TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/3 W150 2229824-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.04.2020
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Entscheidungsdatum

03.04.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1 Z3
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z1
FPG §76 Abs3 Satz1
FPG §76 Abs3 Z1
FPG §76 Abs3 Z9
VwGVG §35 Abs1

Spruch

W150 2229824-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KLEIN als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn XXXX , geb. XXXX .1994 alias XXXX .1999, StA. Nigeria, vertreten durch RA Edward W. DAIGNEAULT und Dr. Gregor KLAMMER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.30.2020, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.03.2020 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG idgF iVm § 76 Abs. 3 Z 1 und Z 9 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG idgF iVm § 76 Abs. 3 Z 1, Z 9 FPG idgF wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen.

III. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF iVm § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV idgF, hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von ? 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF abgewiesen.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsbürger reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte am 18.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Aufgrund der behaupteten Minderjährigkeit des Beschwerdeführers wurde ein gerichtsmedizinisches Sachverständigengutachten zur Altersfeststellung in Auftrag gegeben, das mit Datum vom 05.08.2016 zum Schluss kam, dass als spätestmögliches ?fiktives' Geburtsdatum des Beschwerdeführers der XXXX .1994 festgestellt wurde. Entgegen den Angaben des Beschwerdeführers, der bei der Erstbefragung sein Geburtsdatum mit XXXX .1999 angegeben hatte, wurde das fiktive Geburtsdatum mit dem XXXX .1994 festgesetzt.

Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 03.05.2017, 060 HV 26/2017v, wurde der BF wegen des Erwerbes und Besitzes von Suchtmitteln, Widerstandes gegen die Staatsgewalt sowie wegen schwerer Körperverletzung zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten verurteilt.

Mit Bescheid vom 06.02.2018, Zl. XXXX , wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.). Zugleich erkannte die belangte Behörde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI.). Ferner wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII). Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.05.2018, Zl. I417 2190947-1/9E, wurde die Beschwerde hinsichtlich der Punkte VI und VII stattgegeben, sie im Übrigen als unbegründet abgewiesen und die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

Am 22.06.2018 erschien der BF zu einem Termin mit Vertretern der nigerianischen Botschaft und wurde von dieser Delegation als Staatsangehöriger von Nigeria identifiziert.

Da der BF in der Folge seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkam und auch keine Anstalten unternahm, selbständig ein Reisedokument zu erlangen, wurde vom BFA versucht, dem BF gegenüber einen Bescheid hinsichtlich Unterkunftnahme in einer Betreuungseinrichtung zu erlassen. Dieser Bescheid konnte aber dem BF an seinem Wohnsitz durch Sicherheitswachebeamte am 19.04.2019 nicht zugestellt werden, da er dort nicht aufhältig war. Sein Unterkunftgeber XXXX hatte bereits Anfang April angegeben, dass sich der BF irgendwo in Innsbruck aufhalte. Bei der Nachschau am 19.04.2019 gab dieser Unterkunftgeber an, dass sich der BF derzeit irgendwo in Klagenfurt bei einer Freundin aufhalte, er ihn schon seit 3 Wochen nicht mehr gesehen habe und keinen Kontakt mehr zu ihm habe. Persönliche Gegenstände des BF konnten bei der - freiwillig erfolgten - Nachschau in der Unterkunft nicht vorgefunden werden. Der BF war auch unter seiner Mobiltelefonnummer nicht erreichbar, zwei Tage später war diese dem Netzbetreiber bereits unbekannt. In weiterer Folge wurde der BF nach Abschluss des Verfahrens durch die Meldebehörde am 08.07.2019 amtlich abgemeldet.

Am 02.03.2020 um 17:30 wurde der BF in einem Wettbüro am Bahnhofsplatz in Wels (OÖ) von Sicherheitswachebeamten angetroffen, einer Personenkontrolle unterzogen und aufgrund eines aufrechten Festnahmeauftrages gem. § 34 Abs. 3 Z 1 BFA-VG festgenommen. Kurze Zeit später stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag).

Am 03.03.2020 ordnete das Bundesamt mittels verfahrensgegenständlichem Mandatsbescheid, gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG über den BF die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf eine aufenthaltsbeendende Maßnahme an. Begründend führte das Bundesamt aus:

"C) Feststellungen

Der Entscheidung liegen folgende Feststellungen zugrunde:

Zu Ihrer Person:

Sie sind ein volljähriger, nigerianischer Staatsangehöriger und leiden an keiner ernsten oder lebensbedrohenden Erkrankung. Sie sind ledig und arbeitsfähig.

Zu Ihrer rechtlichen Position in Österreich:

Sie haben bereits im April 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz mit der Angabe eines falschen Geburtsdatums gestellt (Differenz über fünf Jahre), der rechtskräftig abgewiesen wurde. Am 02.03.2020 stellten Sie einen erneuten Asylantrag.

Sie stellten diesen Antrag im Stande der Anhaltung. Die Anhaltung basiert auf einem Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 BFA-VG

Es ist ein Asylverfahren anhängig, Sie verfügen über faktischen Abschiebeschutz.

Ihr gesetztes Verhalten stellt weiter eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar.

Zu Ihrem bisherigen Verhalten:

- Sie hielten sich seit Juni 2018 illegal in Österreich auf.

- Sie sind nach Österreich illegal eingereist.

- Sie stellten Ihren erneuten Antrag auf internationalen Schutz, um eine Abschiebung zu verhindern.

- Sie gingen im Bundesgebiet nie einer Erwerbstätigkeit nach. Es besteht keine begründete Aussicht, dass Sie eine Arbeitsstelle finden.

- Sie tauchten in Österreich unter, indem Sie seit spätestens April 2019 nicht mehr an Ihrer gemeldeten Adresse aufhältig waren und im Juli 2019 im ZMR abgemeldet wurden und der Behörde Ihren Aufenthaltsort nicht mitteilten.

