TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/30 I419 2213870-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.04.2020
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Entscheidungsdatum

30.04.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I419 2213870-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. NIGERIA, vertreten durch RA Edward W. Daigneault, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 05.12.2019, Zl. 602595102-190751008, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt III zu lauten hat: "Eine ?Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' gemäß § 57 AsylG 2005 wird Ihnen nicht erteilt."

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer hatte ab 2012 einen Aufenthaltstitel "Studierender" inne, der bis 2016 verlängert wurde, 2017 mittels abweisenden Bescheids des LH von XXXX nicht mehr.

2. Einen Antrag auf einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Artikel 8 EMRK begründete er 2018 mit dieser Abweisung und damit, dass er dennoch in Österreich bleiben wolle. Diesen wies das BFA ab, verbunden mit Rückkehrentscheidung und Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat, was dieses Gericht am 11.02.2019 (einschließlich der 14-tägigen Ausreisefrist) bestätigte (I411 2213870-1/2E).

3. Dennoch verblieb der Beschwerdeführer im Inland. In Schubhaft genommen stellte er im Juli 2019 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er habe aus religiösen Gründen Homosexuellen geholfen, sodass er selbst für homosexuell gehalten werde, weil er viel Zeit mit diesen verbracht habe. Die Gesetzgebung des Herkunftsstaats gegenüber Homosexuellen habe sich verschärft, weshalb er eine Haftstrafe befürchte. Bei Rückkehr fürchte er die Menschen, die ihn verfolgten und bedrohten.

Einvernommen ergänzte er, dass er Aushilfspriester gewesen sei und Homosexuellen Ratschläge gegeben habe. Weil diese wegen der ablehnenden Behandlung der Leute depressiv gewesen seien, hätte seine Kirche sie auch mit Medikamenten versorgt. Er sei 2015 drei Wochen zum Begräbnis seines Vaters im Herkunftsstaat gewesen, da seien die Dinge noch wie früher gewesen. Nun aber gebe es ein Gesetz, wegen dessen er nach Auskunft von Leuten, die er angerufen habe, Schaden nehmen oder ins Gefängnis kommen könnte. Die Menschen dort, wo er gelebt habe, hätten ihn früher bereits bedroht, und sie nähmen das Gesetz "in die eigene Hand". Das Gesetz habe den Leuten die Kraft gegeben, selbst zu handeln, obwohl das nicht richtig sei. Nach weiteren Gründen befragt, ergänzte er, die Biafra-Bewegung habe sich vor zwei Jahren wieder zu erheben begonnen, aber das sei nicht sein Hauptgrund.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das BFA den Antrag hinsichtlich der Status des Asyl- (Spruchpunkt I) und des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II) ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel "aus berücksichtigungswürdigen Gründen" "gemäß § 57 AsylG" (Spruchpunkt III), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV) und stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V) und für die freiwillige Ausreise eine 14-tägige Frist ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestehe (Spruchpunkt VI).

5. Beschwerdehalber wird vorgebracht, der Beschwerdeführer sei geflüchtet, weil Homosexualität in Nigeria strafbar sei, und habe deshalb Asyl beantragt. Auch wenn er selbst heterosexuell sei, wäre sein Leben schon in Gefahr, weil er sich für Homosexuelle einsetze. Menschenrechtsverletzungen gegenüber der Homosexualität auch nur Verdächtigen gingen vor allem von privaten Akteuren aus, und aus Angst vor weiterer Stigmatisierung, Gewalt und Diskriminierung hätten die Opfer es schwer, Vergehen den Behörden zu melden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zunächst wird der unter Punkt I dargestellte Verfahrensgang festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist volljährig, ledig, kinderlos, Christ und Staatsangehöriger Nigerias. Er gehört der Volksgruppe der Ibo an und stammt aus XXXX in Abia State. Seine Identität steht fest. Er ist gesund und arbeitsfähig und hält sich seit November 2012 in Österreich auf.

Sein Antrag von 2017 auf Verlängerung des Aufenthaltstitels "Studierender" wurde mangels ausreichenden Studienerfolgs im Studienjahr 2015/16 abgewiesen.

