TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/23 I422 2213776-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.04.2020
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Entscheidungsdatum

23.04.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1 Z2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I422 2213777-1/15E

I422 2213776-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX (alias XXXX), geb. am XXXX, und des XXXX (alias XXXX), geb. am XXXX, jeweils StA. Irak, jeweils vertreten durch die ARGE RB - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.12.2018, Zl. XXXX und Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.01.2020 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer und sein Sohn, der Zweitbeschwerdeführer, reisten unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellten am 17.08.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete der Erstbeschwerdeführer im Wesentlichen damit, dass seine Ehefrau von ihrem eigenen Bruder getötet worden sei, da dieser nicht mit deren Ehe mit dem Erstbeschwerdeführer einverstanden gewesen sei. Die Familie der Ehefrau habe auch den Erstbeschwerdeführer bedroht und habe er daher den Entschluss gefasst mit seinem Sohn das Land zu verlassen. Für den Zweitbeschwerdeführer wurden keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht.

2. Mit den jeweiligen Bescheiden vom 18.12.2018, wies die belangte Behörde die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Irak (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie den Beschwerdeführern keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass ihre Abschiebung in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.). Des Weiteren setzte die belangte Behörde eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI.).

3. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer rechtzeitig und zulässig das Rechtsmittel einer Beschwerde.

4. In der Folge legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor und fand am 15.01.2020 in Anwesenheit der Beschwerdeführer und ihrer Rechtsvertretung vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den Personen der Beschwerdeführer:

Der volljährige Erstbeschwerdeführer und der minderjährige Zweitbeschwerdeführer sind Staatsangehörige des Irak, gehören der Volksgruppe der Kurden an und bekennen sich zum muslimischen Glauben. Die Muttersprache der Beschwerdeführer ist Kurdisch-Sorani.

Die Identitäten der Beschwerdeführer stehen nicht fest.

Der Erstbeschwerdeführer leidet an keinen derartigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, welcher einer Rückkehr in den Irak entgegenstehen würden und ist arbeitsfähig. Der Zweitbeschwerdeführer ist gesund.

Der Erstbeschwerdeführer ist verwitwet und hat ein Kind, den Zweitbeschwerdeführer.

Der Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführer reisten aus Italien kommend und unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und beabsichtigen am 16.08.2017; nach Deutschland weiterzureisen. Im Zug EN 294 wurden sie von deutschen Polizeibeamten kontrolliert und ihnen die Einreise nach Deutschland erstmalig um 11:40 Uhr verweigert. Im Zuge einer niederschriftlichen Einvernahme der Beschwerdeführer im PAZ Salzburg vom 16.08.2017 führte der Erstbeschwerdeführer aus, dass er seine Reise nach Deutschland fortsetzen wolle und er in Österreich keinen Asylantrag stelle. Um 22:45 Uhr desselben Tages verweigerten ihnen deutsche Polizeibeamten ein zweites Mal die Einreise nach Deutschland und wurden sie den österreichischen Sicherheitsbeamten übergeben. Am 17.08.2017 stellten sie im Bundesgebiet den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Erstbeschwerdeführer besuchte sechs Jahre die Grundschule und begann die erste Klasse der Mittelschule, welche er in der Folge abbrach. Anschließend absolvierte er eine Ausbildung zum Friseur und war bis zu seiner Ausreise als Friseur tätig. Er erwirtschaftete ein gutes Einkommen mit dem er seinen Lebensunterhalt und den des Zweitbeschwerdeführers sicherte und verfügte in seinem Herkunftsstaat über ein eigenes Haus.

Im Herkunftsstaat leben nach wie vor der Vater des Erstbeschwerdeführers, ein Bruder sowie zwei Schwestern. Ein weiterer Bruder des Erstbeschwerdeführers hält sich in Griechenland auf. Der Erstbeschwerdeführer steht nach wie vor in aufrechten Kontakt zu seinen Familienangehörigen im Irak.

Abgesehen voneinander haben die Beschwerdeführer keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich und kümmert sich der Erstbeschwerdeführer um den Zweitbeschwerdeführer.

Der Erstbeschwerdeführer besucht derzeit einen Deutschkurs auf A1-Niveau und hat bisher noch keine Sprachprüfung absolviert. Er besucht wöchentlich das Rote Kreuz und betätigt sich dort ehrenamtlich. Darüber hinaus besucht der Erstbeschwerdeführer den Begegnungs- und Gestaltungsraum "Comedor del Arte" und betätigt sich bei öffentlichen Auftritten musikalisch, indem er auf einer Langhalsgitarre spielt.

Der Zweitbeschwerdeführer geht seit Oktober 2019 fünf Mal pro Woche von 08:00 bis 10:00 Uhr den Kindergarten in H[...]. Dort spielt er mit den anderen Kindergartenkindern. Um rund 10:00 Uhr wird der Zweitbeschwerdeführer von seinem Vater abgeholt und gehen sie anschließend meist zu einem nahegelegenen Park in der Nähe des Kindergartens, wo sie bis rund 12:00 Uhr spielen. Im Anschluss daran gehen sie nach Hause und bereitet der Erstbeschwerdeführer das gemeinsame Mittagessen zu. Gegen 15:45 Uhr nimmt der Erstbeschwerdeführer den Zweitbeschwerdeführer mit zu seinem Deutschkurs, wo der Zweitbeschwerdeführer mit anderen Kindern spielt.

Der Erstbeschwerdeführer geht in Österreich keiner Beschäftigung nach und bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.

Der Erstbeschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtmotiven der Beschwerdeführer:

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Irak aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt werden.

Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass den Beschwerdeführern im Irak die Ermordung durch die Familie der verstorbenen Ehefrau des Erstbeschwerdeführers droht.

Für den Zweitbeschwerdeführer wurden keine eigenen Fluchtmotive geltend gemacht.

Der Erstbeschwerdeführer hat aus wirtschaftlichen Überlegungen mit dem Zweitbeschwerdeführer seinen Herkunftsstaat verlassen.

Die Beschwerdeführer werden im Fall ihrer Rückkehr in den Irak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Im gegenständlichen Fall lauten die wesentlichen Feststellungen wie folgt:

1.3.1. Zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat:

Seit dem Sieg über den IS kehrt der Irak nach Jahren bewaffneter Auseinandersetzungen und Übergriffen und einer damit verbunden tiefen ethnische und konfessionelle Spaltung des Landes langsam zur Normalität zurück und widmet sich verstärkt dem Wiederaufbau, der auch international unterstützt wird.

Die Bekämpfung der Korruption, das Wiedererlangen von Vertrauen innerhalb der gespaltenen Gesellschaft, die Beseitigung der Zerstörungen an der Infrastruktur und die Eingliederung der Milizen in die staatlichen Strukturen gehen langsam vor sich, vielen Menschen geht dieser Prozess zu langsam und das findet in Übergriffen unterschiedlichster Ausprägungen ihren Niederschlag (IS zeigen in Form von gezielten Anschlägen ihre Präsenz, Milizen durch vereinzelte Übergriffe; Bevölkerungsgruppen demonstrieren und bringen so ihren Unmut und ihre Unzufriedenheit über die aktuelle Lage zum Ausdruck, etc.).

Die sicherheitsrelevanten Vorfälle haben sich aber zuletzt auf einem Niveau eingependelt, dass für Personen, die keine besondere Vulnerabilität aufgrund ihrer persönlichen Verhältnisse aufweisen, eine Rückkehr zumutbar und vertretbar ist.

1.3.2. Zur Sicherheitslage in der Autonomen Region Kurdistan (KRI) und im besonderen Erbil:

Die KRI ist eine autonome Region innerhalb des Iraks, bestehend aus drei Gouvernements: Erbil, Sulaymaniyah und Dahuk. Hauptstadt der KRI ist die Stadt Erbil, als solche die größte Stadt der KRI und die fünftgrößte Stadt des Iraks.

