Entscheidungsdatum
11.12.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L516 2109556-1/20E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA Pakistan, vertreten durch Verein Menschenrecht Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.06.2015, Zahl 1070571809/150551603, nach mündlicher Verhandlung am 28.05.2019, zu Recht:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs 1, § 8 Abs 1, § 57, § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs 2 Z 2 und Abs 9 sowie § 46 und § 55 FPG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Satz von Spruchpunkt III des bekämpften Bescheides zu lauten hat: "Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt".
II. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger und stellte am 23.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens mit Bescheid vom 20.06.2015 (I.) gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und (II.) gemäß § 8 Abs 1 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab. Das BFA erteilte unter einem (III.) keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß "§§ 57 und 55 AsylG", erließ gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG, stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei und sprach aus, dass gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Bescheid wird zur Gänze angefochten.
1. Sachverhaltsfeststellungen:
[regelmäßige Beweismittel-Abkürzungen: S=Seite; AS=Aktenseite des Verwaltungsaktes des BFA; NS=Niederschrift; VS=Verhandlungsschrift; SN=schriftliche Stellungnahme; EG=Eingabe; OZ=Ordnungszahl des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichtes; ZMR=Zentrales Melderegister; IZR=Zentrales Fremdenregister; GVS= Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich; SD=Staatendokumentation des BFA; LIB=Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA]
1.1 Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Lebensverhältnissen in Pakistan
Der Beschwerdeführer führt in Österreich den im Spruch angeführten Namen sowie das ebenso dort angeführte Geburtsdatum. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Pakistan und gehört der Volksgruppe der Paschtunen, dem Clan der XXXX und dem Stamm der Turi sowie der schiitischen Glaubensgemeinschaft an. Seine Identität steht nicht fest. [NS 23.05.2015, S 1; Beschwerde, S 2; OZ 5]
Der Beschwerdeführer stammt aus XXXX (auch: XXXX ), einem Dorf nahe Parachinar in der Kurram Agency, Provinz Khyber Pakhtukhwa (bis 2018 Gebiet der FATA), wo er auch bis zu seiner Ausreise aus Pakistan in seinem eigenen Haus zusammen mit seiner Ehefrau und seinen damals zwei Kindern lebte. Der Beschwerdeführer besuchte in seiner Heimat die Schule, arbeitete bis 2011 als Taxifahrer und danach bis zu seiner Ausreise als Baggerfahrer auf Baustellen und im Straßenbau. Er verließ Pakistan im Frühjahr 2015. Seine Eltern sind verstorben. Er ist Vater von drei minderjährigen Kindern und seit XXXX Witwer. Seine drei minderjährigen Kinder leben seit seiner Ausreise im Ort XXXX in der Nähe des Basars von Parachinar bei seinem Onkel, einem Bruder des Vaters. Seine Ehefrau und Mutter seiner Kinder verstarb im XXXX aufgrund einer Erkrankung; bis dahin lebte sie ebenso bei jenem Onkel. Eine Halbschwester und ein Halbbruder des Beschwerdeführers leben auch in Pakistan; die Halbschwester verheiratet in der Nähe vom Basar in Parachinar, der Halbbruder beim zuvor genannten Onkel. Der Beschwerdeführer erhält von seinem Onkel ab und zu Anrufe, kann aber selbst nicht nach Pakistan Kontakt aufnehmen. [NS 23.05.2015, S 3; Beschwerde, S 2; OZ 5; UV 29.03.2019 (OZ 8); VS 28.05.2019, S 6-10]
1.2 Zu seiner Lebenssituation in Österreich
Im Mai 2015 reiste der Beschwerdeführer nach Österreich ein, wo er sich gestützt auf das vorläufige Aufenthaltsrecht nach dem Asylgesetz seit nunmehr viereinhalb Jahren ununterbrochen aufhält. Er ist auf Leistungen aus der Grundversorgung für hilfsbedürftige Fremde angewiesen. Er ist nicht erwerbstätig, ist jedoch über ein Projekt der Caritas seit XXXX im XXXX stundenweise als Mithilfe in der Dienstküche beschäftigt. Er wird als stets pünktlich, sehr hilfsbereit und zuvorkommend sowie allen gegenüber aufgeschlossen und freundlich beschrieben und ist sehr gut in die dortige Gemeinschaft integriert. Er verrichtete seit März 2017 auch andere gemeinnützige Tätigkeiten. Er verfügt über eine Einstellungszusage eines österreichischen Unternehmens als Bauhilfsarbeiter im Fall des Erhalts einer Aufenthaltsberechtigung. Er hat nach eigenen Angaben keine Freunde, hat jedoch Bekannte und unterhält sich mit den Menschen in seiner Umgebung. Er besuchte in Österreich Deutschkurse, hat jedoch keine zertifizierte Sprachprüfung abgelegt. Er versteht zum Teil einfache Fragen in der deutschen Sprache, wenn sie langsam und deutlich gestellt werden, teilweise jedoch auch nicht. Er kann teilweise einfache Sätze in der deutschen Sprache bilden zu Situationen des täglichen Lebens. Er ist gesund, leidet jedoch unter der familiären Belastungssituation durch den Tod seiner Ehefrau und dem Verbleib der Kinder in Pakistan. Er ist strafrechtlich unbescholten. [IZR 28.05.2019; GVS 28.05.2019; OZ 16, VS 28.05.2019, Beilage C; VS 28.05.2019, S 5, 6, 9; SN 18.06.2019 (OZ 14); Strafregister der Republik Österreich (OZ 11)]
1.3 Der Beschwerdeführer brachte zur Begründung seines Antrages auf internationalen Schutz zusammengefasst im Wesentlichen vor:
Er habe Pakistan wegen des Krieges und der damit verbundenen schlechten Sicherheitslage verlassen, es gebe viele Attentate und die Taliban würden die Schiiten töten. Sein Vater sei ungefähr im Jahr 2011 mit dem Auto auf dem Weg nach Peschawar gewesen, um eine Therapie zu erhalten und sei dabei bei einem Selbstmordanschlag der Taliban durch eine Explosion getötet worden. Jenen Anschlag habe es gegeben, weil man die Schiiten nicht in Ruhe lasse. Ob es einen speziellen Grund für jenen Anschlag auf seinen Vater gegeben habe, wisse er nicht. Er, der Beschwerdeführer, habe wie sein Vater damals als Taxifahrer gearbeitet. Im Jahr 2011, einen Monat nach dem Tod seines Vaters, sei auch auf sein Auto zwei Mal geschossen worden, er wisse nicht warum, es seien kleine Vorfälle auf dem Weg nach Hause gewesen. Drei Monate nach dem Tod seines Vaters habe er deshalb mit dem Taxifahren aufgehört. Danach habe er bis zu seiner Ausreise im Jahr 2015 für Baufirmen auf Baustellen als Baggerfahrer im Straßenbau gearbeitet. Er habe bis zu seiner Ausreise mit seiner eigenen Familie im eigenen Haus im Heimatdorf XXXX gelebt. Als er ausgereist sei, habe er seine Familie zu seinem Onkel, einem Bruder des Vaters, gebracht, der etwas entfernter im Ort XXXX in der Nähe des Basars von Parachinar lebe. Bei jenem Onkel seien seine Kinder nach wie vor, sie würden jedoch nicht in die Schule gehen. Er habe Pakistan schließlich im Jahr 2015 verlassen, da er da krank gewesen sei und deshalb nach Peschawar habe fahren wollen, die Leute ihm jedoch gesagt hätten, er solle nicht fahren, da man auch ihn umbringen könne. Auch sei seine Frau damals schwanger gewesen und er habe sie auch nicht nach Peschawar bringen können. Seine Familie habe Angst gehabt, dass auch er sterbe, er sei der älteste Sohn seiner Familie gewesen und habe auch eine eigene Familie gehabt. Vor dem Tod seines Vaters habe jener ihm auch immer wieder gesagt, dass dem Vater von Leuten erzählt worden sei, dass er, der Beschwerdeführer, sterben werde, wenn auch er als Taxifahrer arbeite. Sein Vater habe dies immer wiederholt und deshalb sei er ausgereist. Sein Vater habe ihm jedoch weder erzählt, wer dies gesagt habe noch aus welchem Grund man den Beschwerdeführer umbringen wolle. Er sei deshalb nicht innerhalb von Pakistan in eine andere Stadt gezogen, da er niemanden woanders in Pakistan kenne und ihm von den Leuten gesagt worden sei, dass es hier in Österreich Menschlichkeit und Menschenrechte gebe. [NS 23.05.2015, S 5; NS 04.06.2015, S 5; Beschwerde, S 2; OZ 5; VS 28.05.2019, S 6 -11]
1.4 Zur Beurteilung dieses Vorbringens
Das zuvor dargestellte Vorbringen des Beschwerdeführers, weshalb er seine Heimat verlassen habe, ist glaubhaft.