Der Großteil der Familie des Beschwerdeführers, darunter je zwei Schwestern und Brüder lebt in Nigeria. Dort besuchte er sechs Jahre lang die Grundschule, sechs Jahre eine höhere Schule und fünf Jahre die Universität. Er beherrscht Ibo und Englisch. Aufgrund seiner akademischen Ausbildung in Nigeria hat er die Möglichkeit, am nigerianischen Arbeitsmarkt unterzukommen. Mit einem Bruder teilt er sich das Eigentum an einer Liegenschaft. Je ein weiterer Bruder lebt in Deutschland und Italien. Alle seine Geschwister sind ca. zwischen Mitte 40 und Mitte 50. Ihre Mutter hat den Geschwistern zwei Läden im Herkunftsstaat hinterlassen, in deren einem eine Schwester Bettwäsche verkauft. Der Beschwerdeführer hat ihr dabei geholfen. Mit der Familie im Herkunftsstaat hat der Beschwerdeführer etwa alle zwei Wochen Kontakt über Telefon oder soziale Medien.

In Österreich verfügt er über keine Verwandten und keine familiären Beziehungen. Im Dezember 2019 hat er erstmals angegeben, eine Freundin zu haben, sowie ferner, dass sie ihn finanziell unterstütze. Diese stammt gleichfalls aus Nigeria, gehört der Volksgruppe des Beschwerdeführers an, hat dessen Staatsangehörigkeit, hatte seit Mitte Oktober 2019 keinen gemeldeten Wohnsitz im Inland und ist seit 27.02.2020 wieder hier gemeldet, wo sie mit einer Erwachsenen nigerianischer Herkunft zusammenwohnt. An der vom Beschwerdeführer genannten Anschrift war sie nie gemeldet.

Sie hatte im Inland nie eine gemeinsame Unterkunft mit dem Beschwerdeführer. Eine Abhängigkeit des Beschwerdeführers von ihr oder umgekehrt kann nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer war 2014 bis 2016 als freiwilliger Helfer der Caritas im Rahmen eines Straßenfußball-Projekts für Kinder tätig. Weiters ist er ehrenamtlicher Mitarbeiter einer katholischen Pfarre in XXXX, einer der dortigen Chorleiter und ein Leiter der "Charismatischen Erneuerung" in der "African Catholic Community" in XXXX. Dazu hat er Bestätigungen sowie Empfehlungen des Kaplans der Afrikanischen katholischen Gemeinde, des örtlichen katholischen Dekans und des Pfarrgemeinderats vorgelegt.

Er verkaufte eine Straßenzeitung und spielt auch in deren Fußballteam sowie Football bei FC XXXX und hat 2014 eine Deutschprüfung auf dem Niveau B2 absolviert. Vom Studium her hat er auch Bekannte und Freunde. Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht vorbestraft, verfügt über eine Einstellungszusage als Lagerhelfer in Vollzeitbeschäftigung und bezieht keine Leistungen der staatlichen Grundversorgung. Er ist hier beim Kulturverein XXXX als Schauspieler beschäftigt und erzielt damit und als privater Fitnesstrainer ein geringes Einkommen. Als österreichisches Essen sind ihm Schnitzel mit Kartoffelsalat, Mohnmus sowie Manner-Schnitten geläufig.

Er wohnt in Untermiete bei einem Landsmann, Mitte 40, sowie dessen Gattin, Ende 30, und deren gemeinsamer Tochter, 2, beide Staatsangehörige Ungarns, wofür er etwa ? 150,-- an Miete und Betriebskosten zu bezahlen hat. Hinweise auf Abhängigkeitsbeziehungen mit dem Beschwerdeführer liegen in keiner Richtung vor.

Darüber hinaus weist er in Österreich keine feststellbaren privaten Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf.

1.2 Zur Lage im Herkunftsstaat:

Im angefochtenen Bescheid wurde das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria auf Stand 18.12.2019 zitiert. Im Beschwerdeverfahren wurden keine für die Entscheidung relevanten Änderungen dieser entscheidenden Sachverhaltselemente behauptet oder bekannt.

