TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/10 L504 2150799-1

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Veröffentlicht am 10.12.2019
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Entscheidungsdatum

10.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

L504 2150799-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , XXXX .1997 geb., StA. Irak, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.03.2017, Zl. 1068665707-150512527, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

Die beschwerdeführende Partei [bP] stellte am 15.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Es handelt sich dabei um einen Mann, welcher seinen Angaben nach Staatsangehöriger des Irak mit sunnitischem Glaubensbekenntnis ist, der Volksgruppe der Araber angehört und aus Mosul stammt.

In der von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten Erstbefragung gab die bP zu ihrer Ausreisemotivation Folgendes an:

"[...]

Im Irak herrscht Krieg. Die ISIS haben Mosul erobert und wollten mich rekrutieren. Aus diesem Grund habe ich Mosul verlassen

[...]".

In der nachfolgenden Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl brachte die bP zu ihrer ausreisekausalen Problemlage im Herkunftsstaat und allfälligen Problemen die sie im Falle der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat erwarte, im Wesentlichen vor:

"[...]

Ich habe den Irak aus Angst vor dem IS verlassen. Der IS hat mich beim Rauchen [angetroffen] und auf meinem Handy Fotos von Personen in T-Shirts gefunden. Beides grenzt für sie an Gotteslästerung. Ich wurde deshalb für sieben Tage festgehalten, dabei auch ausgepeitscht und mit der Auflage entlassen, dass sie mich umbringen werden, wenn ich nicht nach dem Koran lebe. Ich hatte unheimliche Angst und suchte sofort nach einer Möglichkeit aus dem Irak wegzukommen. Bis dahin habe ich unser Haus nicht mehr verlassen.

Wann war der Vorfall?

Im Februar 2015.

[...]"

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich vom Bundesamt gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt.

Gem. § 8 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen.

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei.

Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Das Bundesamt gelangte im Wesentlichen zur Erkenntnis, dass hinsichtlich der Gründe für die Zuerkennung des Status eines asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten eine aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation nicht glaubhaft gemacht worden sei. Ebenso ergebe sich aus allgemeinen Lage im Herkunftsstaat keine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende bzw. reale Gefährdung der bP. Abschiebungshindernisse lägen demnach nicht vor. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen seien nicht gegeben. Ein die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung übersteigendes Privat- und Familienleben würde nicht vorliegen und wurde daher eine Rückkehrentscheidung verfügt.

Gegen diesen Bescheid wurde durch die gewillkürte Vertretung innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben und unter anderem eine Verhandlung beantragt, die am 24.06.2019 durchgeführt wurde. Die bP erschien mit ihrer Vertretung, das Bundesamt blieb entschuldigt fern.

In der Verhandlung gab sie zur persönlichen Rückkehrproblematik aus aktueller Sicht Folgendes an:

"[...]

Seit Ihrer Ausreise aus Ihrem Heimatland ist nun schon einige Zeit vergangen. Würden Sie aus heutiger Sicht bei einer Rückkehr an Ihren früheren Wohnort noch Probleme erwarten? Wenn ja, geben Sie bitte konkret und vollständig alle Probleme an, die Sie persönlich für sich bei einer Rückkehr erwarten würden.

Herr Richter, ich bin, als ich nach Österreich kam, 17 oder 18 [gewesen], ich bin quasi hier aufgewachsen. Als ich hier in Österreich einen Ohrring stechen ließ, haben mir meine Eltern, als sie davon erfahren haben, Stress gemacht. Sie wollten, dass ich diesen wieder entfernen lasse, ich sagte ihnen, ich bin jung, ich mache was ich will.

Ich bin hier in Österreich aufgewachsen, das Leben hier gefällt mir, im Irak können sie spazieren gehen, es kann jederzeit eine Bombe explodieren oder man kann von jemandem niedergeschossen werden, einfach so." [Anm.: Ende der freien Rede]

RI wiederholt die Frage

Im Irak habe ich überhaupt keine Freiheiten, ich müsste hier meine Freundin/Geliebte verlassen. Obwohl, ich habe hier mit meiner Freundin Schluss gemacht, wegen heute. Ich sagte ihr, sie solle zum Interview kommen, sie wollte nicht, wir hatten deswegen Stress miteinander.

[...]"

Es wurde der bP am Ende der Verhandlung aufgetragen das BVwG unverzüglich zu verständigen, wenn sich in ihrer persönlichen Sphäre liegende entscheidungsrelevante Änderungen, die ihren Antrag auf internationalen Schutz bzw. ihr Privat- und Familienleben betreffen, ergeben.

Bis zu dieser Entscheidung langte keine solche Mitteilung ein. Das BVwG geht daher diesbezüglich von unverändertem Sachverhalt aus.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde sowie durch die Ergebnisse des ergänzenden Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben.

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Identität und Herkunftsstaat:

Die bP ist irakischer Staatsangehöriger mit sunnitischem Glauben, der arabischen Volksgruppe zugehörig und stammt aus Mosul.

Sie ist im Besitz eines irakischen Personalausweises.

1.2. Regionale Herkunft und persönliche Lebensverhältnisse vor der Ausreise:

Die bP hat vor der Ausreise im Osten von Mosul mit den Geschwistern und Eltern in deren Haus gelebt. Sie absolvierte dort über 10 Jahre ihre Schulbildung. Sie lebte überwiegend vom Einkommen des Vaters, war aber selbst auch schon erwerbstätig, zB als Schweißer, Elektriker, Installateur und Verkäufer.

1.3. Familiäres/verwandtschaftliches bzw. soziales Netzwerk im Herkunftsstaat

Die Eltern und Geschwister leben nach wie vor im Osten von Mosul, nunmehr in einer Mietwohnung. Das Haus wurde im Zuge der Auseinandersetzung zwischen IS und den irakischen Sicherheitskräften zerstört. Die Familie bestreitet den Lebensunterhalt durch die staatliche Pension, die der Vater als ehemaliger Militärangehöriger erhält. Die bP hat Kontakt zur Familie. Zuletzt ca. 3 Wochen vor der Verhandlung über Internet mit der Mutter. Sie hat die bP dabei gefragt wie es ihr geht und sie hat über die Situation in Mosul gesprochen.

Es kam nicht hervor, dass das Verhältnis zu ihrer Familie derart zerrüttet wäre, dass sie im Falle der Rückkehr keine familiäre Unterstützung im Falle der Notwendigkeit mehr haben könnte.

Weiters leben auch Verwandte, zB jener Onkel der mit der bP im Geschäft arbeitete, nach wie vor in Mosul. Dies sowohl im Osten als auch im Westen der Stadt

Die bP hat in der Verhandlung zur Frage der von ihr persönlich erwarteten Rückkehrprobleme aus aktueller Sicht nicht vorgebracht, dass sie in Mosul bei einer Rückkehr nicht das zum Leben Notwendige erlangen könnte.

1.4. Ausreisemodalitäten

Sie reiste ihren Angaben nach am 01.03.2015 mit dem Pkw über Syrien aus dem Irak aus und verblieb folglich ca. 1 Monat in der Türkei, bis sie mit Unterstützung von Schleppern gegen Zahlung von 5000 Euro nach Österreich reiste.

Sie durchreiste auf ihrem Weg nach Österreich mehrere als sicher geltende Staaten. In diesen suchte sie nicht um Schutz an. Es wurde nicht behauptet, dass ihr dort die Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz nicht auch möglich gewesen wäre oder, dass Flüchtlinge dort keinen Schutz erlangen könnten.

