TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/19 L516 1431016-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.12.2019
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Entscheidungsdatum

19.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

L516 1431016-4/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA Pakistan, vertreten durch Mag. Karin SONNTAG, Rechtsanwältin, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.05.2016, Zahl 821051009-150325433/BMI-BFA_SBG_AST_01_TEAM_03, nach Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung am 19.11.2019 zu Recht erkannt:

A)

I. Das Beschwerdeverfahren wird hinsichtlich der Spruchpunkte I und II des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 1 iVm § 31 Abs 1 VwGVG eingestellt.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG stattgegeben und es wird festgestellt, dass gemäß § 9 BFA-VG die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer auf Dauer unzulässig ist.

Gemäß § 55 Abs 1 AsylG wird XXXX der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger und stellte am 31.03.2015 den verfahrensgegenständlich (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 09.05.2016 (I.) hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG sowie (II.) des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG ab. Das BFA erteilte unter einem (III.) keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß "§§ 57 und 55 AsylG", erließ gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG, stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei und erkannte (IV.) einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs 1 Z 6 die aufschiebende Wirkung ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Gegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes bildet ausschließlich die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides, nachdem mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.06.2016 die aufschiebende Wirkung zuerkannt sowie mit Schriftsatz vom 02.09.2019 die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. zurückgezogen worden war.

1. Sachverhaltsfeststellungen:

[regelmäßige Beweismittel-Abkürzungen: S=Seite; AS=Aktenseite des Verwaltungsaktes des BFA; NS=Niederschrift; VS=Verhandlungsschrift; SN=schriftliche Stellungnahme; EG=Eingabe; OZ=Ordnungszahl des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichtes; ZMR=Zentrales Melderegister; IZR=Zentrales Fremdenregister; GVS= Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich; SD=Staatendokumentation des BFA; LIB=Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA]

1.1 Der Beschwerdeführer führt in Österreich den im Spruch angeführten Namen und sowie das ebenso dort angeführte Geburtsdatum. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Pakistan und gehört der Volksgruppe der XXXX sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft an. Seine Identität steht fest. Er stammt aus XXXX , nahe Gujranwala in der Provinz Punjab, besuchte in Pakistan eine High School (OZ 8), studierte anschließend Medizin (VS 11) und reiste 2012 (AS 13) aus Pakistan aus. Seine Eltern und die Geschwister leben nach wie vor in Pakistan. Er steht mit seiner Familie in telefonischem Kontakt.

1.2 Der Beschwerdeführer reiste im August 2012 in das Bundesgebiet ein und hält sich seither ununterbrochen in Österreich auf. Gegenständlich handelt es sich um den zweiten Antrag auf internationalen Schutz (Antragstellung am 31.03.2015, AS 779ff). Sein erster Antrag auf internationalen Schutz vom 11.08.2012 wurde hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten als auch des Status eines subsidiär Schutzberechtigten im Rechtmittelweg mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.01.2015 (AS 547ff), rechtskräftig seit 30.01.2015 (AS 659), abgewiesen und die Rückkehrentscheidung wurde ebenso im Rechtsmittelweg mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.03.2015 (AS 745ff), welches am selben Tag durch Zustellung rechtskräftig wurde (AS 775), bestätigt. Am 31.03.2015 stellte er den, dem gegenständlichen Verfahren zugrundeliegenden zweiten Antrag auf internationalen Schutz. XXXX (NS 15.12.2015, S 4 ff). Diese Antragstellung erfolgte nicht missbräuchlich. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag nach Zulassung des Verfahrens mit Bescheid vom 09.05.2016 (I.) hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG sowie (II.) des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG ab. Das BFA erteilte unter einem (III.) keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß "§§ 57 und 55 AsylG", erließ gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG, stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei und erkannte (IV.) einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs 1 Z 6 die aufschiebende Wirkung ab. Mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.06.2016 wurde der im gegenständlichen Verfahren erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt (OZ 4). Mit Schriftsatz vom 02.09.2019 wurde die Beschwerde gegen Spruchpunkt I und II des angefochtenen Bescheides zurückgezogen. Der Beschwerdeführer hat sämtlichen Ladungen Folge geleistet und an seinen Verfahren mitgewirkt.

