viele lokale Führer sich dafür einsetzen, ihren Einfluss zu verringern. Auch das Verteidigungsministerium strebt den Abzug von Armeeeinheiten aus Städten und eine Konzentration auf große Armeestützpunkte an. Dessen ungeachtet kommt der irakischen Armee weiterhin eine wichtige Rolle bei der Sicherung von Mossul zu, indem sie Checkpoints besetzt und sicherheitspolitische Entscheidungen beeinflusst. Ein Teil der neuen Popularität der irakischen Armee rührt von der Präferenz der sunnitischen Bevölkerung für die Armee im Vergleich zu den von den Schiiten dominierten Milizen her.

Die lokale Polizei ist innerhalb des Gouvernements Ninawa tätig und weniger militarisiert als die irakische Bundespolizei. Lokale Polizeikräfte verfügten häufig nur über ungepanzerte Fahrzeuge und tragen nur leichte Schusswaffen. Die Polizei des Gouvernements Ninewa (shurta muhafiza Ninewa) ist für die Gefahrenabwehr und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit im Gouvernements verantwortlich und steht der lokalen Bevölkerung theoretisch am nächsten. Lokale Polizeikräfte sind auch in erster Linie für die Abwehr von Terrorismus und Kriminalität verantwortlich. Aus diesem Grund sind sie einem höheren Risiko ausgesetzt, von Aufständischen angegriffen zu werden. Sie werden vor Ort angeworben, dies bedeutet jedoch auch, dass sie und ihre Familien leichter entführt oder ermordet werden können. Quellen gaben im April 2018 an, dass die Stadt Mossul von der örtlichen Polizei kontrolliert wird.

Irakische Grenzschutzbeamte (haras hadud alIraq) operieren hauptsächlich an der syrischen Grenze im Westen von Ninewa, insbesondere in der Grenzstadt Rabia. Die Grenzschutzbeamten sind auch dafür verantwortlich, Kämpfer des Islamischen Staates daran zu hindern, aus Syrien nach Ninewa einzusickern. Sie erhalten jedoch Unterstützung von den PMF bei der Sicherung abgelegener Grenzregionen.

Die irakische Bundespolizei (shurta itihadiya) und ihre Emergency Response Division (ERD, furqa ar-red as-suriya) wurden bei der Befreiung von Mossul eingesetzt, sind aber derzeit nur mehr untergeordnet im Gouvernement Ninawa vertreten. Einige Einheiten der irakischen Bundespolizei wurden Anfang 2018 nach Kirkuk verlegt, die im Gouvernement Ninawa verbliebenen Einheiten werden aber als schlagkräftig beschrieben.

PMF-Einheiten kontrollieren Quellen zufolge den östlichen Teil des Gouvernements Ninewa und gelten (nach der irakischen Armee) als zweitbedeutendster Akteur in Ninewa. Die Außenbezirke von Mosul werden von verschiedenen PMF-Milizen kontrolliert, darunter sind sowohl schiitische als auch lokale Milizen. In einem Bericht der International Crisis Group vom Juli 2018 wurde festgestellt, dass sich mehrere PMF-Milizen, darunter Asa'ib Ahl al-Haqq, die al-Abbas Fighting Division und Kataeb Sayed al-Shuhada, in der Nähe von Mossul befinden. Im Süden des Gouvernements unterhält Saraya al-Salam einige Einheiten, während im Westen die Milizen Sarayat al-Jihad, Harakat Hizbollah al-Nujaba und die Ali al-Akbar-Brigade aktiv sind. Seit Mai 2017 wird die Stärke der PMF-Milizen in Ninewa auf 18 000 Kämpfer geschätzt. In einem Bericht vom Februar 2018 wies die International Crisis Group darauf hin, dass Sinjar seit Oktober 2017 von vom Iran unterstützten PMF-Milizen militärisch und politisch kontrolliert wird. Im Distrikt Sinjar sind PMF-Milizen an der irakisch-syrischen Grenze stationiert, diese haben jesidische Stammesführer kooptiert und rekrutieren Jesiden vor Ort. Sie kontrollieren auch strategische Straßen und ernennen Verwaltungsbeamte.