1.5. Gesundheitszustand

Die bP hat in der Verhandlung keine relevante behandlungsbedürftige Erkrankung dargelegt.

1.6. Privatleben / Familienleben in Österreich

Art, Dauer, Rechtmäßigkeit des bisherigen Aufenthaltes:

Die bP begab sich mit Unterstützung einer kriminellen Schlepperorganisation nach Österreich und wurde am 15.05.2015 bei nicht rechtmäßigem Aufenthalt im Bundesgebiet angetroffen und gem. § 120 FPG zur Anzeige gebracht.

Dabei stellte sie als bereits Volljähriger gegenständlichen Antrag, wodurch sie eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gem. AsylG erlangte.

Da ihr in diesem Verfahren weder der Status eines Asylberechtigten noch jener eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen war, erweist sich die Einreise als rechtswidrig und stellt grds. gem. § 120 Abs 1 u. Abs 7 FPG eine Verwaltungsübertretung dar.

Familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich:

Die bP hat in der Verhandlung keine als Familienleben zu wertenden Umstände dargelegt. Die Beziehung zu ihrer Freundin bezeichnete sie als beendet.

Schutzwürdigkeit des Privatlebens / Die Frage, ob das Privatleben / Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstaates bewusst waren / Grad der Integration

Deutschkenntnisse: die bP hat 2017 die Prüfung für A1 bestanden. In der Verhandlung wurden Schulbesuchsbestätigungen für Deutschmodule für den Zeitraum 10. September 2018 bis 15. Februar 2019 sowie 25. Februar 2019 bis 5. Juli 2019 vorgelegt.

Ein Cousin lebt in Österreich in einem anderen Bundesland.

Über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt sie nicht.

Teilweise oder gänzliche wirtschaftliche Selbsterhaltung während des Verfahrens bzw. Teilnahme an möglicher und erlaubter Erwerbstätigkeit für Asylwerber (https://www.ams.at/unternehmen/service-zur-personalsuche/beschaeftigung-auslaendischer-arbeitskraefte/beschaeftigung-von-asylwerberinnen-und-asylwerbern#wieknnenasylwerberinnenundasylwerberbeschftigtwerden) kam nicht hervor.

Gemeinnützige Tätigkeiten hat die bP "ein paar Mal" durch Schneeräumung verrichtet.

Die bP hat ihre privaten Anknüpfungspunkte während einer Zeit erlangt, in der der Aufenthaltsstatus im Bundesgebiet stets prekär war.

Bindungen zum Herkunftsstaat:

Die beschwerdeführende Partei ist im Herkunftsstaat geboren, absolvierte dort ihre Schulzeit, kann sich im Herkunftsstaat - im Gegensatz zu Österreich - problemlos verständigen und hat ihr überwiegendes Leben in diesem Staat in Mosul verbracht. Sie kennt die dortigen Regeln des Zusammenlebens und verfügt sie dort auch über ein familiäres, verwandtschaftliches Netzwerk.

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die beschwerdeführende Partei als von ihrem Herkunftsstaat entwurzelt zu betrachten wäre.

Strafrechtliche/verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen:

In der Datenbank des österreichischen Strafregisters scheinen keine Vormerkungen wegen rk. gerichtlicher Verurteilungen auf.

Das Vorliegen von rk. Verwaltungsstrafen wurde dem BVwG nicht mitgeteilt und ergibt sich auch nicht aus dem Akteninhalt.

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts:

Da der bP weder der Status einer Asylberechtigten noch der einer subsidiär schutzberechtigten Person zukommt, stellt die rechtswidrige Einreise gegenständlich auch grds. eine Verwaltungsübertretung dar (vgl. § 120 Abs 7 FPG).

Die beschwerdeführende Partei verletzte - trotz diesbezüglicher Belehrung - durch die nichtwahrheitsgemäße Begründung ihres Antrages auf internationalen Schutz ihre Mitwirkungsverpflichtung im Asylverfahren.

Während des Asylverfahrens verletzte sie ihre Meldepflicht und war unbekannten Aufenthaltes. Am 08.08.2016 wurde die bP aus disziplinären Gründen etwa auch von der Grundversorgung abgemeldet. Sie musste einmal wegen disziplinärer Verfehlungen mit Unterstützung der Polizei das Quartier wechseln.

Verfahrensdauer:

Die bP stellte am 15.05.2015 gegenständlichen Antrag und entschied das Bundesamt mit Bescheid vom 01.03.2017. Am 24.06.2019 erfolgte die beantragte Verhandlung beim BVwG und wird in der Sache mit Erkenntnis vom heutigen Tag darüber entschieden.

1.7. Zu den behaupteten ausreisekausalen Geschehnissen / Erlebnissen im Zusammenhang mit staatlichen bzw. nichtstaatlichen Akteuren und der zu erwartenden Rückkehrsituation:

Die bP vermochte die behaupteten, als ausreisekausal dargelegten, persönlichen Erlebnisse, so wie von ihr dargelegt, aus den in der Beweiswürdigung angeführten Gründen nicht glaubhaft machen.

Es kann somit nicht festgestellt werden, dass die bP im Zusammenhang mit ihrer als nicht glaubhaft erachteten ausreisekausalen persönlichen Bedrohungslage im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat, konkret ihre Herkunftsregion Mosul, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr oder einer entscheidungsrelevanten realen Gefahr von Leib und/oder Leben ausgesetzt wäre.

Aus den Angaben der bP ergibt sich im Herkunftsstaat, insbesondere in der Herkunftsregion der bP, unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Verhältnisse, aktuell keine Situation, wonach im Falle der Rückkehr eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts bestünde. Dies ergibt sich auch nicht aus der amtswegigen Einschätzung der Lage im Herkunftsstaat

Die bP war im Hinblick auf Unterkunft und Versorgung mit Lebensmitteln bislang in der Lage im Herkunftsstaat ihre Existenz zu sichern. Es wurde von ihr weder beim Bundesamt noch im Beschwerdeverfahren konkret dargelegt, dass sie im Falle der Rückkehr nicht mehr ihre Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz decken könnte.

1.8. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:

Quellen:

BVwG, vorläufige Lageeinschätzung.

Summary of presentation by Joel Wing, Overview oft the state of iray - Spring 2019, 28.03.2019.

Musings on iraq, Security in iraq Jun 8-14, 2019.

Zwei Jahre nach dem IS eröffnen Alkoholläden in Mosul wieder, 26.05.2019, Imena-watch

Google News, Ereignisrecherche Stichwort "Mosul", Zeitraum 24.05.2019 - 24.06.2019.

BVwG 02.10.2019, L504 2126719-1.

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 20.11.2018, letzte Kurzinformation vom 09.04.2019.

Zusammenfassend ergeben sich aus oa. Quellen nachfolgende Feststellungen bzw. Schlussfolgerungen:

Die politische Landschaft des Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 enorm verändert. Gemäß der Verfassung ist der Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat, der aus 18 Provinzen besteht. Die Autonome Region Kurdistan ist Teil der Bundesrepublik Irak und besteht aus den drei nördlichen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaymaniya. Sie wird von einer Regionalverwaltung, der kurdischen Regionalregierung, verwaltet und verfügt über eigene Streitkräfte.