Aus einer Kurzinformation der Staatendokumentation des BFA (Afrika Covid 19 - aktuelle Lage) ergibt sich zwar: "Nigeria: Einreisesperre für Staatsbürger zahlreicher Nationen (AJ 23.3.2020); Schließung aller Grenzen; Einstellung des internationalen Luftverkehrs (AAF 23.3.2020); unterschiedliche Maßnahmen von Bundesstaaten: Edo State schließt Schulen und Universitäten (VG 23.3.2020); Schließung von Schulen in Lagos (Stern 22.3.2020)." Daraus folgt aber nicht, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr (nach der temporären Einstellung des Luftverkehrs) zwangsläufig in eine ausweglose Situation geriete, zumal die Zahl bestätigter COV-Infizierter in Nigeria am 27.04.2020 (ohne Verstorbene und Geheilte) 1.042 betrug, am 29.04.2020 dann 1.370, davon an beiden Tagen zwei Personen in Abia State (covid19.ncdc.gov.ng), und in Nigeria nach den Länderfeststellungen ca. 200 Mio. Menschen wohnen (Bescheid S. 43, AS 147).

Im gegebenen Zusammenhang sind die folgenden Informationen von Relevanz und werden festgestellt:

1.2.1 Update - Mitglieder der Gruppe IPOB

Die UN zitiert für die vergangenen Jahre sporadische Übergriffe von Sicherheitskräften gegen Anhänger der IPOB (Indigenous People of Biafra). Dabei wurde auch von der Schusswaffe Gebrauch gemacht. Bekannt sind 2015-2016 mehrere Vorfälle in den Bundesstaaten Abia und Anambra, wobei alleine am 29. und 30.5.2016 in Onitsha mindestens 60 Personen getötet und 70 verletzt worden sind. Bei einer Demonstration in Abia wurden am 14.9.2017 durch die Armee angeblich 150 Personen getötet, der Anführer der IPOB, Nnamdi Kanu, ging daraufhin ins Exil (OHCHR 2.9.2019). Nach anderen Angaben wurden bei dem Vorfall, bei welchem Kanu verhaftet hätte werden sollen, zehn Personen getötet und zwölf weitere verletzt, als sie versuchten, die Festnahme von Kanu zu verhindern (AI 23.5.2019). Es gibt auch noch weitere Anschuldigungen zu Tötungen durch die Armee und zur Haltung von Verdächtigen ohne Anklage in Incommunicado-Haft (OHCHR 2.9.2019).

Seit 2017 hat es nur noch vereinzelt Versuche von IPOB und MASSOB gegeben, in der Öffentlichkeit für die (verfassungswidrige) Unabhängigkeit eines fiktiven Staates "Biafra" zu werben. Diese wurden von den nigerianischen Sicherheitsbehörden regelmäßig unterbunden (ÖB 10.2019).

Gelegentlich demonstrierte IPOB friedlich, so am 29.7.2019 in Abakaliki (Ebonyi) und am 1.2.2019 in Abasi (Delta) (ACLED 12.2019). Allerdings kam es auch im Jahr 2019 sporadisch zu Übergriffen gegen öffentlich auftretende Mitglieder der - verbotenen - IPOB. Das Polizeikommando im Bundesstaat Enugu bestätigte am 22.5.2019 die Verhaftung von 130 Männern und zehn Frauen. Diese hätten an einer nicht genehmigten Demonstration teilgenommen und verbotene Gegenstände zur Schau gestellt (PT 23.5.2019; vgl. ACLED 12.2019). Am 27.10.2019 kam es im Bundesstaat Ebonyi erneut zu Zusammenstößen von voll uniformierten IPOB-Mitgliedern mit Armee und Polizei (DT 30.10.2019; vgl. DP 28.10.2019; DP 29.10.2019). Einerseits wird angegeben, dass Sicherheitskräfte ohne Vorwarnung das Feuer eröffnet hätten (DP 29.10.2019). Die Pressesprecherin der IPOB, Emma Powerful, behauptete, dass 17 IPOB-Mitglieder verletzt worden seien (DT 30.10.2019; vgl. ACLED 12.2019);

außerdem sollen mehr als 70 Personen verhaftet worden sein (ACLED 12.2019). Nach Polizeiangaben hingegen hatten IPOB-Mitglieder Sicherheitsbeamte angegriffen. Sechs Personen seien festgenommen worden (DT 30.10.2019; vgl. DP 29.10.2019). Ein Polizist ist verletzt worden, ein weiterer soll getötet worden sein (DT 30.10.2019).