1.5. Zur Lage in Pakistan:
Politische Lage
Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa. Die FATA (Federally Administered Tribal Areas / Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) sind nach einer Verfassungsänderung im Mai 2018 offiziell in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert worden. Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von GilgitBaltistan und Azad Jammu & Kashmir, dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet und sind in Teilen autonom. Das Hauptstadtterritorium Islamabad ("Islamabad Capital Territory") bildet eine eigene Verwaltungseinheit (AA 1.2.2019a).
Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament (Nationalversammlung und Senat). Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt für fünf Jahre gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, 10 weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert (AA 1.2.2019a). Die reservierten Sitze werden von den Parteien gemäß ihrem Stimmenanteil nach Provinzen besetzt, wobei die Parteien eigene Kandidatenlisten für diese Sitze erstellen. (Dawn 2.7.2018).
Bei der Wahl zur Nationalversammlung (Unterhaus) am 25. Juli 2018 gewann erstmals die Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI: Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit) unter Führung Imran Khans die Mehrheit (AA 1.2.2019a). Es war dies der zweite verfassungsmäßig erfolgte Machtwechsel des Landes in Folge (HRW 17.1.2019). Die PTI konnte durch eine Koalition mit fünf kleineren Parteien sowie der Unterstützung von neun unabhängigen Abgeordneten eine Mehrheit in der Nationalversammlung herstellen (ET 3.8.2018). Imran Khan ist seit Mitte August 2018 Premierminister Pakistans (AA 1.2.2019).
Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von Parlament und Provinzversammlungen gewählt. Am 9. September 2018 löste Arif Alvi von der Regierungspartei PTI den seit 2013 amtierenden Präsidenten Mamnoon Hussain (PML-N) Staatspräsident regulär ab (AA 1.2.2019a).
[Beweisquelle: LIB Mai 2019 mwN]
Sicherheitslage allgemein
Die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus bleibt zentrales Problem für die innere Sicherheit des Landes (AA 1.2.2019a; vgl. USDOS 19.9.2018). Landesweit ist die Zahl der terroristischen Angriffe seit 2009, zurückgegangen (PIPS 7.1.2019; vgl. AA 21.8.2018, USDOS 19.9.2018). Konflikte mit dem Nachbarland Indien werden gelegentlich gewaltsam ausgetragen (EASO 10.2018 S 16).
Die Taliban und andere militante Gruppen verüben Anschläge insbesondere in Belutschistan und in Khyber-Pakhtunkhwa (AA 21.8.2018), aber auch in Großstädten wie Karatschi (AA 1.2.2019a). Über 90 % der terroristischen Anschläge sowie Todesopfer entfielen 2018 auf die zwei Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 7.1.2019). Die Anschläge zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten, sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie die Sufis (AA 1.2.2019a).
Die Operationen der Rangers [siehe dazu Abschnitt 5] in Karatschi (ab 2013), Militäroperationen in Nord-Wasiristan und der Khyber Agency [Stammesbezirke der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, Anm.], sowie landesweite Anti-Terror-Operationen als Teil des National Action Plan (NAP) trugen dazu bei, den rückläufigen Trend bei der Zahl der Vorfälle und der Opfer auch 2018 aufrecht zu halten (PIPS 7.1.2019 S 20; vgl. EASO 10.2018 S 18). In den ehemaligen Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas - FATA) konnte das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden (AA 21.8.2018), die Militäraktionen gelten als abgeschlossen (Dawn 29.5.2018). Viele militante Gruppen, insbesondere die pakistanischen Taliban, zogen sich auf die afghanische Seite der Grenze zurück und agitieren von dort gegen den pakistanischen Staat (AA 21.8.2018).
Die verschiedenen militanten, nationalistisch-aufständischen und gewalttätigen religiöskonfessionellen Gruppierungen führten 2018 landesweit 262 terroristische Angriffe durch. Dabei kamen 595 Menschen ums Leben und weitere 1.030 wurden verletzt. Unter den Todesopfern waren 371 Zivilisten, 173 Angehörige der Sicherheitskräfte und 51 Aufständische. 136 (52 %) Angriffe zielten auf staatliche Sicherheitskräfte, jedoch die höchste Zahl an Opfern (218 Tote und 394 Verletzte) gab es bei insgesamt 24 Terrorangriffen auf politische Persönlichkeiten. Zivilisten waren das Ziel von 47 (18 %) Angriffen, acht waren Angriffe auf regierungsfreundliche Stammesälteste bzw. Mitglieder der Friedenskommittees und sieben hatten Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft zum Ziel (PIPS 7.1.2019 S 17f). Im Vergleich zu 2017 gab es im Jahr 2018 29 Prozent weniger terroristische Angriffe, bei denen um 27 Prozent weniger Todesopfer und um 40 Prozent weniger Verletzte zu beklagen waren (PIPS 7.1.2019).
Insgesamt gab es im Jahr 2018 in Pakistan, inklusive der oben genannten terroristischen Anschläge, 497 Vorfälle von für die Sicherheitslage relevanter Gewalt (2017: 713; -30 %), darunter 31 operative Schläge der Sicherheitskräfte (2017: 75), 22 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen (2017: 68), 131 Auseinandersetzungen an den Grenzen mit Indien, Afghanistan und Iran (2017: 171) und 22 Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt (2017: vier) (PIPS 7.1.2019 S 19f; Zahlen für 2017: PIPS 7.1.2018 S 20). Die Zahl der bei diesen Vorfällen getöteten Personen sank um 46 % auf 869 von 1.611 im Jahr 2017, die Zahl der verletzten Personen sank im selben Zeitraum um 31 % von 2.212 auf 1.516 (PIPS 7.1.2019 S 20).
[Beweisquelle: LIB Mai 2019 mwN]
Sicherheitslage Punjab und Islamabad
Die Bevölkerung der Provinz Punjab beträgt laut Zensus 2017 110 Millionen. In der Provinzhauptstadt Lahore leben 11,1 Millionen Einwohner (PBS 2017d). Islamabad, die Hauptstadt Pakistans, ist verwaltungstechnisch nicht Teil der Provinz Punjab, sondern ein Territorium unter Bundesverwaltung (ICTA o.D.). Die Bevölkerung des Hauptstadtterritoriums beträgt laut Zensus 2017 ca. zwei Millionen Menschen (PBS 2017d).
Die Sicherheitslage in Islamabad ist besser als in anderen Regionen (EASO 10.2018 S 93). Die Sicherheitslage im Punjab gilt als gut (SAV 29.6.2018). Mehrere militante Gruppierungen, die in der Lage sind, Anschläge auszuüben, sind im Punjab aktiv (EASO 10.2018 S 63-64; vgl. SAV 29.6.2018). In großen Städten wie Lahore und Islamabad-Rawalpindi gibt es gelegentlich Anschläge mit einer hohen Zahl von Opfern, durchgeführt von Gruppen wie den Tehreek-i-Taliban Pakistan (TTP), Al Qaeda oder deren Verbündeten (ACLED 7.2.2017); beispielsweise wurden bei einem Bombenanschlag durch die TTP-Splittergruppe Hizbul-Ahrar auf Polizeieinheiten vor einem Sufi-Schrein in Lahore am 8.5.2019 zehn Personen getötet. (Guardian 8.5.2019; vgl. Reuters 8.5.2019). Der Südpunjab gilt als die Region, in der die militanten Netzwerke und Extremisten am stärksten präsent sind (EASO 10.2018 S 63-64).