Die konfessionell/ethnische Verteilung der politischen Spitzenposten ist nicht in der irakischen Verfassung festgeschrieben, aber seit 2005 üblich. So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnit, der Premierminister ist ein Schiit und der Präsident der Republik ein Kurde. Die meisten religiös-ethnischen Gruppen sind im Parlament vertreten.

Der Irak hat ca. 38 Millionen Einwohner. Etwa 75-80 % der heute im Irak lebenden Bevölkerung sind Araber, 15-20 % sind Kurden und 5 % sind Turkomanen, rund 600.000 Assyrer/Aramäer, etwa 10.000 Armenier oder Angehörige anderer ethnischer Gruppen. Weiterhin sollen im Südosten 20.000 bis 50.000 Marsch-Araber leben. Von turkomanischen Quellen wird der Anteil der eigenen ethnischen Gruppe auf etwa 10 % geschätzt.

Etwa 97 % der Bevölkerung sind muslimisch. Über 60 % sind Schiiten und zwischen 32 und 37 % Sunniten; die große Mehrheit der muslimischen Kurden ist sunnitisch. Ca. 17-22 %, also ca. 6,5 bis 8,4 Millionen der Gesamtbevölkerung sind arabische Sunniten (vorwiegend im Zentral- und Westirak), ca. 15-20 % der Gesamtbevölkerung sind kurdische Sunniten. So wie Schiiten sind auch (arabische) Sunniten in hohen politischen (zB Parlamentspräsident) und öffentlichen Ämtern vertreten. Ebenso als Beschäftigte bei Polizei, Militär und Gerichten. Sunniten nehmen ebenso am sonstigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teil. Christen, Jesiden und andere Religionen bilden mit ca. 3 % eine Minderheit. Die Christen zählen überwiegend zu den orientalisch-christlichen Gemeinschaften: Chaldäisch-katholische Kirche, Assyrische Kirche des Ostens, Alte Kirche des Ostens, Armenische Apostolische Kirche, Römisch-katholische Kirche, Syrisch-katholische Kirche, Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien, Assyrisch-evangelische Kirche und andere.

Sicherheitskräfte - Milizen - Rechtschutz

Die irakischen Sicherheitskräfte ISF:

Im ganzen Land sind zahlreiche innerstaatliche Sicherheitskräfte tätig. Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF, Iraqi Security Forces) bestehen aus Sicherheitskräften, die vom Innenministerium verwaltet werden, Sicherheitskräften, die vom Verteidigungsministerien verwaltet werden, den Volksmobilisierungseinheiten (PMF, Popular Mobilization Forces), und dem Counter-Terrorism Service (CTS). Das Innenministerium ist für die innerstaatliche Strafverfolgung und die Aufrechterhaltung der Ordnung zuständig; es beaufsichtigt die Bundespolizei, die Provinzpolizei, den Dienst für den Objektschutz, den Zivilschutz und das Ministerium für den Grenzschutz. Die Energiepolizei, die dem Ölministerium unterstellt ist, ist für den Schutz von kritischer Infrastruktur in diesem Bereich verantwortlich. Konventionelle Streitkräfte, die dem Verteidigungsministerium unterstehen, sind für die Verteidigung des Landes zuständig, führen aber in Zusammenarbeit mit Einheiten des Innenministeriums auch Einsätze zur Terrorismusbekämpfung sowie interne Sicherheitseinsätze durch. Der Counter-Terrorism Service (CTS) ist direkt dem Premierminister unterstellt und überwacht das Counter-Terrorism Command (CTC), eine Organisation, zu der drei Brigaden von Spezialeinsatzkräften gehören. Die irakischen Streit- und Sicherheitskräfte dürften mittlerweile wieder ca. 100.000 Armee-Angehörige (ohne PMF und Peshmerga) und über 100.000 Polizisten umfassen.

Volksmobilsierungseinheiten (PMF):

Der Name bezeichnet eine Dachorganisation für etwa vierzig bis siebzig Milizen und demzufolge ein loses Bündnis paramilitärischer Formationen. Die PMF werden vom Staat unterstützt und sind landesweit tätig. Die Mehrheit der PMF-Einheiten ist schiitisch, was die Demografie des Landes widerspiegelt. Sunnitische, jesidische, christliche und andere "Minderheiten-Einheiten" der PMF sind in ihren Heimatregionen tätig. Es gibt große, gut ausgerüstete Milizen, quasi militärische Verbände, wie die Badr-Organisation, mit eigenen Vertretern im Parlament, aber auch kleine improvisierte Einheiten mit wenigen Hundert Mitgliedern, wie die Miliz der Schabak. Viele Milizen werden von Nachbarstaaten wie dem Iran oder Saudi-Arabien unterstützt. Die Türkei unterhält in Baschika nördlich von Mosul ein eigenes Ausbildungslager für sunnitische Milizen. Die Milizen haben eine ambivalente Rolle. Einerseits wäre die irakische Armee ohne sie nicht in der Lage gewesen, den IS zu besiegen und Großveranstaltungen wie die Pilgerfahrten nach Kerbala mit jährlich bis zu 20 Millionen Pilgern zu schützen. Andererseits stellen die Milizen einen enormen Machtfaktor mit Eigeninteressen dar, was sich in der gesamten Gesellschaft, der Verwaltung und in der Politik widerspiegelt und zu einem allgemeinen Klima der Korruption und des Nepotismus beiträgt. Die PMF unterstehen seit 2017 formal dem Oberbefehl des irakischen Ministerpräsidenten. Alle PMF-Einheiten sind offiziell dem Nationalen Sicherheitsberater unterstellt. Die Bemühungen der Regierung, die PMF als staatliche Sicherheitsbehörde zu formalisieren, werden fortgesetzt, aber Teile der PMF bleiben "iranisch" ausgerichtet. Das Handeln dieser unterschiedlichen Einheiten stellt zeitweise eine zusätzliche Herausforderungen in Bezug auf die Sicherheitslage dar, insbesondere - aber nicht nur - in ethnisch und religiös gemischten Gebieten des Landes.

Rechtschutz

Das reguläre Strafjustizsystem besteht aus Ermittlungsgerichten, Gerichten der ersten Instanz, Berufungsgerichten, dem Kassationsgerichtshof und der Staatsanwaltschaft. Das Oberste Bundesgericht erfüllt die Funktion eines Verfassungsgerichts. Die Verfassung garantiert die Unabhängigkeit der Justiz. Jedoch schränken bestimmte gesetzliche Bestimmungen und Einflussnahmen die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz ein. Personal- und Kompetenzmangel wird zuweilen beklagt.

Die Verfassung gibt allen Bürgern das Recht auf einen fairen und öffentlichen Prozess. Dennoch verabsäumen es Beamte vereinzelt, Angeklagte unverzüglich oder detailliert über die gegen sie erhobenen Vorwürfe zu informieren. Beobachter berichteten, dass Verfahren nicht den internationalen Standards entsprechen. Obwohl Ermittlungs-, Prozess- und Berufungsrichter im Allgemeinen versuchen, das Recht auf ein faires Verfahren durchzusetzen, gibt es diesbezüglich Mängel im Verfahren. Urteile ergehen vereinzelt mit überschießend hohen Strafen.

Aufgrund von Misstrauen gegenüber Gerichten oder fehlendem Zugang wenden sich Iraker vereinzelt auch an Stammesinstitutionen, um Streitigkeiten beizulegen, selbst wenn es sich um schwere Verbrechen handelt.