Zuletzt kam es am 2.12.2019 zu einem Zwischenfall in Zusammenhang mit der IPOB. Dabei wurde das Haus des Anwalts von Nnamdi Kanu, Ifeanyi Ejiofor, in Anambra von einem gemeinsamen Team aus Polizei und Armee durchsucht. Ejiofor war wegen Gewaltvorwürfen gesucht worden. Bei der Aktion wurden zwei IPOB-Mitglieder sowie zwei Polizisten getötet (ACLED 12.2019; vgl. PT 11.12.2019). Ejiofor hat über seinen Anwalt aufgrund des Vorfalls bei Gericht Klage gegen die Sicherheitskräfte eingereicht (PT 11.12.2019).

IPOB werden Gewalttaten im Jahr 2019 zugeschrieben. Am 27.1.2019 griff die Gruppe in XXXX (Abia) eine Kirche an und verprügelte den Pastor. Am 15.4.2019 stürmten bewaffnete Milizionäre der IPOB eine Polizeistation in Asaba (Delta) und eröffnete das Feuer auf Polizisten. Mehrere IPOB-Milizionäre wurden verhaftet. Am 30.5.2019 töteten IPOB-Mitglieder fünf Christen (darunter ein Priester) in Nnewi (Anambra), da diese Anweisungen der IPOB nicht befolgt hatten (ACLED 12.2019). Bereits 2017 hat das Bundeshöchstgericht in Abuja die IPOB auf die Liste terroristischer Vereinigungen gesetzt. Wenn tatsächlich eine Anklage gegen Inhaftierte erhoben wird, erfolgt diese als Anschuldigung der Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation, wegen Teilnahme an unerlaubten Versammlungen und in einigen Fällen wegen Entführung. Es gab aber noch keine einzige Verurteilung (OHCHR 2.9.2019).

In der Vergangenheit wurden IPOB-Mitglieder wegen Mordes, Brandstiftung und anderer Verbrechen verhaftet. Festnahmen oder Verhaftungen von IPOB-Mitgliedern einzig aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu der Organisation sind hingegen bislang nicht bekannt geworden (ÖB 10.2019).

1.2.2 Homosexuelle

Homosexuelle Handlungen jeglicher Art sind - unabhängig vom Geschlecht der betroffenen Personen - sowohl nach säkularem Recht (AA 10.12.2018; vgl. GIZ 4.2019b) als auch nach Scharia-Recht (Körperstrafen bis hin zum Tod durch Steinigung in besonderen Fällen) strafbar. Allerdings sind kaum Fälle strafrechtlicher Verfolgung einvernehmlicher homosexueller Handlungen bekannt geworden (AA 10.12.2018). § 214 des Strafgesetzbuchs sieht 14 Jahre Haft für gleichgeschlechtliche Beziehungen vor (ÖB 10.2018). Der im Jänner 2014 verabschiedete Same Sex Marriage Prohibition Act (SSMPA) sieht zudem vor, dass homosexuelle Paare, die heiraten oder öffentlich ihre Zuneigung zeigen, mit Haft bestraft werden können. Das Gesetz sieht bis zu 14 Jahre Haft für Eheschließungen und zivilrechtliche Partnerschaften zwischen zwei Frauen oder zwei Männern vor (ÖB 10.2018; vgl. USDOS 13.3.2019, GIZ 4.2019b). Wer seine Liebesbeziehung zu einem Menschen des gleichen Geschlechts direkt oder indirekt öffentlich zeigt, soll dem Gesetz zufolge mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden können (ÖB 10.2018). Die gleiche Strafe ist für die Gründung und Unterstützung von Clubs, Organisationen oder anderen Einrichtungen für Schwule und Lesben vorgesehen (ÖB 10.2018; vgl. AA 10.12.2018).

In den zwölf nördlichen Bundesstaaten, wo das islamische Recht in Kraft ist, können homosexuelle Handlungen mit Haft, Stockschlägen oder Tod durch Steinigung bestraft werden (USDOS 13.3.2019; vgl. HL1 16.11.2015; DS1 20.11.2015). Aktivisten sind keine Fälle bekannt, bei denen die Todesstrafe umgesetzt wurde (USDOS 13.3.2019; vgl. HL1 16.11.2015; DS1 20.11.2015). Insgesamt kam es auch unter der Scharia nur zu wenigen Verurteilungen (HL1 16.11.2015; vgl. DS1 20.11.2015).