Anfang August 2018 erließ der stellvertretende Vorsitzende des irakischen Komitees für Volksmobilisierung drei Anordnungen zur Umstrukturierung und Umverteilung der PMF, die in Ninewa zuerst umgesetzt wurden. Die PMF begann zunächst, sich aus den Unterbezirken Rabi'a und Zummar in Tal Afar und aus Teilen von Sinjar zurückzuziehen. Am 21.08.2018 hob der Ministerpräsident die Anordnungen jedoch auf und stellte ihre Rechtmäßigkeit in Frage, ohne zuvor den Oberbefehlshaber konsultiert und mit dem irakischen Befehl für gemeinsame Operationen abgestimmt zu haben. Der Premierminister erklärte später, dass die Neuverteilung von PMF-Milizen den Aufständischen die Möglichkeit bieten würde, Angriffe zu starten, und verfügte, dass alle PMF-Operationen durch das Büro des Premierministers koordiniert werden müssten, welches künftig das Komitee für Volksmobilisierung leiten würde.

Die im Gouvernement Ninewa stationierten schiitischen Schabak-Milizen ergänzen größeren PMF-Einheiten, insbesondere jene der Badr-Brigaden. Die Schabak-Kämpfer sind Teil der 30. Brigade der PMF, zu der auch eine chaldäische Subtruppe gehört, die als Babylon-Brigade bekannt ist und von dem chaldäischen Kommandeur Rayan al-Kildani angeführt wird. Die Babylon-Brigade war in Frontkampf- und bei der Sicherung von Gebieten aktiv und wurde für ihre harsche Behandlung sunnitischer Araber bekannt. Die Einheit hat auch PMF-Einheiten bei Operationen im Gouvernement Ninewa in den Orten Qayara und Nimrud begleitet. Sie betreiben auch weiterhin Checkpoints in Bartela.

Andere lokale Gruppen sind die Ninewa Plains Protection Units (NPU), eine vorwiegend christliche Miliz, die die Sicherheit in Karakosch überwacht. Sie wird von der Assyrischen Demokratischen Union gesponsert und ist in die PMF eingegliedert. Die Ninewa Plains Forces (NPF) ist eine schiitische Schabak-Einheit in Ost-Mosul und in der Ninewa-Ebene, die ebenfalls Teil der PMF ist. Eine weitere Gruppe ebenfalls mit dem Namen Ninewa Plains Forces ist eine von der autonomen Region Kurdistan unterstützte christliche Gruppe (siehe dazu unten). Die Babylon-Brigade ist eine gemischte christlich-schiitisch- arabische Einheit mit einer Schabak-Komponente, die ebenfalls Einfluss auf die Ninewa-Ebene hat und enge operative Beziehungen zu den NPF unterhält. Die Al-Hashd al-Turkmani ist eine schiitisch-turkmenische Einheit und hauptsächlich innerhalb der 16. und 52. PMF-Brigade organisiert, sie sind im Tal Afar-Gebiet stationiert. Das Lalish-Bataillon ist eine jesidische Einheit, die keine umstrittenen Beziehungen zur Führung der PMF unterhält, aber nicht so viel Unterstützung erhält, wie schiitische Gruppen. Die Haras Ninewa sind eine weitgehend sunnitische Einheit, angeführt von dem ehemaligen Gouverneur Atheel al-Nujaifi und ausgebildet von der türkischen Armee im Bashiqa-Lager nordöstlich von Mosul. Laut einem Bericht der International Crisis Group vom Juli 2018 erhält die Gruppe zeitweise Gehälter von vom Komitee für Volksmobilisierung. Die Haras Ninewa wurden gegründet, um den islamischen Staat zu bekämpfen und dienen nunmehr als Leibwächter von Atheel al-Nujaifi.