Für Sicherheit sorgen in der KRI primär die Peshmerga und der Geheimdienst "Asayish". Zusätzlich übernehmen Milizen, die der KDP oder der PUK nahestehen, Sicherheitsfunktionen, wobei die KDP in den Gouvernements Dahuk und Erbil großen Einfluss ausübt und die PUK das Gouvernement Sulaymaniyah kontrolliert. Weitere Mitspieler im Machtgefüge der KRI sind die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die ihre territoriale Anwesenheit und ihren Einfluss in der gebirgigen Grenzregion zur Türkei und zum Iran - insbesondere in den Qandil-Bergen zeigt, aber auch Verbände des türkischen und des iranischen Militärs, die in den ländlichen Gebieten der KRI und dabei vor allem gegen die PKK, die KDP und bewaffnete kurdische Oppositionsgruppen operieren.

Im Allgemeinen erscheint die Sicherheitslage in der KRI und insbesondere in Erbil und der unmittelbaren Umgebung vergleichsweise besser als in anderen Teilen des Iraks. Nichtdestotrotz kommt es in Erbil und der umliegenden Region immer wieder zu militärischen Konfrontationen, in die auch die kurdischen Streitkräfte verwickelt sind. Insbesondere Einrichtungen der kurdischen Regionalregierung, der politischen Parteien sowie des Militärs und der Polizei können dabei immer wieder Ziele terroristischer Attacken sein. Für das Jahr 2018 wurden in der Provinz Erbil rund 200 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet, wobei der Großteil dieser (117 von 200) Auseinandersetzungen zwischen der türkischen Armee und Kämpfern der PKK betrafen und in lediglich zehn Vorfällen Zivilisten involviert waren. Hinsichtlich des Islamischen Staates ist anzumerken, dass - auch wenn dieser im Irak als besiegt gilt - das Institute for the Study of War (ISW) einen Teil des Distriktes Makhmur in der Provinz Erbil als "IS-Unterstützungszone" einstuft und der IS dort nach wie vor in hohem Maß psychischen und physischen Druck auf die Bevölkerung ausübt und Mitglieder rekrutiert.

1.3.3. Ehrenbasierte Verbrechen:

Verbrechen im Namen der Ehre wurzeln in der kulturellen Überzeugung, dass der Körper der Frau mit Ehre verbunden ist und ihre Sexualität und Schritte streng überwacht werden müssen, um zu vermeiden, dass sie Schande über die ganze Familie bringt. Bei den Ehrenverbrechen handelt es sich daher um Gewaltakte von Familienmitgliedern, die gegen eine Angehörige verübt werden, die vermeintlich Schande über die Familie oder den Stamm gebracht hat. Die Minority Rights Group International (MRG) berichtete im Jahr 2015, dass Frauen die Hauptopfer solcher Verbrechen sind, die überwiegend von männlichen Familienmitgliedern begangen werden, obwohl gelegentlich auch Männer Opfer solcher Gewaltakte sind.

Ehrenverbrechen finden in allen Gebieten des Irak statt und über ethnische und religiöse Grenzen hinweg. Da viele Ehrenverbrechen nicht gemeldet oder von der Familie als Unfälle oder Selbstmorde getarnt werden, ist es schwierig, die tatsächliche Häufigkeit abzuschätzen. Die MRG fügt hinzu, dass die "Verbrechen in der Regel nicht gemeldet und nicht strafrechtlich verfolgt werden, weil sie von der Polizei und den Justizbehörden als etwas betrachtet werden, das in die Verantwortung und in den Ermessensspielraum der männlichen Familienmitglieder fällt." Sollte es zu einer Anklage kommen, sieht das irakische Strafgesetz mildernde Strafen für Täter von Verbrechen gegen Frauen vor, bei denen die "Ehre" das Motiv war.

In dem DIS/Landinfo-Bericht vom November 2018 wird festgestellt, dass Ehrenverbrechen in der KRI kaum gemeldet werden und es an wissenschaftlichen Studien zum Ausmaß dieser Praxis mangelt. Mehrere Quellen erklärten, dass "Ehrenverbrechen, einschließlich Ehrenmorde, in kleineren Städten und in ländlichen Gebieten der KRI häufiger vorkommen als in den städtischen Gebieten." Es wurde jedoch angemerkt, dass die Bevölkerung der größeren Städte Dahuk und Erbil eine konservative Einstellung zu den Geschlechterrollen haben, und dass Ehrenmorde und andere Ehrenverbrechen auch dort begangen werden. In der Stadt Suleymaniya sollen Ehrenverbrechen seltener vorkommen.

Der DIS/Landinfo-Bericht hält ferner fest, dass außereheliche Beziehungen (einschließlich vorehelicher Beziehungen und Ehebrüche) in der KRI als inakzeptabel gelten, und die Menschen sich bewusst sind, dass Umsicht erforderlich ist. Im Allgemeinen wissen unverheiratete Paare, einschließlich junger Menschen, dass sie durch eine voreheliche Beziehung ein sehr hohes Risiko eingehen. "Frauen, die eine voreheliche Beziehung hatten, von der ihre Familien wissen, oder die ohne Zustimmung ihrer Familien heiraten, laufen Gefahr, getötet zu werden", heißt es in dem Bericht, der noch ergänzt, dass das Risiko größer ist, wenn ein breiterer Personenkreis außerhalb der Familie von der Beziehung erfährt. Im Falle eines Ehebruchs wird "die Frau im besten Fall geschieden, im schlimmsten Fall getötet."

Zu Männern, die eine außereheliche Beziehung eingehen, merkt der DIS/Landinfo-Bericht an, dass solche Fälle nicht als Beeinträchtigung der Familienehre angesehen werden, und ein Mann kann in einem solchen Fall dem Konflikt oft leicht entkommen. Der Bericht fügte jedoch hinzu, dass "Männer immer noch unter dem Druck stehen, zu heiraten, und dass es Fälle von Tötungen gibt. Wenn ein Mann in einem Ehrenkonflikt getötet wird, hat dies eher mit Rache oder den Folgen einer Blutfehde zu tun als mit der Ehre der Familie. Normalerweise stimmen in diesen Fällen beide Familien der Tötung zu. Die Quellen konnten keine Fälle nennen, in denen bei einem solchen Paar nur der Mann getötet wurde und nicht die Frau."

Der DIS/Landinfo 2018-Bericht weist darauf hin, dass Ehrenmorde im irakischen Strafgesetz Nr. 111 des Jahres 1969 geregelt sind. Die Artikel im Strafgesetz, die mildernde Strafen in Bezug auf Ehrenverbrechen vorsehen, wurden in der KRI im Jahr 2000 aufgehoben. Die Umsetzung der Gesetze zur Regelung von Ehrenverbrechen in der KRI wird jedoch durch die patriarchalische Mentalität der Gesellschaft sowie die diskriminierende Haltung der Justiz gegenüber Frauen behindert. Darüber hinaus werden Frauen von den unteren Rängen der Polizeibeamten nicht ernst genommen, wenn sie familiäre Konflikte und Gewalt melden, und die polizeilichen Ermittlungen zu den Ehrenverbrechen werden im Allgemeinen nicht wichtig genommen. Die strafrechtliche Verfolgung der Täter wird von den wichtigsten Regierungsparteien der KRI weiter untergraben, die nicht nur ihre eigenen Mitglieder, sondern auch einflussreiche und mit der Partei verbundene Personen schützen. Menschen, die über Geld und Verbindungen zur Partei verfügen, können den Richter möglicherweise auch durch politischen Druck, durch Bestechungsgelder oder die Angabe eines falschen Alibis beeinflussen.