Für das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS für das Hauptstadtterritorium Islamabad keinen und für den Punjab zwei terroristische Angriffe mit zwei Toten (Aggregat aus: PIPS 6.2.2019. PIPS 7.3.2019, PIPS 10.4.2019). Im Jahr 2018 wurde von PIPS im Hauptstadtterritorium kein terroristischer Angriff gemeldet. Im Punjab gab es vier terroristische Anschläge mit 20 Todesopfern. Zwei davon waren Selbstmordsprengangriffe durch die pakistanischen Taliban (PIPS 7.1.2019 S 49). Im Jahr 2017 kamen im Punjab bei 14 Anschlägen 61 Personen ums Leben, davon fanden sechs Vorfälle mit 54 Toten in Lahore statt. Das Hauptstadtterritorium verzeichnete drei Anschläge mit zwei Todesopfern (PIPS 7.1.2018).
[Beweisquelle: LIB Mai 2019 mwN]
Sicherheitslage Sindh
Die Provinz Sindh unterteilt sich in 138 Tehsils in 29 Distrikten und hat ca. 48 Millionen Einwohner. Karatschi, die Hauptstadt der Provinz Sindh und größte Stadt Pakistans, hatte laut Zensus 2017 ca. 16 Millionen Einwohner (PBS 2017d). Aufgrund des wirtschaftlichen Potenzials der Stadt zieht Karatschi Zuwanderer aus allen größeren ethnischen Gruppen und Sprachgruppen Pakistans an und es kommt zu erheblichen religiös, ethnisch und politisch motivierten Ausschreitungen (EASO 10.2018 S 78; vgl. AA 13.3.2019) und Auseinandersetzungen terroristischer oder krimineller Gruppen mit Sicherheitskräften (AA 13.3.2019).
Die dem Innenministerium unterstehenden, paramilitärischen Rangers führen seit 2013 weiterhin Anti-Terror- und Anti-Verbrechens-Operationen in Karatschi durch (USDOS 13.3.2019; vgl. PIPS 7.1.2019 S 20), was zu deutlich reduzierter Präsenz aller Arten gewalttätiger Gruppierungen in der Stadt geführt hat (PIPS 7.1.2019 S 125). Die politische, religiös-konfessionelle und ethnische Gewalt in Karatschi ist gesunken und die Straßenkriminalität in Form von Gangs ist nicht mehr so verbreitet wie vor den Sicherheitsoperationen (USDOS 13.3.2019). Auch die militanten Flügel der ethno-politischen Parteien, die für die schlechte Sicherheitslage in besonderem Maße verantwortlich waren, waren durch die Operationen betroffen (PIPS 7.1.2019 S 128). Mit der Verbesserung der Sicherheitslage sind auch die Immobilienpreise in Karatschi deutlich gestiegen (Propakistani 1.2.2019).
Die in Karatschi dominierende politische Partei Muttahida Qaumi Movement (MQM) war durch die Sicherheitsoperationen besonders betroffen. Zahlreiche Mitglieder wurden verhaftet oder mussten untertauchen. Die Partei gibt an, dass zahlreiche ihrer Mitglieder durch Sicherheitskräfte außerhalb des Gesetzes getötet oder verschleppt wurden (PIPS 7.1.2019 S 128).
Für das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS im Sindh acht terroristische Angriffe mit elf Todesopfern; davon fanden sechs Anschläge mit acht Toten in Karatschi statt (Aggregat aus: PIPS 6.2.2019. PIPS 7.3.2019, PIPS 10.4.2019). Im Jahr 2018 kam es im Sindh zu zwölf terroristischen Anschlägen mit 19 Todesopfern; davon entfielen neun Anschläge mit 18 Toten auf Karatschi. In Karatschi kam es 2018 weiters zu fünf ethno-politisch motivierten Zusammenstößen mit insgesamt fünf Todesopfern (PIPS 7.1.2019 S 46-48). Im Jahr 2017 kam es im Sindh zu 31 terroristischen Anschlägen mit 119 Toten. 24 Anschläge davon waren in Karatschi zu verzeichnen und 91 der 119 Tote entfielen auf einen einzigen Anschlag auf den Lal Shahbaz-Schrein in Sehwan Sharif (PIPS 7.1.2018).
[Beweisquelle: LIB Mai 2019 mwN]
Sicherheitslage Khyber-Pakhtunkhwa
Die Provinz Khyber Pakhtunkhwa (KP) ist in 25 Distrikte (PBS 2017d) und sieben Tribal Districts unterteilt (Dawn 31.5.2018). Die FATA (Federally Administered Tribal Areas / Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) wurden Ende Mai 2018 offiziell in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert (AA 1.2.2019a). Die sieben Tribal Districts Bajaur, Khyber, Kurram, Mohmand, Orakzai, Nord- und Süd-Wasiristan waren bis 31. Mai 2018 Agencies der FATA (FRC 15.1.2019; vgl. PBS 2017d, Dawn 31.5.2018). Die bis 31.5.2018 bestehenden Frontier Regions der FATA wurden als Subdivisions in die bestehenden Distrikte Bannu, Dera Ismail Khan, Kohat, Lakki Marwat, Peschawar und Tank eingegliedert (Dawn 31.5.2018; vgl. PBS 2017d).
Laut Zensus 2017 hat die Provinz [im Gebietsstand ab 1.6.2018] ca. 35,5 Millionen Einwohner, wovon ca. fünf Millionen auf dem Gebiet der ehemaligen FATA leben. Die Hauptstadt Peschawar hat 4,3 Millionen Einwohner (PBS 2017d).
2009 begann die pakistanische Armee mit einer Reihe militärischer Einsätze gegen Tehreek-eTaliban Pakistan (TTP) in Khyber Pakhtunkhwa. Diese Offensive war gekennzeichnet durch Menschenrechtsverletzungen und willkürliche Verhaftungen. Die militärischen Einsätze gegen Aufständische trugen auf lange Sicht zu mehr Sicherheit in der Provinz bei (EASO 10.2018 S 67); auch auf dem Gebiet der ehem. FATA hat sich die Lage verbessert und viele Gebiete sind von Aufständischen geräumt worden (EASO 10.2018 S 82; vgl. FRC 15.1.2019). In den ehemaligen FATA konnte das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden (AA 21.8.2018; vgl. FRC 15.1.2019), die Militäraktionen gelten als abgeschlossen (Dawn 29.5.2018).
Dennoch bleibt die Bedrohung durch Gewalttaten der TTP weiter aufrecht. Zahlreiche TalibanFraktionen konnten ihre Netzwerke auf afghanischer Seite der Grenze wieder herstellen und sind in der Lage, terroristische Angriffe auf Sicherheitskräfte und Zivilisten in den Tribal Districts Nord- und Süd-Wasiristan durchzuführen (FRC 15.1.2019; vgl. AA 21.8.2018). Andere Gruppen, die zur Instabilität in den Stammesdistrikten beitragen und ebenfalls grenzüberschreitend von Afghanistan aus operieren, sind der Islamische Staat, die Wazir- und Mahsud-Taliban, Lashkar-e-Islam und Tauheed-ul-Islam (FRC 15.1.2019). In Süd-Wasiristan wurde eine bewaffnete Gruppe, die als "gute Taliban" bezeichnet wird, zu einer staatlich gestützten Miliz (EASO 10.2018 S 82). Eine lokale Talibangruppe um Mullah Nazir aus Nord-Wasiristan, die ebenfalls als "gute Taliban" bezeichnet wurde, ist jetzt unter dem Deckmantel eines Friedenskommittees tätig und bedroht Mitglieder des Pakhtun Tahaffuz Movement (PTM, siehe auch Abschnitt 17.3) (PIPS 7.1.2019 S 75).