Homosexuelle versuchen auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen und weitverbreiteter Vorbehalte in der Bevölkerung, ihre sexuelle Orientierung zu verbergen (AA 10.12.2018). Der SSMPA hat zu einer weiteren Stigmatisierung von Lesben und Schwulen geführt. Diese werden oftmals von der Polizei schikaniert und misshandelt und von der Bevölkerung gemobbt oder mittels Selbstjustiz verfolgt (GIZ 4.2019b). Erpressung und Gewalt treten oft schon beim Verdacht auf, homosexuell zu sein (MSMA 17.11.2015; vgl. LLM 16.11.2015). Die meisten Menschenrechtsverletzungen gegen Homosexuelle gehen von nicht-staatlichen Akteuren aus (LLM 16.11.2015; vgl. MSMK 19.11.2015). Die Verfügbarkeit von staatlichem Schutz ist in Frage zu stellen, manchmal interveniert die Polizei gar nicht oder verhaftet das Opfer (MSMA 17.11.2015; vgl. DS3 18.11.2015; DS1 20.11.2015). Opfer von Menschenrechtsverletzungen haben es extrem schwer, Vergehen bei den Behörden zu melden, denn es herrscht Angst vor Stigmatisierung, weiterer Gewalt und Diskriminierung. Es gibt viele Fälle, in denen Polizeibeamte Personen, von denen angenommen wird, dass sie sexuellen Minderheiten angehören, willkürlich verhaften. In der Folge werden hohe Geldsummen für die Freilassung gefordert. Staatliche Stellen sind häufig selbst die Täter bei Menschenrechtsverletzungen oder handeln in Kooperation mit nichtstaatlichen Akteuren (TIERS 12.2018).

Im Rahmen der Verabschiedung des SSMPA 2014 kam es zu einer Zunahme an Fällen von Belästigung und Drohung. Es wurde von zahlreichen Verhaftungen berichtet. Allerdings wurden die Verhafteten in allen Fällen ohne eine formelle Anklage nach Zahlung einer Geldsumme freigelassen, die oftmals nichts anderes als ein Bestechungsgeld war. Im Jahr 2017 kam es erstmals zu Anklagen unter dem SSMPA. Im November 2017 wurden ein Hotelbesitzer und zwei seiner Mitarbeiter wegen Unterstützung homosexueller Aktivitäten angeklagt. Im Dezember 2017 wurden die drei Angeklagten auf Kaution freigelassen und im August 2018 wurde das Verfahren eingestellt. Ansonsten ist keine strafrechtliche Verfolgung gemäß dem SSMPA feststellbar (USDOS 13.3.2018). Nach anderen Angaben wurden vereinzelt langjährige Haftstrafen verhängt; als Beispiel wird ein Fall aus dem Bundesstaat Kano vom Dezember 2016 genannt (ÖB 10.2018). Eine generelle bzw. systematische "staatliche Verfolgung" ist derzeit nicht gegeben (ÖB 10.2018; vgl. AA 10.12.2018). Die Rechtsänderung hat bisher nicht zu einer flächendeckenden verschärften Strafverfolgung geführt (AA 10.12.2018). Allerdings dient das Gesetz zur Rechtfertigung von Menschenrechtsverletzungen wie Folter, sexueller Gewalt, willkürlicher Haft, Erpressung von Geld sowie Verletzung von Prozessrechten (USDOS 13.3.2019).

Gesellschaftliche Diskriminierung bei offenem Zurschaustellen der sexuellen Orientierung ist vorhanden (ÖB 10.2018; vgl. AA 10.12.2018). Die Community wird nicht überwacht (LLM 16.11.2015; vgl. HL1 16.11.2015; DS2 19.11.2015). Die Polizei wird nicht aus eigenem Antrieb aktiv und sucht gezielt nach Homosexuellen (HL1 16.11.2015; vgl. DS2 19.11.2015). Die Polizei verhaftet Verdächtige in erster Linie mit dem Ziel, Geld zu erpressen. Grundsätzlich kommen Verdächtige nach der Zahlung einer "Kaution" wieder frei (LLM 16.11.2015; vgl. HL1 16.11.2015). Aufgrund der bei der Polizei herrschenden Korruption ist es einfach, sich aus der Haft freizukaufen (VA1 16.11.2015).