Die Rechtsprechung ist in der Praxis von einem Mangel an kompetenten Richtern, Staatsanwälten sowie Justizbeamten gekennzeichnet. Eine Reihe von Urteilen lassen auf politische Einflussnahme schließen. Hohe Richter werden oftmals auch unter politischen Gesichtspunkten ausgewählt.

Allg. Sicherheitslage

Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen Sieg über den Islamischen Staat. Die Sicherheitslage hat sich, seitdem die territoriale Kontrolle des IS gebrochen wurde, verbessert. Vereinzelte, untergetauchte IS-Kämpfer sind jedoch weiterhin in manchen Gebieten für Verbrechen verantwortlich. Ebenso werden vereinzelt Übergriffe seitens schiitischer Milizen verzeichnet. Die allgemeine Kriminalitätsrate ist hoch. Eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet grds. nicht statt. In der Autonomen Region Kurdistan sind Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt.

Wenngleich es zum Teil erhebliche Mängel im Sicherheits- und Rechtschutzsystem gibt, kann nicht davon gesprochen werden, dass für die Bevölkerung generell keine wirksamen Schutzmechanismen vorhanden wären oder, dass dazu kein Zugang möglich wäre. Ansätze zur Abhilfe und zur Professionalisierung entstehen durch internationale Unterstützung: Die Sicherheitssektorreform wird aktiv und umfassend von der internationalen Gemeinschaft unterstützt.

Es ergibt sich auf Grund der aktuellen Berichtslage nicht, dass in der Herkunftsregion der beschwerdeführenden Partei oder im gesamten Irak aktuell eine Lage herrschen würde, die für eine Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit (infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes) mit sich bringen würde.

Es kann auf Grund der aktuellen Berichtslage nicht festgestellt werden, dass derzeit quasi jede Person mit dem Persönlichkeitsprofil der beschwerdeführenden Partei (insbes. ethnische, konfessionelle Zugehörigkeit) im Irak bzw. in der Herkunftsregion einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden Verfolgung aus asylrelevanten Motiven unterliegen würde.

Es kann ebenso nicht festgestellt werden, dass für diese Personen im Irak bzw. in der Herkunftsregion eine allgemeine Sicherheitslage herrschen würde, wonach sie einer realen Gefahr einer Gefährdung der persönlichen Unversehrtheit ausgesetzt wären

Sunniten

Ca. 17-22 %, also ca. 6,5 bis 8,4 Millionen der Gesamtbevölkerung sind arabische Sunniten (vorwiegend im Zentral- und Westirak), ca. 15-20 % der Gesamtbevölkerung sind kurdische Sunniten. So wie Schiiten sind auch arabische Sunniten in hohen politischen (zB Parlamentspräsident) und öffentlichen Ämtern vertreten. Ebenso als Beschäftigte bei Polizei, Militär und Gerichten. Sunniten nehmen ebenso am sonstigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teil. Es gibt Berichte über vereinzelte Menschenrechtsverletzungen an Sunniten, va. durch schiitische Milizen oder unbekannte Täter. Vor allem Personen die Angehörige der terroristischen Gruppierung IS sind oder im Verdacht stehen solche zu sein oder diese unterstützen, können derart gefährdet sein. Auf Grund der Berichtslage lässt sich nicht schließen, dass dies Teil eines systematischen, quasi jeden Sunniten gleichermaßen treffenden Risikos ist. Sunniten, die in schiitisch dominierten Regionen leben, können gesellschaftliche Diskriminierung in einem moderaten Level erfahren, vor allem in den südlichen Gouvernements. Es handle sich vorwiegend um Diskriminierung am Arbeitsmarkt bzw. um gesellschaftliche Diskriminierung aufgrund von Nepotismus. Schiitische Arbeitgeber würden eher Schiiten einstellen. Generell ist die Zahl von registrierten, sicherheitsrelevanten Vorfällen jedoch seit dem Zeitpunkt als der IS als "vertrieben" gilt, stark rückläufig und regional unterschiedlich.

Eine systematische Verfolgung von Sunniten verneinend auch der VwGH, zB in Ra 2018/14/0354-11 vom 30. April 2019; vgl. auch uva. BVwG v. 07.03.2019, L504 2120407-1 [ein Sunnit namens Omar mit wiederholten Reisen und längeren Aufenthalten (2016-2019) im Irak, vor allem Bagdad, während des laufenden Beschwerdefahrens]).

Mosul

Mosul [auch Mossul] ist die Hauptstadt im Gouvernement Ninewa. Sie ist mit rd. 2,9 Millionen Einwohnern nach Bagdad die zweitgrößte Stadt des Landes. Mosul war eine multiethnische und multireligiöse Stadt. Die Demagogie hat sich nach der Besetzung durch den IS zugunsten der arabischen Bevölkerung verändert. Die meisten Einwohner von Mosul sind Sunniten.

Mitte 2014 wurde sie durch den IS eingenommen. Die Sicherheitslage hat sich nach dem territorialen Sieg über den IS im Jahr 2017 merklich auch in Mosul verbessert. Es wurden verschiedene Militärbehörden in der Stadt stationiert, was die Sicherheitslage deutlich verbessert hat. Vereinzelt wird über IS-Schläferzellen berichtet, die - so wie auch Personen die diesen unterstützen - durch staatliche Sicherheitskräfte bekämpft werden. Die vereinzelten Übergriffe des IS richten sich in erster Linie gegen staatliche Organe und deren Einrichtungen. Es kommt vereinzelt zu Menschenrechtsverletzungen und sonstige Kriminalität durch Regierungssoldaten und lokale Milizen, die die Stadt kontrollieren.

Der westliche Teil (Altstadt) war wesentlich mehr von Zerstörung durch den Kampf gegen den IS betroffen als der Osten der Stadt. Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme, UNDP) plant heuer insgesamt 10.000 Häuser im Westen Mosuls zu sanieren.

Eine grds. Normalisierung des Lebens in Mosul zeichnet sich vor allem im Osten ab, was sich zB auch durch ein Aufblühen der kulturellen Szene zeigt.

Einige öffentliche Dienste haben ihre Arbeit wieder aufgenommen, darunter auch Schulen und medizinische Dienstleistungen. Auch wenn es dem Wiederaufbauprozess an Unterstützung und Finanzierung mangelt, hat sich der östliche Teil der Stadt revitalisiert. Aber auch in der Altstadt beginnen sich trotz der Zerstörung Zeichen des Lebens zu zeigen, zB durch Märkte, Friseurläden, Lokale, kleinere Geschäfte. Die Binnenflüchtlinge kehren nach Mosul zurück. Die Versorgungslage ist auf niedrigem Niveau und mit Unterstützung von Hilfsorganisationen grds. gewährleistet.

Aktuelle allg. Versorgungslage

Auf Grund klimatischer Verhältnisse (Wasserknappheit) und zum Teil veralteter Infrastruktur kann die Versorgung mit sauberem Wasser im Süden des Landes nicht überall gleich gut gewährleistet sein. Berichte, dass das Mindestmaß an lebensnotwendiger Versorgung mit Trinkwasser (zB auch durch Kauf von Trinkwasserflaschen in Geschäften) im Irak nicht möglich oder zugänglich wäre, liegen nicht vor.