Als Folge der Mitte 2014 begonnenen Militäroperation Zarb-e-Azb, die sich im Wesentlichen auf das Gebiet der ehem. FATA konzentrierte, mussten rund 1,4-1,8 Mio. Menschen ihre Wohngebiete verlassen und galten seither als IDPs (ÖB 10.2018; vgl. AA 21.8.2018). Die geordnete Rückführung der Binnenvertriebenen in die betroffenen Regionen der Stammesgebiete, die Beseitigung der Schäden an Infrastruktur und privatem Eigentum, ebenso wie der Wiederaufbau in den Bereichen zivile Sicherheitsorgane, Wirtschaft, Verwaltung und Justiz stellen Regierung, Behörden und Militär vor große Herausforderungen (AA 21.8.2018; vgl. Abschnitt 20.1).
[Beweisquelle: LIB Mai 2019 mwN]
Muslimische Denominationen, insbesondere Schiiten
In Pakistan finden sich verschiedene Ausmaße der muslimischen Identität und der religiösen Intensität. Die beiden Hauptzweige des Islams, das Schiitentum und das Sunnitentum, teilen sich in Pakistan auch in mehrere Untergruppen. Die Sunniten unterteilen sich in hauptsächlich drei Gruppen. Von diesen formen die Barelvis [auch Ahle Sunnat wal Jama'at] die überwiegende Mehrheit mit ungefähr 60 % der sunnitischen Bevölkerung. Deobandis werden auf ungefähr 35 % der Sunniten geschätzt und machen damit die zweitgrößte sunnitische Subsekte aus. Eine kleine Anzahl von ungefähr 5 % der Sunniten folgt der Ahl-e Hadith (Salafi) Schule des Islam. Religiöse Intoleranz und Gewalt findet auch zwischen den muslimischen Denominationen und innerhalb der sunnitischen Konfession statt, z. B. zwischen der Barelvi-Sekte, die erheblichen Sufi-Einfluss aufweist und die Mehrheit der Pakistanis ausmacht, und der Deobandi-Sekte, die islamistisch geprägt ist (BFA 10.2014).
Die schiitische Bevölkerung Pakistans wird auf 20 bis 50 Millionen Menschen geschätzt. Die Mehrheit der Schiiten in Pakistan gehört den Zwölfer-Schiiten an, andere Subsekten sind NizariIsmailiten, Daudi Bohras und Sulemani Bohras. Laut Australian Department of Foreign Affairs and Trade sind Schiiten im ganzen Land verteilt und stellen in der semi-autonomen Region Gilgit-Baltistan die Bevölkerungsmehrheit. Viele urbane Zentren in Pakistan beheimaten große SchiaGemeinden. Manche Schiiten leben in Enklaven in den Großstädten, sind aber ansonsten gut integriert. Abgesehen von den Hazara unterscheiden sich Schiiten weder physisch noch linguistisch von den Sunniten. Schiitische Muslime dürfen ihren Glauben frei ausüben. Es gibt keine Berichte über systematische staatliche Diskriminierung gegen Schiiten. Schiiten sind in der Regierung und im öffentlichen Dienst gut vertreten. (UKHO 1.2019).
Religiös/konfessionell motivierte bzw. intra-konfessionelle Gewalt ("sectarian violence") führen weiterhin zu Todesfällen. Opfer sind zumeist gemäßigte Sunniten sowie Schiiten, die von militanten sunnitischen Organisationen wie Lashkar-e-Jhangvi (LeJ) oder den Taliban attackiert werden (AA 21.8.2018; vgl. UKHO 1.2019, NCHR 2.2018). Diese Gruppen bedrohen direkt reiligiöse Minderheiten sowie Anhänger der Mehrheitsreligion, die sich öffentlich für Religionsfreiheit oder die Rechte religiöser Minderheiten einsetzen (USCIRF 4.2019). Hazara sind das Hauptziel sunnitischer Extremistengruppen, die gegen Schiiten vorgehen (USCIRF 4.2018; vgl. Abschnitt 17.2).
Die Zahl konfessionell motivierter Gewalttaten geht seit dem Jahr 2013 kontinuierlich zurück (PIPS 7.1.2019; vgl. AA 21.8.2018). Im Jahr 2018 gab es zwölf Fälle konfessionell motivierter Gewalt (minus 40 % zum Vorjahr) mit 51 Todesopfern (minus 31 % zum Vorjahr). Sieben der zwölf Angriffe galten Mitgliedern der schiitischen Glaubensgemeinschaft und drei Angriffe wurden gegen Sunniten durchgeführt. Zehn der zwölf Angriffe fanden in Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan statt (PIPS 7.1.2019).
Bei einem terroristischen Anschlag durch den Islamischen Staat im November 2018 auf einen Markt in einer schiitisch dominierten Gegend in Orakzai, Khyber Pakhtunkhwa, wurden 35 Menschen getötet (darunter über zwei Dutzend Schiiten, sieben Sunniten und drei Sikh). (PIPS 7.1.2019; vgl. ET 23.11.2018).
Es gibt Berichte über willkürliche Verhaftungen von Schiiten während des religiösen Feiertages Muharram (UKHO 1.2019). Einige Bundes- und Provinzbehörden schränken rund um das schiitische Muharram-Fest die Bewegungsfreiheit von Klerikern, die dafür bekannt sind, konfessionelle Gewalt zu propagieren, ein (USDOS 29.5.2018; vgl. HRCP 3.2019) und hunderttausende Sicherheitskräfte werden im ganzen Land während des Aschura-Fests zum Schutz der schiitischen Zeremonien eingesetzt, die gemäß Beobachtern 2017 friedlicher als in den Vorjahren abliefen. Das sunnitisch-deobandi-dominierte Pakistan Ulema Council rief für Muharram 2017 die sunnitische Gemeinschaft auf, schiitischen Prozessionen Respekt entgegenzubringen und von Konfessionalismus abzusehen (USDOS 29.5.2018).
Das Militär stellt Eskorten für schiitische Pilger zur Verfügung, die durch Sindh und Belutschistan in den Iran reisen. Zwischen den organisierten Eskorten können jedoch längere Zeiträume von bis zu drei Monaten liegen. Somit sind schiitische Pilger gezwungen, ihre Reise zu verschieben, oder das Risiko gezielter Angriffe durch militante Gruppen einzugehen (DFAT 20.2.2019; vgl. UKHO 1.2019).
[Beweisquelle: LIB Mai 2019 mwN]
Paschtunen
Die von Großbritannien definierte Durand-Linie, heute Staatsgrenze zwischen Pakistan und Afghanistan, trennt das Siedlungsgebiet der Paschtunen (Monde 8.1.2015). Gemäß Volkszählung 2017 stellen paschtunische Muttersprachler mit 15,4 % der Bevölkerung Pakistans (ca. 32 Millionen Menschen) die zweitgrößte Sprachgruppe des Landes. Von ihnen leben ca. 22,6 Millionen in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa [inkl. ehem. FATA], wo sie ca. 77,7 % der Bevölkerung ausmachen; sowie ca. 3,7 Millionen in der Provinz Belutschistan, wo sie ca. 29,6 % der Bevölkerung ausmachen. Etwa zwei Millionen Paschtunen leben im Sindh, 1,3 Millionen im Punjab und 0,2 Millionen im Hauptstadtterritorium Islamabad (aggregiert aus PBS 2017a und PBS 2017c). Hinzu kommen noch 1,4 Millionen registrierte und ca. eine Million nicht registrierte afghanische Flüchtlinge in Pakistan (EASO 10.2018; vgl. Abschnitt 20.2), von denen ca. 80-85 % ethnische Paschtunen sind (ICMC 7.2013; vgl. UNHCR 24.8.2005).
Viele Pakistanis assoziieren die Aufständischenaktivitäten im Land mit Paschtunen, die auf beiden Seiten der pakistanisch-afghanischen Grenze leben (DW 20.3.2017). Weil die pakistanische Taliban-Bewegung vornehmlich eine paschtunische Bewegung ist, sind viele Paschtunen durch eine Art Sippenhaft als "Islamisten oder militante Kämpfer" gebrandmarkt worden (EASO 10.2018). Weiters gibt es Ressentiments der pakistanischen Elite gegen Paschtunen aufgrund separatistischer Bestrebungen in der Anfangszeit des Staates Pakistan. Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage in Afghanistan hat die Idee der Vereinigung der paschtunisch besiedelten Gebiete zu einem "Groß-Paschtunistan" unter den pakistanischen Paschtunen kaum noch Anhänger (DW 20.3.2017).