Die Ali al-Akbar Brigade, eine dem schiitischen Großayatollah Ali al-Sistani zuzuordnende Einhauet unterhält eine bedeutende Präsenz im westlichen Ninewa (Tal Afar und die Jazeera-Wüste). Die Badr Organization, Asa'ib Ahl al-Haqq und Kata'ib Hisbollah sind als bedeutende nicht-lokale Kräfte der PMF in Ninewa präsent und haben erheblichen Einfluss auf viele der kleineren lokalen Gruppen, aber ihre begrenzte Präsenz hindert sie daran, das Territorium direkt zu kontrollieren. Ihre Versuche, unter der lokalen sunnitischen Bevölkerung zu rekrutieren, haben sich als größtenteils ineffektiv erwiesen. Trotz mangelnder öffentlicher Präsenz müssen sie immer noch als bedeutende Akteure im Gouvernement Ninawa angesehen werden.

Stammesmobilisierungskräfte (Hashd al-Asha'ari) sind lokal angeworben, hauptsächlich sunnitische Milizen, oft von den Stämmen Shamar und Jabour. Die Trennung dieser Milizen, die vom irakischen Geheimdienst gesteuert werden, vom Komitee für Volksmobilisierung, hat mit der Unterstützung der USA für das Hashd al-Asha'ari-Programm zu tun: Die USA lehnen es ab, direkt mit iranisch geleiteten PMF-Einheiten zusammenzuarbeiten. Die sunnitischen Stämme wiederum wollen nicht in überwiegend schiitischen PMF-Einheiten eine untergeordnete Rolle einnehmen, sodass gesonderte Einheiten aufgestellt wurden. Die einzelnen Einheiten der Hashd al-Asha'ari sind auf 100-300 Kämpfer beschränkt, da Bagdad zögert, größere sunnitische Stammeskräfte zu schaffen, die die staatliche Kontrolle in diesem Gebiet herausfordern könnten.

Im Gouvernement Ninawa sind nach dem Rückzug der kurdischen Peschmerga als Folge der Auseinandersetzungen nach dem Unabhängigkeitsreferendum im Oktober 2017 noch kurdische bzw. kurdisch orientierte Milizen aktiv. Die Jazeera-Brigade ist eine sunnitische Stammeseinheit, hauptsächlich aus Rabia und Zummar und war die erste sunnitische Einheit, die mit kurdischen Behörden zusammenarbeitete. Sie tragen kurdische Flaggen und Zerevani-Aufnäher. Die Kämpfer werden von den Stämmen Jibbour, Juhaysh Mu'amara, Sharabi und Shamar angeworben, die Einheit ist ungefähr 2000 Mann stark. Die Jazeera Brigade berichtet an die Zerevani (militarisierte Polizeikräfte der autonomen Region Kurdistan). Die bereits erwähnten Ninewa Plains Forces (NPF) sind eine christliche Einheit in der Ninewa-Ebene und werden vom Ministerium für Peshmerga-Angelegenheiten zusammen mit den nachstehend beschriebenen NPGF (Ninewa Plains Guard Forces) als Teil der Sicherheitskräfte der autonomen Region Kurdistan angesehen. Sie sind eine kleine Truppe von 50-100 Hilfskämpfern, die organisatorisch an die PDK-Peschmerga angegliedert ist. Die jesidische Ezidikhan Defense Force (Hêza Parastina Ezidkhane, HPE) war vor dem Rückzug der kurdischen Streitkräfte nach dem Referendum im Oktober 2017 eine Partnerschaft mit kurdischen Behörden eingegangen. Der HPE-Führer Haider Sesho (Haidar Saso) wurde auf Befehl des ehemaligen kurdischen Präsidenten Masoud Barzani verhaftet und erst nach Zusage seiner Loyalität freigelassen. Quellen, die im April 2018 befragt wurden, identifizierten die HPE und die Sinjar Resistance Unit (YBS) als die beiden Sicherheitsakteure, die den größten Teil des Distrikts Sinjar kontrollieren. Die steht in einer losen Verbindung zur PMF-Organisation.