Schätzungen des Welternährungsprogramms zufolge benötigen ca. 700.000 Iraker Nahrungsmittelhilfe. Das Sozialsystem wird vom sog. "Public Distribution System" (PDS) dominiert, einem Programm, bei dem die Regierung importierte Lebensmittel kauft, um sie an die Öffentlichkeit zu verteilen. Das PDS ist das wichtigste Sozialhilfeprogramm im Irak, in Bezug auf Flächendeckung und Armutsbekämpfung. Es ist das wichtigste Sicherheitsnetz für Arme. Es sind alle Bürger berechtigt, Lebensmittel im Rahmen von PDS zu erhalten. An der Umsetzung kann es zu Mängeln kommen.

Es kann auf Grund der Berichtslage nicht festgestellt werden, dass aktuell im Irak bzw. in der Herkunftsregion eine derart schlechte Versorgungslage herrschen würde, dass nicht das zur Existenz unbedingt Notwendige erlangbar wäre.

Medizinische Versorgung

Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können, haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben etwa eine Stunde vom nächstliegenden Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert.

Bewegungsfreiheit

Die irakische Verfassung und andere nationale Rechtsinstrumente erkennen das Recht aller Bürger auf Freizügigkeit, Reise- und Aufenthaltsfreiheit im ganzen Land an. Die Bewegungsfreiheit verbesserte sich, nachdem die vom IS kontrollierten Gebiete wieder unter staatliche Kontrolle gebracht wurden.

In einigen Fällen beschränken die Behörden die Bewegungsfreiheit von Vertriebenen und verbieten Bewohnern von IDP-Lagern, ohne eine Genehmigung das Lager zu verlassen. Das Gesetz erlaubt es den Sicherheitskräften aus Sicherheitsgründen die Bewegungsfreiheit im Land einzuschränken, Ausgangssperren zu verhängen, Gebiete abzuriegeln und zu durchsuchen. Es gab Berichte, dass Sicherheitskräfte (ISF, Peshmerga, PMF) Bestimmungen, die Aufenthaltsgenehmigungen vorschreiben, um die Einreise von Personen in befreite Gebiete unter ihrer Kontrolle zu beschränken, in der Vergangenheit selektiv umgesetzt haben.

Eine Kontrolle der eigenen Staatsangehörigen findet bei der Ausreise statt. Iraker mit gültigem Reisepass genießen Reisefreiheit und können die Landesgrenzen problemlos passieren.

Die kurdische Autonomieregierung schränkt die Bewegungsfreiheit in den von ihr verwalteten Gebieten ein. Innerirakische Migration aus dem Zentralirak in die Autonome Region Kurdistan ist grundsätzlich möglich. Durch ein Registrierungsverfahren wird der Zuzug jedoch kontrolliert. Wer dauerhaft bleiben möchte, muss sich bei der Asayish-Behörde des jeweiligen Bezirks anmelden. Informationen über die Anzahl der Anträge und Ablehnungen werden nicht veröffentlicht. Die Behörden verlangen von Nicht-Ortsansässigen, Genehmigungen einzuholen, die einen befristeten Aufenthalt in der Autonomieregion erlauben. Diese Genehmigungen waren in der Regel erneuerbar. Bürger, die eine Aufenthaltserlaubnis für die Autonome Region Kurdistan bzw. die von ihr kontrollierten Gebiete einholen wollen, benötigen idR einen in der Region ansässigen Bürgen. Bürger, die aus dem Zentral- oder Südirak in die Autonome Region Kurdistan einreisen (egal welcher ethno-religiösen Gruppe sie angehörten, auch Kurden) müssen aus Sicherheitsgründen Checkpoints passieren und Personen- und Fahrzeugkontrollen werden idR durchgeführt. Die Behörden der Autonomen Region Kurdistan wenden Beschränkungen zuweilen unterschiedlich streng an. Die Wiedereinreise von IDPs und Flüchtlingen wird - je nach ethno-religiösem Hintergrund und Rückkehrgebiet - mehr oder weniger restriktiv gehandhabt. Beamte hindern Personen, die ihrer Meinung nach ein Sicherheitsrisiko darstellen könnten, an der Einreise in die Region. Die Einreise kann für Männer oft schwieriger, insbesondere für arabische Männer, die ohne Familie reisen.

IDPs und Flüchtlinge

Die Zahl der Vertriebenen sinkt stetig; die Zahl der Rückkehrer ist mittlerweile auf 4 Millionen gestiegen. Die Regierung und internationale Organisationen, einschließlich UN-Einrichtungen und NGOs, versuchen, IDPs Schutz und andere Hilfe zu gewähren.

Rückkehr

Die freiwillige Rückkehrbewegung irakischer Flüchtlinge aus anderen Staaten, befindet sich im Vergleich zum Umfang der Rückkehr der Binnenflüchtlinge auf einem deutlich niedrigeren, im Vergleich zu anderen Herkunftsstaaten aber auf einem relativ hohen Niveau. Bei jenen Irakern, welche in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz stellten, Verfolgung behaupteten und während des Beschwerdeverfahrens freiwillig wieder zurückkehrten, handelt es sich überwiegend um arabische Sunniten und Schiiten. Neben Österreich führen auch andere Staaten der EU abgelehnte irakische Staatsangehörige in den Irak zurück.

Dokumente

Identitätsbescheinigende Dokumente die im Irak ausgestellt wurden sind wenig zuverlässig, zumal sie häufig auch auf Grund mangelnder Dokumentation ausgestellt werden.

Jedes irakische Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, ist im Irak gegen Bezahlung zu beschaffen

2. Beweiswürdigung

Einleitend ist anzuführen, dass die im Verfahren aufgenommenen Niederschriften mit den Aussagen der bP vollen Beweis iSd § 15 AVG über den Verlauf und Gegenstand der Amtshandlung bilden und mit diesem Inhalt als zentrales Beweismittel der Beweiswürdigung unterzogen werden können.

Die bP trat den Gegenbeweis der Unrichtigkeit des darin bezeugten Vorganges nicht an.

Ad 1.1.1 Identität und Herkunftsstaat:

Die Feststellungen ergeben sich aus den in diesem Punkt gleichbleibenden persönlichen Angaben im Zuge der Einvernahmen, ihren im Verfahren dargelegten Sprach- und Ortskenntnissen und dem von der bP vorgelegten irakischen Personalausweis.

Soweit die bP in der Verhandlung angab, dass sie keine irakische Staatsbürgerschaft habe, da der Beamte der Staatsbürgerschaftsbehörde sich nach einem telefonische Streit mit dem Vater im Jahr 2010 - die bP war damals 13 Jahre alt - geweigert habe die Staatsbürgerschaftsbestätigung zu stempeln, so kann das BVwG nicht erkennen, dass sie deshalb aktuell derzeit nicht die irakische Staatsangehörigkeit besitzen würde. Beide Elternteile sind im Irak geboren und irakische Staatsangehörige. Die bP besitzt einen irakischen Personalausweis. Im EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Irak, interne Mobilität, vom Februar 2019, wird angeführt, dass alle Iraker einen nationalen Personalausweis besitzen, der von der Direktion für Zivilstandsangelegenheiten, die der Generaldirektion für Staatsangehörigkeit des Innenministeriums unterstellt ist, ausgestellt wird. Er wird auf der Grundlage der Informationen im Familienregister der Person in dem Bezirk ausgestellt, in dem die Person registriert ist. Das Familienregister ist die Grundlage für die Ausstellung von nationalen Personalausweisen und Staatsangehörigkeitsbescheinigungen, die wiederum zur Ausstellung von Pässen benötigt werden. Der Personalausweis wird als das wichtigste persönliche Ausweisdokument für Iraker beschrieben, daher für alle Kontakte zu Behörden und für Dienstleistungen, wie Gesundheitsdienste, Sozialleistungen, für den Zugang zu Bildung und für das kaufen und verkaufen von Eigentum wie Häusern oder Fahrzeugen notwendig ist. Es ist außerdem erforderlich, um weitere amtliche Dokumente wie Pässe zu erhalten.