Im Zuge des Kampfes gegen islamistische Aufständische kam es seitens der Sicherheitskräfte zu einem ethnischen Profiling von Paschtunen, insbesondere Angehörigen einkommensschwacher Gruppen (DW 20.3.2017). Menschenrechtsgruppen wiesen darauf hin, dass Paschtunen im Rahmen des "Kriegs gegen den Terrorismus" zum Ziel für Übergriffe, Verschleppungen und außergerichtliche Tötungen wurden (EASO 10.2018).
Im Jahr 2018 erlebte Pakistan den Aufstieg des Pashtun Tahafuz Movement, (Pashtun Protection Movement / paschtunische Schutzbewegung; PTM), einer Bürgerrechtsbewegung, die Schutz und Rechte für die paschtunische Minderheit im Land fordert (EASO 10.2018), beispielsweise Aufklärung der aussergerichtlichen Tötungen, ein Ende der willkürlichen Angriffe und Misshandlungen, die Rückkehr verschwundener Personen und das Räumen der Landminen in den ehem. Stammesgebieten (SAV 9.3.2018; vgl. HRCP 3.2019). Die PTM führt einen "offenen verbalen Krieg mit der Armee" (EASO 10.2018). Ihre Anführer und Anhänger werden als Verräter, unloyal und staatsfeindlich bezeichnet (Diplomat 5.2.2019).
[Beweisquelle: LIB Mai 2019 mwN]
Geschätzt 15,4 % der Bevölkerung Pakistans sind Paschtunen, womit sie nach den Punjabis die zweitgrößte ethnische Gruppe des Landes bilden. Paschtunen leben traditionell unter sich in ihren eigenen Stämmen und Unterstämmen in Khyber Pakhtunkhwa und der ehemaligen FATA, auch wenn viele Paschtunen in städtische Gebiete migriert sind. Die größten Paschtunen-Gemeinschaften leben in Karatschi, wo sich die größte Paschtunenpopulation in der Welt befindet, gefolgt von Peschawar. Paschtunen leben auch in Belutschistan, Islamabad, Lahore und anderen städtischen Gebieten.
Paschtunen sind in allen Gesellschaftsschichten in Pakistan vertreten. Historisch gesehen haben Paschtunen die Beschäftigung im Verkehrssektor in Pakistan und Afghanistan bestimmt. Paschtunen sind gut in den pakistanischen Sicherheitskräften vertreten. Die PTI hat eine starke Unterstützungsbasis in der von den Paschtunen bestimmten Provinz Khyber Pakhtunkhwa.
Die Sicherheitslage hat sich in ganz Pakistan, für alle Pakistani, die Pashtunen eingeschlossen, verbessert. Paschtunen, die innerhalb Pakistans umziehen, vor allem nach Karachi und Lahore, berichten über "ethnic profiling" und Belästigungen durch Sicherheitsbeamte, auch Bestechung sei ein Thema. Paschtunen wird auch oft ihre National Identity Card (CNIC) gesperrt, wenn sie umziehen, was den Zugriff auf Vermögenswerte und Eigentum behindert. Als Ergebnis der Schwierigkeiten bevorzugen es Paschtunen sich dort wiederanzusiedeln, wo sie familiäre Verbindungen habe, also in Khyber Pakhtunkhwa oder im Sindh (ausgenommen Karachi), und vermeiden, sich im Punjab niederzulassen.
Nach der Bewertung von DFAT sind Paschtunen einem mittleren Risiko ausgesetzt, Diskriminierungen durch offizielle Stellen in Form von terror-bezogenem und "racial profiling" durch Sicherheitskräfte in Gebieten, in denen sie die Minderheit darstellen, insbesondere im Punjab, zu erleiden. Paschtunen in Gebieten, in denen die Paschtunen die Mehrheit bilden oder wo familiäre oder andere soziale Verbindungen bestehen, sind einem niedrigen Risiko ausgesetzt, durch offizielle Stellen diskriminiert zu werden.
[Beweisquelle: Australian Government, Department of Foreign Affairs and Trade (DFAT), Country Information Report Pakistan 20.02.2019].
Turi
Die Turi sind Angehörige eines schiitischen Stammes mit etwa 500.000 Mitgliedern. Turis sind optisch nicht generell von anderen Paschtunen unterscheidbar, aber identifizierbar durch Stammesnamen, ihre Akzente bzw. ihre Wohnorte, die als Turi-Gebiete bekannt sind. Die meisten Turis leben in Parachinar, Kurram Agency, Orakzai, DI Khan, Kohat, and Hangu. Durch die Konzentration von Turis in kleinen geografischen Gebieten, insbesondere in und um Parachinar und der Kurram Agency, sind diese der Gefahr von Angriffen ausgesetzt.
Im Zeitraum zwischen 2008 und 2014 waren Turis von weitreichender Gewalt betroffen. Die TTP etwa griffen Turis aufgrund deren schiitischer Glaubensausrichtung an. Turis die gerade auf Straßen unterwegs waren, wurden oft vom Militär getötet. Die meisten Tötungen auf der Straße fanden zwischen 2009 und 2014 entlang der Großen-Parachinar Straße, die Kurram Agency und Peschawar verbindet, statt.
Im Jahr 2017 nahmen terroristische Angriffe in der Kurram Agency signifikant zu: Bei drei Attacken im ersten Halbjahr 2017 wurden über 120 Menschen getötet. Jedoch nahmen aufgrund der Operationen Zarb-eAzb, Radd ul Fasaad und anderer damit verbundener Aktivitäten die Häufigkeit und die Schwere von Attacken gegen die Turis signifikant ab. Im ersten Quartal 2018 gab es lediglich zwei Attacken, während im Jahr 2017 geschätzt 200 Turis getötet und 1000 verletzt wurden. Auch Attacken auf den Straßen gingen im Jahr 2018 signifikant zurück. Innerhalb der Turi-Gemeinschaft wurde dadurch das Vertrauen wiederhergestellt, die Tall-Parachinar-Straße zu benutzen, wenn auch nur bei Tag und nicht in großen Gruppen.
Durch die Verbesserung der Sicherheitssituation in Parachinar und Kurram Agency kam es jedoch zu Bewegungs- und Freiheitseinschränkungen sowie zu Limitierungen betreffend den Zugang der Gemeinschaft zu Handelsmöglichkeiten und essentiellen Dienstleistungen. Militärische Operationen haben auch viele Turis vertrieben und jene, die inzwischen in ihre Häuser zurückgekehrt sind, haben erhebliche Schäden an Eigentum und Ernten erlitten.
Voranschreitende Sicherheitsmaßnahmen und engmaschigere Grenzkontrollen an der Grenze zu Afghanistan beschränken die Bewegungsmöglichkeiten. Turis beraten das Militär auch bei der Umsetzung einer 20 bis 30 Quadratkilometer großen roten Zone in Parachinar und einer zweiten, kleineren roten Zone innerhalb der äußeren roten Zone, in der sich Märkte und Schulen befinden. Die Sicherheitskräfte stellen Karten für den Zugang zu den roten Zonen aus, die von den Bewohnern gegen Vorlage von Identitätsdokumenten erlangt werden können.
Während sich Minderheiten geschützter fühlen, bleiben nach Angaben der Medien Diskriminierung und Gewalt gegen schiitische Stämme, insbesondere Turi, in der Agency Kurram aufgrund staatlicher Bedenken bezüglich des iranischen Einflusses und einer stärkeren Präsenz der Taliban und Al-Kaida weiterhin von Bedeutung. Turis sind auf Pilgerfahrten in den Iran und in den Irak bei Benutzung der Straßen einem gewissen Gewaltrisiko ausgesetzt, obwohl die Regierung Sicherheitsdienste für solche Reisen zur Verfügung stellt. Turis äußern auch die Besorgnis, dass der Bürgerkrieg in Syrien nach Kurram überschwappt und ISIL mit seiner Basis in Nangarhar, stärker wird.