Die Ninewa Plains Guard Force (NPGF) sind die größte christliche Miliz mit Verbindungen zur autonomem Region Kurdistan und unterhalten ihren Sitz in Karakosch. Sie sind Teil der Zerevani und bereits seit 2004 in der Region etabliert. Die NPGF werden von der PDK unterstützt. Dwekh Nawsha ist eine weitere christliche Miliz, die der Assyrischen Patriotischen Partei zuzuordnen ist. Die Gruppe operiert hauptsächlich in der Nähe von Tel as Soqf nördlich von Mossul mit einer nur kleinen Anzahl von Kämpfern. Sie erhalten Waffen und Geldmittel von der PDK, sind aber nicht offiziell in die kurdischen Streitkräfte integriert.

An unabhängigen Milizen sind die Sinjar Protection Units (Yekîneyên Berxwedana Sengalê, YBS), eine jesidische Miliz mit Nähe zur PKK bzw. zur YPG zu erwähnen. Quellen, die im April 2018 befragt wurden, identifizierten die HPE und die YBS als die beiden Sicherheitsakteure, die den größten Teil des Distrikts Sinjar kontrollieren. Die YBS wird weithin als der PKK zugehörig angesehen. Jesidische Kämpfer sind überwiegend im Gebiet von Sinjar stationiert. Sie unterhalten Verbindungen hauptsächlich zur PDK, aber auch zu den PMF und zur PKK. Die Kurdische Arbeiterpartei (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK) ist auch selbst in Sinjar präsent. Am 18.11.2018 erklärte ein Sprecher der autonomen Region Kurdistan, dass die anhaltende Präsenz der PKK in Sinjar inakzeptabel sei.

Aufgrund der Anzahl und Verschiedenartigkeit der Milizen fehlt es den Gemeinschaften häufig an der Fähigkeit, festzustellen, ob bewaffnete Gruppen unter der Aufsicht einer legitimen Behörde handeln. Milizen und kriminelle Organisationen in Ninewa machen sich diese Mehrdeutigkeit zunutze und behaupten, "Hashd" ("Fake Hashd") zu sein, um ihre Handlungen zu rechtfertigen. Es gibt auch Gruppen, die zunächst tatsächlich innerhalb des PMF-Rahmens tätig waren, von denen sich die PMF aber nach kriminellen Aktivitäten oder konfessioneller Gewalt distanzierten.

Obwohl der Islamischen Staat seit Ende 2017 kein Territorium im Irak kontrolliert, führt verbliebene Kämpfer des Islamischen Staates weiterhin asymmetrische Angriffe gegen irakische Sicherheitskräfte im Nord- und Nordzentralirak (Ninawa, Salah al-Din und Kirkuk) und im Zentralirak durch (Diyala, Anbar und Bagdad). Dem Institute for the Study of War zufolge übt der Islamische Staat in ländlichen Gegenden des Distriks Mosul einen erheblichen physischen und psychischen Druck auf die Bevölkerung aus. Der Islamische Staat kann aber in diesen Gegenden kein Gebiet faktisch beherrschen Es bestehen jedoch Anzeichen dafür, dass der Islamische Staat die Kontrolle durch die irakischen Sicherheitskräfte herausfordert, etwa die Aufgabe bevölkerungsreicher Dörfer, die Zerstörung landwirtschaftlicher Produkte und Infrastrukturen und wiederholte Überfälle und Morde, die auf die lokale soziale Hierarchie abzielen. Zivilisten in diesen Gebieten könne sich nicht auf angemessenen Schutz durch dich Sicherheitskräfte verlassen. Im Dezember 2018 schätzte der Experte Michael Knights, dass der Islamische Staat über Angriffszellen in mindestens 27 Gebieten des Irak verfügt, zu denen in Ninewa die die Städte Mossul, Qayyarah, Hatra und die Pipeline Irak-Türkei ebenso gehören, wie ein Korridor südwestlich von Mossul, Badush und Sindschar bis zur syrischen Grenze. Islamisten würden ihre Angriffe in der Nacht verüben, wichtige Teile des Landes wären nur für Teile des Tages wirklich befreit worden. Schätzungen der Jamestown Foundation vom Januar 2019 zufolge haben irakische Quellen geschätzt, dass sich in Mosul mindestens 300 Kämpfer des Islamischen Staates in Schlafzellen befinden und bereit sind, Aktionen durchzuführen, wenn sich die Gelegenheit ergibt. Quellen, die im April 2018 befragt wurden, stellten fest, dass der Islamische Staat keine Gebiete im Gouvernement Ninewa kontrolliert. Die Präsenz von Kämpfern beschränkte sich auf entlegeneren Gebieten nahe der irakisch-syrischen Grenze und die Region Badoush zwischen Mosul und Tel Afar. Schläferzellen wären in Mossul und den umliegenden Dörfern geortet. Angriffe werden in der Nacht in Form von terroristischen Anschlägen oder gezielten Morden durchgeführt.