Auch für betroffene Homosexuellen-NGOs hatte der SSMPA kaum Auswirkungen, keine der Organisationen musste die Arbeit einstellen (LLM 16.11.2015; vgl. MSMA 17.11.2015; DS2 19.11.2015). Im Gesundheitsbereich tätige NGOs mit Fokus auf Homosexuelle (v.a. HIV/AIDS) stellten zwar Anfang 2014 kurzfristig den Betrieb ein, doch wurde dieser nach wenigen Wochen wieder aufgenommen und läuft seither wie vor Inkrafttreten des SSMPA (IO1 20.11.2015).

Die meisten Homosexuellen-NGOs haben ihre Basis in den Hauptstädten der Bundesstaaten (DS3 18.11.2015; vgl. DS2 19.11.2015; MSMA 17.11.2015). Üblicherweise sind die Homosexuellen-NGOs den Betroffenen bekannt (DS3 18.11.2015; vgl. MSMA 17.11.2015). Es existieren auch eigene HIV/AIDS-Kliniken, die gezielt für homosexuelle Patienten eingerichtet wurden (IO1 20.11.2015; vgl. MSMA 17.11.2015).

Verschiedene NGOs bieten Angehörigen sexueller Minderheiten rechtliche Beratung und Schulungen in Meinungsbildung, Medienarbeit und Bewusstseinsbildung in Bezug auf HIV an (USDOS 13.3.2019). Es existieren Netzwerke von Menschenrechtsanwälten, welche - im Falle der Verhaftung eines Homosexuellen - unmittelbar kontaktiert werden und die Person gegen "Kaution" freizukaufen versuchen (IO1 20.11.2015). Die Anwälte sind organisiert, es gibt unterschiedliche Vereine, z.B. Lawyers League for Minorities, Lawyers Alert oder die Coalition of Human Rights Lawyers (LLM 16.11.2015; vgl. HL1 16.11.2015). Homosexuellen-Netzwerke verschiedener Landesteile bzw. Städte sind miteinander in Kontakt (MSMA 17.11.2015; vgl. LLM 16.11.2015). Die Netzwerke und Organisationen bieten auch Unterstützung und Zufluchtsmöglichkeiten an (USDOS 20.4.2018; vgl. MSMA 17.11.2015; LLM 16.11.2015).

1.2.3 Rückkehr

Generell kann kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Der pauschale Hinweis eines Asylwerbers auf die allgemein herrschende Situation in Nigeria reicht nicht aus, um eine Bedrohung i.S.v Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK darzustellen. Außerdem kann allgemein festgestellt werden, dass eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2018).

Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden (AA 10.12.2018). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations im Rahmen von FRONTEX als "lead nation" (ÖB 10.2018). Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen (AA 10.12.2018).

Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen nicht vor. Verhaftung aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig rückkehrenden Asylwerbern sind nicht bekannt (AA 10.12.2018). Die Erfahrungen seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen (ÖB 10.2018). Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der zuständigen Behörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch von der NDLEA (National Drug Law Enforcement Agency) befragt (AA 10.12.2018) bzw. erkennungsdienstlich behandelt (ÖB 10.2018) und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 10.12.2018; vgl. ÖB 10.2018). Meist steigen sie in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit den Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖB 10.2018).

Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im "Decree 33" nicht zu befürchten (AA 10.12.2018). Aus menschenrechtlichen Erwägungen wird gegenüber nigerianischen Behörden als Grund für Abschiebungen stets "overstay" angegeben, da dieser kein strafrechtliches Delikt darstellt (ÖB 10.2018).

Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos und anderen Landesteilen grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, so dass z.B. eine ausreichende Versorgung dort nicht ohne weiteres gewährleistet ist. Internationale Akteure bemühen sich, neue Rückkehrer- bzw. Migrationsberatungszentren aufzubauen. Eine entsprechende Einrichtung von IOM in Benin-City, Edo State, wurde 2018 eröffnet. Gleichermaßen hat im Herbst 2018 in Lagos das Migrationsberatungszentrum der GIZ seinen Betrieb aufgenommen. Gemeinsam mit dem nigerianischen Arbeitsministerium wird dort über berufliche Perspektiven in Nigeria informiert (AA 10.12.2018).