Turis, die ihren Wohnort aus Parachinar und der Kurram Agency verlagern, um Zugang zu angemessenen Dienstleistungen zu erhalten, haben aufgrund ihres ethnischen und religiösen Hintergrundes Schwierigkeiten, eine Beschäftigung außerhalb Parachinars zu finden und werden im Allgemeinen im Bewerbungsverfahren diskriminiert. Nichtsdestotrotz bietet das globale Netzwerk der Turis und Spendenorganisationen Hilfe für Turis an, die sich in anderen Städten Pakistans ansiedeln wollen. Eine solche Unterstützung hängt oft von einem älteren männlichen Befürworter ab, was den Zugang für ärmere Mitglieder der Gemeinschaft, speziell für Frauen und Kinder beschränkt. Turis, welche die Kurram Agency verlassen, siedeln sich tendenziell in anderen schiitischen Regionen an, ohne Rücksicht auf Sprachbarrieren, wie etwa Wah Kant, Islamabad, Rawalpindi, Lahore und Karachi.
Die Regierung von Parachinar stellt 3 Millionen pakistanische Rupien (PKR) für Familien von Regierungsbeamten oder Angehörigen der Streitkräfte, die in Ausübung ihres Dienstes getötet wurden, und 300,000 PKR für Zivilpersonen, die im Laufe von Militäroperationen getötet wurden, zur Verfügung. Die Mitglieder des Parlaments der ehemaligen FATA können einem erheblichen kulturellen Druck ausgesetzt sein, um finanzielle Unterstützung für die Wähler zu leisten. Vor Ort sind fünf Waisenhäuser in Parachinar für Turis und andere ethnische und religiöse Minderheiten zugänglich.
Turis, welche die Kurram Agency verlassen, siedeln sich tendenziell in anderen schiitischen Regionen an, ohne Rücksicht auf Sprachbarrieren, wie etwa Wah Kant, Islamabad, Rawalpindi, Lahore und Karachi. Eine Wiederansiedlung in Khyber Pakhtunkhwa ist nicht durchführbar, da Turis dort diskriminiert werden, ihre Sicherheit gefährdet ist, sie keinen angemessenen Zugang zu Dienstleistungen habe und es wahrscheinlich ist, dass die gezwungen werden, Vermögenswerte zu verkaufen.
DFAT gelangt zu der Einschätzung, dass die Turis aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit einem ähnlichen Risiko offizieller Diskriminierung ausgesetzt sind, wie andere Paschtunen und kein zusätzliches Risiko einer offiziellen Diskriminierung aufgrund ihrer Religion besteht.
Turis leben in der Regel untereinander in Enklaven, wodurch gesellschaftliche Diskriminierungen eingedämmt werden. Außerhalb dieser Gebiete sind die Turis einem gemäßigten Risiko ausgesetzt, aufgrund ihrer schiitischen Religion und historisch bestehenden Feindseligkeiten gegenüber dem Stamm der Bangash gesellschaftlichen Diskriminierungen ausgesetzt zu sein.
DFAT weist darauf hin, dass aufgrund der verbesserten Sicherheitslage in Parachinar und Kurram Agency die Zahl der Berichte über Angriffe gegen Turis im Jahr 2018 zurückgegangen ist. Obwohl sich dieser Trend voraussichtlich 2019 fortsetzen wird, kann und wird es möglicherweise weiterhin zu Angriffen und Gewalt gegen die Turis kommen. DFAT gelangt daher zu der Bewertung, dass Turis in der Kurram Agency wegen ihres schiitischen Glaubens nach wie vor einem gemäßigten Risiko, religiöse Gewalt durch militante Gruppen zu erleiden, ausgesetzt sind. Turis in anderen Teilen des Landes sind in der Regel mit einem ähnlichen Risiko konfrontiert wie andere schiitische Gruppen, die keine Hazara sind.
[Beweisquelle: Australian Government, Department of Foreign Affairs and Trade (DFAT), Country Information Report Pakistan 20.02.2019].
Rechtsschutz / Justizwesen
Die Justiz steht weiterhin unter dem Einfluss der mächtigen pakistanischen Armee. Erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen fort. Die Gerichte und das pakistanische Rechtssystem sind hochgradig ineffizient (AA 21.8.2018). Gerichte sind überlastet, die Judikative ist nicht in der Lage, Menschenrechte besser zu schützen (AA 1.2.2019). Laut NGOs und Rechtsexperten ist die Justiz in der Praxis oft von externen Einflüssen, wie der Angst vor Repressionen durch extremistische Elemente bei Fällen von Terrorismus, Blasphemie oder öffentlichkeitswirksamen politischen Fällen beeinträchtigt (USDOS 13.3.2019). Die im Rahmen des nationalen Anti-Terror-Aktionsplans vom 24.12.2014 vorgesehene grundlegende Reform des Systems der Strafjustiz kommt bislang nicht voran (AA 21.8.2018).
Viele Gerichte unterer Instanzen bleiben korrupt, ineffizient und anfällig für den Druck von wohlhabenden Personen und einflussreichen religiösen und politischen Akteuren. Es gibt Beispiele, wo Zeugen, Staatsanwälte oder ermittelnde Polizisten in High Profile Fällen von unbekannten Personen bedroht oder getötet wurden. Die oberen Gerichte und der Supreme Court werden allerdings von den Medien und der Öffentlichkeit als glaubwürdig eingestuft (USDOS 13.3.2019). Verzögerungen in zivilen und Kriminalfällen sind auf ein veraltetes Prozessrecht, unbesetzte Richterstellen, ein schlechtes Fallmanagement und eine schwache rechtliche Ausbildung zurückzuführen. Der Rückstand sowohl in den unteren als auch in den höheren Gerichten beeinträchtigt, zusammen mit anderen Problemen, den Zugang zu Rechtsmitteln oder eine faire und effektive Anhörung (USDOS 13.3.2019).
Gerichte versagen oft dabei, die Rechte religiöser Minderheiten zu schützen. Gesetze gegen Blasphemie werden diskriminierend gegen Schiiten, Christen, Ahmadis und andere religiöse Minderheiten eingesetzt. Untere Gerichte verlangen oft keine ausreichenden Beweise in Blasphemie-Fällen und einige Angeklagte oder Verurteilte verbringen Jahre im Gefängnis, bevor ein höheres Gericht ihre Freilassung anordnet oder ihren Schuldspruch aufhebt (USDOS 13.3.2019).
[Beweisquelle: LIB Mai 2019 mwN]
Grundversorgung und Wirtschaft
Pakistans Wirtschaft hat wegen einer günstigen geographischen Lage, Ressourcenreichtum, niedrigen Lohnkosten, einer jungen Bevölkerung und einer wachsenden Mittelschicht Wachstumspotenzial. Dieses Potenzial ist jedoch aufgrund jahrzehntelanger Vernachlässigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, periodisch wiederkehrender makroökonomischer sowie politischer Instabilität und schwacher institutioneller Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Als größte Wachstumshemmnisse gelten Korruption, ineffiziente Bürokratie, ein unsicheres regulatorisches Umfeld, eine trotz Verbesserungen in den letzten Jahren relativ teure bzw. unzureichende Energieversorgung und eine - trotz erheblicher Verbesserung seit 2014 - teils fragile Sicherheitslage (AA 5.3.2019). Die pakistanische Wirtschaft wächst bereits seit Jahren mit mehr als vier Prozent. Für 2018 gibt der Internationale Währungsfonds (IWF) sogar ein Plus von 5,6 Prozent an. Das Staatsbudget hat sich stabilisiert und die Börse in Karatschi hat in den vergangenen Jahren einen Aufschwung erlebt. Erreicht wurde dies durch einschneidende Reformen, teilweise unterstützt durch den IWF. In der Vergangenheit konnte Pakistan über die Jahrzehnte hinweg jedoch weder ein solides Wachstum halten noch die Wirtschaft entsprechend diversifizieren. Dies kombiniert mit anderen sozioökonomischen und politischen Faktoren führte dazu, dass immer noch etwa ein Drittel der pakistanischen Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt (GIZ 2.2019a). Die Arbeitslosigkeit in Pakistan liegt Stand 2017 offiziell etwa bei 6 % (CIA 5.2.2019). CIA hält fest, dass die offiziellen Arbeitslosenzahlen die Situation nicht vollständig beschreiben können, da ein großer Teil der Wirtschaft informell und die Unterbeschäftigung hoch ist (CIA 5.2.2019a; vgl. GIZ 2.2019). Kritisch ist vor allem die Situation von jungen erwerbslosen/arbeitslosen Männern zwischen 15 und 30 Jahren. Als Folge dieser hohen Arbeitslosigkeit gepaart mit einer Verknappung natürlicher Ressourcen, vor allem auf dem Land, kommt es zu einer verstärkten Arbeitsmigration nicht nur in die großen Städte, sondern traditionell auch in die Golfstaaten.