Die nachstehende Grafik zeigt, dass die Anzahl der zivilen Opfer von Gewaltakten im Gouvernement Ninawa im Jahr 2018 gegenüber den Vorjahren signifikant gesunken ist, was auf die Beendigung der Kämpfe im Jahr 2017 zurückzuführen ist (Anmerkung: Die Datenbank Iraq Body Count kommt zu abweichenden Werten, siehe dazu die weitere Grafik).

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Die folgende Grafik veranschaulicht die Entwicklung der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Gouvernement Ninawa und Anzahl der Opfer nach der Datenbank Iraq Body Count, wobei die Darstellung jedwede Art von Gewaltanwendung (insbesondere Bombenanschläge, Selbstmordattentate, Attacken mit Schusswaffen und außergerichtliche Tötungen ["exekutions"]) umfasst.

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Im Vergleich mit anderen Gouvernements war das Gouvernement Ninewa das Gouvernement mit der höchsten Gewaltintensität (getötete Zivilisten / 100.000 Einwohner) im Jahr 2017 und auch im Jahr 2018, obwohl die Zahl ziviler Opfer im Jahr 2018 auf 46,46 Opfer je 100.000 Einwohner gesunken ist. Im Jahr 2018 verzeichneten Iraq Body Count für das Gouvernement Ninewa 217 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 1.596 Todesopfern unter der Zivilbevölkerung, ein deutlicher Rückgang im Vergleich zu 2017, als 600 Vorfälle gemeldet wurden, die zu 9.211 Todesfällen unter der Zivilbevölkerung führten.

Die Bezirke mit der höchsten Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen waren Mossul (einschließlich Hamdaniya und Tilkaif) mit 183 sicherheitsrelevanten Vorfällen, gefolgt von Sinjar mit 14 sicherheitsrelevanten Vorfällen, und Telafar mit 8 sicherheitsrelevanten Vorfällen.

Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Im Jahr 2018 führte der Islamische Staat weiterhin asymmetrische Angriffe gegen irakische Sicherheitskräfte im Norden und Norden durch -Zentralirak (Ninewa, Salah al-Din und Kirkuk) und in der Zentralregion (Diyala, Anbar und Bagdad). Dabei konzentrierte sich der Islamische Staat nach dem Verlust von Mosul auf ländlichen Gegenden im Gouvernement Ninewa. Im Jahr 2018 trat der Islamische Staat schwerpunktmäßig in Wüstengebieten südlich von Mossul in Erscheinung, wie Qayyarah, Hatra, Ash Shura, die südwestlichen Außenbezirke der Stadt Mossul (Atshana, Sahaji und Tall Zallat) und die Wüste zwischen der Autobahn Bagdad-Mosul und der Pipeline Irak-Türkei - dem sogenannten Jurn-Korridor (benannt nach zwei Dörfern in der Region). Obwohl die Aktivitäten insgesamt als gering eingestuft wurden, kam es in den ersten 10 Monaten des Jahres 2018 zu 37 Morden an lokalen Führern, darunter 17 Ortsvorstehern und einem Anführer der Tribal Resistance Force. In den ersten 10 Monaten des Jahres 2018 verzeichnete der Experte Michael Knights 17,1 Angriffe von Kämpfern des Islamischen Staates pro Monat in Ninewa, davon und 3 in Mossul. Seiner Einschätzung zufolge ist der Hauptgrund für den Rückgang der Angriffe die weitgehende Inaktivität des Islamischen Staates in der Stadt Mossul selbst. Während des Jahres fanden außerdem in der Stadt Tel Afar, dem zweiten historischen Zentrum des Islamischen Staates in Ninewa, keine wahrnehmbaren Aktivitäten von Aufständischen statt.