1.3 Der Beschwerdeführer lebt seit über sieben Jahren in Österreich, davon von August 2012 bis März 2013 und ab März 2015 bis dato rechtmäßig. Er hat die Integrationsprüfung zum Werte- und Orientierungswissen und eine Deutschprüfung auf dem Niveau A2 absolviert (OZ 12). Er ist gesund, bezieht aktuell Leistungen aus der Grundversorgung für hilfsbedürftige Fremde, war jedoch bereits in der Vergangenheit in Österreich temporär erwerbstätig und ist auch für die Zukunft arbeitsfähig und -willig und damit selbsterhaltungsfähig. Er verfügt über die Möglichkeit als selbständiger Zusteller tätig zu werden. Ebenso verfügt er über einen österreichischen Führerschein.

Der Beschwerdeführer führt seit ungefähr Herbst 2017 mit einer österreichischen Staatsangehörigen eine Lebensgemeinschaft (VS 19.11.2019, S 4). Die beiden sind auf eine traditionelle Weise verheiratet, standesamtlich sind sie nicht getraut (VS 19.11.2019, S 11). Am 13.06.2019 kam der gemeinsame Sohn des Beschwerdeführers und seiner Lebensgefährtin in Österreich zur Welt; er ist österreichischer Staatsangehöriger (OZ 11, 12) und aktuell etwa neun Monate alt. Es besteht ein gemeinsamer Haushalt der Familie (VS 19.11.2019, ZMR). Der Beschwerdeführer verbringt die meiste Zeit mit seiner Lebensgefährtin und seinem Sohn zusammen. Der Beschwerdeführer, zeigt nachweislich erhebliches Interesse an seinem Sohn, nimmt seine Fürsorge- und Erziehungsaufgaben im engagiert wahr und kümmert sich um seinen Sohn. Der Beschwerdeführer ist für seinen Sohn eine wichtige Bezugsperson. Er ist auch eine große Stütze für seine unter XXXX erkrankten und über eine eingeschränkte Stressresistenz verfügenden Lebensgefährtin. Die Lebensgefährtin ist in Österreich geboren, aufgewachsen und sozialisiert; sie hatte ihren Lebensmittelpunkt ihr ganzes bisheriges Leben in Österreich. XXXX . Sie ist aus Liebe zum Beschwerdeführer formal zum muslimischen Glauben übergetreten, praktiziert diesen jedoch überhaupt nicht. Sie beherrscht weder Urdu noch Punjabi und hat auch keine sonstigen Bindungen zu Pakistan. Die Lebensgefährtin hat ihre gesamte Familie, ihre Eltern, Geschwister, einen erwachsenen Sohn, und weitere Verwandte sowie ihren Freundeskreis in Österreich (VS 19.11.2019; VS 19.11.2019, Beilage Z)

1.4. Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten (Strafregister der Republik Österreich).

2. Beweiswürdigung:

Die Sachverhaltsfeststellungen stützen sich auf den Verwaltungsverfahrensakt des BFA und den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes. Die konkreten Beweismittel sind bei den Sachverhaltsfeststellungen jeweils in Klammer angeführt.

2.1 Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und Herkunft des Beschwerdeführers (oben II.1.1) ergeben sich im Einklang mit seinen Angaben im Verfahren, welche insofern stringent waren und an denen auf Grund der Sprachkenntnisse auch nicht zu zweifeln war. Aufgrund seines österreichischen Führerscheins konnte seine Identität festgestellt werden (zur Identitätsfeststellung mittels eines österreichischen Führerscheins siehe VwGH 16.11.1988, 88/02/0113). Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu den Lebensverhältnissen in Pakistan, seiner Ausreise aus Pakistan und zu seinen Familienangehörigen beruhen auf seinen Angaben im Rahmen der Erstbefragung zu seinem ersten Antrag auf internationalen Schutz und jenen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung (AS 13; VS 19.11.2019, S 11), welche insofern stringent waren und keine Anhaltspunkte für die Annahme boten, dass der Beschwerdeführer diesbezüglich falsche Angaben gemacht hätte, sowie auf den Eintragungen im Zentralen Melderegister (ZMR) und Zentralen Fremdenregister (IZR) und dem vorgelegten High School Certificate (OZ 8).

2.2 Die Feststellungen zur Einreise und zur Aufenthaltsdauer in Österreich sowie zu den gestellten Anträgen auf internationalen Schutz und den ergangenen Entscheidungen (oben 1.2) ergeben sich aus dem Inhalt des vom BFA vorgelegten Verwaltungsverfahrensaktes und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes im Einklang mit den Eintragungen im Zentralen Fremdenregister. Der Beschwerdeführer begründete jenen Antrag XXXXDieses Vorbringen gestaltete sich in der Verhandlung kohärent und schlüssig. Vor diesem Hintergrund ergibt sich, dass die der vom Beschwerdeführer gestellte Folgeantrag nicht missbräuchlich erfolgte.

2.3 Die Feststellung zu den Lebensverhältnissen des Beschwerdeführers und seinem Privat- und Familienleben in Österreich (oben 1.3), ergeben sich aus seinen diesbezüglichen Angaben im Zuge der mündlichen Verhandlung am 19.11.2019 (VS = OZ 15), die insoweit koährent und widerspruchsfrei waren und auch in Einklang stehen mit den Angaben der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers, die nach Wahrheitsbelehrung als Zeugin in der Verhandlung befragt wurde. Die Angaben des Beschwerdeführers sowie seiner Lebensgefährtin gestalteten sich dabei in den wesentlichen Punkten übereinstimmend, gestalteten sich jedoch nicht gleichlautend, sodass eine vorangegangene Absprache auszuschließen ist und von deren Glaubhaftigkeit auszugehen ist. Bei der mündlichen Verhandlung verblieb die Lebensgefährtin nach ihrer Zeugin mit dem gemeinsamen Sohn im Verhandlungssaal. Dabei war zu bemerken, dass sich der Beschwerdeführer mehrfach spontan und automatisch um seinen Sohn kümmerte und diesen beruhigen konnte und damit in Gleichklang stehend die Lebensgefährtin ebenso selbstverständlich wie automatisch den Sohn an den Beschwerdeführer übergab, damit ihn dieser beruhige, weshalb auch dies dafürspricht, dass tatsächlich eine enge emotionale Verbundenheit zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Sohn besteht. Darüber hinaus werden die Angaben des Beschwerdeführers belegt durch die Geburtsurkunde, den Staatsbürgerschaftsnachweis des Sohnes und das Vaterschaftsanerkenntnisses (OZ 11, 12), den Eintragungen im ZMR, den Eintragungen im elektronischen GVS und im IZR, der im Akt enthaltenen Kopie des Führerscheins (AS 927), der Kopie des Zeugnisses der Integrationsprüfung (OZ 12), den Bestätigungen früherer Erwerbstätigkeiten (AS 679, 733) sowie durch die Bestätigung eines künftigen Auftraggebers des Beschwerdeführers als Zusteller (OZ 12).

2.4. Die Feststellung zur strafrechtlichen Unbescholtenheit (oben 1.4) beruht auf dem aktuellen Auszug aus dem Strafregister der Republik Österreich (OZ 4).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Spruchpunkt I

Zur Einstellung des Verfahrens zu den Spruchpunkten I und II des angefochtenen Bescheides (§ 28 Abs 1 iVm § 31 Abs 1 VwGVG)

3.1 Mit Schriftsatz vom 02.09.2019 erklärte der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Vertreterin ausdrücklich und unmissverständlich, die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I und II des angefochtenen Bescheides des BFA zurückzuziehen (OZ 12). Diese Erklärung weist auch keine Hinweise auf das Vorliegen von Willensmängeln auf (vgl VwGH 17.10.2013, 2011/21/0140; 17.04.2009, 2007/03/0040; 31.05.2006, 2006/10/0075; 11.07.2003, 2000/06/0173).

3.2 Die Zurückziehung der Beschwerde zu den Spruchpunkten I und II bewirkt, dass Spruchpunkte I und II des gegenständlich angefochtenen Bescheides des BFA in Rechtskraft erwachsen sind, weshalb das Beschwerdeverfahren hinsichtlich Spruchpunkte I und II des Bescheides des BFA spruchgemäß einzustellen war (vgl VwGH 29.04.2015, Fr 2014/20/0047).

Spruchpunkt II

Stattgabe der Beschwerde gegen Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides, Feststellung, dass gemäß § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist, Erteilung des Aufenthaltstitels "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von zwölf Monaten (§ 52 FPG; § 9 BFA-VG, § 55 AsylG)

3.3 Wird durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung dieser Maßnahme gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG 2014 (nur) zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0041).

3.4 Folgende Umstände - zumeist in Verbindung mit anderen Aspekten - stellen Anhaltspunkte dafür dar, dass der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit zumindest in gewissem Ausmaß genützt hat, um sich zu integrieren: Erwerbstätigkeit des Fremden (vgl. E 26. Februar 2015, Ra 2014/22/0025; E 18. Oktober 2012, 2010/22/0136; E 20. Jänner 2011, 2010/22/0158), das Vorhandensein einer Beschäftigungsbewilligung (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253), eine Einstellungszusage (vgl. E 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0165; E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082), das Vorhandensein ausreichender Deutschkenntnisse (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253; E 14. April 2016, Ra 2016/21/0029 bis 0032), familiäre Bindungen zu in Österreich lebenden, aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen (vgl. E 23. Mai 2012, 2010/22/0128; (betreffend nicht zur Kernfamilie zählende Angehörige) E 9. September 2014, 2013/22/0247), ein Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich bzw. die Vorlage von Empfehlungsschreiben (vgl. E 18. März 2014, 2013/22/0129; E 31. Jänner 2013, 2011/23/0365), eine aktive Teilnahme an einem Vereinsleben (vgl. E 10. Dezember 2013, 2012/22/0151), freiwillige Hilfstätigkeiten (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253), ein Schulabschluss (vgl. E 16. Oktober 2012, 2012/18/0062) bzw. eine gute schulische Integration in Österreich (vgl. E, 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253; E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082) oder der Erwerb des Führerscheins (vgl. E 31. Jänner 2013, 2011/23/0365) (VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0005).

3.5. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) entsteht ein von Art 8 Abs 1 EMRK geschütztes Familienleben zwischen Eltern und Kind mit dem Zeitpunkt der Geburt. Diese besonders geschützte Verbindung kann in der Folge nur unter außergewöhnlichen Umständen als aufgelöst betrachtet werden. Eine fehlende Obsorge durch einen Elternteil entbindet das Bundesverwaltungsgericht nicht von der grundrechtlichen Verpflichtung, die konkreten Auswirkungen einer Aufenthaltsbeendigung auf die Beziehung zwischen Elternteil und Kind(ern) und das Kindeswohl zu ermitteln (vgl jüngst VfGH 12.10.2016, E 1349/2013-13 mwN). Die Aufrechterhaltung des Kontaktes mit modernen Kommunikationsmitteln oder Besuchen bei Kindern im Kleinkindalter nach ständiger Rechtsprechung kaum möglich. Dem Vater eines Kindes kommt grundsätzlich das Recht auf persönlichen Kontakt zu (VwGH 17.04.2013, 2013/22/0088; VfGH 19.06.2015, E 426/2015). § 138 ABGB enthält eine nicht abschließende Aufzählung von für das Wohl des Kindes bedeutenden Aspekten, um in allen das minderjährige Kind betreffenden Angelegenheiten unter anderem den Behörden und Gerichten Anhaltspunkte für die Beurteilung dieses Rechtsbegriffs zu bieten (vgl. RV 2004 BlgNR 24. GP, S 16). So werden in § 138 Z 4 ABGB die Förderung unter anderem der Entwicklungsmöglichkeiten und in Z 9 leg.cit. verlässliche Kontakte des Kindes nicht nur zu beiden Elternteilen, sondern auch zu wichtigen Bezugspersonen, sowie sichere Bindungen des Kindes zu diesen Personen als wichtige Kriterien bei der Beurteilung des Kindeswohls genannt (VwGH 15.05.2019, Ra 2018/01/0076). Der Begriff des Familienlebens ist nicht nur auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein. Maßgebend sind etwa das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR U 13.06.1979, Marckx gegen Belgien, Nr. 6833/74; GK 22.04.1997, X, Y u. Z gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 21830/93).

3.6. Fallbezogen sprechen zunächst gegen den weiteren Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich und für die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung die Umstände, dass der Beschwerdeführer im August 2012 unrechtmäßig in Österreich eingereist ist, der mit Erkenntnis vom 18.03.2015 rechtskräftig ausgesprochenen Rückkehrentscheidung nicht Folge geleistet hat, sondern bis zu seiner Folgeantragstellung am 31.03.2015 unrechtmäßig in Österreich verblieb und sein Aufenthaltsstatus grundsätzlich ein unsicherer war.

Für den Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich spricht demgegenüber nach dem festgestellten Sachverhalt zunächst, dass sich der Beschwerdeführer seit über sieben Jahren ununterbrochen in Österreich aufhält. Der Beschwerdeführer hat auch von Beginn seines Verfahrens an, sämtlichen Ladungen Folge geleistet und an seinen Verfahren mitgewirkt, weshalb ihm die bisherige Verfahrensdauer nicht anzulasten ist. Gegenständlich handelt es sich um den zweiten Antrag auf internationalen Schutz, der jedoch nicht missbräuchlich erfolgte. Der Beschwerdeführer hat die Integrationsprüfung zum Werte- und Orientierungswissen und eine Deutschprüfung auf dem Niveau A2 absolviert, er ist gesund, bezieht aktuell Leistungen aus der Grundversorgung für hilfsbedürftige Fremde, war jedoch bereits in der Vergangenheit in Österreich temporär erwerbstätig und ist auch für die Zukunft arbeitsfähig und -willig und damit selbsterhaltungsfähig. Er verfügt über die Möglichkeit als selbständiger Zusteller tätig zu werden und hat einen österreichischen Führerschein.

Seit Herbst 2017 lebt der Beschwerdeführer in einer Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsangehörigen. Aus dieser Beziehung entstammt der minderjährige, aktuell rund zehn Jahre alte Sohn des Beschwerdeführers. Es besteht ein gemeinsamer Haushalt der Familie. Zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Sohn besteht eine enge positive emotionale Beziehung. Der Beschwerdeführer verbringt die meiste Zeit mit seiner Lebensgefährtin und seinem Sohn zusammen. Er ist auch eine große Stütze für seine unter Epilepsie erkrankten und über eine eingeschränkte Stressresistenz verfügenden Lebensgefährtin. Der Beschwerdeführer, zeigt nachweislich erhebliches Interesse an seinem Sohn, nimmt seine Fürsorge- und Erziehungsaufgaben im engagiert wahr und kümmert sich um seinen Sohn. Der Beschwerdeführer ist für seinen Sohn eine wichtige Bezugsperson. Insgesamt würde daher eine dauerhafte Trennung des Kindes vom Beschwerdeführer durch dessen Aufenthaltsbeendigung eine maßgebliche Beeinträchtigung des Familienlebens und insbesondere auch des Kindeswohls darstellen, die nach Überzeugung des Bundesverwaltungsgerichtes unzulässig ist.

Die Lebensgefährtin ist in Österreich geboren, aufgewachsen und sozialisiert; sie hatte ihren Lebensmittelpunkt ihr ganzes bisheriges Leben in Österreich. XXXX . Sie ist aus Liebe zum Beschwerdeführer formal zum muslimischen Glauben übergetreten, praktiziert diesen jedoch überhaupt nicht. Sie beherrscht weder Urdu noch Punjabi und hat auch keine sonstigen Bindungen zu Pakistan. Die Lebensgefährtin hat ihre gesamte Familie, ihre Eltern, Geschwister, einen erwachsenen Sohn, und weitere Verwandte sowie ihren Freundeskreis in Österreich. Es ist daher der Ehefrau nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes nicht zumutbar, mit ihrem Sohn ihren Wohnsitz nach Pakistan zu verlegen.

Das Bundesverwaltungsgericht gelangt daher im konkret zu beurteilenden Fall aufgrund des Inhaltes des vom BFA vorgelegten Verfahrensaktes und des zusätzlich in der mündlichen Verhandlung am 19.11.2019 verschafften persönlichen Eindrucks zu dem Ergebnis, dass unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Falles das private Interesse des Beschwerdeführers an der Fortführung seines Privat- und Familienlebens in Österreich das öffentliche Interesse an einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme überwiegt. Es ist auch keine ausreichende Rechtfertigung zu erkennen, warum öffentliche Interessen es zwingend erfordern würden, dass der Beschwerdeführer Österreich verlassen müsste.

3.7 Es erweist sich daher die im angefochtenen Bescheid angeordnete aufenthaltsbeendende Maßnahme als unzulässig und eine Rückkehrentscheidung daher auf Dauer unzulässig.

3.8. Es wird daher im Ergebnis spruchgemäß der Beschwerde gegen Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides stattgegeben, festgestellt, dass gemäß § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist, sowie dem Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs 1 AsylG den Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten zu erteilen.

Zu B)

Revision

3.9 Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist.

3.10 Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung plus Aufenthaltstitel Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK Beschwerdezurückziehung Familienleben Folgeantrag gemeinsamer Haushalt Homosexualität Interessenabwägung Kindeswohl Privat- und Familienleben private Interessen Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig Teileinstellung Verfahrenseinstellung Zurückziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L516.1431016.4.00

Im RIS seit

08.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

08.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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