1.3 Zum Fluchtvorbringen:

1.3.1 Es kann nicht festgestellt werden, dass dem heterosexuellen Beschwerdeführer eine homosexuelle Neigung unterstellt wurde oder bei Rückkehr würde, er wegen einer solchen privat oder staatlich verfolgt oder bestraft würde, oder ihn eine solche zum Stellen eines Asylantrags bewegt hätte.

1.3.2 Der Beschwerdeführer hat sich im Herkunftsstaat niemals politisch betätigt. Es kann nicht festgestellt werden, ob er sich religiös betätigt hat und falls ja, in welcher christlichen Konfession. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer sich für Homosexuelle eingesetzt, diesen geholfen oder sie sonst unterstützt hätte.

1.3.3 Es wird festgestellt, dass dem Beschwerdeführer keine reale Gefahr einer Verfolgung vonseiten privater oder staatlicher Akteure wegen tatsächlicher oder unterstellter Sympathie für die "Biafra"-Bewegung oder Abneigung gegen diese droht, und auch nicht seitens dieser Bewegung wegen seiner Kirchenzugehörigkeit.

Zusammenfassend wird in Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers und aufgrund der allgemeinen Lage im Land festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird. Es wird insbesondere festgestellt, dass ihm keine Verfolgung droht, weder durch staatliche noch durch andere Akteure, wenn er nach XXXX in Abia State zurückkehrt.

2. Beweiswürdigung:

2.1 Zum Verfahrensgang

Der oben unter Punkt I angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes und der Beschwerde. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Integrierten Fremdenregister und dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend eingeholt, ebenso der abweisende Bescheid des BFA von2018 betreffend den Aufenthaltstitel samt Beschwerde dagegen, sowie das im Beschwerdeverfahren darüber, I411 2213870-1, ergangene Erkenntnis dieses Gerichts eingesehen.

2.2 Zum Beschwerdeführer

Soweit Feststellungen zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf dessen Angaben und den Bestätigungen im Akt, speziell den Registerabfragen, sowie den dazu im angefochtenen Bescheid und im Vorerkenntnis getroffenen Feststellungen, denen auch in der Beschwerde nicht substantiell entgegengetreten wurde.

Zu seiner Wohngemeinschaft und seiner behaupteten Freundin folgten die Feststellungen (neben den Angaben und Urkunden des Beschwerdeführers) auch den Registerinhalten zu diesen Personen. Betreffend die Untermiete wurde von der Berücksichtigung der "Wohnrechtsvereinbarung" von Jänner 2019 abgesehen, weil die Angaben des Beschwerdeführers vom 28.10.2018 lebensnäher sind, wonach er Miete und Betriebskosten bezahlt.

Betreffend das Nichtbestehen einer Abhängigkeit von der Freundin war zu bedenken: Sie bezog bis Oktober 2019 Grundversorgung, ist Inhaberin einer Rot-weiß-rot-Karte plus, geht aber seit dem Ende einer geringfügigen Beschäftigung mit Februar 2018 keiner gemeldeten Arbeit nach. Bei ihrer Verurteilung 2018 wurde der Mindesttagsatz des § 19 Abs. 2 StGB festgelegt. Eine Hilfe finanzieller Art kann damit kein feststellbares Ausmaß erreichen, das den Beschwerdeführer abhängig machen würde, weil dieser ja auch selbst Einkommen erzielt.

2.3 Zur Lage im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie z. B. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der Beschwerdeführer hat zu den Länderfeststellungen beschwerdehalber vorgebracht, das BFA missachte, dass die Lage Homosexueller sich letztens drastisch verschärft habe. Dazu hat er einen Teil der Länderfeststelllungen des BFA (aus den oben in 1.2.2 wiedergegebenen) zitiert. Damit ist er ihnen inhaltlich nicht entgegengetreten.

2.4 Zum Fluchtvorbringen:

2.4.1 Wie bereits das BFA begründend ausführt (S. 48 ff, AS 152 ff), hat der Beschwerdeführer kein substantiiertes und konkretes Fluchtvorbringen erstattet, zumal - vom späten Zeitpunkt des Vorbringens abgesehen - die Schilderungen vage und widersprüchlich blieben. Er hat es auch mehrfach gesteigert, als er zunächst angab, Mitglied (AS 15), dann Hilfspriester (AS 74) der Kirche gewesen zu sein, ferner, Homosexuellen geholfen zu haben, damit diese nicht allein gelassen würden (AS 15), dann aber, ihnen Medikamente gegen Depressionen gegeben zu haben, an denen sie wegen der "Behandlung der Leute" gelitten hätten (AS 74). Letzteres ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil er keinen korrekten Namen für ein Antidepressivum nennen konnte (AS 77).