In Bezug auf die Aktivitäten des Islamischen Staates im Gouvernement Ninewa im Jahr 2018 gab des Experte Joel Wing an, dass es vor allem in der ersten Jahreshälfte regelmäßig Schießereien mit den Sicherheitskräften gegeben habe. Erst gegen Ende des Jahres habe der Islamische Staat auch Ortschaften angegriffen, etwa mittels Autobomben. Informationen der Vereinten Nationen zufolge hat der Islamische Staat im Oktober 2018 Ortsvorsteher in Ninewa gezielt und ermordet und sie beschuldigt, Informationen über den Islamischen Staat an die Behörden weitergegeben zu haben. Zwischen dem 1. Januar und dem 18. August 2018 wurden in Ninewa sieben Ortsvorstehern getötet und zwei weitere verletzt. Angriffe des Islamischen Staates richtete sich auch gegen Polizisten und PMF-Milizionäre. Improvisierte Sprengsätze und Schießereien stellten Hauptursachen für zivile Opfer in den Monaten August bis Oktober 2018 waren. In der letzten Hälfte des Jahres 2018 habe der Islamische Staat begonnen, im Süden des Gouvernement Ninewa schwerer bewaffnet Gruppen von Kämpfern einzusetzen, die vereinzelte Außenposten, Autobahnen und Dorfzugangsstraßen attackierten.

In seinem Bericht vom Juli 2018 erklärte der UN-Sicherheitsrat, dass die irakischen Sicherheitskräfte zwar weiterhin Kämpfer des Islamischen Staates in den Distrikten Tal Afar, Ba'aj und Sinjar neutralisieren würden, der Islamische Staat jedoch seine asymmetrischen Angriffe fortsetze. In Mossul und Umgebung wären mehrere Kämpfer des Islamischen Staates, auch weibliche, festgenommen oder getötet wurden. In zwei getrennten Operationen im August 2018 verhaftete die Polizei Personen, die im Verdacht standen, mit dem Islamischen Staat in Verbindung zu stehen. Am 13.08.2018 wurden fünf Frauen in Ostmossul und am 26.08.2018 weitere 41 Personen, darunter Frauen, in den Bezirken Badush und Qayyaraj in Mossul festgenommen. Eine Sprengstofffabrik des Islamischen Staates sei im Distrikt Sinjar entdeckt worden. Im Oktober 2018 wurden Sicherheitsoperationen gegen den Islamishcen Staat in Ninewa, Anbar, Diyala und Salah al-Din durchgeführt, dabei töteten am 14.11.2018 irakische Truppen über 20 Kämpfer des Islamischen Staates während einer militärischen Operation in Badush-Höhen in Ninewa. Weitere 14 Kämpfer wurden von Sicherheitskräften festgenommen.

Am 07.01.2018 wurde der Bürgermeister der Stadt al-Rashidiya in der Nähe seines Hauses in der Region al-Qubba nördlich von Mosul von nicht identifizierten bewaffneten Männern getötet. Am 29.01.2018 gaben die Behörden bekannt, dass 10 Kämpfer des Islamischen Staates getötet wurden, als sie versuchten, eine Region südlich von Mossul zu infiltrieren.