[Beweisquelle: LIB Mai 2019 mwN]
Wohlfahrts - Sozialwesen
Die Edhi Foundation ist die größte Wohlfahrtstiftung Pakistans. Sie gewährt u.a. Unterkunft für Waisen und Behinderte, eine kostenlose Versorgung in Krankenhäusern und Apotheken, sowie Rehabilitation von Drogenabhängigen, kostenlose Heilbehelfe, Dienstleistungen für Behinderte sowie Hilfsmaßnahmen für die Opfer von Naturkatastrophen (Edih o.D.). Die pakistanische Entwicklungshilfeorganisation National Rural Support Programme (NRSP) bietet Mikrofinanzierungen und andere soziale Leistungen zur Entwicklung der ländlichen Gebiete an. Sie ist in 70 Distrikten der vier Provinzen - inklusive Azad Jammu und Kaschmir - aktiv. NRSP arbeitet mit mehr als 3,4 Millionen armen Haushalten zusammen, welche ein Netzwerk von ca. 217.000 kommunalen Gemeinschaften bilden (NRSP o.D).
[Beweisquelle: LIB Mai 2019 mwN]
Medizinische Versorgung
Die medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen unzureichend und entspricht medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch meist nicht europäischem Standard. Die Versorgung mit zuverlässigen Medikamenten und eine ununterbrochene Kühlkette sind nicht überall gesichert (AA 13.3.2019).
In modernen Krankenhäusern in den Großstädten konnte - unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit - eine Behandlungsmöglichkeit für die am weitesten verbreiteten Krankheiten festgestellt werden. Auch die meisten Medikamente, wie z. B. Insulin, können in den Apotheken in ausreichender Menge und Qualität erworben werden und sind für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich (AA 21.8.2018). In staatlichen Krankenhäusern, die i.d.R. europäische Standards nicht erreichen, kann man sich bei Bedürftigkeit kostenlos behandeln lassen. Da Bedürftigkeit offiziell nicht definiert ist, reicht die Erklärung aus, dass die Behandlung nicht bezahlt werden kann. Allerdings trifft dies auf schwierige Operationen, z.B. Organtransplantationen, nicht zu. Hier können zum Teil gemeinnützige Stiftungen die Kosten übernehmen (AA 21.8.2018).
Trotz Verbesserungen in den letzten Jahren (HRCP 3.2019) führt der Großteil der öffentlichen Gesundheitseinrichtungen keine zufriedenstellende Behandlung durch. Die Menschen tendieren dazu, private Einrichtungen aufzusuchen (Kurji et al 2016; vgl. HRCP 3.2019). Diese sind jedoch für die ärmere Bevölkerung unleistbar (Kurji et al 2016). Das staatliche Wohlfahrts-Programm Bait-ul-Mal vergibt Unterstützungsleistungen und fördert die Beschaffung von Heilbehelfen (PBM o.D.).
[Beweisquelle: LIB Mai 2019 mwN]
Bewegungsfreiheit
Das Gesetz gewährleistet die Bewegungsfreiheit im Land sowie uneingeschränkte internationale Reisen, Emigration und Repatriierung (USDOS 13.3.2019). Die Regierung schränkt den Zugang zu bestimmten Gebieten der ehemaligen FATA und Belutschistan aufgrund von Sicherheitsbedenken ein (USDOS 13.3.2019; vgl. FH 1.2019, HRCP 3.2019). Es gibt einzelne rechtliche Einschränkungen, Wohnort, Arbeits- oder Ausbildungsplatz zu wechseln (FH 1.2019)
Reisebewegungen von bestimmten religiösen und Gender-Minderheiten bleiben gefährlich (HRCP 3.2019). Seit 2009 haben pakistanische Bürger das Recht, sich in Gilgit Baltistan anzusiedeln, jedoch gibt es weiterhin Einschränkungen für eine Ansiedlung in Azad-Jammu und Kaschmir (FH 1.2018). Einschränkungen der Bewegungsfreiheit gibt es für Bewohner der ehemaligen FATA durch Ausgangssperren, Umzäunungen und eine starke Zunahme an Kontrollpunkten (ICG 20.8.2018).
[Beweisquelle: LIB Mai 2019 mwN]
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen stützen sich auf die dabei jeweils in Klammer angeführten Beweismittel.
2.1 Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Lebensverhältnissen in Pakistan (1.1)
Die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Staatsangehörigkeit und Herkunft, die er im Zuge des Verfahrens vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, waren auf Grund seiner Orts- und Sprachkenntnisse nicht zu bezweifeln. Mangels Vorlage amtlicher Identitätsdokumente konnte der Name und das Geburtsdatum des Beschwerdeführers jedoch nicht abschließend festgestellt werden.
Seine Ausführungen zu seiner Schulbildung, zu seiner beruflichen Tätigkeit sowie zu seinen Familienangehörigen in Pakistan in der mündlichen Verhandlung waren kohärent, schlüssig und widerspruchsfrei und decken sich auch im Wesentlichen mit seinen diesbezüglichen Schilderungen vor dem BFA, sodass auch dieses Vorbringen als glaubhaft erachtet werden konnte. Seine Angaben zum Tod seiner Ehefrau stehen im Einklang mit der von ihm in Kopie vorgelegten Totenbescheinigung ("Death Certificate"), die vom District Headquarter Hospital Parachinar am XXXX ausgestellt wurde.
2.2 Zu seinen Lebensverhältnissen in Österreich (1.2)
Seine Angaben zu seinem Aufenthalt in Österreich, zu seiner aktuellen Lebenssituation, seiner freiwilligen Betätigung im Rahmen der gesetzlich erlaubten Möglichkeiten, zum Vorliegen einer Einstellungszusage und zu seinen sozialen Kontakten erwiesen sich als widerspruchsfrei, sie wurden durch die von ihm vorgelegten Bescheinigungen zum Nachweis seiner bereits gesetzten Integrationsschritte (Arbeitsbestätigungen, Einstellungszusage, Unterstützungsschreiben) belegt und stehen auch im Einklang mit den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszügen aus den behördlichen Datenregistern (IZR, ZMR, GVS, Strafregister). Er konnte auch belegen, dass er in Österreich bereits Deutschkurse besucht hat und sich bemüht die deutsche Sprache zu erlernen. In der Verhandlung verstand er zum Teil einfache Fragen in der deutschen Sprache, wenn sie langsam und deutlich gestellt wurden, teilweise jedoch auch nicht. Er konnte teilweise einfache Sätze in der deutschen Sprache bilden zu Situationen des täglichen Lebens und antwortete auch an zwei Stellen auf ihm in seine Muttersprache übersetzte Sprache spontan auf Deutsch. Eine weitergehende Unterhaltung in deutscher Sprache war jedoch in der Verhandlung aufgrund seiner derart beschränkten Deutschkenntnisse nicht möglich.
2.3 Zur Begründung des Antrages und zu deren Glaubhaftigkeit (1.3 und 1.4)
Die Ausführungen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen beruhen auf seinen protokollierten Aussagen im Zuge der Einvernahmen vor dem BFA sowie im Rahmen der mündlichen Verhandlung und auf seinen schriftlichen Eingaben (Beschwerde, Stellungnahme). Insbesondere seine Angaben in der mündlichen Verhandlung gestalteten sich in den zentralen Punkten kohärent, schlüssig und widerspruchsfrei und sie decken sich auch im Wesentlichen mit seinen diesbezüglichen Schilderungen vor dem BFA sowie mit der festgestellten Ländersituation in Pakistan zum Zeitpunkt vor seiner Ausreise, sodass auch dieses Vorbringen als glaubhaft erachtet werden konnte.