Ad 1.1.2. Regionale Herkunft und persönliche Lebensverhältnissen vor der Ausreise:

Die Feststellungen ergeben sich glaubhaft aus den in diesem Punkt lebensnahen, gleichbleibenden persönlichen Angaben im Zuge der Einvernahmen, ihren im Verfahren dargelegten Sprach- und Ortskenntnissen und den seitens der bP vorgelegten Bescheinigungsmittel.

Ad 1.1.3. Familiäres/verwandtschaftliches bzw. soziales Netzwerk im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen ergeben sich aus den in diesem Punkt gleichbleibenden, lebensnahen persönlichen Angaben der bP im Zuge mehrerer Einvernahmen.

Ad 1.1.4. Ausreisemodalitäten:

Diese Feststellungen ergeben sich aus ihren persönlichen, gleichbleibenden Angaben im Verfahren.

Ad 1.1.5. Gesundheitszustand:

Diese Feststellung ergibt sich aus ihrer persönlichen Angabe in der Verhandlung.

Ad 1.1.6. Privatleben / Familienleben in Österreich

Diese Feststellungen ergeben sich aus ihren persönlichen Angaben in der Verhandlung, den von ihr vorgelegten Bescheinigungsmitteln sowie aus dem Akteninhalt des Bundesamtes.

Ad 1.1.7. Behauptete ausreisekausale Geschehnisse / Erlebnisse im Zusammenhang mit staatlichen bzw. nichtstaatlichen Akteuren und der zu erwartenden Rückkehrsituation:

Gerade beim Antrag auf internationalen Schutz kommt der persönlichen Aussage zur eigenen Gefährdungssituation im Herkunftsstaat als Beweismittel und zentralem Punkt in diesem Verfahren besondere Bedeutung zu, handelt es sich doch behauptetermaßen um persönliche Erlebnisse bzw. eigene sinnliche Wahrnehmungen des Antragstellers / der Antragstellerin über die berichtet wird. Diese entziehen sich zumeist - insbesondere auf Grund der faktischen und rechtlichen Ermittlungsschranken der Asylinstanzen - weitgehend einer Überprüfbarkeit und liegen diese idR alleine in der persönlichen Sphäre der bP.

Im Wesentlichen geht es für die Entscheider darum, zu beurteilen, ob es im konkreten Fall glaubhaft ist, dass die diesbezüglichen Aussagen der bP auf einem tatsächlichen persönlichen Erleben beruhen oder ob sich die Partei dabei der Lüge bedient bzw. die Aussagen nicht erlebnisbegründet sind.

Im Allgemeinen erfolgt eine (vorsätzliche) Falschaussage nicht ohne Motiv (vgl. Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 4. Auflage, Rz 246ff). Im Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz kann eine derartige Motivationslage, die den Wahrheitswillen eines Antragstellers/einer Antragstellerin zu beeinflussen geeignet ist, darin liegen, dass sie ihrer Überzeugung nach - uU auch durch Suggestion Dritter beeinflusst - dadurch gesteigerte Erfolgsaussichten erwarten, um den beantragten Status als Asylberechtigter oder als subsidiär Schutzberechtigter und damit einen Aufenthaltstitel samt Zugang zum Arbeitsmarkt und/oder staatlicher Versorgung zu erlangen (sog. "Folgenberücksichtigung", siehe oben zitierte Quelle).

Als Beurteilungskritierien für die Glaubhaftmachung nennt der Verwaltungsgerichtshof beispielsweise:

Bloßes Leugnen oder eine allgemeine Behauptung reicht für eine Glaubhaftmachung nicht aus (VwGH 24.2.1993, 92/03/0011; 1.10.1997, 96/09/0007). Aus dem Wesen der Glaubhaftmachung ergibt sich auch, dass die Ermittlungspflicht der Behörde durch die vorgebrachten Tatsachen und angebotenen Beweise eingeschränkt ist (VwGH 29.3.1990, 89/17/0136; 25.4.1990, 90/08/0067). Ohne entsprechendes Vorbringen des Asylwerbers oder ohne sich aus den Angaben konkret ergebende Anhaltspunkte ist die Behörde / das Bundesverwaltungsgericht nicht verpflichtet jegliche nur denkbaren Lebenssachverhalte ergründen zu müssen (vgl. VwGH 10.8.2018, Ra 2018/20/0314, mwN).

Es ist Aufgabe des Asylwerbers, durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen. (VwGH 30. 11. 2000, 2000/01/0356).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Behörde einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubhaft anerkennen, wenn der Asylwerber während des Verfahrens im Wesentlichen gleichbleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubhaft könnten Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (vgl. zB. VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).

Auch auf die Mitwirkung des Asylwerbers im Verfahren ist bei der Beurteilung der Glaubhaftmachung Bedacht zu nehmen. Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre [VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua], gesundheitliche [VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601; 14.6.2005, 2005/02/0043], oder finanzielle [vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099] Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht und Darlegungslast des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).

Wenn Sachverhaltselemente im Ausland ihre Wurzeln haben, ist die Mitwirkungspflicht und Offenlegungspflicht der Partei in dem Maße höher, als die Pflicht der Behörde zur amtswegigen Erforschung des Sachverhaltes wegen des Fehlens der ihr sonst zu Gebote stehenden Ermittlungsmöglichkeiten geringer wird. Tritt in solchen Fällen die Mitwirkungspflicht der Partei in den Vordergrund, so liegt es vornehmlich an ihr, Beweise für die Aufhellung auslandsbezogener Sachverhalte beizuschaffen (VwGH 12.07.1990, Zahl 89/16/0069).

Die amtswegige Ermittlungspflicht bedeutet nicht, ohne entsprechendes Vorbringen des Asylwerbers oder ohne sich aus den Angaben konkret ergebende Anhaltspunkte jegliche nur denkbaren Lebenssachverhalte ergründen zu müssen (vgl. VwGH 10.8.2018, Ra 2018/20/0314, mwN).

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Das BVwG geht auf Grund des Ermittlungsverfahrens davon aus, dass die bP in zentralen Bereichen, wo es um die Ausreise bzw. ausreisekausale Probleme und Rückkehrbefürchtungen geht, keine bzw. geringe Bereitschaft zeigte wahrheitsgemäße Angaben zu machen. Offensichtlich hielt sie es selbst für einen positiven Ausgang des beantragten internationalen Schutzes für abträglich hier den Tatsachen entsprechende Angaben zu machen.

Die bP wurde in der Verhandlung in einer offenen Fragestellung aufgefordert alle Problemlagen zu schildern, die sie aus aktueller Sicht im Falle einer Rückkehr nach Mosul erwarten würde. Sie führte dazu im Wesentlichen aus, dass sie in Österreich bleiben wolle, weil es ihr hier gefalle. Im Irak könne jederzeit eine Bombe explodieren oder jemand niedergeschossen werden. Im Irak habe sie "überhaupt keine Freiheiten". Anderweitige Probleme im Irak brachte sie persönlich dabei nicht weiter vor.