Im Februar 2018 wurden auch in West- und Süd-Ninewa aufständische Aktivitäten gemeldet. Nach Angaben des UN-Sicherheitsrates wurden Zivilisten von unbekannten bewaffneten Männern im Bezirk Mossul angegriffen: Am 21.02.2018 stoppten bewaffnete Männer im Osten Mosuls das Auto Ortsvorstehers und ermordeten ihn. Die Täter werden verdächtigt, mit dem Islamischen Staat in Verbindung zu stehen. Am 20.02.2018 wurde berichtet, dass in West-Mosul ein Sprengsatz innerhalb des Hauses einer Familie von Binnenvertriebenen detonierte, die gerade zurückgekehrt waren. Dabei wurden zwei Personen getötet. Am 25.02.2018 neutralisierten irakische Truppen 30 Kämpfer des Islamischen Staates, die sich in einer Höhle im Distrikt Al-Ba'aj westlich von Mosul versteckten Im Februar und März 2018 versuchte der Islamische Staat, Stammesführer aus dem Stamm der Jabour zu ermorden und zu entführen, da dieser Stamm dem Islamischen Staat feindlich gegenübersteht. Bei einem solchen Angriff am 12.03.2018 griffen Kämpfer des Islamischen Staates das Haus eines Stammesführers in der Nähe von Qayyara an und töteten ihn und sechs weitere Personen. Bei einem weiteren Vorfall am 05.03.2018 wurde berichtet, dass vier Polizisten in Mossul bei einem Zusammenstoß mit Kämpfer des Islamischen Staates getötet wurden.

Am 20.04.2018 wehrten irakische Truppen den Angriff einer Gruppe von Kämpfern des Islamischen Staates an der irakisch-syrischen Grenze nahe Rabei ab, dabei fielen 18 Kämpfer des Islamischen Staates. Am 28.04. 2018 wurde ein führendes Mitglied des Islamischen Staates nach einer Sicherheitsoperation im Osten von Mossul verhaftet. Im Vorfeld der Parlamentswahlen im Mai 2018 wurde Faruq Mohammed al-Zarzwr, ein Kandidat in Ninewa, von bewaffneten Männern in seinem Haus in der Stadt Qayyara getötet. Obwohl der Islamisch Staat die Verantwortung für den Angriff übernahm, bestätigte der Sprecher des Obersten Gerichtshofs, dass der Mord eine Straftat war und der Sohn des Opfers als Täter identifiziert wurde. Ende Mai 2018 berichtete Joel Wing über sechs Konfrontationen mit Aufständischen, die zu Schießereien führten. Am 09.06.2018 wurden zwei Polizisten bei einem bewaffneten Zusammenstoß mit Kämpfern des Islamischen Staates im Bezirk al-Hadar südlich von Mosul getötet. Joel Wing berichtete im Juli 2018, dass Kämpfer des Islamischen Staates entlang der syrischen Grenze aktiv waren. Am 30.08.2018 griffen Kämpfer des Islamischen Staates das Haus eines PMF-Kommandanten in der Stadt al-Shoura, südlich von Mosul, an und töteten ihn und sieben Mitglieder seiner Familie.

Am 15.08.2018 ermordeten Bewaffnete den Bürgermeister des Stadtteils Tall al-Rumman in Westmossul. Am 17.08.2018 ermordeten zwei maskierte Bewaffnete auf einem Motorrad den Bürgermeister des Stadtteils Yarmuk in Westmossul. Am 21.09.2018 töteten Kämpfer des Islamischen Staates einen Bürgermeister und einen Zivilisten in der Region Hatra. Bei einem weiteren bewaffneten Angriff am 23.09.2018 wurde ein Bürgermeister von Kämpfern des Islamischen Staates südlich von Mosul getötet. Am 23.10.2018 starben mindestens sechs Menschen (darunter zwei Soldaten) bei Autobombenexplosion in der Nähe eines Marktplatzes in der Stadt Qayyara, es gab dabei auch 30 Verletzte. Der Militärkommandant in Mossul beschuldigte den Islamischen Staat, den Angriff durchgeführt zu haben. Am 08.11.2018 tötete eine Autobombenexplosion in der Nähe eines beliebten Restaurants in der Abu Layla Straße in Mossul vier Zivilisten und verletzte zwölf weitere. Am 15.11.2018 wurden bei der Explosion eines improvisierten Sprengsatzes auf dem Weg nach Badush zwei Zivilisten und ein Polizist getötet, vier irakische Schüler starben bei einem Sprengstoffanschlag auf einen Schulbus in einem Bezirk südlich von Mosul am 22.11.2018, sieben weitere wurden verletzt. Im Dezember 2018 übernahm des Islamische Staat die Verantwortung für einen Autobombenanschlag in Tel Afar, bei dem zwei Menschen getötet und elf weitere verletzt wurden. Der Vorfall war der erste derartige Angriff seit der Befreiung der Stadt im August 2017.