- Sie besitzen kein gültiges Reisedokument. Sie können Österreich aus eigenem Entschluss nicht legal verlassen.

- Obwohl eine gesetzliche Verpflichtung hierzu bestand, verweigerten Sie die Ausreise aus Österreich. Stattdessen tauchten Sie unter.

- Sie missachteten die österreichische Rechtsordnung, indem Sie einen Widerstand gegen die Staatsgewalt setzten, gegen das Suchtmittelgesetz verstießen und eine schwere Körperverletzung begingen.

- Sie verfügen nicht über ausreichend Barmittel um Ihren Unterhalt zu finanzieren. Einer legalen Beschäftigung gehen Sie nicht nach.

- Ausreisewilligkeit zeigten Sie zu keinem Zeitpunkt

Zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Sie sind in Österreich weder beruflich noch sozial verankert.

Zu Ihrer behaupteten Lebensgefährtin und dem behaupteten gemeinsamen Sohn (Sie sind nicht als Vater in der Geburtsurkunde eingetragen) bestand zumindest seit Geburt bis 18.12.2019 keinerlei Kontakt.

D) Beweiswürdigung

Die von der Behörde getroffenen Feststellungen resultieren aus dem Inhalt Ihres BFA- Aktes, Zl. 1111863000, im Besonderen wurden die unter Beweismittel angeführten Dokumente berücksichtigt

E) Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG können Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, festgenommen oder angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu sichern; das gilt auch dann, wenn es der Erlassung einer neuerlichen Rückkehrentscheidung gemäß § 59 Abs. 5 FPG nicht bedarf. Für die Anordnung der Schubhaft muss Fluchtgefahr und Verhältnismäßigkeit vorliegen. Wird der Antrag während einer Anhaltung aufgrund eines Festnahmeauftrags gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 oder Z 3 BFA-VG gestellt, so setzt die Schubhaft keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit voraus (§ 76 Abs. 2 letzter Satz FPG iVm § 40 Abs. 5 BFA-VG).

Da Sie Ihren Antrag auf internationalen Schutz während einer entsprechenden Anhaltung stellten, fallen Sie in den Anwendungsbereich des § 76 Abs. 2 Z 1 FPG, ohne dass es eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit bedarf. Überdies stellt Ihr gesetztes Verhalten auch eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit dar.

Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt gemäß § 76 Abs. 5 FPG die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

Die Schubhaft ist mit Bescheid anzuordnen, dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gem. § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Die Schubhaft dient der Sicherung der angeführten Verfahren bzw. der Sicherung der Abschiebung. Zur Prüfung der Fluchtgefahr ist auf alle Umstände des konkreten Falles Bedacht zu nehmen, um die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens, als schlüssig anzusehen. Dabei kommt insbesondere auch dem bisherigen Verhalten des Fremden Bedeutung zu (VwGH 27.2.2007, 2006/21/0311). Von einer Anordnung der Schubhaft ist Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist. So ist eine verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen (VfGH 24.6.2006, B362/06). In diesem Zusammenhang sind die Kriterien gem. § 76 Abs. 3 FPG zu beachten. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigten,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen eines aufrechten Einreiseverbots, eines aufrechten Aufenthaltsverbots oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a) der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b) der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c) es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen zur Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung insbesondere auch ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an der baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit überwiegt.

Entsprechend ihres bisherigen Verhaltens begründen folgende Kriterien in Ihrem Fall eine Fluchtgefahr; insbesondere ist davon auszugehen, dass Sie Ihren Antrag auf internationalen Schutz stellten, um eine Abschiebung zu verzögern oder zu behindern:

Gemäß § 76 Abs. 3 FPG Z 1 liegt Fluchtgefahr vor, da die Behörde davon ausgehen muss, dass Sie die Abschiebung oder Rückkehr behindern werden, weil Sie bereits nach Rechtskraft der ersten Asylentscheidung untertauchten und so weitere Schritte zur HRZ- Erlangung und letztendlich Ihre Abschiebung vereitelten. Sie waren seit April 2019 für die Behörde nicht greifbar. Weiter zeigten Sie zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens eine Rückkehrwilligkeit.

Überdies stellt Ihr Widerstand gegen die Staatsgewalt, für den Sie rechtskräftig verurteilt wurden und bei dem eine Polizistin verletzt wurde noch mehr unter Beweis, wie wenig Sie behördlichen und polizeilichen Anweisungen Folge leisten und muss daher auch mit dem Versucht der Behinderung der Abschiebung gerechnet werden. Dass Sie sich im Asylverfahren um fünf Jahre jünger ausgaben ist als weiteres Indiz auch zukünftiger Täuschungsversuche zu werten.

Gemäß § 76 Abs. 3 FPG Z 5 liegt Fluchtgefahr vor, da gegen Sie zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, da Sie zu diesem Zeitpunkt bereits aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 angehalten wurden. Sie haben Österreich nie verlassen und hätten seit rechtskräftig negativer Entscheidung die Möglichkeit gehabt, gegenständlichen Asylantrag zu jeder Zeit an jedweder Polizeiinspektion einzubringen. Überdies brachten Sie keine neuen Gründe ein, sondern bezogen sich auf die bereits bekannte behauptete Verfolgungssituation.

Gemäß § 76 Abs. 3 FPG Z 9 liegt Fluchtgefahr vor, da Sie weder einer Erwerbstätigkeit nachgehen, noch andere Hinweise auf eine nachhaltige Integration bestehen. Die behaupteten familiären Anknüpfungspunkte, im Besonderen zu dem von Ihnen behaupteten Sohn werden von Ihrer behaupteten Lebensgefährtin in der Niederschrift vom 18.12.2019 vor dem BVwG widerlegt. Überdies wären auch Ihr behaupteter Sohn und Ihre behauptete Lebensgefährtin von den gleichen fremdenpolizeilichen Maßnahmen bedroht, da gegen beide eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung besteht und somit ein gemeinsames Familienleben, das ohnehin nicht bestand, in Österreich nicht möglich sein wird.

Daher ist die Entscheidung auch verhältnismäßig.

Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung ist erforderlich, da Sie sich aufgrund Ihres oben geschilderten Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen haben. Es ist davon auszugehen, dass Sie auch hinkünftig nicht gewillt sein werden, die Rechtsvorschriften einzuhalten.

Aus Ihrer Wohn- und Familiensituation, Sie sind seit April 2019 nicht an der von Ihnen in der Erstbefragung angegebenen Adresse wohnhaft und untergetaucht, aus Ihrer fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens kann geschlossen werden, dass bezüglich Ihrer Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt.

Bei der Prüfung der Fluchtgefahr ist auch ein massives strafrechtliches Verhalten des Fremden in Bezug auf Gewalt- und Vermögensdelikte in Verbindung mit der wegen seiner Mittellosigkeit naheliegenden Wiederholungsgefahr einzubeziehen (VwGH 25.03.2010, 2009/21/0276). Der VwGH hat auch ausgesprochen, dass eine erhebliche Deliquenz des Fremden das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Effektivität einer baldigen Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 25.03.2010, 2009/21/0276).

Mit Urteil des Landesgerichts Linz vom 03.05.2017 wurden Sie wegen § 269 (1) StGB; §§ 83 (1), 84 (2) StGB; §§ 27 (1) Z 1 1. Fall, 27 (1) Z 1 2. Fall SMG; § 27 (1) Z 1 1. Und 2. Fall

SMG zu acht Monaten bedingter Haft verurteilt. Dem Urteil liegt zugrunde, dass Sie eine Polizistin mit Gewalt an einer Amtshandlung zu hindern versuchten und ihr mit dem Ellbogen einen Schlag gegen den Brustkorb versetzten, wodurch diese eine Prellung des Brustkorbes erlitt. Überdies waren Sie zu diesem Zeitpunkt in Besitz von 46 Gramm Marihuana, welches zum Teil in Klemmsäckchen abgepackt war.

Diese Verurteilung und das ihr zugrunde liegende Fehlverhalten rechtfertigt überdies die Annahme, dass Sie mit Ihrem Verhalten die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden.

Einem geordneten Fremdenwesen kommt im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und dem wirtschaftlichen Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zu. Es besteht die Verpflichtung Österreichs, seinen europarechtlichen Vorgaben, als auch den Pflichten gegenüber seinen Staatsbürgern und anderen legal aufhältigen Personen nachzukommen.

Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit ergibt daher in Ihrem Fall, dass Ihr privates Interesse an der Schonung Ihrer persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen hat.

Dabei wurde auch berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima - ratio - Maßnahme darstellt. Es ist daher zu prüfen, ob die Anordnung gelinderer Mittel gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich wäre. In Betracht käme dabei das gelindere Mittel gem. § 77 FPG mit den dafür vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten bzw. der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit. Dabei kommt die finanzielle Sicherheitsleistung aufgrund Ihrer finanziellen Situation schon von vornherein nicht in Betracht, sie gaben in der

Erstbefragung an, dass Ihr Konto leer sei und Sie über beschränkte Barmittel von ungefähr 26 Euro verfügen.

Doch auch was die Unterkunftsnahme in bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung betrifft, kann in Ihrem Fall damit nicht das Auslangen gefunden werden, da Sie sich bereits einmal durch Untertauchen der Abschiebung entzogen, keine Ausreisewilligkeit besteht und im Bundesgebiet keine nachhaltigen Anknüpfungspunkte bestehen, die Sie vom Fluchtgedanken abbringen könnten.

Wie oben ausführlich dargelegt, besteht in Ihrem Fall aufgrund Ihrer persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. Damit wäre jedoch der Zweck der Schubhaft, nämlich die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung, vereitelt. Es liegt somit eine ultima - ratio - Situation vor, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erfordert und eine Verfahrensführung, während derer Sie sich in Freiheit befinden, ausschließt.

Es ist weiter aufgrund Ihres Gesundheitszustandes davon auszugehen, dass auch die subjektiven Haftbedingungen, wie Ihre Haftfähigkeit, gegeben sind. Sie werden vom Amtsarzt untersucht werden und gaben Sie in der heutigen Erstbefragung keinerlei Beschwerden an.

Nach rechtskräftigem Abschluss des aktuellen Asylantrages kann überdies davon ausgegangen werden, Sie wurden bereits als Nigerianer von der zuständigen Botschaft identifiziert, dass auch ein Ersatzreisedokument für Sie beigebracht werden kann und so die Abschiebung auch faktisch möglich sein wird.

Die Behörde gelangt daher zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorliegen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis steht und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich und geboten ist."

Am 21.03.2020 langte die nunmehr verfahrensgegenständliche Beschwerde ein. Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass

- Der BF eine enge persönliche Bindung zu seiner Lebensgefährtin und deren gemeinsamen Sohn habe, der asylgesetzlich aufenthaltsberechtigt sei und daher dem BF jedenfalls ein faktischer Abschiebeschutz zukomme. Die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen über diese Vaterschaft Erhebungen durchzuführen;

- Der BF hätte bis zu seiner Festnahme bei seinem Freund XXXX gewohnt, sei dort ordnungsgemäß gemeldet gewesen, von einer Abmeldung habe er keinerlei Kenntnis gehabt und sei für die Behörde erreichbar ewesen. Er sei nur kurz ohne Meldung im Bundesgebiet gewesen;

- Der BF habe sich seit seiner Verurteilung im Jahr 2017 wohl verhalten und stelle keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar;

- Ein gelinderes Mittel wäre jedenfalls ausreichend gewesen;

- Die Anhaltung des Beschwerdeführers jedenfalls rechtwidrig sei, da aufgrund der CoVID 19-Pandemie die Abschiebung nach Nigeria derzeit weder möglich noch zulässig sei.

Außerdem sei keine Einvernahme des BF im Schubhaftverfahren erfolgt. Die zeugenschaftliche Einvernahme des Herrn XXXX und von Frau XXXX wurde beantragt, weiters die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Schubhaft ab Beginn und der Zuspruch von Aufwandersatz im gesetzlichen Umfang.

Am 21.03.2020 langte der Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein. In einer Stellungnahme legte das Bundesamt den bisherigen Gang des Verfahrens dar.

Am 27.03.2020 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung unter Beiziehung eines Dolmetschers für die englische Sprache durchgeführt (siehe oben).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Aufgrund der Aktenlage wird folgender Sachverhalt der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Nigerias und der Volksgruppe der Ibo (Igbo) zugehörig, bekennt sich zum christlichen Glauben ist gesund, volljährig und ledig. Der BF verfügt über kein Reisedokument. Er spricht Igbo als Muttersprache sowie Englisch.

1.2. Am 18.04.2016 stellte er den ersten Antrag auf internationalen Schutz, worüber erstinstanzlich negativ entschieden wurde. Eine dagegen eingebrachte Beschwerde wurde vom BVwG mit Erkenntnis vom 25.06.2018 als unbegründet abgewiesen und erwuchs dieses Erkenntnis in der Folge am 29.06.2018 in Rechtskraft.

1.3. Am 02.03.2020 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.

1.4. Der Beschwerdeführer ging in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach. Er verfügt über keine guten Deutschkenntnisse und ist mittellos. Seine Familie, insbesondere sein Bruder, lebt nach wie vor in Nigeria. Weiters verfügte der Beschwerdeführer über keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich. Zu dem von ihm angegebenen im September 2019 geborenen Sohn besteht kein enger Kontakt. Der BF hatte jedenfalls bis Ende Jänner 2020 und seit seiner Inhaftierung am 03.03.2020 keinen regelmäßigen Kontakt zu diesem. Von der Kindesmutter hatte er sich im zweiten Schwangerschaftsmonat getrennt und bis einige Wochen vor seiner Inhaftierung keinen Kontakt mehr, da diese das Kind nicht abtreiben lassen wollte. Zu keinem Zeitpunkt hatte der BF einen gemeinsamen Wohnsitz mit diesem Kind oder mit der Kindesmutter. Kind und Kindesmutter sind Fremde, die die nigerianische Staatsbürgerschaft besitzen. Weder das Kind, noch die Kindesmutter verfügten zum Zeitpunkt der Erlassung des in Beschwerde gezogenen Bescheides über ein Aufenthaltsrecht in Österreich, sondern es bestand gegen sie eine rechtskräftige durchsetzbare Rückkehrentscheidung. Erst seit 17.03.2020 verfügen die beiden wieder über ein Aufenthaltsrecht aufgrund § 13 AsylG 2005.

1.5. Der frühere Unterkunftgeber des BF, Herr XXXX bietet dem BF wieder die Möglichkeit an, bei ihm Unterkunft zu nehmen.

1.6. Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer insgesamt nicht vertrauenswürdig und kooperativ ist. Die Anordnung der Schubhaft ist allein seinem bisher gesetzten Verhalten, nämlich:

- illegale Einreise in das Bundesgebiet

- falsche Angaben über das Geburtsdatum im Ausmaß von über fünf Jahren, um den Status als Minderjähriger zu erlangen

- gerichtliche Verurteilung durch das LG Linz vom 03.05.2017, 060 HV 26/2017v, wegen des Erwerbes und Besitzes von Suchtmitteln, Widerstandes gegen die Staatsgewalt sowie wegen schwerer Körperverletzung (Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten bedingt auf drei Jahre), wobei bei der Strafzumessung ein langer Tatzeitraum bezüglich des Eigenkonsums festgehalten wurde

- Nichtbeachtung von Verpflichtungen nach dem Meldegesetz

- Verweigerung der Ausreise innerhalb der gerichtlich angeordneten Frist und daher seit dem 31.05.2018 (bis zur Stellung des Folgeantrages) illegal im Bundesgebiet aufhältig

- Seit dem 22.06.2018 keine Mitwirkung am Verfahren zur Erlangung eines Reisedokumentes, sondern Flucht bzw. Untertauchen, um sich dem Verfahren zu entziehen

zuzurechnen. Seitdem kam es auch zur

- Ordnungswidrigkeit in der Schubhaft am 05.03.2020 (Nichtbefolgung einer Anordnung)

Weiters zeigte sich der BF aufgrund zahlreicher Widersprüche in Zuge seiner Einvernahme vor dem BVwG am 27.03.2020 als sehr unglaubwürdig.

1.7. Es bestand zum Zeitpunkt der Schubhaftanhaltung und besteht aktuell erhebliche Fluchtgefahr seitens des BF.

1.8. Die aufgrund der aktuellen Covid-19 Pandemie ergriffenen Maßnahmen der Bundesregierung schränken die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht ein.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes zur Zl. XXXX , den vorgelegten fremden- und asylrechtlichen Verwaltungsakten sowie den vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes (insbesondere zum Verfahren I417 2190947-1) und Auszügen aus GVS, IZR, ZMR, der Anhaltedatei und aus den Ausführungen in der gegenständlichen Beschwerde vom 21.03.2020 sowie den Ausführungen des BF in der mündlichen Verhandlung am 27.03.2020.

3.1. An der nigerianischen Staatsangehörigkeit des BF bestanden nie Zweifel. Die Feststellung, dass der BF über kein Reisedokument verfügt ergibt sich aus dem Verfahren sowie der Vorverfahren und ist unstrittig. Seine Sprachkenntnisse beruhen auf seinen diesbezüglichen Angaben in den vorangegangenen Verfahren und in der vor dem BVwG durchgeführten mündlichen Verhandlung.

3.2. Die Feststellung zu den rechtskräftigen Entscheidungen im Asylverfahren ergeben sich aus dem Verfahrensakt, insbesondere aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts I417 2190947-1/9E vom 25.06.2018.

3.3. Die gerichtliche Verurteilung wegen des Erwerbes und Besitzes von Suchtmitteln, Widerstandes gegen die Staatsgewalt sowie wegen schwerer Körperverletzung zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten (bedingt nachgesehen auf 3 Jahre) ergibt sich aus dem Protokollsvermerk des LG Linz vom 03.05.2017, 060 HV 26/2017v.

Eine legale Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers wurde im Asylverfahren nie behauptet, ebenso wenig wie familiäre Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Seine Mittellosigkeit ergibt sich aus der Anhaltedatei.

3.4. Trotz Fehlens entsprechender Dokumente erscheinen die Angaben des BF zu dem mj. XXXX vor allem aufgrund der Angaben der Kindesmutter als durchaus glaubhaft, doch ist das Schubhaftverfahren nach § 22a FPG nicht dazu vorgesehen, Vaterschaften festzustellen und ist diese Frage auch im gegenständlichen Fall unbeachtlich, da jedenfalls keine enge persönliche Bindungen ("close personal ties") zwischen dem BF und dem angegebenen Sohn bzw. der Kindesmutter vorliegen.

Am XXXX .2019 wurde von Frau XXXX , einer Fremden (nigerianische Staatsangehörige), in Österreich ein Sohn namens XXXX geboren, der ebenfalls die nigerianische Staatsangehörigkeit besitzt; die beiden wohnen derzeit in Marchtrenk (OÖ). Der BF und die Kindesmutter geben im gegenständlichen Verfahren an, dass der BF der leibliche Vater des mj. XXXX sei. In der Geburtsurkunde des Magistrates der Stadt Wels scheint der BF nicht als Vater auf und er hatte zumindest bis Ende Jänner 2020 auch keinen Kontakt zu dem mj. XXXX . Auch bis dato ist dem Personenstandsregister nicht zu entnehmen, wer der leibliche Vater ist. Die Obsorgeberechtigte des mj. XXXX ist dessen Mutter. Geteilte Obsorge mit dem BF besteht keine. Zu keinem Zeitpunkt in der Vergangenheit waren der BF und die Mutter des mj. XXXX oder dieser selbst an der gleichen Wohnadresse gemeldet. Selbst bei Unterstellung eines gemeinsamen Familienlebens zwischen Ende Jänner 2020 und dem 02.03.2020 wäre dieser kurze Zeitraum kaum beachtlich. Weiters wäre er auch im Falle der behaupteten Wohnungsnahme bei seinem früheren Unterkunftgeber wiederum nicht mit dem Kind und der Kindesmutter in einem gemeinsamen Haushalt.

Zum Zeitpunkt der Erlassung des verfahrensgegenständlichen angefochtenen Bescheides (03.03.2020) war diesen beiden Fremden gegenüber eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Rückkehrentscheidung) (Erkenntnis des BVwG vom 14.01.2020, Zlen. I405 2128290-1/24E und I405 2225732-1/5E) rechtskräftig und vollstreckbar. Mit Entscheidung des VfGH vom 17.03.2020 wurde der, von den beiden Vorgenannten erhobenen Verfassungsgerichtshofbeschwerde gegen das vorgenannte Erkenntnis, die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Ein allfälliges Familienleben des BF mit den vorgenannten Personen in Nigeria erscheint möglich.

3.5 Das Fehlen der Vertrauenswürdigkeit und Kooperationsbereitschaft des Beschwerdeführers ergibt sich insbesondere aus seinen falschen Angaben zu seinem Geburtsdatum, wodurch er sich um fast fünf Jahre jünger dargestellt hatte (festgestellt im Asylverfahren durch ein gerichtsmedizinisches Sachverständigengutachten zur Altersfeststellung vom 05.08.2016), seinem zeitweiligen Untertauchen im April 2019 und der Unterlassung der Abmeldung von seiner Wohnadresse und Neumeldung (dokumentiert durch die Meldung der LPDion OÖ, PI Kaarstraße vom 19.04.2019) und seinem Untertauchen zumindest seit 19.04.2019 bis zum 02.03.2020 (polizeiliche Festnahme). Weiters durch seine Straffälligkeit (siehe oben 3.2.), der Verweigerung der Ausreise, dem fast 22 Monate langem illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet, dem Nichterlangen eines Reisedokumentes und seinem Fehlverhalten in der Schubhaft (Meldung AFA Referat 1, PAZ vom 05.03.2020 über Nichtbefolgung der Anordnung zu dem vom BF zuvor selbst gewünschten Hofspaziergang und stattdessen eigenmächtigem Entfernen). Auch das Unterlassen einer Antragstellung auf internationalen Schutz zu einem bereits früheren Zeitpunkt, zB ab der Geburt des mj. XXXX (im September 2019) ist in diesem Zusammenhang nicht unbeachtlich, da durch die erst nach der Festnahme des BF durch diesen erfolgten Antragstellung (Folgeantrag) dies jedenfalls zur Verfahrensverzögerung geeignet erscheint.

Weiters verstrickte sich der BF im Zuge seiner Einvernahme vor dem BVwG am 27.03.2020in zahlreiche zT erhebliche Widersprüche, Teils zu seinen eigenen Aussagen, Teils zu aktenkundigen Fakten, Teils zu den Aussagen der zeugenschaftlich einvernommenen XXXX . So wollte er zB seine strafgerichtliche Verurteilung verschweigen, seine erheblich falschen Angaben zum eigenen Geburtsdatum im Erstverfahren. Weiters gab er völlig andere Angaben zu Art, Dauer, Unterbrechung, Intensität, usw. seiner Beziehung zur XXXX . Er erscheint dadurch insgesamt sehr wenig glaubwürdig.

3.6. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers beruhen auf den im Asylverfahren und in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG entstandenen Eindrucks, der eigenen Angaben des BF und des Fehlens anderslautender medizinischer Befunde.

3.7. Dass der frühere Unterkunftgeber des BF, diesem wieder die Möglichkeit bietet, bei ihm Unterkunft zu nehmen, ergibt sich aus den diesbezüglichen Angaben und Dokumentkopien in der verfahrensgegenständlichen Beschwerde.

3.8. Eine erstinstanzliche Entscheidung über den Folgeantrag des BF ist noch nicht getroffen worden, das Verfahren dazu läuft noch. Am 26.03.2020 wurde er durch das BFA dazu einvernommen. Aus den bisherigen Erfahrungen des Verhaltens des BF einschließlich insbesondere seiner Delinquenz mit der er sich offensichtlich nicht auseinandergesetzt hat und nicht Schuldeinsichtig ist und den Widersprüchen bzw. Falschangaben die er am 27.03.2020 vor dem BVwG gemacht hat, kann nicht darauf geschlossen werden, dass er sich im Verfahren normkonform verhalten und nicht wiederum untertauchen wird.

3.9. Das Vorliegen einer Covid-19 Pandemie und die dazu ergangenen Maßnahmen der österreichischen Bundesregierung sind notorisch. Die Pandemie wurde von der WHO am 11.03.2020 ausgerufen, die Maßnahmen der österreichischen Bundesregierung sind seit 16.03.2020 in Kraft. Einschränkungen welche die Schubhaft betreffen könnten, sind darin nicht enthalten.

https://www.who.int/dg/speeches/detail/who-director-general-s-opening-remarks-at-the-media-briefing-on-covid-19---11-march-2020

3.7 Die übrigen Fakten ergeben sich aus der diesbezüglich unbedenklichen Aktenlage.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: "Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein."

Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

4. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2.ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

Dazu die Materialien des Gesetzgebers:

Zu Abs. 2a:

Nach geltender Rechtslage ist eine Anordnung der Schubhaft zwecks Sicherstellung einer Außerlandesbringung bzw. zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung zulässig, sofern dies wegen Fluchtgefahr notwendig ist, außerdem die Haft verhältnismäßig ist und sich der Haftzweck mit einem gelinderen Mittel nicht wirksam verwirklichen lässt.

Eine "Fluchtgefahr" gemäß § 76 Abs. 3 sowie eine Fluchtgefahr im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, ABl. Nr. L 180 vom 29.06.2013 S. 31 (im Folgenden: "Dublin-Verordnung"), liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder die Abschiebung wesentlich erschweren wird. In § 76 Abs. 3 Z 1 bis 9 werden in einer auf der Judikatur des VwGH basierenden demonstrativen Aufzählung jene Kriterien aufgezählt, die bei der Prüfung des Vorliegens von Fluchtgefahr zu berücksichtigen sind. Auch wenn die Verhängung von Schubhaft gemäß höchstgerichtlicher Judikatur nicht der Aufdeckung oder Verhinderung von Straftaten oder ihrer Sanktionierung dient, sondern der Erfüllung eines administrativen Sicherungszweckes (vgl. VwGH 30.08.2007, 2006/21/0107; 22.11.2007, 2006/21/0189; 17.03.2009, 2007/21/0542; 20.10.2011, 2008/21/0191; 22.12.2009, 2009/21/0185 uvw. sowie VfGH 08.03.1994, G 112/93 = VfSlg. 13715), erhöht ein allfälliges strafrechtliches Fehlverhalten des Fremden in der Vergangenheit das öffentliche Interesse an der Überwachung der Ausreise (vgl. § 46 Abs. 1 Z 1) bzw. der baldigen Durchsetzung der Abschiebung und ist daher mittelbar auch für die Verhältnismäßigkeit der Anordnung der Schubhaft von Bedeutung. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des VwGH (VwGH 17.03.2009, 2007/21/0542; 23.09.2010, 2009/21/0280; 22.12.2009, 2009/21/0185).

Auf eine etwaige Straffälligkeit des Fremden wird nach dem bisherigen Gesetzeswortlaut nicht ausdrücklich abgestellt. Es ist daher angezeigt, nunmehr in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des VwGH explizit zu normieren, dass im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung neben anderen Faktoren auch das bisherige strafrechtliche Fehlverhalten des Fremden zu berücksichtigen ist, insbesondere, ob sich aufgrund der Schwere der Straftaten das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößert. Klarzustellen ist, dass der vorgeschlagene Abs. 2a ein strafrechtliches Fehlverhalten des Fremden nicht zu einer notwendigen Voraussetzung für die Anordnung der Schubhaft macht. Vielmehr ergibt sich aus dem Wort "auch" und der Bezugnahme auf ein "allfälliges" strafrechtliches Fehlverhalten, dass bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht nur einem strafrechtlichen Fehlverhalten, sondern auch anderen Faktoren Bedeutung zukommen kann. Ebenso wenig ist aus Abs. 2a ein Umkehrschluss des Inhalts zu ziehen, dass über einen Fremden, dem keine strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen zur Last liegen, anstelle der Schubhaft nur mehr ein gelinderes Mittel angeordnet werden dürfte.

Zu Abs. 1:

Dieser Absatz entspricht weitestgehend dem bisherigen Abs. 1 und Abs. 1a. Die Definition der Schubhaft bleibt unverändert. Unter "Fremde" im Sinne dieser Bestimmung sind sowohl illegal als auch rechtmäßig aufhältige Fremde sowie Asylwerber zu verstehen. Bei rechtmäßig aufhältigen Fremden müssen jedoch naturgemäß stärkere Hinweise für eine Fluchtgefahr vorliegen als bei unrechtmäßig aufhältigen Fremden (Verhältnismäßigkeit). Gegen Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte kann Schubhaft aufgrund von § 1 Abs. 2 FPG nicht verhängt werden.

Zu Abs. 2:

Dieser Absatz soll bestimmen, unter welchen grundlegenden Voraussetzungen Schubhaft zulässig ist. Eine Schubhaft ist demgemäß zur Sicherung eines Verfahrens zulässig und sofern zudem Fluchtgefahr bzw. Sicherungsbedarf besteht. Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit wird nun dezidiert in die Bestimmung aufgenommen. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (ua. B 362/06 vom 24. Juni 2006; B 1330/06 sowie B 1331/06 vom 15. Juni 2007) ist die Behörde verpflichtet, von der Anwendung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist. Betreffend das Kriterium der Verhältnismäßigkeit gilt, dass die Behörde verpflichtet ist, auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken. Diesbezüglich erörterte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19. Mai 2011, 2008/21/0527, "dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig" (VwGH vom 19. Mai 2011, 2008/21/0527). Die Bestimmung ist in zwei Ziffern gegliedert, um die Schubhaftfälle außerhalb des Anwendungsbereiches der Dublin-Verordnung (Z 1) von den Dublin-Fällen (Z 2) zu unterscheiden. Für letztere gelten die Voraussetzungen der Dublin-Verordnung unmittelbar, weshalb sich in diesen Fällen die Vorraussetzung der Verhältnismäßigkeit und der erheblichen Fluchtgefahr direkt aus dem Unionsrecht ergibt (siehe Art. 28 Abs. 2 Dublin-Verordnung). Weiters siehe Erläuterungen zu Abs. 3 Z 6.

Zu Abs. 3:

In diesem Absatz werden die Tatbestände, welche bei der Feststellung der Fluchtgefahr insbesondere zu berücksichtigen sind, näher determiniert. Es handelt sich bei der Schubhaftverhängung bzw. der Beurteilung, ob Fluchtgefahr vorliegt, nach wie vor um eine Abwägungsentscheidung, in die die in den Ziffern des Abs. 3 genannten Kriterien einfließen. Trotz der umfassenden Neuformulierung des § 76 FPG ist damit keine grundlegende rechtliche Änderung intendiert. Die genannten Kriterien zum Vorliegen von Fluchtgefahr spiegeln die herrschende Rechtsprechung insbesondere des Verwaltungsgerichtshofes zur Schubhaft wider. Es handelt sich daher lediglich um die Festschreibung der gängigen Judikatur. Insbesondere wurde durch die Formulierug des Absatz 3 der neuesten VwGH-Rechtsprechung vom 19. Februar 2015 (GZ Ro 2014/21/0075) Rechnung getragen. Grundsätzlich ist eine Inhaftnahme zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren gemäß Art. 28 Abs. 2 Dublin-Verordnung zulässig, sofern eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, die Haft verhältnismäßig ist und sich gelindere Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Fluchtgefahr wird in Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung mit dem Vorliegen von Gründen im Einzelfall definiert, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und annehmen lassen, dass sich der Betreffende dem laufenden Überstellungsverfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte. Der VwGH hielt dazu fest, dass die Bestimmungen des bisherigen § 76 Abs. 2 keine - gesetzlich festgelegten - objektiven Kriterien für die Annahme von erheblicher Fluchtgefahr iSd Dublin-Verordnung enthielten. Die Dublin-Verordnung verlange gesetzlich festgelegte Kriterien zur Konkretisierung der in der Verordnung für die Schubhaftverhängung normierten Voraussetzung des Vorliegens von Fluchtgefahr. Diese Kriterien fanden nunmehr durch die deklarative Aufzählung der Tatbestände Eingang in Absatz 3 und lassen allesamt annehmen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Bei Dublin-Fällen ist insbesondere auch Z 6 zu beachten. Die Definition der Fluchtgefahr gilt für sämtliche Schubhaftfälle, also auch für jene im Rahmen der Dublin - Verordnung (Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung).

Z 1:

Der Begriff Rückkehr stammt aus der Rückführungsrichtlinie (Art. 3 Z 3) und umfasst sowohl die freiwillige als auch die erzwungene Rückführung. Diese Ziffer ist sowohl durch Art. 15 der Rückführungsrichtlinie als auch Art. 8 Neufassung der Aufnahmerichtlinie gedeckt. Zudem gibt es hierzu bereits gefestigte höchstgerichtliche Judikatur. So hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass die bereits manifestierte wiederholte Weigerung bei der Abschiebung mitzuwirken sowie deren erfolgreiche Vereitelung ausreichend Sicherungsbedarf begründet (VwGH vom 11. Juni 2013, 2012/21/0114 und vom 30. August 2011, 2008/21/0588). In einem frühen Stadium des Asylverfahrens bedarf es besonderer Umstände, die ein Untertauchen des betreffenden Fremden schon zu diesem Zeitpunkt konkret befürchten lassen. In einem späteren Stadium des Asylverfahrens, insbesondere nach Vorliegen einer durchsetzbaren Ausweisung, können unter Umständen auch weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung für die Annahme eines Sicherungsbedarfs genügen (VwGH vom 23. September 2010, 2007/21/0432).

Z 2:

Diese Bestimmung findet sich im Wesentlichen bereits im bisherigen § 76 Abs. 2 Z 3 und ist auch je nach betroffenem Personenkreis sowohl in Art. 8 lit. d Neufassung der Aufnahmerichtlinie sowie in Art. 15 Rückführungsrichtlinie vorgesehen.

Z 3:

Die Notwendigkeit der Schubhaft kann sich daraus ergeben, dass sich der Fremde vor der Einreise in das Bundesgebiet in einem anderen Staat dem behördlichen Zugriff entzogen und hierüber nach seiner Einreise zusätzlich falsche Angaben gemacht hat (VwGH vom 28. Juni 2007, 2006/21/0051). Zur Prüfung des Sicherungserfordernisses ist auf alle Umstände des konkreten Falles Bedacht zu nehmen, um die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens, als schlüssig anzusehen. Dabei kommt insbesondere dem bisherigen Verhalten des Fremden Bedeutung zu. Die konkrete Situation des Asylwerbers muss geprüft werden, auch wenn er als Fremder vorher in einem sicheren Drittland einen Asylantrag gestellt hat (vgl. VwGH vom 30. August 2007, 2006/21/0027).

Z 4:

Wenn der Asylwerber einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) gestellt hat und der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, kann Schubhaft verhängt werden. Erforderlich ist jedoch eine bereits tatsächlich erfolgte (und nicht nur für die Zukunft in Aussicht gestellte) Aufhebung des faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 (VwGH vom 17. November 2011, 2010/21/0514).

Z 5:

Liegt eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor, so kann ab diesem Zeitpunkt die Schubhaft daher jedenfalls (auch) der Sicherung der Abschiebung dienen. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kommt aber nur dann in Betracht, wenn mit der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist (VwGH vom 28. August 2012, 2010/21/0517). In späteren Stadien des Asylverfahrens - insbesondere nach Vorliegen einer durchsetzbaren Ausweisung - können schon weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung die Annahme eines Sicherungsbedarfs rechtfertigen (VwGH 20. Oktober 2011, 2008/21/0191). Z 6: Auch bei Fällen mit Dublin-Bezug ist darauf zu achten, dass die Schubhaftverhängung keine Standardmaßnahme gegen Asylwerber sein darf (VwGH vom 28. Februar 2008, 2007/21/0391). Siehe auch Erläuterungen zu Z 3.

Z 6:

berücksichtigt insbesondere die bisherige Judikatur des VwGH, wonach für die Schubhaftverhängung "besondere Gesichtspunkte vorliegen [müssen], die erkennen ließen, es handle sich um eine von den typischen "Dublin-Fällen" abweichende Konstellation, in der mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auf Grund konkreter Anhaltspunkte auf eine drohende Verfahrensvereitelung durch den Fremden geschlossen werden könne" (Zl Zl 2014/21/0075 sowie Zl 2013/21/0170 mwN).

Z 7:

Unter diese Ziffer fallen unter anderem Fälle, in denen sich der Fremde aktuell dem gelinderen Mittel entzogen hat (§ 77 Abs. 1 FPG), da dann angenommen werden kann, dass der Zweck der Schubhaft nicht durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Ebenso fallen darunter jene Fälle, in denen sich der Fremde schon in der Vergangenheit dem gelinderen Mittel entzogen hat, in der Zwischenzeit nicht greifbar war und nun wieder aufgetaucht ist. Grundsätzlich gilt der Vorrang des gelinderen Mittels (VfGH vom 3. Oktober 2012, G140/11 ua - G86/12 ua). Fehlt ein Sicherungsbedürfnis, darf jedoch weder gelinderes Mittel noch Schubhaft angeordnet werden (VwGH vom 17.10.2013, 2013/21/0041).

Z 8:

Die Verletzung von Auflagen, Mitwirkungspflichten, der Gebietsbeschränkung oder Meldeverpflichtung kann ein Indiz für das Vorliegen von Fluchtgefahr sein, wobei auch hier gilt, den konkreten Einzelfall zu berücksichtigen. Der Tatbestand der Verletzung der Gebietsbeschränkung fand sich bisher in § 76 Abs. 2a Z 2 (VwGH vom 26. August 2010, 2010/21/0234).

§ 76 Abs. 3 Z 8 stellt klar, dass die Verletzung von Meldepflichten ein Anhaltspunkt für das Vorliegen einer Fluchtgefahr sein kann. Dies gilt nicht nur für die Verletzung der bisher ausdrücklich genannten Meldepflichten, sondern auch für die Missachtung des § 38b SPG. Es ist daher sachgerecht, diese Bestimmung in die Aufzählung aufzunehmen.

Z 9:

Dem Gesichtspunkt einer "sozialen Verankerung in Österreich" kommt im Zusammenhang mit der Verhängung der Schubhaft wesentliche Bedeutung zu. Dabei kommt es u.a. entscheidend auf das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit oder auf die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes an (VwGH vom 30. August 2011, 2008/21/0107). Je länger somit der Fremde bereits in Österreich ist und je stärker er hier sozial verwurzelt ist, desto stärker müssen auch die Hinweise und Indizien für eine vorliegende Fluchtgefahr sein. Dabei ist zu beachten, dass Mittellosigkeit und fehlende soziale Integration in Bezug auf (noch nicht lange aufhältige) Asylwerber, die Anspruch auf Grundversorgung haben, allein noch keine tragfähigen Argumente für das Bestehen eines Sicherungsbedarfs sind (VwGH vom 28. Mai 2008, 2007/21/0233).

Die Anhaltung in Schubhaft ist

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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