Das BVwG gelangt zur Ansicht, dass die bP in Bezug auf ihre als ausreisekausal beschriebenen Erlebnisse keine wahrheitsgemäßen Angaben machte, da diese grob widersprüchlich waren.

Behauptete sie bei der Erstbefragung noch, dass sie deshalb ausgereist sei, weil sie der ISIS "rekrutieren" wollte, gab sie hingegen beim Bundesamt später als Ausreisemotiv an, dass sie der IS im Februar 2015 beim Rauchen und mit Fotos am Handy von Personen mit T-Shirts ertappt habe und dies lt. IS an Gotteslästerung grenze. Sie sei 7 Tage lang von diesen festgehalten und gefoltert worden. Bei der Freilassung sei ihr angedroht worden, dass man sie umbringen werde, wenn sie nicht nach dem Koran lebe. Andere Gründe nannte sie auf die offene Frage, warum sie den Irak verlassen habe, ausdrücklich nicht.

Diese beiden Versionen sind nach Ansicht des BVwG nicht miteinander vereinbar und stellen eine unterschiedliche Begründung dar, weshalb es der bP nicht gelingt auch nur eine der Versionen als persönliches Erlebnis glaubhaft zu machen.

Das Bundesamt hat ihr in der Einvernahme die anderen Angaben aus der Erstbefragung vorgehalten und gab die bP darauf hin nunmehr an, "ja, das ist auch passiert". Nach der Entlassung sei der IS 3 Mal bei ihr zu Hause gewesen und hätten sie aufgefordert an der Verteidigung von Mosul bzw. ihres Glaubens teilzunehmen. Sie hätten auf die bP eingeredet, sie habe sich aber nicht bereit erklärt, da sie andere Menschen nicht töten wollte. Der IS habe dies akzeptiert.

Das BVwG ist der Ansicht, dass die bP hier nur einen Versuch tätigte die widersprüchlichen Angaben erklärbar zu machen, dies aber nicht den Tatsachen entspricht. Die bP hätte bereits bei der vorherigen offenen Fragestellung vorbringen können, dass sie der IS nicht nur wegen des Verstoßes gegen den Islam folterte, sondern anschließend auch für den gemeinsamen Kampf "überreden" wollte. Das BVwG schließt aus diesem Aussageverhalten, dass die bP bei der Einvernahme beim Bundesamt nicht mehr wusste, was sie dazumal bei der Erstbefragung angegeben hat und es so zum Widerspruch kam. Hätte die bP diese Erlebnisse tatsächlich so erlebt, so wäre der allgemeinen Lebenserfahrung nach davon auszugehen, dass sie keine derart unstimmigen Angaben gemacht hätte.

Auf dem Boden der gesetzlichen Regelung des § 19 Abs. 1 AsylG 2005 ist es weder der Behörde noch dem Bundesverwaltungsgericht verwehrt, im Rahmen beweiswürdigender Überlegungen Widersprüche und sonstige Ungereimtheiten zu späteren Angaben einzubeziehen, es bedarf aber sorgsamer Abklärung und auch der in der Begründung vorzunehmenden Offenlegung, worauf diese fallbezogen zurückzuführen sind [Hinweis VwGH v 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017, 0018, und E vom 13. November 2014, Ra 2014/18/0061, sowie das E des Verfassungsgerichtshofes vom 20. Februar 2014, U 1919/2013 ua.] (VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0189, VwGH 17.05.2018, Ra 2018/20/0168-3). Nach Ansicht des VfGH bezweckt diese Regelung den Schutz der Asylwerber davor, sich im direkten Anschluss an die Flucht aus ihrem Herkunftsstaat vor uniformierten Staatsorganen über traumatische Ereignisse verbreitern zu müssen, weil sie unter Umständen erst vor kurzem vor solchen geflohen sind. Daraus ergibt sich auch, dass an die dennoch bei der Erstbefragung erstatteten, in der Regel kurzen Angaben zu den Fluchtgründen im Rahmen der Beweiswürdigung keine hohen Ansprüche in Bezug auf Stringenz und Vollständigkeit zu stellen sind (VfGH 20.02.2014, U 1919/2013-15).

Es kamen für keine der beiden Einvernahmen aussagehemmende Faktoren hervor.

Das BVwG verkennt nicht, dass zum Zeitpunkt der Ausreise auch in Mosul das IS Problem vorherrschend war und einerseits Versuche der Rekrutierung von Kämpfern nicht lebensfremd waren, andererseits war es auch durchaus real möglich, dass es Anfeindungen und Drohungen gegen Personen gab, die ihrer Ansicht nach gegen herrschende Sitten verstoßen haben. Auf Grund dieser grob widersprüchlichen Angaben vermochte die bP aber nicht glaubhaft machen, dass sie dies persönlich auch tatsächlich erlebt hat.

Es fanden sich bei einem durch den Referenten durchgeführten Augenschein des Rückens von der bP auch keinerlei Spuren, die bei laienhafter Betrachtung auf ein behauptetes Auspeitschen zurückzuführen gewesen wären und ist die bP dem auch nicht konkret entgegen getreten.

Seit der Befreiung von Mosul vom IS hat sich die Sicherheitslage wesentlich verbessert, was sich auch aus den Statistiken eindeutig ergibt. Zwar ergeben sich aus den Berichten nach wie vor vereinzelte Attentate durch IS-Schläferzellen und stellt auch die Kriminalität ein Problem dar, wobei hier auch die schiitischen Milizen zum Teil involviert sind, jedoch kam weder glaubhaft hervor, dass sich die bP vor der Ausreise exponiert hätte und somit in den Blickpunkt staatlicher oder nichtstaatlicher Akteure geraten wäre, noch ist wahrscheinlich, dass die bP durch ihre Abwesenheit vom Irak bei einer Rückkehr daraus relevante Sicherheitsprobleme zu gegenwärtigen hätte. Zum einen ist ihr Vater selbst ehemaliger Militärangehöriger und bezieht nach wie vor vom Staat eine Pension, zum anderen könnte die bP auch allenfalls nachweisen, wo sie sich seither für welche Zwecke befand. Dass es durch die Stellung eines Asylantrages im Ausland relevante Repressalien geben würde, kam nicht hervor.

Auch UNHCR spricht im aktuellen Positionspapier vom Mai 2019 zur Beurteilung der internationalen Schutzbedürftigkeit von Asylsuchenden aus dem Irak davon, dass jedenfalls eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist. Dies führt eben im konkreten Fall dazu, dass von der bP eine entscheidungsrelevante Bedrohungslage eben nicht glaubhaft gemacht wurde.

Die bP stammt aus dem Osten von Mosul, wo auch ihre Familienangehörigen und Verwandte leben und das dazu Notwendige erzielen können. Der Osten wurde bei weitem nicht derart in Mitleidenschaft gezogen wie der Westen der Stadt, wo etwa nahezu die gesamte Altstadt zerstört wurde.

Seit dem Abzug des IS aus Mosul wird auch über den Einzug liberalerer Lebensgewohnheiten berichtet, wie etwa die Errichtung von Alkoholläden (https://www.mena-watch.com/zwei-jahre-nach-dem-is-eroeffnen-alkohollaeden-in-mosul-wieder/) und der diesbezügliche an sich verbotene Verkauf von Alkohol, ein Aufleben der kulturellen Szene (https://www.dw.com/de/mossul-feiert-ein-kulturelles-comeback/a-45400515) oder aber auch die Eröffnung eines boomenden Tatoo-Studios im Osten der Stadt, obwohl Tatoos im Islam an sich als haram gelten (https://www.heute.at/s/ein-besuch-in-mossuls-einzigem-tattoo-studio-49555588). Mosul ist auch Universitätsstadt.