Obwohl der Grundsatz der Ehre als mildernder Faktor aus dem Rechtssystem in Kurdistan gestrichen wurde, "sorgt die anhaltende Macht der Stammesjustiz dafür, dass Ehrenmorde oftmals weiterhin ungestraft bleiben", stellte die MRG fest. Insbesondere in ländlichen Gebieten "kommt es weiterhin in großer Zahl zu Ehrenmorden, die aus dem Gesetzesrahmen fallen." Ein Vertreter der kurdisch-deutschen NRO WADI, die im irakischen Kurdistan mit Organisationen zusammenarbeitet, die sich für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und die Verbesserung ihres sozialen und wirtschaftlichen Status einsetzen, erklärt, dass das Gesetz gegen Ehrenmorde in Kurdistan nicht umgesetzt wurde und die Polizei "keine Untersuchungen durchführen wird, weil Ehrenverbrechen als Familienangelegenheit betrachtet werden." In einer Korrespondenz mit der kanadischen Einwanderungs- und Flüchtlingsbehörde im Januar 2016 teilte der Vertreter von WADI mit:

"Keiner, der Gewalt im Namen der Ehre eingesetzt hat? hat jemals eine Haftstrafe verbüßt, die mehr als zwei Jahre dauerte - vorausgesetzt, dass er überhaupt zu einer Haftstrafe verurteilt wurde.' Dieselbe Quelle gab an, dass der Richter für eine vorzeitige Entlassung aus dem Gefängnis ?Verhandlungen erwartet', die dann ?sehr einfach ablaufen, denn beide Seiten sind eine Familie. Sie kommen irgendwie überein, und der Täter wird freigelassen'."

Dieselbe Quelle führte weiter aus, dass sich die "Prävalenz und die sozialen Einstellungen zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten kaum unterscheiden, da praktisch alle Stadtbewohner noch vor nicht langer Zeit auf dem Land lebten."

1.3.4. Kinder:

Die Hälfte der irakischen Bevölkerung ist unter 18 Jahre alt. Kinder waren und sind Opfer der kriegerischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre. Sie sind nach Angaben der Vereinten Nationen in überproportionaler Weise von der schwierigen humanitären Lage betroffen. Sehr viele Kinder und Jugendliche sind durch Gewaltakte gegen sie selbst oder gegen Familienmitglieder stark betroffen. Laut UNICEF machten Kinder im August 2017 fast die Hälfte der damals drei Millionen durch den Konflikt vertriebenen Iraker aus.

Art. 29 und 30 der irakischen Verfassung enthalten Kinderschutzrechte. Irak ist dem Zusatzprotokoll zur VN-Kinderrechtskonvention zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten beigetreten. Das Gesetz verbietet die kommerzielle Ausbeutung von Kindern, sowie Pornografie jeglicher Art, einschließlich Kinderpornografie.

Die Grundschulbildung ist für Kinder, die die irakische Staatsbürgerschaft besitzen, in den ersten sechs Schuljahren verpflichtend und wird für diese kostenfrei angeboten. In der kurdischen Autonomieregion besteht die Schulpflicht bis zum Alter von 15 Jahren; auch dort kostenfrei. Der gleichberechtigte Zugang von Mädchen zu Bildung bleibt eine Herausforderung, insbesondere in ländlichen und unsicheren Gebieten. Der Zugang zu Bildung von Kindern, die aufgrund des Konfliktes intern vertrieben wurden, ist stark einschränkt. Die Sicherheitslage und die große Zahl zerstörter Schulen verhindern mancherorts den Schulbesuch, sodass die Alphabetisierungsrate in den letzten 15 Jahren drastisch gefallen ist (aktuell bei 79,7 Prozent), besonders in ländlichen Gebieten. Im Unterschied dazu sind in der Autonomen Region Kurdistan fast alle Menschen des Lesens und Schreibens mächtig. In den vom IS beherrschten Gebieten fand kein regulärer Schulunterricht statt.

Über ein Viertel aller Kinder im Irak lebt in Armut. Dabei waren, über die letzten Jahrzehnte, Kinder im Süden des Landes und in ländlichen Gebieten am stärksten betroffen. Armut wirkt sich nicht nur negativ auf die Bildung, sondern auch auf die Gesundheit von Kindern aus. 22,6 Prozent der Kinder im Irak sind unterernährt. Ein Viertel aller Kinder unter fünf Jahren sind physisch unterentwickelt bzw. im Wachstum zurückgeblieben.

Gewalt gegen Kinder bleibt ein großes Problem. Im Jahr 2011 waren 46 Prozent der Mädchen im Alter von 10 bis 14 Jahren familiärer Gewalt ausgesetzt. Die Zahl der Fälle von Kindesmissbrauch nimmt zu. Soziale Medien helfen verstärkt bei der Aufdeckung von Missbrauch und Folter. Berichten zufolge verkaufen Menschenhandelsnetze irakische Kinder zur kommerziellen sexuellen Ausbeutung. Letztere erfolgt im In- und Ausland. Verbrecherbanden sollen Kinder zwingen, im Irak zu betteln und Drogen zu verkaufen.

Auch Kinderprostitution ist ein Problem. Da die Strafmündigkeit im Irak in den Gebieten unter der Verwaltung der Zentralregierung neun Jahre beträgt und in der Autonomen Region Kurdistan elf, behandeln die Behörden sexuell ausgebeutete Kinder oft wie Kriminelle und nicht wie Opfer. Strafen für die kommerzielle Ausbeutung von Kindern reichen von Bußgeldern und Freiheitsstrafen bis hin zur Todesstrafe. Es lagen jedoch keine Informationen darüber vor, mit welcher Wirksamkeit der Staat diese Strafen durchsetzt.

Die Verfassung und das Gesetz verbieten Kinderarbeit. In den Gebieten, die unter die Zuständigkeit der Zentralregierung fallen, beträgt das Mindestbeschäftigungsalter 15 Jahre. Das Gesetz begrenzt die Arbeitszeit für Personen unter 18 Jahren auf sieben Stunden pro Tag und verbietet Beschäftigungen, die der Gesundheit, Sicherheit oder Moral von Personen unter 18 Jahren schaden. Trotzdem gibt es im ganzen Land Fälle von Kinderarbeit, auch in ihren schlimmsten Formen. Es gibt dokumentierte Fälle von durch den Konflikt intern vertriebenen Kindern, die gezwungen wurden Kinderarbeit zu leisten. Versuche der Regierung Kinderarbeit z.B. durch Inspektionen zu überwachen, blieben erfolglos.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Erstbeschwerdeführers im Rahmen seiner Einvernahme, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz, den vom Erstbeschwerdeführer vorgelegten Unterlagen und die Angaben des Erstbeschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Ergänzend wurden Auszüge aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR), dem Betreuungsinformationssystem über die Grundversorgung (GVS) sowie dem Strafregister eingeholt.

2.2. Zu den Personen der Beschwerdeführer:

Die Feststellungen zu ihrer Voll- und Minderjährigkeit, ihrer Staatsangehörigkeit, ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie ihrer Muttersprache gründen sich auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Erstbeschwerdeführers vor der belangten Behörde sowie der diesbezüglich gleichbleibenden Angaben im Rahmen der der mündlichen Verhandlung.

Mangels Vorlage identitätsbezeugender Dokumente stehen die Identitäten der Beschwerdeführer nicht fest.

Dass der Erstbeschwerdeführer an keinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen leidet, welche einer Rückkehr entgegenstehen, ergibt sich aus einer Zusammenschau seiner Angaben im Administrativverfahren sowie seiner diesbezüglichen Ausführungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung. Hinsichtlich seines Gesundheitszustandes brachte der Erstbeschwerdeführer bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde vom 10.12.2018 vor, dass sowohl er, als auch sein Sohn gesund seien. Erstmals im Rahmen der mündlichen Verhandlung äußerte der Erstbeschwerdeführer, dass er aufgrund seiner Ängste das Symptom der Vergesslichkeit bekommen habe. Er habe sich diesbezüglich behandeln lassen und könne sich nun wieder an viele Dinge erinnern. Insbesondere aufgrund des Umstandes, dass sich seine Vergesslichkeit nach eigenen Angaben gebessert habe sowie aufgrund des Umstandes, dass der Erstbeschwerdeführer - trotz vorausgegangener Aufforderung durch das erkennende Gericht - keine aktuellen medizinischen Unterlagen vorlegte, ist davon auszugehen, dass der Erstbeschwerdeführer an keinen erheblichen Beeinträchtigungen leidet, welche einer Rückkehr in den Irak entgegenstehen würden.