2.4. Zur Lage in Pakistan (oben 1.5)
Die Feststellungen zur Lage in Pakistan ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zu Pakistan vom Mai 2019 und dem Bericht des australischen Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten und Außenhandel vom 20.02.2019 (DFAT, Country Information Report Pakistan). Die Staatendokumentation des BFA berücksichtigt im Länderinformationsblatt Berichte verschiedener staatlicher Spezialbehörden, etwa des Deutschen Auswärtigen Amtes und des deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge oder des US Department of State, ebenso, wie auch Berichte von Nichtregierungsorganisationen, wie etwa von ACCORD, Amnesty international, Human Rights Watch, oder der Schweizerischen Flüchtlingshilfe. Angesichts der Ausgewogenheit und Seriosität der genannten Quellen sowie der Schlüssigkeit der weitestgehend übereinstimmenden Aussagen darin, besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Auch der Beschwerdeführer ist in seiner Stellungnahme vom 18.06.2019 den in das Verfahren eingeführten Quellen nicht entgegengetreten. In jener Stellungnahme wird zusätzlich eine Reisewarnung des deutschen Auswärtigen Amtes zitiert; auch die darin geschilderten Umstände stehen mit den hier getroffenen Feststellungen zur Lage in Pakistan in Einklang. Eine "Reisewarnung" eines Außenministeriums nimmt gegenüber anderen Beweismitteln aber auch keine besondere Stellung ein (vgl VwGH 10.09.2018, Ra 2018/19/0411).
3. Rechtliche Beurteilung:
Spruchpunkt I
Zum Status eines Asylberechtigten (§ 3 AsylG 2005)
3.1 Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ist die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht (VwGH 02.09.2015, Ra 2015/19/0143).
Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass ein Asylwerber bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Entscheidend ist, dass der Asylwerber im Zeitpunkt der Entscheidung weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl VwGH 27.06.2019, Ra 2018/14/0274).
Die Gefahr der Verfolgung im Sinn des § 3 Abs 1 AsylG 2005 iVm Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK kann nicht nur ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Sie kann auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (VwGH 28.03.2019, Ra 2018/14/0428).
Zum gegenständlichen Verfahren
3.2 Fallbezogen gehört der Beschwerdeführer dem paschtunischen Stamm der Turi sowie der schiitischen Glaubensgemeinschaft an. Er kommt aus einem Dorf nahe Parachinar in der Kurram Agency und er verließ Pakistan im Jahr 2015 wegen der damaligen schlechten Sicherheitslage und den Attentaten der Taliban gegen Schiiten in seiner Heimatregion.
3.2.1 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner bisherigen Rechtsprechung angesichts der in den jeweiligen Revisionsfällen getroffenen Sachverhaltsfeststellungen aktuell keine Gruppenverfolgung von Schiiten im Allgemeinen, schiitischen Paschtunen sowie von Angehörigen der (schiitischen) Turi im Besonderen in Pakistan angenommen (VwGH 21.03.2018, Ra 2018/18/0033; 07.05.2018, Ra 2018/18/0088; 17.12.2018, Ra 2018/14/0254).
3.2.2. Ausgehend von der festgestellten Ländersituation in Pakistan betreffend Schiiten im Allgemeinen und Turis im Speziellen (siehe im Detail oben 1.5) unterliegen Angehörige dieser beiden Gruppen einem gewissen Gefährdungspotential, Opfer von Angriffen und Bombenanschlägen zu werden. Die geschätzt 20 bis 50 Millionen Angehörigen der schiitischen Glaubensgemeinschaft Pakistans sind jedoch in ganz Pakistan verteilt, schiitische und sunnitische Gemeinschaften sind im Allgemeinen integriert und leben im Alltag ohne Probleme Seite an Seite. Die Zahl der Anschläge gegen Schiiten geht seit 2013 kontinuierlich zurück. Und der pakistanische Staat unternimmt große Anstrengungen, die schiitische Minderheit zu schützen, obgleich dadurch nicht jeder Anschlag verhindert werden kann. Die meisten der ungefähr 500.000 Turis leben nach wie vor in ihrer Heimatregion, insbesondere in der Kurram Agency und deren Hauptstadt Parachinar, von wo auch der Beschwerdeführer herstammt; sein Onkel, die drei minderjährigen Kinder des Beschwerdeführers sowie seine beiden Halbgeschwister lebten vor seiner Ausreise in der Nähe von Parachinar und sie leben nach wie vor dort. Dass die Angehörigen des Beschwerdeführers seit seiner Ausreise Opfer von Gewaltakten geworden wären, hat der Beschwerdeführer nicht vorgebracht. Nachdem im Jahr 2017 terroristische Angriffe in der Kurram Agency signifikant zugenommen hatten, führten die pakistanischen Sicherheitskräfte mehrere Anti-Terror-Operationen durch und in Verbindung mit weiteren Aktivitäten und Sicherheitsmaßnahmen hat sich die Sicherheitslage in der Kurram Agency und Parachinar seit 2018 wiederum signifikant verbessert, obgleich auch dabei dadurch nicht jeder Anschlag verhindert werden konnte. Auch Attacken auf den Straßen gingen im Jahr 2018 signifikant zurück. Innerhalb der Turi-Gemeinschaft wurde dadurch das Vertrauen wiederhergestellt, die Tall-Parachinar-Straße zu benutzen, wenn auch nur bei Tag und nicht in großen Gruppen. Bei den Sicherheitsmaßnahmen für Parachinar wird das Militär auch von den Turis beraten.
3.2.3 Vor dem länderspezifischen Hintergrund ergibt sich daher auch zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt nicht, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Pakistan allein schon aufgrund seiner bloßen Zugehörigkeit zum Stamm der Turi und zur schiitischen Glaubensgemeinschaft mit der für die Asylgewährung erforderlichen maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste.
Etwaige aktuelle persönliche Gefährdungsmerkmale ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht: zwar wurde sein Auto im Jahr 2011 innerhalb kurzer Zeit zwei Mal auf dem Weg nach Hause von Unbekannten beschossen, es kam jedoch weder davor noch danach zu irgendwelchen weiteren konkreten Verfolgungshandlungen gegen den Beschwerdeführer; vielmehr konnte er ab 2011 bis zu seiner Ausreise im Jahr 2015 für Baufirmen auf Baustellen als Baggerfahrer im Straßenbau arbeiten und bis zu seiner Ausreise mit seiner eigenen Familie im eigenen Haus im Heimatdorf leben, ohne sich während dieser Zeit versteckt halten oder seine Identität verschleiern zu müssen.
3.3 Es liegt somit im Falle des Beschwerdeführers keine Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vor. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten sind damit nicht gegeben.
3.4 Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides des BFA wird daher als unbegründet abgewiesen.
Zum Status eines subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs 1 AsylG 2005)
3.5 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Hinblick auf das Vorliegen einer allgemein prekären Sicherheitslage - unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung von EGMR und EuGH - zum Vorliegen eines reales Risikos iSd Art 3 MRK ausgesprochen, dass diese Voraussetzung nur in sehr extremen Fällen ("in the most extreme cases") erfüllt ist. In den übrigen Fällen bedarf es des Nachweises von besonderen Unterscheidungsmerkmalen ("special distinguishing features"), aufgrund derer sich die Situation des Betroffenen kritischer darstellt als für die Bevölkerung im Herkunftsstaat im Allgemeinen (VwGH 30.09.2019, Ra 2018/01/0068).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes orientiert sich der Tatbestand einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in § 8 Abs 1 Z 2 Asyl 2005 an Art 15 lit c der Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) und umfasst - wie der EuGH erkannt hat - eine Schadensgefahr allgemeiner Art, die sich als "willkürlich" erweist, also sich auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann. Entscheidend für die Annahme einer solchen Gefährdung ist nach den Ausführungen des EuGH, dass der den bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson liefe bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr, einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Dabei ist zu beachten, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, umso geringer sein wird, je mehr er möglicherweise zu belegen vermag, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist. (VwGH 30.09.2019, Ra 2018/01/0068)
Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre a