TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/11 I405 2168907-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.03.2020
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Entscheidungsdatum

11.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §8
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
FPG §55a Abs1
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I405 2168907-1/26E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, StA. Sierra Leone, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 11.08.2017, Zl. XXXX,

I. beschlossen:

Das Beschwerdeverfahren gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 11.08.2017, Zl. XXXX, wird wegen Zurückziehung der Beschwerde gem. § 28 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

II. zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in Folge auch BF) stellte am 26.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er wurde hierzu am 27.12.2015 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und in weiterer Folge am 25.07.2017 von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Zusammengefasst gab er an, mit seiner Mutter im Alter von ca. 8 oder 9 Jahren aus Sierra Leona nach Guinea geflüchtet sei, weil diese mit einer spirituellen Gruppe namens XXXX Probleme gehabt habe; diese Mitglieder haben seine Mutter töten wollen. In weiterer Folge habe er mit seine Mutter in einem Flüchtlingslager der UNO gelebt. Nach dem Tod seiner Mutter habe der BF das Flüchtlingslager verlassen müssen und von da an habe er verschiedene Jobs gemacht und auf der Straße gelebt. Weiters brachte er vor, dass diese geheime Gesellschaft ihn töten würde und er nirgendwo Schutz erwarten könne.

2. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid der belangten Behörde vom 11.08.2017 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt, sondern wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Sierra Leone zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 24.08.2017 (bei der belangten Behörde eingelangt am selben Tag).

4. Mit Schriftsatz vom 25.08.2017, beim Bundesverwaltungsgericht (in Folge auch BVwG, erkennendes Gericht) eingelangt am 29.08.2017, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

5. Am 15.11.2018 führte das BVwG eine mündliche Verhandlung durch, in welcher der BF in Anwesenheit seiner Rechtsvertretung als Partei sowie die Zeugin XXXX einvernommen wurden. Im Rahmen dieser Verhandlung vor dem BVwG wurde die Beschwerde gegen den Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. § 3 AsylG) zurückgezogen.

6. Mit Schreiben vom 20.09.2019 verständigte das BVwG den rechtsvertretenen BF vom Ergebnis der Beweisaufnahme und übermittelte ihm die allgemeinen Feststellungen zur aktuellen Lage in Sierra Leone. Weiters forderte das BVwG den BF auf, eventuell eingetretene Änderungen in seinem Privat- und Familienleben seit der mündlichen Verhandlung am 15.11.2018 darzulegen. Zur Wahrung des Parteiengehörs wurde dem BF für eine Stellungnahme eine Frist von zwei Wochen eingeräumt.

7. Dem Auftrag des BVwG nachkommend, erstattete der BF mit Schreiben vom 07.10.2019 zum Ergebnis der Beweisaufnahme eine Stellungnahme.

8. Am 27.02.2020 langte beim erkennenden Gericht die Mitteilung des BFA an den BF betreffend das Lehrverhältnis und dessen Fristhemmung ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang wird zu den Feststellungen erhoben und werden darüber hinaus folgende weitere Feststellungen getroffen:

1.1. Zur Person des BF:

Der volljährige BF ist ledig, kinderlos und Staatsangehöriger von Sierra Leone. Er ist Moslem und gehört der Volksgruppe der Temne an. Seine Identität steht nicht fest.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Er hat in seinem Herkunftsstaat die Schule besucht und anschließend in verschiedenen Gelegenheitsjobs gearbeitet. Aufgrund seiner bisherigen Arbeitserfahrung hat er eine Chance, auch hinkünftig am Arbeitsmarkt in Sierra Leone unterzukommen.

Der BF reiste illegal nach Österreich und hält sich seit (mindestens) 26.12.2015 im österreichischem Bundesgebiet auf.

Es kann nicht festgestellt werden, ob Familienmitglieder des BF in Sierra Leone leben.

Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

In Österreich verfügt er über keine verwandtschaftlichen Bezugspunkte und befindet sich auch nicht in einer Lebensgemeinschaft. Hinsichtlich der Integration des BF ist auszuführen, dass er über eine qualifizierte Sprachprüfung auf Niveau A2 verfügt und eine Unterhaltung auf Deutsch mit ihm sehr gut möglich ist; außerdem besuchte er bereits einen Deutschkurs auf Niveau B1. Er spielt Fußball und ist aktives Mitglied in einem Sportverein. Außerdem verrichtete er im Krankenhaus vom 27.02.2017 bis 31.08.2018 gemeinnützige Tätigkeiten und nahm er am Projektseminar "Life Writing: Refugee Narratives" Er verbringt seine Freizeit mit Freunden.

Der BF geht in Österreich einer geregelten Arbeit als Lehrling nach: So macht er eine Ausbildung zum Koch, wofür er ein regelmäßiges monatliches Entgelt erhält, und besucht er hierfür auch die Berufsschule. Die Lehrzeit hat am 06.09.2018 begonnen und dauert voraussichtlich bis 05.09.2021. Alleine durch seine Lehrlingsgehalt ist der BF nicht selbsterhaltungsfähig und bezieht er Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Er hat einen aufrecht gemeldeten Wohnsitz in einem Flüchtlingsheim.

Der BF hat sein Lehrverhältnis der belangten Behörde rechtzeitig gemeldet.

1.2. Zu den Feststellungen zur Lage in Sierra Leone:

Politische Lage

Sierra Leone ist eine Präsidialdemokratie mit einem Mehrparteiensystem. Der Präsident wird direkt vom Volk gewählt und ist zugleich Staatsoberhaupt und Regierungschef. Die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen finden gleichzeitig alle fünf Jahre statt (GIZ 4.2015a; vgl. AA 2.2014a). Die Verfassung aus dem Jahre 1991 gilt noch heute und setzt sich aus britischen und amerikanischen Elementen zusammen. Es gibt eine horizontale Gewaltenteilung mit Legislative, Exekutive und Judikative. Das Parlament als legislative Gewalt hat eine Kammer mit 124 Sitzen, von denen 112 Sitze für direkt gewählte Abgeordnete bestimmt sind, zwölf Sitze für die Vertretung der Paramount Chiefs reserviert sind. Diese zwölf Abgeordneten vertreten die Paramount Chiefs der 146 Chiefdoms, wobei die Paramount Chiefs in den einzelnen Chiefdoms wiederum vom Volk auf Lebenszeit gewählt werden (GIZ 4.2015a).

Präsident ist seit 2007 Ernest Bai Koroma. Er wurde bei den Wahlen 2012 (mit 58,7 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang) für eine zweite und letzte Amtsperiode im Amt bestätigt. Bei den gleichzeitigen Parlamentswahlen errang der All People's Congress (APC) 70 Parlamentssitze (2007: 59) und konnte eine reine APC-Regierung bilden (AA 2.2014a; vgl. USDOS 27.2.2014). Die Sierra Leones People's Party (SLPP) erhielt 42 Sitze (2007: 45). Von den 10 politischen Parteien in Sierra Leone sind 2 im Parlament vertreten. Die Paramount Chiefs wählen weitere 12 Vertreter in das Parlament (AA 2.2014a). Sierra Leone ist eine Wahldemokratie. Internationale Beobachter stellten fest, dass die Präsidenten- und Parlamentswahlen 2012 frei und fair waren. Sie gelten als Meilenstein auf dem Weg der Konsolidierung des Friedens im Land (FH 2015).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (2.2014a): Sierra Leone - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/SierraLeone/Innenpolitik_node.html, Zugriff 4.5.2015

FH - Freedom House (15.4.2015): Freedom in the World 2015 - Sierra Leone, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2015/sierra-leone, Zugriff 4.5.2015

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (4.2015a): Sierra Leone - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/sierra-leone/geschichte-staat/, Zugriff 4.5.2015

USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Sierra Leone, http://www.ecoi.net/local_link/270781/400907_de.html, Zugriff 4.5.2015

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage ist im ganzen Land stabil (AA 2.2014a; vgl. EDA 4.5.2015; vgl. FD 4.5.2015). Armee und Polizei sind landesweit stationiert und haben nach dem vollständigen Abzug der UN-Friedenstruppen im Jahr 2005 die Verantwortung für die innere und äußere Sicherheit übernommen (AA 2.2014a; vgl. EDA 4.5.2015). Trotz des offiziellen Kriegsendes 2002 ist das Land von den Jahren des Bürgerkrieges noch schwer gezeichnet. Die Infrastruktur ist in vielen Gebieten im Landesinneren weiterhin zerstört (BMEIA 4.5.2015; vgl. AA 7.5.2015).

Der von der sierra-leonischen Regierung im Rahmen des Kampfes gegen Ebola verhängte Ausnahmezustand ist im Zuge des Rückgangs der Ebola-Erkrankungen zwar gelockert, aber dennoch weiterhin Kraft. U.a. sind Menschenansammlungen von über 10 Personen verboten (AA 7.5.2015).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (2.2014a): Sierra Leone - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/SierraLeone/Innenpolitik_node.html, Zugriff 4.5.2015

AA - Auswärtiges Amt (7.5.2015): Sierra Leone - Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/SierraLeoneSicherheit_node.html, Zugriff 7.5.2015

BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (4.5.2015): Reiseinformationen Sierra Leone, http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/sierra-leone-de.html, Zugriff 4.5.2015

EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (4.5.2015): Reisehinweise Sierra Leone, http://www.eda.admin.ch/eda/de/home/travad/hidden/hidde2/sierra.html, Zugriff 4.5.2015

FD - France Diplomatie (4.5.2015): Conseils aux voyageurs - Sierra Leone - Sécurité, http://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays/sierra-leone-12359/, Zugriff 4.5.2015

Rechtsschutz/Justizwesen

Die Verfassung gewährleistet eine unabhängige Justiz, diese war jedoch zeitweise der Einflussnahme seitens der Exekutive ausgesetzt (USDOS 27.2.2014; vgl. GIZ 4.2015a). Bei Gerichtsverfahren kommt es immer wieder zu Einmischungsversuchen durch die Politik (GIZ 4.2015a). Das Rechtssystem Sierra Leones ist im Wesentlichen geprägt von der Koexistenz dreier Systeme: dem staatlichen (Ebene der Distrikte); dem traditionellen (Ebene der Chiefdoms); und vereinzelt dem islamischen Recht. Das staatliche Justizsystem basiert auf dem britischen Common Law und besteht aus einem mehrstufigen Instanzenzug. Die Richter für die drei höchsten Gerichte werden vom Präsidenten ernannt, müssen aber vom Parlament bestätigt werden. Die Gerichte auf der Ebene der Chiefdoms sind mit Laienrichtern besetzt. Gegen Urteile kann Berufung eingelegt werden (GIZ 4.2015a; vgl. IOM 6.2014). Die Judikative befindet sich seit dem Ende des Bürgerkrieges in einer Reform. Sie leidet unter zu wenig Personal und materiellen Ressourcen. Außerdem sind Korruption und Vetternwirtschaft auf allen politischen Ebenen weit verbreitet (GIZ 4.2015a).

Gesetzlich ist ein faires Verfahren vorgesehen. Gerichtsverfahren sind öffentlich. Für Angeklagte gilt generell die Unschuldsvermutung. Sie haben das Recht auf Vertretung durch und rechtzeitige Konsultation mit einem Anwalt. Gesetzlich müssen Anwälte auf Staatskosten zur Verfügung gestellt werden, sofern sich der Angeklagte keinen Anwalt leisten kann. In der Praxis funktionierte dies nicht durchwegs. Angeklagte hatten üblicherweise nicht die Möglichkeit, ihre Verteidigung angemessen vorzubereiten (USDOS 27.2.2014). Obwohl einige Verfahren frei und fair sind (FH 2015), wird der Zugang der sierra-leonischen Bevölkerung zu den Justizbehörden generell durch einen Mangel an Richtern, langwierige Verfahren und allgemein zu geringe Kapazitäten im Bereich der Strafverfolgung und der örtlichen Gerichte behindert (GIZ 4.5.2015; vgl. FH 2015).

Quellen:

FH - Freedom House (15.4.2015): Freedom in the World 2015 - Sierra Leone, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2015/sierra-leone, Zugriff 4.5.2015

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (4.2015a): Sierra Leone - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/sierra-leone/geschichte-staat/, Zugriff 4.5.2015

IOM - International Organization for Migration (6.2014): Länderinformationsblatt Sierra Leone

USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Sierra Leone, http://www.ecoi.net/local_link/270781/400907_de.html, Zugriff 4.5.2015

Sicherheitsbehörden

Die Polizei (SLP/Sierra Leone Police) unter dem Ministry of Internal Affairs, Local Government and Rural Development ist für die innere Sicherheit zuständig (GIZ 4.2015a; vgl. USDOS 27.2.2014). Sie ist schlecht ausgerüstet, und es mangelt ihr an ausreichenden investigativen und kriminalistischen Kapazitäten sowie der Fähigkeit zur Eindämmung von Unruhen (USDOS 27.2.2014). Für die äußere Sicherheit ist die Armee (RSLAF/Republic of Sierra Leone Armed Forces) unter dem Ministry of Defence and National Security zuständig (GIZ 4.2015a; vgl. USDOS 27.2.2014).

Über das Military Assistance to the Civil Power (MAC-P) Programm hat die Armee jedoch auch Sicherheitsverantwortung im Inneren. Dieses Programm dient der Unterstützung der Polizei in außergewöhnlichen Situationen. Zivile Behörden kontrollieren die SLP und die RSLAF und die Regierung verfügt über Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Korruption und Misshandlungen. Trotzdem ist Straffreiheit weiterhin ein Problem (USDOS 27.2.2014).

Quellen:

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (4.2015a): Sierra Leone - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/sierra-leone/geschichte-staat/, Zugriff 4.5.2015

USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Sierra Leone, http://www.ecoi.net/local_link/270781/400907_de.html, Zugriff 4.5.2015

Folter und unmenschliche Behandlung

Verfassung und Gesetze verbieten Folter und unmenschliche Behandlung, es gibt allerdings Berichte, wonach Polizei und andere Sicherheitskräfte exzessive Gewalt anwenden, was manchmal zum Tod der Opfer führt (USDOS 27.2.2014). Die Regierung unternahm Schritte, um die Verantwortlichkeit der Polizei Sierra Leones zu stärken. In der Praxis werden jedoch seitens der Regierung Polizeibeamte nicht zur Verantwortung gezogen, so willkürlich oder übermäßig Gewalt anwenden. Auch im Fall ungesetzlicher Tötungen durch die Sicherheitskräfte kommt es nicht zu Strafverfolgung für die Beamten (AI 25.2.2015).

Quellen:

AI - Amnesty International (25.2.2015): Sierra Leone - Jahresbericht 2014/15 (Berichtszeitraum 2014 und wichtige Ereignisse von 2013), https://www.amnesty.org/en/countries/africa/sierra-leone/report-sierra-leone/, Zugriff 4.5.2015

USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Sierra Leone, http://www.ecoi.net/local_link/270781/400907_de.html, Zugriff 4.5.2015

Korruption

Gesetzlich sind Strafen für behördliche Korruption vorgesehen. Die Regierung versucht, das Gesetz umzusetzen, jedoch weniger rigoros als in den letzten Jahren. Trotz einiger gut dokumentierter Korruptionsfälle sind Beamte häufig korrupt und gehen straffrei aus (USDOS 27.2.2014). Korruption bleibt somit weiterhin ein ernstes Problem. Die Antikorruptionskommission wurde wiederholt aufgrund ihrer schwachen Performance kritisiert, vor allem in Fällen, in denen es um Verwandte, Freunde oder Verbündete Präsident Koromas ging. Die Kommission gelang es jedoch, die Haftstrafen von drei Steuerbeamten und zwei Bankbeamte gegen Berufung durchzusetzen (FH 2015). Auf dem Index von Transparency International befand sich Sierra Leone im Jahr 2014 auf Rang 119 von 174 untersuchten Ländern (TI 2014).

Quellen:

FH - Freedom House (15.4.2015): Freedom in the World 2015 - Sierra Leone, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2015/sierra-leone, Zugriff 4.5.2015

TI - Transparency International (2015): Corruption Perceptions Index 2014, https://www.transparency.org/cpi2014/results, Zugriff 4.5.2015

USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Sierra Leone, http://www.ecoi.net/local_link/270781/400907_de.html, Zugriff 4.5.2015

Nichtregierungsorganisationen (NGOs)

In Sierra Leone entwickelte sich eine umfangreiche Szene zivilgesellschaftlich aktiver Gruppen (GIZ 4.2015a; vgl. BS 2014). NGOs bemühten sich auch um die Wiederherstellung des Friedens während der Jahre des Bürgerkrieges. Die Zivilgesellschaft spielte ebenso eine wichtige Rolle bei der kritischen Begleitung des Versöhnungsprozesses. Die Zivilgesellschaft in Sierra Leone beinhaltet zum einen spezifische, historisch gewachsene Strukturen wie Geheimbünde, zum anderen neuere Strukturen wie die oben angesprochenen NGOs (GIZ 4.2015a). Eine Reihe von inländischen und internationalen Menschenrechtsgruppen arbeitet im Allgemeinen ohne staatliche Einschränkungen, untersucht Menschenrechtsfälle und veröffentlicht Ergebnisse (USDOS 27.2.2014; vgl. FH 15.4.2015). Beamte sind oft kooperativ, gehen auf Ansichten lokaler und internationaler NGOs ein und anerkennen angesprochene Probleme (USDOS 27.2.2014).

Ethnien übergreifend bilden Geheimgesellschaften und -Bünde in Sierra Leone eine kulturelle Identitätsfläche für die Bürger des Landes. Es gibt verschiedene Geheimbünde für unterschiedliche Aktivitäten. Die wichtigsten Bünde sind die XXXXfür Männer und die Bundo Society für Frauen. Bevor das formale westliche Schulsystem eingeführt wurde, dienten sie der traditionellen Wissensvermittlung zwischen den Generationen. Die Geheimbünde stehen aufgrund menschenrechtsverletzender Praktiken wie der weiblichen Genitalverstümmelung (FGM) in der Kritik von Menschenrechtsgruppen (GIZ 4.2015b).

Quellen:

BS - Bertelsmann Stiftung (2014): BTI 2014 - Sierra Leone Country Report, http://www.bti-project.de/fileadmin/Inhalte/reports/2014/pdf/BTI%202014%20Sierra%20Leone.pdf, Zugriff 4.5.2015

FH - Freedom House (15.4.2015): Freedom in the World 2015 - Sierra Leone, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2015/sierra-leone, Zugriff 4.5.2015

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (4.2015a): Sierra Leone - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/sierra-leone/geschichte-staat/, Zugriff 4.5.2015

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (4.2015b): Sierra Leone - Gesellschaft, http://liportal.giz.de/sierra-leone/gesellschaft/, Zugriff 4.5.2015

USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Sierra Leone, http://www.ecoi.net/local_link/270781/400907_de.html, Zugriff 4.5.2015

Ombudsmann

Das parlamentarische Menschenrechtskomitee soll die Menschenrechte fördern und Verletzungen aufzeigen (BS 2014). Es arbeitet ohne Einmischung der Regierung oder von Parteien. Das Komitee bemüht sich, Menschenrechtsfragen auf der parlamentarischen Agenda zu halten und ebnet den Weg für Gesetzesänderungen oder die Ratifizierung internationaler Konventionen (USDOS 27.2.2014).

Quellen:

BS - Bertelsmann Stiftung (2014): BTI 2014 - Sierra Leone Country Report, http://www.bti-project.de/fileadmin/Inhalte/reports/2014/pdf/BTI%202014%20Sierra%20Leone.pdf, Zugriff 4.5.2015

USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Sierra Leone, http://www.ecoi.net/local_link/270781/400907_de.html, Zugriff 4.5.2015

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Verfassung von 1991 garantiert zivile Freiheiten und Menschenrechte, und die Förderung und der Schutz von Menschenrechten sind als Staatsziele festgelegt. Die Menschenrechtsbilanz Sierra Leones hat sich in den letzten Jahren verbessert, obwohl ernste Probleme weiterhin bestehen (BS 2014). Schwerwiegende Menschenrechts-Probleme sind unter anderem: überlange Haft unter harten und lebensbedrohlichen Haftbedingungen; weitverbreitete behördliche Korruption auf allen Ebenen der Verwaltung; sowie Menschenhandel inklusive Kinderarbeit. Weitere Probleme sind: Misshandlungen durch die Polizei; willkürliche Festnahmen; Diskriminierung von und Gewalt gegen Frauen inklusive FGM; behördliche und gesellschaftliche Diskriminierung von LGBTI-Personen sowie von Behinderten; Gewalt durch vigilante Gruppen (USDOS 27.2.2014).

Quellen:

BS - Bertelsmann Stiftung (2014): BTI 2014 - Sierra Leone Country Report, http://www.bti-project.de/fileadmin/Inhalte/reports/2014/pdf/BTI%202014%20Sierra%20Leone.pdf, Zugriff 4.5.2015

USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Sierra Leone, http://www.ecoi.net/local_link/270781/400907_de.html, Zugriff 4.5.2015

Meinungs- und Pressefreiheit

Verfassung und Gesetze gewährleisten Pressefreiheit (USDOS 27.2.2014; vgl. FH 2015). In der Praxis respektiert die Regierung dies üblicherweise (USDOS 27.2.2014) aber nicht immer (FH 2015). Die offizielle Rhetorik gegenüber Medien wurde schärfer. Ein hochrangiger Berater des Präsidenten drohte mehrmals, gegen regierungskritische Journalisten auf Basis von Verleumdungsgesetzen Anklage zu erheben. Journalisten sind üblicherweise nicht Verhaftungen ausgesetzt, aber einige berichteten von Angriffen und Einschüchterungen (USDOS 27.2.2014).

Historisch gesehen ist die Geschichte der Printmedien Sierra Leones einmalig: Im anglophonen Teil Westafrikas wurden hier erstmals Zeitungen veröffentlicht. Heute gibt es 44 Zeitungen, die bei der Independent Media Commission registriert sind. Von diesen erscheinen etwa zwölf Zeitungen regelmäßig. Zum Teil können diese Zeitungen im Internet gelesen werden. Heute ist das wichtigste Medium in Sierra Leone das Radio. Die Sierra Leone Broadcasting Corporation (SLBC) ist 2010 aus den Sierra Leone Broadcasting Services (SLBS) und dem UN Radio hervorgegangen. Außerdem strahlen mehr als 20 private Radiosender Programme aus, teilweise regional begrenzt. Das Fernsehen ist in Sierra Leone äußerst beliebt. Es gibt eine staatliche Fernsehstation, SLBC, die ihr Programm in Freetown, Bo, Kenema und Makeni ausstrahlt. Darüber hinaus gibt es Kabel-TV mit einigen Dutzend Kanälen. Außerhalb der größeren Städte hat das Fernsehen auf Grund fehlender Stromversorgung wenig Bedeutung (GIZ 4.2015a).

Quellen:

FH - Freedom House (15.4.2015): Freedom in the World 2015 - Sierra Leone, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2015/sierra-leone, Zugriff 4.5.2015

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (4.2015a): Sierra Leone - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/sierra-leone/geschichte-staat/, Zugriff 4.5.2015

USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Sierra Leone, http://www.ecoi.net/local_link/270781/400907_de.html, Zugriff 4.5.2015

Haftbedingungen

Gefängnis- und Haftbedingungen sind hart und manchmal lebensbedrohlich (USDOS 27.2.2014). Überbelegung ist eines der größten Probleme (USDOS 27.2.2014; vgl. FH 15.4.2015), neben unhygienischen Lebensbedingungen und ungenügender medizinischer Versorgung. Mit Ausnahme des Gefängnisses im Bezirk Kono werden Frauen und Männer in separaten Zellen untergebracht. Internationalen Beobachtern wird unbeschränkter Zugang zu den Gefängnissen gewährt (USDOS 27.2.2014).

Quellen:

FH - Freedom House (15.4.2015): Freedom in the World 2015 - Sierra Leone, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2015/sierra-leone, Zugriff 4.5.2015

USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Sierra Leone, http://www.ecoi.net/local_link/270781/400907_de.html, Zugriff 4.5.2015

Todesstrafe

Die Todesstrafe ist nicht abgeschafft. Ein Moratorium wird jedoch beachtet (BS 2014). Laut Gesetz kann die Todesstrafe weiterhin für Landesverrat und schweren Raub verhängt werden. Bei Mord ist sie zwingend vorgeschrieben. Im Mai 2014 teilte der Generalstaatsanwalt und Justizminister dem UN Komitee gegen Folter mit, dass Sierra Leone die Todesstrafe in Kürze durch eine Gesetzesänderung beim Strafgesetz abschaffen würde. Bis Jahresende 2014 ist dies noch nicht durchgeführt worden (AI 25.2.2015).

Quellen:

AI - Amnesty International (25.2.2015): Sierra Leone - Jahresbericht 2014/15 (Berichtszeitraum 2014 und wichtige Ereignisse von 2013), https://www.amnesty.org/en/countries/africa/sierra-leone/report-sierra-leone/, Zugriff 4.5.2015

BS - Bertelsmann Stiftung (2014): BTI 2014 - Sierra Leone Country Report, http://www.bti-project.de/fileadmin/Inhalte/reports/2014/pdf/BTI%202014%20Sierra%20Leone.pdf, Zugriff 4.5.2015

Bewegungsfreiheit

In der Verfassung sind uneingeschränkte Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr verankert. Die Regierung respektiert diese Rechte üblicherweise. Jedoch gibt es Berichte, wonach Sicherheitskräfte bei Straßensperren außerhalb der Hauptstadt Bestechungsgelder von Fahrzeuglenkern verlangen. Die Grenze zu Liberia ist offiziell offen. Die Behörden gestatten in der Regel Flüchtlingen, Rückkehrern und anderen Personen, sich zwischen beiden Ländern frei zu bewegen. Allerdings verlangen Polizei, Zöllner und Militär Bestechungsgelder (USDOS 27.2.2014).

Der von der sierra-leonischen Regierung im Rahmen des Kampfes gegen Ebola verhängte Ausnahmezustand ist im Zuge des Rückgangs der Ebola-Erkrankungen zwar gelockert, aber dennoch weiterhin Kraft (AA 4.5.2015). Um die Ausbreitung des Ebola-Virus einzudämmen, kann die Regierung Maßnahmen anordnen, z.B.:

Reisebeschränkungen innerhalb des Landes

Abriegelung von Ortschaften, in denen das Virus ausgebrochen ist medizinische Kontrollen bei der Ein-und Ausreise (EDA 4.5.2015)

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (4.5.2015): Sierra Leone - Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/SierraLeoneSicherheit_node.html, Zugriff 4.5.2015

EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (4.5.2015): Reisehinweise Sierra Leone, http://www.eda.admin.ch/eda/de/home/travad/hidden/hidde2/sierra.html, Zugriff 4.5.2015

USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Sierra Leone, http://www.ecoi.net/local_link/270781/400907_de.html, Zugriff 4.5.2015

Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge

Die Verfassung und die Gesetze gewährleisten die Zuerkennung des Asyl- oder Flüchtlingsstatus, und die Regierung hat ein System zur Prüfung solcher Anträge etabliert. Die Regierung kooperiert mit UNHCR, um standardisierte Abläufe für die Verfahren zu entwickeln (USDOS 27.2.2014). Die IOM versorgt benachteiligte Binnenvertriebene und deren Familien mit Unterkunftsmaterial und Transportmöglichkeiten. UNICEF stellt ebenfalls Ausbildungsmaterialien für Kinder zur Verfügung und ermöglicht Zugang zur Gesundheitsversorgung. Family Home Movement und Don-Bosco-Heime kümmern sich ebenfalls um Kinder (IOM 6.2014).

Quellen:

IOM - International Organization for Migration (6.2014): Länderinformationsblatt Sierra Leone

USDOS - U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Sierra Leone, http://www.ecoi.net/local_link/270781/400907_de.html, Zugriff 4.5.2015

Grundversorgung/Wirtschaft

Nach dem Niedergang des Landes während der Bürgerkriegsjahre ist seit 2002 eine Erholung der Volkswirtschaft zu verzeichnen. Sierra Leone ist mit einem Bruttoinlandsprodukt von 3,78 Milliarden US-Dollar und einem Prokopf-Einkommen von 615 US-Dollar im Jahr dennoch weiterhin eines der ärmsten Länder der Welt. Hinsichtlich Wirtschaftsleistung belegt Sierra Leone Platz 154 (von 184) in der Welt. Im Jahre 2012 belegte Sierra Leone den 177. Platz von 187 Ländern am Index für menschliche Entwicklung der Vereinten Nationen (Human Development Index, HDI). Sierra Leone liegt damit weiterhin unter dem Durchschnittswert der Region Subsahara. 60 Prozent der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze. Die mit rund 70 Prozent sehr hohe Jugendarbeitslosigkeit ist eines der schwerwiegenderen Probleme des Landes (AA 2.2014b). Während der letzten Jahre haben UN-Agenturen und lokale NGOs bei der Etablierung von Mikrounternehmen durch Qualifikationstraining für eine große Zahl von Binnenvertriebenen und ehemaligen Kämpfern geholfen. Der Landwirtschaftssektor beschäftigt 65 Prozent der Arbeitskräfte. Das Produktionspotenzial wird durch das Grundbesitzsystem eingeschränkt; das Land befindet sich meist in den Händen von Kleinbesitzern, die Subsistenzlandwirtschaft betreiben. Der Bergbausektor beschäftigt etwa 10 Prozent der Arbeitskräfte (IOM 6.2014).

In etwa die Hälfte des Nationaleinkommens wird in der Landwirtschaft erwirtschaftet. Schätzungsweise zwei Drittel der Bevölkerung betreibt Subsistenzwirtschaft und leben damit unmittelbar von der Landwirtschaft (AA 2.2014b; vgl. IOM 6.2014). Die landwirtschaftliche Produktion hat mit der Rehabilitierung von landwirtschaftlichen Nutzflächen (z.B. Verdreifachung der Reisanbauflächen) und der Rückkehr der Flüchtlinge zugenommen. Dennoch reicht die Nahrungsmittelproduktion nicht aus, da der Zuwachs durch das hohe Bevölkerungswachstum absorbiert wird. Die Regierung Koroma hat ein umfassendes Landwirtschaftsprogramm (Comprehensive Africa Agricultural Development Programme) zur Verbesserung der Ernährungssicherheit aufgelegt. Nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) wurde beim Reisanbau das Vorkriegsniveau inzwischen wieder erreicht. Auch beim Anbau der traditionellen landwirtschaftlichen Exportgüter Kakao und Kaffee ist in den letzten Jahren eine Erholung zu verzeichnen (AA 2.2014b). Der Export von Edelsteinen ist der wichtigste Devisenbringer. Sierra Leone ist einer der größten Produzenten von Diamanten weltweit. Obwohl Sierra Leone reich an Ressourcen ist, wurde in der Vergangenheit auch immer gegen deren Ausbeutung gekämpft. Bestrebungen, das Exportgeschäft mit größerem Erfolg zu betreiben, waren bereits ansatzweise erfolgreich (IOM 6.2014).

Zehn Jahre Bürgerkrieg haben die wirtschaftliche Situation des Landes beeinträchtigt. Die Arbeitslosigkeit ist heute eine der größten Herausforderungen (IOM 6.2014; vgl. GIZ 4.2015b). Die Mehrheit versucht mit Gelegenheitsjobs oder als Händler ein Auskommen zu erwirtschaften. Die Subsistenzwirtschaft wird in Familien oft parallel oder alternativ genutzt, um den Lebensunterhalt zu sichern. Seit dem Bürgerkrieg ist es noch nicht im notwendigen Umfang gelungen, einen beschäftigungswirksamen Aufschwung zu erzeugen. Hierbei spielen unter anderem eine schwache Privatwirtschaft sowie zu wenige gut ausgebildete Fachkräfte eine Rolle. Der informelle Sektor ist daher in Sierra Leone besonders wichtig. Die Einnahmen bleiben im informellen Sektor allerdings vergleichsweise niedrig, und der Zugang zu Krediten ist relativ schwierig (GIZ 4.2015b).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (2.2014b): Sierra Leone - Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/SierraLeone/Wirtschaft_node.html, Zugriff 7.5.2015

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (4.2015b): Sierra Leone - Gesellschaft, http://liportal.giz.de/sierra-leone/gesellschaft/, Zugriff 4.5.2015

IOM - International Organization for Migration (6.2014): Länderinformationsblatt Sierra Leone

Medizinische Versorgung

Die Gesundheitsversorgung in Sierra Leone wird zum Teil vom Staat, zum Teil von NGOs gestellt (GIZ 4.2015b). Die medizinische Versorgung im Lande ist mit Europa nicht zu vergleichen und vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch äußerst problematisch (AA 7.5.2015). Der Gesundheitssektor befindet sich immer noch in einem schwierigen Stadium und benötigt dringend zusätzliche Ressourcen sowie eine neue Politik und neue Strukturen. Die Dienstleistungen sind in Teilen des Landes eingeschränkt. Der Zugang hängt hauptsächlich davon ab, ob die Patienten zahlen können. Vielen Krankenhäusern fehlen die geeigneten finanziellen Strukturen (IOM 6.2014).

Es besteht ein ausgeprägter Mangel an Fachärzten. Selbst in Freetown ist die ärztliche Versorgung gegenwärtig sehr begrenzt (AA 7.5.2015). Der öffentliche Gesundheitssektor beschäftigt nur 190 Ärzte von denen 22 Fachärzte sind. Die Bevölkerung von Sierra Leone umfasst ca. 5,3 Mio. Menschen, so dass ein Arzt auf 30.000 Patienten kommt. Sierra Leone bildet nicht nur zu wenige Ärzte aus, es verliert auch viele an das Ausland. Nur ca. 10 Prozent der Mediziner bleiben nach dem Studium in der Heimat, die anderen wandern auf der Suche nach besseren Verdienstmöglichkeiten aus (IOM 6.2014).

Mit der Rückkehr von Frieden und Stabilität verstärkt die Regierung ihre Anstrengungen bei der Neustrukturierung der Gesundheitsversorgung. Viele Krankenhäuser wurden renoviert. Die Krankenhäuser besitzen Ambulanzen und Allradfahrzeuge, die die Beförderung von Patienten und Krankenhauspersonal erleichtern können. Bei der Bereitstellung von Gesundheitsdiensten sind im Land signifikante Unterschiede festzustellen. Ein privater Sektor der Gesundheitsversorgung existiert außerhalb der Provinzhauptstädte kaum. Die große Mehrheit der Gesundheitsdienste ist im Westen des Landes konzentriert. Dasselbe gilt für Apotheken. Von den acht öffentlichen Krankenhäusern, die tertiäre Gesundheitsversorgung bieten, befinden sich fünf im Westen, die anderen in den Provinzhauptstädten Bo, Kenema und Makeni. Von den 15 öffentlichen Krankenhäusern, die sekundäre Gesundheitsversorgung bieten, befinden sich sechs im Westen und eines in jeder Distrikthauptstadt. Privatkrankenhäuser, die Religionskörperschaften gehören, sind besser ausgestattet als die Regierungskrankenhäuser. Durch die italienische Regierung wurde in Lunsar im Norden von Sierra Leone ein Krankenhaus für Transplantationschirurgie eingerichtet. Das Connaught Hospital in Freetown wurde wieder aufgebaut und modernisiert (IOM 6.2014).

2010 wurde mit der Unterstützung des Vereinigten Königreiches und der UN ein Programm zur kostenlosen Versorgung von schwangeren Frauen und Müttern mit Kindern unter fünf Jahren eingeführt, um die hohe Mütter- und Kindersterblichkeit zu reduzieren (GIZ 4.2015b).

Die Regierung hat ein Kompensationsprogramm eingeführt, damit Medikamente zu relativ niedrigen Preisen zu kaufen sind. Im gesamten öffentlichen Gesundheitssektor herrscht jedoch beim Fachpersonal eine große Unsicherheit darüber, wer welche Leistungen bezahlen muss. Die Konfusion wurde noch durch Hilfsorganisationen verstärkt, die bestimmte Gruppen über öffentliche Gesundheitseinrichtungen kostenlos mit Medikamenten versorgten. Da der Staat oft die Gehälter nicht pünktlich zahlt, sind manche Einrichtungen dazu übergegangen, Gebühren zu erheben. Apotheken in Privatbesitz verkaufen Arzneimittel zu relativ hohen Preisen. Einfuhrzölle, Bestimmungen und Steuern erhöhen die Kosten medizinischer Versorgungsgüter und für die Ausrüstung im privaten Sektor. Arzneimittel und Spritzen sind prinzipiell frei von Einfuhrzöllen, aber Positionen wie Kondome und Röntgenfilme müssen verzollt werden. Die Kosten sind von Ort zu Ort verschieden und ziemlich hoch. Medizinische Sonderversorgung und -pflege für Personen mit psychischen Störungen, Traumata, kritischen Infektionskrankheiten und Patienten mit transplantierten Organen ist ein Problem, und die Verfügbarkeit muss in jedem einzelnen Fall vorab geprüft werden (IOM 6.2014).

Es gibt ein Krankenversicherungssystem in Sierra Leone. Versicherungsprämien werden an die nationale Versicherungsgesellschaft gezahlt. Bei Arbeitnehmern in einem Arbeitsverhältnis werden die Prämien zusammen mit den anderen Steuern direkt vom Gehalt abgeführt. Arbeitslose und Selbstständige müssen mit der Versicherungsgesellschaft Sonderabsprachen treffen. Bezieher einer Rente der nationalen Versicherung zahlen normalerweise einen minimalen Standardbeitrag für die Krankenversicherung, der von der Rente abgezogen wird (IOM 6.2014).

Westafrika wird seit Dezember 2013 von einer Ebolaepidemie heimgesucht, die hauptsächlich Liberia, Sierra Leone und Guinea betroffen hat. Die Fallzahlen sind inzwischen rückläufig, jedoch werden in Sierra Leone wöchentlich immer noch ca. 10 Neuinfektionen registriert (Freetown und Umgebung und Kambia). Durch die Ebolaepidemie ist das Gesundheitswesen in Sierra Leone nachhaltig beeinträchtigt worden, so dass eine medizinische Versorgung nur eingeschränkt möglich ist. Der von der sierra-leonischen Regierung im Rahmen des Kampfes gegen Ebola verhängte Ausnahmezustand ist im Zuge des Rückgangs der Ebola-Erkrankungen zwar gelockert, aber dennoch weiterhin Kraft. U.a. sind Menschenansammlungen von über 10 Personen verboten (AA 7.5.2015).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (4.5.2015): Sierra Leone - Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/SierraLeoneSicherheit_node.html, Zugriff 4.5.2015

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (4.2015b): Sierra Leone - Gesellschaft, http://liportal.giz.de/sierra-leone/gesellschaft/, Zugriff 4.5.2015

IOM - International Organization for Migration (6.2014): Länderinformationsblatt

Behandlung nach Rückkehr

Die Wiedereingliederung ehemaliger Kämpfer, Binnenvertriebener und Rückkehrer aus dem Ausland stellt eine der Hauptherausforderungen nach dem Krieg dar. Während des Krieges begingen viele Kämpfer furchtbare Gewalttaten, auch in ihren eigenen Dörfern. Deswegen löst die Vorstellung in ihre Wohnorte zurückzukehren bei vielen Angst und Misstrauen aus. Die Regierung richtete den NCDDR ein, der die wirtschaftliche und soziale Wiedereingliederung von ehemaligen Kämpfern, Kindersoldaten sowie Sonderprogramme für Behinderte und Frauen sicherstellt. Das Ziel war, ehemaligen Kämpfern dabei zu helfen, produktive Mitglieder ihrer Gemeinden zu werden, marktfähige Qualifikationen und Zugang zu den Mikrounternehmensprojekten bereitzustellen und die soziale Akzeptanz durch Informationskampagnen, soziale Aussöhnung und Sensibilisierungsprozesse zu unterstützen. Auf ähnliche Weise trugen die UN und andere internationale Agenturen in hohem Maße zu diesen Bemühungen bei. Trotz des Bedarfs an weiterführender, nachhaltiger Unterstützung zur Voranbringung des Friedensprozesses und des Wiederaufbaus, hat die gegenwärtige Regierung erfolgreich günstige Bedingungen für eine Wiederaufnahme und Eingliederung zurückkehrender Migranten geschaffen, ebenso wie für eine Beteiligung des privaten Sektors an der nationalen Wirtschaftsentwicklung. Dies wurde ermöglicht durch die Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten, Ausbildungstrainings, praktischen Berufstrainings sowie Entwicklungshilfe für Mikrounternehmen, die weithin als Motor der Kleinunternehmensentwicklung anerkannt und für die Entwicklung der Wirtschaft unabdingbar ist, insbesondere in jungen Ökonomien (IOM 6.2014).

Quellen:

IOM - International Organization for Migration (6.2014): Länderinformationsblatt Sierra Leone

Eine nach Sierra Leone zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der schriftlichen Stellungnahme des BF vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 27.12.2015, vor der belangten Behörde am 25.07.2017, in den bekämpften Bescheid und Beschwerdeschriftsatz, sowie in das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Sierra Leone und insbesondere der Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 15.11.2018.

2.2. Zur Person des BF:

Die Feststellungen zu den Lebensumständen, der Staatsangehörigkeit, Herkunft, Arbeitsfähigkeit sowie Glaubens- und Volkszugehörigkeit des BF gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des BF sowohl vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Protokoll vom 27.12.2015), als auch vor der belangten Behörde (Protokoll vom 25.07.2017) und dem BVwG (Protokoll vom 15.11.2018). Da der BF den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest (Bestätigung des Generalskonsulats in Österreich vom 27.11.2018).

Mangels entsprechender glaubwürdiger Angaben des BF kann auch nicht festgestellt werden, ob der BF noch Familienangehörige in Sierra Leone und insbesondere mit diesen Kontakt hat. Die Glaubwürdigkeit der Angaben des BF zum Ableben seiner Mutter wird insbesondere dadurch in Frage gestellt, da im groben Widerspruch zu seinen Angaben, wonach seine Mutter bereits 2012 an Ebola gestorben sei, den allgemein zugänglichen Internetquellen zu entnehmen ist, dass da die ersten Erkrankungen erst 2014 in Sierra Leone gemeldet wurden.

Die Feststellung über die strafgerichtliche Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 03.03.2020.

Feststellungen zu den Integrationsbemühungen des BF konnten aufgrund entsprechender Unterlagen getroffen werden: So ergibt sich aus dem vorgelegten ÖSD-Zertifikat vom 11.12.2017, dass der BF über eine qualifizierte Sprachprüfung auf Niveau A2 verfügt; hinzu kommt der persönliche Eindruck der erkennenden Richterin, die sich in der mündlichen Verhandlung am 15.11.2018 persönlich ein Bild über die Deutschkenntnisse des BF machen konnte. Aus der Bestätigung des Sportvereins vom 23.09.2019 geht hervor, dass der BF aktives Mitglied im Fußballverein ist; seine gemeinnützige Arbeit ist aus der Bestätigung vom 25.10.2018 ersichtlich und aus der Teilnahmebestätigung vom 15.06.2018 kann seine Teilnahme am Projektseminar "Life Writing: Refugee Narratives" abgeleitet werden.

Dass der BF in Österreich über Freundschaften verfügt, geht aus einem im Akt befindlichen Konvolut an Empfehlungsschreiben sowie aus der glaubwürdigen Aussage der vor dem BVwG am 15.11.2018 einvernommenen Zeugin hervor (Protokoll vom 15.11.2018, S. 16 ff.).

Dass der BF in Österreich über keine Verwandten und sonstigen familiären Beziehungen verfügt, gibt der BF selbst vor dem BVwG an (Protokoll vom 15.11.2018, S. 11). Hieraus ergibt sich auch, dass der BF in Österreich keine Lebensgemeinschaft führt.

Auch die Feststellung bezüglich der Lehrlingsausbildung des BF als Koch konnte aufgrund vorgelegter Dokumente und den persönlichen Angaben des BF vor dem BVwG getroffen werden (Beschäftigungsbewilligung AMS vom 30.08.2018, Lehrvertrag vom 13.09.2018 und vom 02.12.2019, Jahreszeugnis 2018/19 der Fachberufsschule für Tourismus für den Lehrberuf Koch, Ausbildungsabrechnungen, Protokoll vom 15.11.2019). Die Feststellung zur rechtzeitigen Meldung des Lehrverhältnisses ergibt sich aus der Mitteilung des BFA vom 21.02.2020.

Die Feststellungen zu seinem Wohnsitz und seinem Bezug der Grundversorgung ergeben sich aus einer Abfrage des Zentralen Melderegisters (ZMR-Auszug) sowie aus dem Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem, beides abgefragt am 03.03.2020.

2.3. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Sierra Leone samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der BF trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Zurückziehung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Der BF hat - wie oben unter Punkt I. 5. ausgeführt - die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des bekämpften Bescheides vom 11.08.2017, Zl. XXXX, ausdrücklich zurückgezogen.

Gemäß § 7 Abs. 2 VwGVG ist eine Beschwerde nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach der Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat. Für einen Rechtsmittelverzicht bestehen grundsätzlich keine besonderen Formerfordernisse, daher ist auch die Zurückziehung der Beschwerde einem Beschwerdeverzicht gleichzuhalten. Eine solche Zurückziehung ist in jeder Lage des Verfahrens ab Einbringung der Beschwerde bis zur Erlassung der Entscheidung möglich (§ 13 Abs. 7 AVG).

Mit der Zurückziehung ist das Rechtsschutzinteresse der beschwerdeführenden Partei weggefallen, womit einer Sachentscheidung die Grundlage entzogen ist, sodass die Einstellung des betreffenden Verfahrens - in dem von der Zurückziehung betroffenen Umfang - auszusprechen ist (siehe Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte [2015], Rz 20 zu § 7 VwGVG; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte [2013], K 5 ff. zu § 7 VwGVG).

Da im gegenständlichen Fall die gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides vom BF zurückgezogen wurde, war das Beschwerdeverfahren hinsichtlich des Spruchpunktes I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG einzustellen.

3.2. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

3.2.1 Rechtslage

Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 15.12.2010, 2006/19/1354; 31.05.2005, 2005/20/0095, 31.03.2005, 2002/20/0582).

Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 EMRK ist nicht ausreichend (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174). Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK angenommen werden kann (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174; 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 ua). Das Vorliegen solcher exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 07.09.2016, Ra 2015/19/0303 ua).

3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Im vorliegenden Beschwerdefall gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass dem BF im Falle einer Rückkehr nach Sierra Leone die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art 3 EMRK überschritten wäre. Der BF ist volljährig, gesund und arbeitsfähig.

Damit ist der BF durch die Abschiebung nach Sierra Leone nicht in seinem Recht gemäß Art 3 EMRK verletzt, weil die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der BF allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber seiner Situation in Sierra Leone besser gestellt ist, genügt nicht für die Annahme, er würde in Sierra Leone keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Hierfür fehlen im vorliegenden Fall alle Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.

Ganz allgemein besteht in Sierra Leone derzeit keine solche Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPEMRK) ausgesetzt wäre. Im Verfahren sind auch keine Umstände bekannt geworden und ergeben sich auch nicht aus dem amtliches Wissen darstellenden Länderinformationsblatt für Sierra Leone, die nahelegen würden, dass bezogen auf den BF ein reales Risiko einer gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw der Todesstrafe besteht. Was das Ebola-Virus anbelangt, ist zu konstatieren, dass Sierra Leone mit 17.03.2016 von der Weltgesundheitsorganisation als ebolafrei erklärt wurde, sodass aus dieser Sicht seitens des erkennenden Gerichts keine Umstände erkannt werden können, wonach der BF nach einer Rückkehr nach Sierra Leone einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 8 Abs 1 Z 1 AsylG abzuweisen war.

3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III., erster Teil des angefochtenen Bescheides)

3.3.1. Rechtslage

Gemäß § 58 Abs 1 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2) oder wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Z 5). Gemäß § 58 Abs 2 AsylG hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG (Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK) von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (§ 58 Abs 3 AsylG). Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der §§ 55 und 57 AsylG von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des BF, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).

3.3.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Indizien dafür, dass der BF einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des BF seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46 Abs 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der BF Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs 1 Z 3 AsylG. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG war daher nicht zu erteilen.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des ersten Teiles des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 57 AsylG, abzuweisen war.

3.4. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III., zweiter Teil des angefochtenen Bescheides):

3.4.1. Rechtslage

Gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.

Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

3.4.2. Anwendung der Rechtslage auf den Beschwerdefall

Zu prüfen ist daher, ob die von der belangten Behörde verfügte Rückkehrentscheidung mit Art 8 EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht käme. Die Vereinbarkeit mit Art 8 EMRK ist aus folgenden Gründen gegeben:

Das vorliegende Asylverfahren erreichte, gerechnet von der Antragstellung am 26.12.2015 bis zum Datum der vorliegenden Entscheidung am 11.08.2017 zwar eine gewisse, auch auf - dem BF nicht zuzurechnende - Verzögerungen zurückgehende Dauer. Der seit 26.12.2015 andauernde Aufenthalt des BF beruhte dessen ungeachtet auf einer vorläufigen, nicht endgültig gesicherten rechtlichen Grundlage, weshalb dieser während der gesamten Dauer des Aufenthaltes in Österreich nicht darauf vertrauen durfte, dass er sich in Österreich auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen kann.

Hinsichtlich allfälliger familiärer Bindungen in Österreich ist auszuführen, dass sich aus dem Vorbringen des BF ergibt, dass er keine Familienangehörigen im Bundesgebiet hat und auch mit keiner Person in einer familienähnlichen Gemeinschaft lebt, sodass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er im Bundesgebiet ein Familienleben führt. Der BF hat hingegen einen Großteil seines Lebens in Sierra Leone verbracht, er wurde dort hauptsozialisiert und spricht Temne sowie Aku, jeweils in Sierra Leone gesprochene Sprachen.

Im Hinblick auf sein Privatleben im Bundesgebiet ist auszuführen, das der BF seit nunmehr über vier Jahren in Österreich aufhältig ist. Er hat seinen Aufenthalt im Bundesgebiet für seine Integration in sprachlicher, beruflicher und sozialer Hinsicht genutzt. Wie oben festgestellt, hat der BF Integrationsbemühungen insoweit gesetzt, als festgestellt werden konnte, dass er qualifizierte Deutschkenntnisse aufweist, über einen Freundeskreis in Österreich verfügt und eine Lehrstelle als Koch vorweisen kann.

Der BF hat somit gezeigt, dass er in den letzten Jahren um eine möglichst umfassende und auf Dauer angelegte persönliche Integration in Österreich bemüht war bzw. bemüht ist. Ein bestehendes intensives Privat- und Familienleben konnte allerdings nicht festgestellt werden. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung im Sinne des Art 8 EMRK sind allerdings die Leitlinien und Grundsätze der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu beachten (vgl. VwGH 28.02.2019, Ro 2019/01/0003). Demnach ist es maßgeblich relativierend, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitraum gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste.

Die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (vgl. VwGH vom 10.04.2018, Ra 2019/18/0049 sowie vom 28.02.2019, Ro 2019/01/0003). Der Rechtsprechung des VwGH fol

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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