Dass der Zweitbeschwerdeführer gesund ist, ergibt sich zunächst aus den Angaben des Erstbeschwerdeführers vor der belangten Behörde vom 10.12.2018. Aus einem dabei vorgelegten ambulanten Arztbrief, lässt sich entnehmen, dass der Zweitbeschwerdeführer am 11.02.2018 mit einem fieberhaften oberen Luftwegsinfekt und mit einer Mittelohrentzündung (inc. Otitis media links) in die Amublanz eines niederösterreichischen Universitätsklinikums eingeliefert wurde. Als Therapiemaßnahme wurde dem Zweitbeschwerdeführer die Verabreichung von Nureflex-Zäpfchen für drei Tage und die Einnahme des Nasensprays Nasivin beidseitig für den Zeitraum von fünf Tagen verschrieben. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung war beim Zweitbeschwerdeführer keinerlei gesundheitliche Beeinträchtigung zu erkennen und bestätigte auch der Erstbeschwerdeführer, dass der Zweitbeschwerdeführer an keinen chronischen Krankheiten leidet.

Die Antragsstellung der Beschwerdeführer und deren seither bestehender Aufenthalt im Bundesgebiet leiten sich aus dem Verwaltungsakt und insbesondere dem sich darin befindlichen niederschriftlichen Protokoll der Landespolizeidirektion Salzburg vom 16.08.2017, einem Aktenvermerk vom 05.09.2017 und einer E-Mail-Korrespondenz vom 16.08.2017, sowie einem aktuellen Auszug des ZMR ab.

Die Feststellungen hinsichtlich der Schulbildung sowie der Arbeitserfahrung des Erstbeschwerdeführers sowie zu seinem Verdienst des bisherigen Lebensunterhaltes und dass er in seinem Herkunftsstaat ein eigenes Haus hat, ergeben sich aus dessen glaubhaften Angaben vor der belangten Behörde sowie vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Feststellungen betreffend seiner im Irak lebenden Familie bzw. eines in Griechenland aufhältigen Bruders ergeben sich aus den glaubhaften Angaben des Erstbeschwerdeführers vor dem Bundesverwaltungsgericht. Allerdings erweist sich sein Vorbringen in der mündlichen Verhandlung in Bezug auf den Kontakt zu seinen Familienangehörigen als nicht glaubhaft. Vor dem Bundesverwaltungsgericht bringt er vor, dass abgesehen von seinem Bruder, niemand wisse, dass er sich in Österreich aufhalte. Aus Angst um deren Leben habe er keinen Kontakt zu seinen Familienangehörigen. Zuletzt habe ihn sein Bruder vor sechs Monaten angerufen. Damit widerspricht er allerdings seinen eigenen Angaben vor belangte Behörde. Auf die annähernd gleichlautende Frage des einvernehmenden Beamten, bestätigte der Erstbeschwerdeführer, dass er in telefonischem Kontakt mit seinen Familienangehörigen stehe. Würde tatsächlich niemand außer dem Bruder vom Aufenthalt der Beschwerdeführer in Österreich Bescheid wissen, hätte er dies wohl bereits bei der niederschriftlichen Einvernahme erwähnt und zudem auch angegeben, dass er lediglich mit seinem Bruder und nicht mit seinen Familienangehörigen in Kontakt stehe.

Die Feststellungen zur Integration der Beschwerdeführer ergeben sich aus glaubhaften Angaben des Erstbeschwerdeführers vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie aus den von dem Erstbeschwerdeführer vorgelegten Unterlagen, die eine Unterstützungserklärung der Einrichtung Comedor del Arte vom 11.06.2018 umfassen. Allfällige sonstige integrationsbezeugende Unterlagen wurden nicht in Vorlage gebracht.

Die Feststellung, dass der Erstbeschwerdeführer Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung bezieht, ergibt sich aus einem Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Erstbeschwerdeführers ergibt sich der Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

2.3. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:

Vor der belangten Behörde gab der Erstbeschwerdeführer hinsichtlich seines Fluchtgrundes im Wesentlichen an, dass ihn eine Mitschülerin ununterbrochen zur Heirat aufgefordert habe. Der Beschwerdeführer sei allerdings nicht an einer Beziehung interessiert gewesen. Das Mädchen habe jedoch darauf beharrt und ihn immer wieder bedrängt, dass er sie heiraten solle. In weiterer Folge habe der Erstbeschwerdeführer dazu eingewilligt und seien seine Eltern mehrfach bei den Eltern des Mädchens vorstellig geworden und hätten um die Hand des Mädchens angehalten. Die Familie des Mädchens habe dies jedoch abgelehnt. Eines Tages habe der Erstbeschwerdeführer während der Arbeit einen Anruf von dem Mädchen bekommen und hätte sie gemeint, dass sie sich in Badezimmer eingeschlossen und mit Benzin übergossen habe. Wenn er nicht zu ihr komme und sie mitnehme, werde sie sich töten. Daraufhin habe der Erstbeschwerdeführer den Vater des Mädchens angerufen, der ihn aufgefordert hätte, dass er sich zu ihr begeben und sie aus dem Bad herausholen und danach warten solle, bis der Vater ihn wieder anrufe. Der Erstbeschwerdeführer habe die Anordnungen des Vaters des Mädchens befolgt. Nachdem er sie aus dem Bad geholt habe, hätte er erneut den Vater des Mädchens angerufen und gefragt, was er nun mir ihr machen solle. Auf Anordnung des Vaters habe er das Mädchen mitgenommen und sei mit ihr in das Dorf Haruta Kona gefahren. In dem Dorf habe er mit dem Mädchen ein Jahr verbracht. Danach habe er wieder ihren Vater angerufen und gefragt was er jetzt mit ihr machen solle. Der Vater habe nunmehr gemeint, dass der Erstbeschwerdeführer das Mädchen heiraten dürfe. Zugleich hätte er aber hinzugefügt, dass seine Söhne von der Eheschließung nichts erfahren dürften. Daraufhin habe der Erstbeschwerdeführer das Mädchen geheiratet und hätten sie zwei Jahre lang problemlos im Dorf Haruta Kona gelebt. Eines Tages habe der Erstbeschwerdeführer während der Arbeit einen Anruf von seinem Nachbarn erhalten. Dieser habe ihm gesagt, dass seine Ehefrau von ihrem Bruder getötet worden sei. Der Erstbeschwerdeführer habe sich daraufhin erkundigt, ob der gemeinsame Sohn auch getötet worden sei, was der Nachbar verneint habe. Der Nachbar habe daraufhin vermeint, dass der Erstbeschwerdeführer weggehen solle und er ihm seinen Sohn nachbringen werde. So habe sich der Erstbeschwerdeführer für eine Nacht in einem Waldstück versteckt. Gegen 01:00 Uhr in der Nacht habe man seinen Sohn zu ihm gebracht und hätte er sich daraufhin mit ihm in die Türkei begeben.

Für den Zweitbeschwerdeführer wurden keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht.

Im angefochtenen Bescheid kam die belangte Behörde zum Schluss, dass das Vorbringen nicht glaubhaft sei und, dass nicht festgestellt werden könne, dass die Beschwerdeführer in ihrem Herkunftsland Irak eine asylrelevante Verfolgung zu befürchten hätten.

Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde bzw. das Gericht muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert (vgl. VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

Die Angaben des Erstbeschwerdeführers vor der belangten Behörde entspricht nicht den genannten Anforderungen der vorzitierten Judikatur und vermochten auch seine Ausführungen in der Beschwerde und sein Vorbringen in der mündlichen Verhandlung dies nicht zu ändern. Insgesamt erweist sich sein Fluchtvorbringen - wie in weiterer Folge dargestellt - als nicht glaubhaft:

Zunächst ist der belangten Behörde beizupflichten, wenn diese auf die nicht nachvollziehbaren und in sich widersprüchlichen Angaben des Erstbeschwerdeführers hinsichtlich des Zeitpunktes der Ausreise hinweist. So gab dieser einerseits an, dass er definitiv am 29.04. ausgereist sei, er sich aber an das exakte Jahr seiner Ausreise nicht mehr genau erinnern könne und führt im gleichen Satz dazu aus, dass es im Jahr 2013 oder im Jahr 2014 gewesen sein müsste. Bedenkt man, dass der Erstbeschwerdeführer des Weiteren angibt, dass er gemeinsam mit seinem Sohn, welcher zum Zeitpunkt der Ausreise ein Alter von rund einem Jahr und fünf Monate gehabt habe, ausgereist sei, so ergibt sich angesichts des Umstandes, dass der Zweitbeschwerdeführer im Jahr 2015 geboren wurde, schon rein rechnerisch ein unauflösbarer Widerspruch und wurde er bereits von der belangten Behörde auf diesen Umstand hingewiesen. Dem Beschwerdeeinwand, wonach der Erstbeschwerdeführer das Erlebte zeitlich schwer einordnen könne, kann seitens des erkennenden Gerichtes nicht gefolgt werden. Berücksichtigt man nämlich, dass der Erstbeschwerdeführer vor der belangten Behörde beispielsweise die Daten zum Tag der Eheschließung, dem Tod seiner Frau oder aber auch das Geburtsdatum seines Sohnes jeweils vollständig mit Tag, Monat und Jahr angibt, erscheint es nicht plausibel, dass ihm das Jahr des fluchtauslösenden Ereignisses und der daraus folgenden Ausreise nicht mehr erinnerlich ist. Dies insbesondere deshalb, weil der Erstbeschwerdeführer bei seiner Erstbefragung vom 18.08.2017 explizit angab, dass die Ausreise am 29.04.2017 und somit lediglich vier Monate vor der Einreise bzw. Erstbefragung erfolgt sei und die Ausreise somit nur rund ein Jahr vor der niederschriftlichen Einvernahme stattfand.

Es sind aber auch die zeitlichen Angaben des Erstbeschwerdeführers, die eine gravierende Denkunlogik seines Fluchtvorbringens aufzeigen und die Glaubhaftigkeit seiner Fluchtmotive per se grundlegend erschüttern. So gab der Erstbeschwerdeführer auf die Frage des einvernehmenden Beamten vom 10.12.2018, wann seine Frau verstorben sei, an, dass sich dies "vor ca. drei Jahren" zugetragen habe. Auf die weitere Frage, ob er dies konkreter angeben könne, nannte der Erstbeschwerdeführer den 11.05.2015 als Todestag seiner Frau. Die Tatsache, dass die Daten vom Zeitlichen her (2018 - drei Jahre - 2015) grundsätzlich plausibel sind und der Erstbeschwerdeführer eine Abweichung in der Übersetzung des Datums nach erfolgter Rückübersetzung des Einvernahmeprotokolls auch nicht beanstandete, lässt somit keinen Zweifel aufkommen, dass seine Ehefrau tatsächlich am 11.05.2015 verstarb. Einen Totenschein seiner Ehefrau könne der Erstbeschwerdeführer laut eigenen Angaben nicht beibringen. Berücksichtigt man in diesem Zusammenhang allerdings auch sein Vorbringen, wonach er am 29.04.2017 ausreiste und die Ausreise ein Resultat des unmittelbar vorangegangenen Todes seiner Frau darstellt, bestätigt die zeitliche Abweichung von rund zwei Jahren die mangelnde Glaubhaftigkeit seines Fluchtvorbringens.

Die Glaubhaftigkeit seines Fluchtvorbringens wird darüber hinaus durch weitere, mehrfache Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten erschüttert.

Wenig stringent stellen sich nämlich auch die Angaben des Erstbeschwerdeführers über den örtlichen Verbleib seiner Person bzw. seiner Familie dar. So wird er bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde um eine chronologische Schilderung seiner Aufenthaltsorte von der Geburt bis zu seiner Ausreise gebeten. Dazu führte der Erstbeschwerdeführer aus, dass er in der Ortschaft Harir, in der Stadt Erbil und auch in einem Dorf namens Haruta Kona, welches sich im Kreis Harir befinde, gelebt habe. Danach befragt, konkretisierte er seine Aufenthalte dahingehend, dass er von seiner Kindheit bis zu seiner Heirat im Alter von rund 25 Jahren im Dorf Harir verbracht habe. Nach der Gründung seiner Familie sei er gemeinsam mit seiner Ehefrau nach Erbil übersiedelt, wo er für rund zweieinhalb Jahre gelebt habe. Vom einvernehmenden Beamten explizit danach befragt, bestätigte der Erstbeschwerdeführer, dass er die Zeit bis zu seiner Ausreise in Erbil verbracht und er sich sonst nirgends aufgehalten habe. Vollkommen abweichend schilderte er allerdings seine Aufenthaltsorte bei der späteren Darlegung seines Fluchtmotives. So brachte er vor der belangten Behörde vor, dass er seine (späteren) Ehefrau von ihr zu Hause befreit habe und mit ihr gemeinsam in das Dorf Haruta Kona gefahren wäre. Dort habe er mit ihr insgesamt drei Jahre zugebracht, ehe er nach ihrem Tod von dort aus in die Türkei ausgereist sei. Auf den Widerspruch in Bezug auf das Leben und Arbeiten in Haruta Kona bzw. Erbil aufmerksam gemacht, vermeinte der Erstbeschwerdeführer, dass sich sein Friseurgeschäftig anfangs in Erbil befunden habe. Nachdem "dieses Problem" passiert sei, habe er das Geschäft in das Dorf Haruta Kona verlegt. Auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung schilderte der Erstbeschwerdeführer, dass er seine (spätere) Ehefrau von ihr zu Hause befreit habe und sie die nächsten drei Jahre in Haruta Kona gelebt hätten. Ein gemeinsames Leben und Arbeiten in Erbil wurde seitens des Erstbeschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr behauptet. Auch diese abweichenden Angaben in zeitlicher und örtlicher Hinsicht bestätigen den Verdacht eines konstruierten Fluchtvorbringens.

Aber auch die erratischen Darstellungen ihres Arbeitens und Lebens im Dorf Haruta Kona zeugen von einem konstruierten Fluchtmotiv. Ergeben sich aus seinen Angaben im Administrativverfahren keinerlei Anzeichen bezüglich einer Einschränkung ihres Lebens, versucht der Erstbeschwerdeführer in der Beschwerde ein gänzlich anderes Bild zu vermitteln. Demzufolge habe er mit seiner Ehefrau im Dorf Haruta Kona im Geheimen gelebt, sie hätten sich versteckt gehalten und habe er den Menschen "privat" die Haare geschnitten und einen "privaten" Kundenstamm aufgebaut. Im Rahmen seiner Ausführungen vor dem erkennenden Gericht stellte der Erstbeschwerdeführer wiederum ein gänzlich anderes Bild dar. So habe er mit seiner Ehefrau im Dorf Haruta Kona ein ganz normales Leben angefangen. Er habe ein Haus und ein Geschäft gemietet und hätte er wieder zu arbeiten begonnen.

Widersprüchlich ist der Erstbeschwerdeführer auch hinsichtlich des Ortes der Eheschließung. Auf die Frage, wann er geheiratet habe, führte der Erstbeschwerdeführer vor der belangten Behörde aus, dass er am 11.03.2013 in der Dorf Harir geheiratet habe. In seiner späteren Darstellung seiner Fluchtgründe und auch vor dem erkennenden Gericht brachte der Erstbeschwerdeführer allerdings vor, dass die Ehe im Dorf Haruta Kona geschlossen worden sei.

Eine weitere Widersprüchlichkeit ergibt sich auch in Hinblick auf die Lage des Dorfes Haruta Kona. Vor der belangten Behörde wird der Erstbeschwerdeführer zunächst um die Darlegung seiner Aufenthaltsorte befragt und verweist er darauf, dass Haruta Kona im Kreis Harir - seinem Heimatdorf - liege. Als er zu einem späteren Zeitpunkt vom einvernehmenden Beamten neuerlich nach der Lage von Haruta Kona befragt wird bzw. er angeben soll, wie weit das Dorf von Erbil entfernt liege, gibt er die Entfernung mit einer Autoreise von einem Tag und einer Nacht an. Zudem vermag der Erstbeschwerdeführer die Lage des Ortes nicht anzugeben und vermeint, dass es sich "nicht genau" in Kurdistan befinde. Auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde versucht, die Lage des Ortes Haruta Kona näher zu ermitteln. Dabei führte der Beschwerdeführer nunmehr aus, dass sich das Dorf Haruta Kona in der Provinz Erbil befinde. Mit dem Auto sei es von der Stadt Erbil aus in vier bis fünf Stunden erreichbar.

Zudem sind auch Angaben des Erstbeschwerdeführers hinsichtlich der Beweggründe des von ihm ins Treffen geführten Ehrenmordes an seiner Ehefrau wenig plausibel und können die Schilderungen des Erstbeschwerdeführers in dieser Form nicht nachvollzogen werden:

Wie sich aus den dieser Entscheidung zu Grunde gelegten Berichten zu ehrenbasierten Verbrechen eindeutig ergibt, gelten voreheliche Beziehungen in der autonomen Region Kurdistan als inakzeptabel. Den Menschen in der Region ist die Sensibilität dieser Thematik bewusst und wissen junge Menschen und unverheiratete Paare um die hohen Risiken, die mit einer vorehelichen Beziehung verbunden sind. Daher ist zunächst das Verhalten des Erstbeschwerdeführers vollkommen unlogisch. Aus seinen Schilderungen ist offenkundig, wie es um die Beziehung zu der (späteren Ehe-)Frau stand. Einerseits hatte der Erstbeschwerdeführer kein Interesse an der Beziehung und andererseits war auch im "offiziellen Weg" - nach mehrfacher Brautwerbung durch seine Eltern - klar, dass eine allfällige Beziehung durch die Familie der Frau nicht akzeptiert werden würde. Dass sich der Erstbeschwerdeführer nunmehr beim Anruf um das Wohlergehen der Frau "sorgt" ist nicht nachvollziehbar, insbesondere auch unter dem Aspekt der daraus resultierenden Konsequenzen. Aber auch seine Ausführungen über sein Verhalten bezüglich der "Nötigung" durch die Frau - wonach sie sich im Bad ihres Elternhauses eingeschlossen habe und sie sich umbringen werde, falls er nicht komme und sie mitnehmen würde -; dem Anruf bei ihrem Vater sowie dessen Anordnung, dass er sich zu der Frau begeben und auf einen weiteren Anruf von ihm warten solle und sein mehrfaches Nachfragen, was er den nun mit der Frau machen solle; wirken schlichtweg naiv und muten ebenso wie sein geschildertes weiteres Verhalten betreffend die Umsiedelung in das Dorf Haruta Kona und das Zuwarten auf eine weitere Meldung durch ihren Vater und der späteren Eheschließung als lebensfremd an.

Die Ausführungen des Erstbeschwerdeführers zum Ehrenmord erscheinen aber auch dahingehend wenig plausibel, wenn man bedenkt, dass der Erstbeschwerdeführer und seine Ehefrau aus einem patriarchalisch geprägten Kulturkreis entstammen, in dem der Vater als Familienoberhaupt gilt. Daher bleibt es zunächst unklar, weshalb sich der Bruder seiner Ehefrau - trotz schlussendlicher Zustimmung durch den Vater - beharrlich gegen die Ehe mit dem Erstbeschwerdeführer gestellt hätte und schließlich sogar zum dramatischen Mittel eines Ehrenmordes gegriffen haben soll - wenn letztlich mit der Zustimmung zur Verehelichung durch den Vater es folglich keine weitere Grundlage mehr für einen Ehrenmord gegeben hätte.

Doch auch, wenn man davon ausgeht, dass der Bruder der Ehefrau - trotz Zustimmung zur Verehelichung durch den Vater - an seiner starken Ablehnung hinsichtlich der Beziehung zwischen dem Erstbeschwerdeführer und seiner Schwester festgehalten hätte, so stellt sich die Frage, weshalb dieser zweieinhalb Jahre zugewartet haben solle, ehe er zum Mittel des Ehrenmordes griff. Diesbezüglich vermag auch die Erklärung des Erstbeschwerdeführers, dass niemand gewusst hätte, wo er sich mit seiner Ehefrau aufgehalten habe, keine Klarheit zu bringen. Einerseits bestätigte der Erstbeschwerdeführer vor der belangten Behörde, dass sich das Dorf Haruta Kona im Kreis Harir - seinem Heimatdorf - befunden habe. Andererseits leitet sich aus den Angaben des Erstbeschwerdeführers eindeutig ab, dass der Vater seiner Ehefrau über deren Aufenthalt im Ort Haruta Kona informiert war. Zudem zeichnet sich aus den Angaben des Erstbeschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht auch das Bild ab, dass der Erstbeschwerdeführer mit seiner Ehefrau ein weitestgehend normales Leben führte. Weder vor der belangten Behörde noch im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht tätigte der Erstbeschwerdeführer Angaben, aus welchen sich schließen lassen, dass der Erstbeschwerdeführer sich mit seiner Ehefrau streng versteckt gehalten hätten. Im Gegenteil, der Erstbeschwerdeführer verweist in seine Ausführungen vor dem erkennenden Gericht, dass er und seine Ehefrau in dem Dorf Haruta Kona ein normales Leben angefangen hätten, er ein Haus und ein Geschäft gemietet und auch wieder zu arbeiten begonnen habe.

Ebenso wie der belangten Behörde fallen auch dem erkennenden Gericht die unverbindlichen und sachlichen Formulierungen des Erstbeschwerdeführers hinsichtlich seiner Ehefrau ins Auge, bezeichnet er sie doch stets nur als "das Mädchen" oder "seine Frau". In Anbracht der Tatsache, dass der Erstbeschwerdeführer mit seiner Ehefrau mehrere Jahre zusammenlebte und diese den gemeinsamen Sohn zur Welt brachte, wirkt die Formulierung "das Mädchen" mehr als nur befremdlich. Dem Beschwerdeeinwand, dass diese Wortwahl als Zeichen des Respekts gegenüber seiner verstorbenen Ehefrau getroffen worden sei, vermag das erkennende Gericht nicht zu überzeugen.

Auch das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass seine Familie der Schwiegerfamilie einen Ausgleich angeboten habe, jene sich aber nur mit nichts weniger als dem Tod des Erstbeschwerdeführers sowie des Zweitbeschwerdeführers zufriedengeben würden, lässt Zweifel offen. Einerseits erweist sich die Ehre der Schwiegerfamilie bereits durch den Tod seiner Ehefrau als wiederhergestellt. Andererseits drängt sich insbesondere in Hinblick auf die Angaben des Erstbeschwerdeführers, dass der Vater seiner Frau letztlich der Verehelichung zugestimmt habe, dieser also durchaus von einmal gefassten Entschlüssen abzurücken scheint, die Frage auf, weshalb nunmehr kein anderes Mittel zur Schlichtung des "Streites" zur Verfügung stehen sollte als die Ermordung der Beschwerdeführer.

Aber auch Widersprüche und Ungereimtheiten in den Ausführungen des Beschwerdeführers zu den Vorkommnissen nach der Ermordung seiner Ehefrau erhärten den Eindruck eines konstruierten Fluchtmotives.

So wirkt es befremdlich, dass sich der Erstbeschwerdeführer nicht selbst vom Tod seiner Ehefrau überzeugte und lediglich auf Zuruf eines Nachbarn die Flucht antrat. Einerseits handelt sich bei der Ermordung der eigenen Ehefrau nicht um eine Kleinigkeit, die tagtäglich passiert und wie hätte er andererseits sicher sein sollen, dass seine Ehefrau tatsächlich einem Mord und nicht einem Unfall zum Opfer fiel. Ebenso erschöpfen sich Ausführungen über Information der Ermordung seiner Ehefrau in allgemeinen, vagen und unkonkreten Angaben, wonach er am Vormittag einen Anruf seines Nachbarn erhalten habe, dieser ihm mitgeteilt hätte, dass seine Frau von ihrem Bruder ermordet worden sei und ihm der Nachbar auf Nachfragen des Erstbeschwerdeführers versichert habe, dass es dem Sohn gut gehe. Befremdlich auch deshalb, weil Angaben des Nachbarn über die Tötungsart der Ehefrau vollkommen ausgespart bleiben und der Erstbeschwerdeführer offensichtlich von sich auch nicht habe wissen wollen, wie seine Ehefrau ums Leben gekommen sei. Was in diesem Zusammenhang auch gegen die Glaubhaftigkeit dieser Ausführungen spricht, ist die Tatsache, dass der Nachbar offensichtlich wusste, dass es sich bei dem Täter um den Bruder der Ehefrau gehandelt habe. Allerdings geht den Schilderungen des Erstbeschwerdeführers nicht hervor, dass sich der Bruder der Ehefrau dem Nachbarn persönlich gekannt hätten. Wenn der Erstbeschwerdeführer nunmehr vor dem erkennenden Gericht ausführt, dass der Nachbar den Bruder sogar namentlich erwähnte, wertet das erkennende Gericht dies als Steigerung, dies vor allem auch deshalb, weil im Gegensatz dazu der Name des Nachbarn weder vor der belangten Behörde, noch vor dem erkennenden Gericht genannt wird.

In diesem Zusammenhang ist auch den Ausführungen der belangten Behörde beizutreten, wonach die Ausführungen zur aufrechten Bedrohung durch die Brüder der Ehefrau nicht schlüssig sind. So ist es in diesem Zusammenhang absolut nicht plausibel, dass der Bruder lediglich die Ehefrau des Erstbeschwerdeführers ermordet und den ebenfalls im Haus anwesenden Zweitbeschwerdeführer verschont.

Dem Beschwerdeeinwand, wonach die Familie seiner Ehefrau einer großen Familie mit weitreichenden Kontakten zur Polizei angehörige und diese selbst hohe Ämter bei der Polizei bekleiden würden und die Beschwerdeführer deshalb im gesamten Staatsgebiet des Iraks auffindbar wären, wertet das erkennende Gericht als Schutzbehauptung. Einerseits vor allem deshalb, weil der Erstbeschwerdeführer den Umstand, dass der Bruder seiner Ehefrau bei der Polizei sei und er dessen Position zur Verfolgung des Erstbeschwerdeführers ausnütze, erst sehr spät in den eigenen Schilderungen vor der belangten Behörde einfließen ließ. Andererseits verkennt das erkennende Gericht auch nicht, dass es dem Erstbeschwerdeführer laut seinen eigenen Angaben möglich war rund drei Jahre unbehelligt in der Region zu leben und ergaben sich aus seinen dahingehenden Angaben keinerlei Anzeichen einer Furcht davor, dass ihn die "einflussreiche" Familie seiner Ehefrau auffinden werde. Im Gegenteil. Seine Ausführungen, wonach er nach der Ermordung nochmals bei der Polizei vorstellig geworden sei, bezeugen, dass eine derartige Furcht seinerseits offenkundig nicht vorliegt.

Aber auch sein mehrfach widersprüchliches Vorbringen bezüglich seines Vorstellig werden bei der Polizei bestätigt ebenso einmal mehr die mangelnde Glaubhaftigkeit seiner Fluchtgründe. So gibt der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde an, dass er sich sowohl vor dem Entstehen des "Problems", als auch nach der Ermordung seiner Ehefrau bei der Polizei gemeldet habe. Im Konkreten führte er dazu aus, dass er am Tag nach der Tötung seiner Ehefrau zur Polizei gegangen sei um darüber eine Anzeige zu erstatten. Allerdings hätten die Polizeibeamten jedoch keine Niederschrift aufgenommen. Dies steht jedoch im völligen Widerspruch zu seinen in der niederschriftlichen Einvernahme vorangegangenen Ausführungen. Demzufolge habe er sich nach Bekanntwerden der Ermordung seiner Ehefrau unmittelbar in einem Waldstück versteckt gehalten habe. Dorthin sei ihm gegen 01:00 Uhr in der Nach sein Sohn, der Zweitbeschwerdeführer, gebracht worden und habe er sich unmittelbar nach Erhalt des Zweitbeschwerdeführers mit ihm auf den Weg in die Türkei aufgemacht. Auf diesen Widerspruch aufmerksam gemacht, revidierte der Erstbeschwerdeführer seine eigenen Angaben und vermeinte plötzlich, dass er - nachdem man ihm das Kind gebracht habe - vor seiner Ausreise in der Früh noch zur Polizei gegangen sei. Auf der Polizeistation habe ihm jedoch der Türsteher vom Offizier gefragt, was er da mache und ob er nicht wisse, dass der Bruder seiner Frau "dort Polizist sei", woraufhin der Erstbeschwerdeführer weggegangen sei. Abgesehen davon, dass ein deutlicher Unterschied darin liegt, ob - wie in seinem ursprünglichen Vorbringen - eine Anzeige von den Polizisten "nicht aufgenommen" wird oder - wie in seinem geänderten Vorbringen eine Anzeige von ihm "nicht abgegeben" wird, ist es auch nicht erklärlich, weshalb ihn gerade der Türsteher des Offiziers erkennen sollte bzw. dieser weiß, dass der Bruder seiner Ehefrau "dort auf der Polizeistation als Polizist tätig sei". Berücksichtigt man in diesem Zusammenhang auch, dass der Erstbeschwerdeführer aller Wahrscheinlichkeit nach, die nächstgelegene Polizeistation aufsucht und sich diese somit entweder in Haruta Kona oder im nächstgelegen Ort befindet, erscheint es doch befremdlich, dass der Bruder der Ehefrau just dort als Polizist tätig ist und wirkt dahingehend auch sein Vorbringen, wonach der Bruder bzw. die Familie des Mädchens drei Jahre lang nach ihnen gesucht habe, als nicht plausibel. Die diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde, die im Gegensatz zu seinen Vorbringen auf die generelle Tätigkeit des Bruders als Polizist abzielen, vermögen diese Widersprüche und Ungereimtheiten ebenfalls nicht aufzulösen. Dem ungeachtet, schildert nämlich der Erstbeschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung eine dritte Version des Vorstellig werden bei der Polizei. Diese Version lautet nunmehr dahingehend, dass er seinen Bruder angerufen und mitgeteilt habe, dass er eine Anzeige bei der Polizei erstatten werde. Sein Bruder habe ihn daraufhin versucht von diesem Vorhaben abzubringen, da der Bruder seiner Ehefrau ein ranghoher Polizist gewesen sei. Daraufhin habe der Erstbeschwerdeführer ihn nicht angezeigt und sei in die Türkei geflohen.