Ad 1.1.8. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:

Das BVwG hat durch die zitierten Quellen Beweis erhoben und hat der bP bzw. dem Vertreter in der Verhandlung ua. auch eine vorläufige Lageeinschätzung mit der Möglichkeit dazu auch schriftlich Stellung zu beziehen ausgefolgt. Bis dato erfolgte dazu keine Stellungnahme.

Das Gericht hat bei der Lagebeurteilung besonderen Wert auf Erkenntnisquellen gelegt, aus denen sich Erkenntnisse über die zum Zeitpunkt der Verhandlung im Juni 2019 aktuelle asyl- und abschiebungsrelevanten Lage gewinnen lassen. Beim Irak handelt es sich um ein Land mit sehr dichter Berichtslage. Vor allem zahlreiche nationale und internationale Medien sind vor Ort und berichten auch in Onlineformaten vor allem zeitnah selbst über kleinere sicherheitsrelevante Vorfälle, die sich medial im Internet oft in mehrfacher Weise wiederfinden. Dem gegenüber enthalten andere Berichte, wie etwa jene von Organisationen oder Personen, die sich etwa vom Organisationszweck her dem Schutz von Menschenrechten verschrieben haben, idR Ereignisse, die schon länger zurückliegen, was zuweilen mit deren periodischem Erscheinen in Zusammenhang steht.

Das BVwG hat zur Erkundung aktuellster Geschehnisse zur Lageeinschätzung somit auch über die Suchmaschine "Google" eine zeitraumbezogene Vorfallsrecherche durchgeführt. Eine Art der Recherche, die auch regelmäßig von der Staatendokumentation zur Auffindung relevanter Ereignisse für eine Analyse herangezogen wird (zB ersichtlich in der Anfragebeantwortung zur "Chronologischen Auflistung sicherheitsrelevanter Vorfälle von Oktober 2018 bis Jänner 2019 mit Sunniten als Opfer") und den Kriterien des Beirates entspricht.

Soweit auch das Länderinformationsblatt zur Erkenntnisgewinnung herangezogen wurde, so dient dies hier - abgesehen von den jüngsten Kurzinformationen - in erster Line der Gewinnung von Erkenntnissen über weiter zurück liegender Geschehnisse.

Die bP legte in der Verhandlung durch ihre Vertretung selbst Berichte zur Lage im Irak und konkret im Mosul vor:

Anfragebeantwortung von Akkord zum Irak, Lage Mosul bzw. Provinz Ninewa, Sicherheitslage, Lage für Familien mit Kindern, Fluchtbewegungen und Rückkehr, vom 6. Februar 2019. Diesen zitierten Berichten ist gemeinsam, dass sie allesamt Geschehnisse im Jahr 2018 betreffen.

Online Zeitungsartikel von Le Monde Diplomatic, Die Belagerten von Mosul. Bericht vom 07.09.2017 über die Zeit der Belagerung von Mosul durch den IS und den Befreiungskampf.

Anfragebeantwortung zum Irak: Lage von (sunnitischen) Rückkehrern in vom IS befreiten und von schiitischen Milizen kontrollierten Gebieten [a-10081] vom 27.03.2017.

Die von der bP vorgelegten Berichte sind nicht geeignet zur Lagedarstellung von Mosul im Jahr 2019 bzw. zum Zeitpunkt der Verhandlung, zumal sie zeitlich lediglich Geschehnisse beinhalten, die das Jahr 2018 und noch weiter zurückliegend betreffen. Mit diesen kann somit auch nicht den jüngeren Quellen des BVwG entgegen getreten werden.

Aus den vom BVwG herangezogenen Quellen über Geschehnisse - und damit nicht nur Berichte die aus dieser Zeit stammen - die das Jahr 2019 betreffen, ist ersichtlich, dass sich die Sicherheitslage in Mosul wesentlich gebessert hat und gerade angesichts der Größe der Stadt mit ihren ca. 2,9 Millionen Einwohnern, sich die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle noch erheblich mehr relativiert. Beispielhaft werden im Zeitraum vom 01.-14.06.2019 in der gesamten Provinz Ninewa (ca. 3,2 Millionen Einwohner) - in dieser befindet sich Mosul - nur 6 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (Quelle: Mussings on Iraq). Die noch ergänzend gesichtete ebensolche Quelle den Zeitraum 01.-14.10.2019 betreffend, weist die Provinz Ninewa mit 3 sicherheitsrelevanten Vorfällen aus. Das BVwG verkennt nicht, dass es wohl auch noch weitere Vorfälle (Dunkelziffer) geben kann, die nicht in diese Statistik Eingang gefunden hat, jedoch kommt dieser doch eine gewisse Indizfunktion zu und vermochte auch die bP selbst keine Erkenntnisquellen darlegen, die dieser aus gleich aktueller Sicht widersprechen würden.

Die bP hat seit der Verhandlung keine in ihrer persönlichen Sphäre liegenden Umstände mitgeteilt, die den Antrag auf internationalen Schutz betreffen. Das BVwG hat im Interesse der beschwerdeführenden Partei auch seit der Verhandlung erschienene Berichte zum Irak und konkret Mosul gesichtet (zB www.ecoi.net und google news) und ist auch angesichts der aktuellen Demonstrationen in Großstädten, va in Bagdad, mit zahlreichen Todesopfern unter den Demonstrationsteilnehmern und auch auf Seiten der Sicherheitskräfte, keine andere Einschätzung der Rückkehrsituation für Mosul festzustellen. Mosul blieb von diesen Demonstrationen bislang im Wesentlichen verschont (z B. https://www.wsws.org/de/articles/2019/11/20/pers-n20.html). Die zumeist aus jungen Männern bestehenden Demonstrationsteilnehmer demonstrieren dabei im Wesentlichen gegen die Regierung, die sozialen Umstände und die mangelnde Stromversorgung. Demonstrationsteilnehmer wenden dabei auch Gewalt gegen Sachen und Sicherheitskräfte an, die ebenso mit Gewalt reagieren. Die Teilnehmer rekrutieren sich über Konfessionsgrenzen hinweg. Zum ersten Mal gingen auch in großen sunnitischen Städten im Norden des Landes, wie das überwiegend sunnitische Mosul aus Solidarität Menschen für die getöteten schiitischen Demonstranten auf die Straße. In Mosul trugen Studenten auf dem Campus der Universität die schwarze Trauerkleidung der schiitischen Muslime. (https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/iran-beunruhigt-proteste-im-irak-weiten-sich-aus-16513445.html)

3. Rechtliche Beurteilung

Nichtzuerkennung des Status als Asylberechtigter

§ 3 AsylG

(1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

(4) Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.

(4a) Im Rahmen der Staatendokumentation (§ 5 BFA-G) hat das Bundesamt zumindest einmal im Kalenderjahr eine Analyse zu erstellen, inwieweit es in jenen Herkunftsstaaten, denen im Hinblick auf die Anzahl der in den letzten fünf Kalenderjahren erfolgten Zuerkennungen des Status des Asylberechtigten eine besondere Bedeutung zukommt, zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist.

(4b) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet.

(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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