Die irakischen Sicherheitskräfte sind war numerisch der bedeutendste Akteur im Gouvernement Ninawa. Schwächend wirkt sich indes aus, dass die irakischen Sicherheitskräfte nicht die Kontrolle über alle bewaffneten Akteure ausüben und konkurrierende Akteure versuchen, die Vorherrschaft in den von ihnen kontrollierten Bereichen zu behaupten. Derzeit wird die Stadt Mossul von der lokalen Polizei kontrolliert, die Außenbezirke von PMF-Milizen und lokale Milizen sowie der Rest des Gouvernements von der irakischen Armee. Die irakische Armee kontrolliert insbesondere die Gebiete des Südens, während die PMF-Milizen teilweise im Osten präsent sind. Die Präsenz von PMF-Milizen in Sinjar wirkt sich jesidischen Einheiten zufolge die Stabilität der Region negativ aus und verhindert den Wiederaufbau, die Entminung und die sichere Rückkehr der Jesiden in ihre Heimat. Es wird berichtet, dass es häufig zu Zusammenstößen zwischen PMF-Milizen und regulären Sicherheitskräften kommt, wie z.B. im Februar 2018, als es bei Stetigkeiten an einem Kontrollpunkt zwischen Kataeb Sayed al-Shuhada-Kämpfern und Soldaten des 8. Regiments der Armee im westlichen Mossul zu einem Schusswechsel zwischen den Einheiten kam und die Kataeb vier der Soldaten des Regiments kurzzeitig auf fragwürdigem Befehl festhielt. Quellen, die im April 2018 befragt wurden, wiesen darauf hin, dass sicherheitsrelevante Vorfälle in Mossul hauptsächlich auf organisierte kriminelle Aktivitäten zurückzuführen sind. Die kriminellen Gruppen bestehen dabei oft aus ehemaligen Mitgliedern von Milizen. In einigen Fällen sei es so, dass Mitglieder der PMF-Milizen tagsüber Sicherheitsakteure und nachts Kriminelle sein können.

Den irakischen Streitkräften und PMF-Milizen wird vorgeworfen, ihre Macht zu nutzen, um durch illegale Aktivitäten Einnahmen zu erzielen, was wiederum ihre Kampfkraft schwächt und Unsicherheit in der lokalen Gemeinschaft schafft. In einem Bericht vom Juli 2018 stellte die International Crisis Group fest, dass die Anwohner behaupteten, dass die in Mossul tätigen PMF-Milizen illegale durch Erpressung oder Plünderung erzielen würden. Die PMF-Milizen würden ihre Befugnis daraus ableiten, dass ihre Kämpfer im Kampf gegen den Islamischen Staat getötet wurden und damit die Kontrolle über territoriale und staatliche Institutionen übernehmen. Unter der Bezeichnung "Fake Hashd" werden alle Arten von Akteuren zusammengefasst, die die grundsätzliche Popularität der PMF ausnutzen und alle Arten von Systemen oder Situationen schaffen, um Geld zu verdienen, wie z.B. die Einrichtung von irregulären Kontrollpunkten zur Generierung von Bestechungsgeldern oder andere Arten von kriminellen Aktivitäten. Manchmal schließen sich Menschen einer Gruppe an, weil sie glauben, dass es sich um eine PMF-Miliz handelt, nur um später herauszufinden, dass sie sich einer kriminel

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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