Hinsichtlich der in der Beschwerde geltend gemachten Dolmetschproblematik wird der Vollständigkeit halber wie folgt angemerkt: Auch wenn nicht in Abrede gestellt wird, dass es im Rahmen der Erstbefragung aufgrund der Übersetzung in die Sprache Kurdisch-Kurmanji und nicht in die Sprache Kurdisch-Sorani durchaus zu Verständnisproblemen gekommen sein kann, so wurde dem Erstbeschwerdeführer spätestens vor der belangten Behörde die Möglichkeit eingeräumt sich im Beisein eines Dolmetschers in seiner Muttersprache Kurdisch-Sorani umfassend mitzuteilen. Der Erstbeschwerdeführer monierte bereits in der niederschriftlichen Einvernahme die Dolmetschproblematik. Er bestätigte jedoch, dass er bei der Erstbefragung die Wahrheit gesagt habe, ihm die Einvernahme rückübersetzt worden sei und auch alles richtig protokolliert worden sei. Er habe den Dolmetscher jedoch nicht so gut verstanden und seien Daten nicht richtig. Auf die Frage welche Daten nicht richtig seien, verwies der Erstbeschwerdeführer auf Abweichungen betreffend seinen Namen. Die Übersetzung der niederschriftlichen Einvernahme der belangten Behörde erfolgte durch einen gerichtlich beeideten Dolmetscher für die Sprache Kurdisch-Sorani. Das Einvernahmeprotokoll wurde dem Erstbeschwerdeführer rückübersetzt und gab es hierbei keinerlei Beanstandungen.

Ebenso wird nicht in Abrede gestellt, dass sowohl der Spruch als auch die Rechtmittelbelehrung des bekämpften Bescheides nicht in die Sprache Kurdisch-Sorani übersetzt wurden. Ein Fehlen oder eine unrichtige Übersetzung führt jedoch nicht zur Nichtigkeit des Verfahrens, sondern begründen das Recht, unter den Voraussetzungen des § 71 AVG wiedereingesetzt zu werden. Dies ist gegenständlichen Fall - nachdem fristgerecht Beschwerde erhoben wurde - allerdings nicht verfahrenserforderlich.

Wenn der Erstbeschwerdeführer nunmehr im Rahmen seiner Beschwerde erstmalig vorbringt, dass ihnen im Falle einer Rückkehr in den Irak möglichweise schon alleine aufgrund ihres Aufenthaltes in einem christlich geprägten Land eine erhöhte Aufmerksamkeit seitens schiitischer Milizen mit sich bringen würde, vermag dies das erkennende Gericht nicht zu teilen. Einerseits wurde in Bezug auf die Beschwerdeführer bislang keine Verfolgung durch eine schiitische Miliz behauptet und andererseits leiten sich aus den Länderberichten keine Anzeichen dafür ab, dass Rückkehrer aus Europa generell einer erhöhten Aufmerksamkeit durch das Militär, die Polizei, Milizen oder sonstigen Sicherheitsverbänden ausgesetzt wären.

Aus einer Gesamtbetrachtung der vorangegangenen Ausführungen ergibt sich aufgrund der vielfachen Widersprüche, den Ungereimtheiten und den mit den Erfahrungen des Lebens nicht vereinbaren Ausführungen, dass es sich bei den vom Erstbeschwerdeführer ins Treffen geführten Fluchtgründen um ein gedankliches Konstrukt handelt, dem die Glaubhaftigkeit zu versagen war und mit welchem er seine Ausreise aufgrund der allgemein schlechten Bedingungen im Irak zu begründen versuchte. Auch wenn das Bundesverwaltungsgericht - wie bereits die belangte Behörde - nicht ausschließt, dass die Ehefrau des Erstbeschwerdeführers verstorben ist, so ist es dem Erstbeschwerdeführer nicht gelungen, seine Schilderungen rund um ihren Tod und einer Verfolgung seiner und der Person des Zweitbeschwerdeführers glaubhaft darzustellen. Es ist in keiner Weise glaubhaft, dass sowohl dem Erstbeschwerdeführer, als auch dem Zweitbeschwerdeführer in ihrem Herkunftsstaat die Verfolgung und Ermordung durch die Schwiegerfamilie droht.

Dass der Erstbeschwerdeführer gemeinsamen mit seinem Sohn, dem Zweitbeschwerdeführer, aus wirtschaftliche Überlegungen aus seinem Herkunftsstaat ausgereist ist, ergibt sich zunächst aus seinem Verhalten im Rahmen seiner erstmaligen Übernahme in Salzburg. So wollte der Erstbeschwerdeführer zunächst keinen Asylantrag in Österreich stellen, sondern nach Deutschland weiterreisen, wo ihm allerdings zwei Mal die Einreise verweigert wurde, weshalb er schlussendlich in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Auch mit seiner Aussage bei seiner Erstbefragte, wonach er nach Deutschland habe reise wollen, da er gehört habe, dass es wegen seines Kindes besser wäre, bestätigte der Erstbeschwerdeführer, dass nicht der Schutzgedanke für die Ausreise ausschlaggebend waren, sondern primär wirtschaftliche Überlegungen. Aber auch seine Angaben vor der belangten Behörde, wonach er sich ein "schönes Leben" für sein Kind wünsche, bestätigt den Verdacht, dass ihn die Aussicht nach einer besseren Zukunft zur Ausreise veranlassten. Anderenfalls hätte die Aussage wohl dahingehend lauten müssen, dass er sich ein "sicheres Leben" bzw. "Sicherheit" für seinen Sohn wünsche.

Auch wenn der Erstbeschwerdeführer sowie der Zweitbeschwerdeführer im Irak zweifelsohne gewissen Gefahren ausgesetzt sind, ist doch nicht davon auszugehen, dass die im Irak bestehende Gefährdungslage die Beschwerdeführer härter trifft als andere Einwohner.

Daraus ergibt sich für das Bundesverwaltungsgericht, dass die Beschwerdeführer aufgrund der aktuellen Lage im Irak nicht der Gefahr einer individuellen Verfolgung aus asylrelevanten Gründen, sei es ausgehend von staatlichen Organen oder von Dritten, ausgesetzt wären.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Die unter Punkt 1.3. getroffenen Feststellungen zur Lage im Irak basieren auf dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation und auf dem öffentlich zugänglichen EASO Country Guidance Iraq: "Guidance note and common analysis" (https://easo.europa.eu/sites/default/files/Country_Guidance_Iraq_2019.pdf) datierend vom Juni 2019.

Zu den darin verwendeten Quellen wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Weder der Erstbeschwerdeführer, noch dessen Rechtsvertreter sind den getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat, die auf den in das Verfahren eingeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen beruhen, im Beschwerdeschriftsatz und in der mündlichen Verhandlung substantiiert entgegengetreten. Die Rechtsvertretung verwies auf den im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgelegte BBC Bericht "Isis in Iraq: Militants "getting stronger again", datierend vom 23.12.2019 auf das zunehmende Erstarken des IS im Irak und wies darauf hin, dass in Bezug auf den Zweitbeschwerdeführer in Besonderen das Kindeswohl zu berücksichtigten sei.

Es wurden somit im gesamten Verfahren keinerlei Gründe dargelegt, die an der Richtigkeit der Informationen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Zweifel aufkommen ließen und weder in der Beschwerde, noch in der mündlichen Verhandlung dem Inhalt und den Kernaussagen der Länderberichte und Anfragebeantwortungen sowie deren Quellen substantiiert entgegengetreten, sodass an der Richtigkeit und am Zutreffen der Länderfeststellungen keine Zweifel bestehen.

Durchaus wird in dem vorgelegten Bericht der BBC auf das Wiedererstarken der IS im Irak hingewiesen. Allerdings wird dieser Umstand bereits in den zu Grunde gelegten Länderberichten der Staatendokumentation und des EASO berücksichtigt.

Das bloße Aufzeigen von spezifischen Problemlagen im Herkunftsstaat vermag die Glaubwürdigkeit der Länderfeststellungen nicht zu erschüttern. Vielmehr sparen die Länderfeststellungen die im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerinnen vorherrschenden Schwierigkeiten und Probleme, wie im gegenständlichen Fall insbesondere im Bereich der gegenwärtigen Sicherheitslage in der autonomen Region Kurdistan nicht nur nicht aus, sondern legen diese ebenfalls offen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide):

3.1.1. Rechtslage:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lag

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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