Der Beschwerdeführer vermochte nicht zu sagen, wer konkret ihn wegen seiner angeblichen Betreuungstätigkeit für homosexuell halten sollte ("Das ist keine Gruppierung, das ist im Allgemeinen so.", AS 76), und auch nicht, warum diese Schlussfolgerung aus einer kirchlichen Hilfstätigkeit gezogen werden sollte, die unter anderem daraus bestehe, Homosexuellen "spirituelle Ratschläge" des Inhalts zu geben, man könne sie "ändern, damit sie ?normal' werden", weil sie religiös betrachtet nicht so seien, "wie sie sein sollten". (AS 77)

Wie schon im Bescheid aufgezeigt, findet sich in den Länderinformationen kein Hinweis auf die vom Beschwerdeführer behauptete Verschlechterung der Lage (AS 153). Diese Erwägung des BFA bestätigen die oben wiedergegebenen aktuellen Informationen (1.2.2) wie auch die vorigen.

2.4.2 Der Beschwerdeführer hat angegeben, 2015 zuletzt im Herkunftsstaat gewesen zu sein, als die "Dinge noch wie sie früher waren" gewesen seien. Im Länderbericht von 15.01.2015 findet sich Folgendes:

2.4.3 Homosexualität und häusliche Gewalt

[...] In Nigeria ist Anfang des Jahres nach der Unterzeichnung durch den Präsidenten am 7.1.2014 der über mehrere Jahre diskutierte "Same Sex Marriage Prohibition Act" in Kraft getreten. Die Einlassung auf eine homosexuelle Verbindung oder das Mitwirken an homosexuellen Handlungen sind unter Strafe gestellt und mit hohen Haftstrafen, und zwar mit einer Freiheitsstrafe bis zu 14 Jahren bedroht. [...]

Homosexuelle Akte sind - und waren auch schon vor Inkrafttreten des "Same Sex Marriage Prohibition Act" strafbar - sowohl im Strafrecht als auch im islamischen Recht. [...] Laut einer Aktivistin sind in Bauchi insgesamt 38 Personen verhaftet worden. Berichte über Verhaftungen in anderen Bundesstaaten in Nord- und Südnigeria müssen erst bestätigt werden, allerdings erhielt die Hochkommissarin der UN für Menschenrechte bereits zahlreiche Berichte über die Verhaftung von LGBT (LGBT: lesbian, gay, bisexual, and transgender) in mehreren Staaten. Außerdem gab es Berichte zu physischen Übergriffen und anderen Formen der Drangsalierung - etwa Erpressung. Homosexuelle, Transvestiten und transsexuelle Personen können ihre sexuelle Orientierung nicht öffentlich ausleben und sind nach wie vor Diskriminierungen und Anfeindungen ausgesetzt. Homosexuelle versuchen auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen und weitverbreiteter Vorbehalte in der Bevölkerung, ihre sexuelle Orientierung zu verbergen. Homosexuelle werden auch von der nigerianischen Bevölkerung meist stigmatisiert. Darüber hinaus traten in letzter Zeit Fälle auf, in denen Homosexuelle von der Bevölkerung per Selbstjustiz verurteilt und verfolgt wurden. [...]

2.4.4. Demgemäß war das geltende Gesetz bereits 2014 in Kraft, sodass die Reise des Beschwerdeführers 2015 tatsächlich die vom BFA aufgezeigten Fragen aufwirft. (AS 153)

2.4.5 Der Beschwerdeführer hat den Herkunftsstaat im Herbst 2012 verlassen. Die Länderfeststellungen vom Oktober 2012 enthalten:

2.4.6 Homosexuelle

[...] § 214 des bundesstaatlichen "Criminal code" sieht vierzehn Jahre Haft für gleichgeschlechtliche Beziehungen vor. [...]

(ÖB Abuja: Asylländerbericht Nigeria, 11.2011)

Homosexuelle Handlungen jeglicher Art sind - unabhängig vom Geschlecht der betroffenen Personen - sowohl nach säkularem Recht (dreimonatige bis dreijährige Freiheitsstrafe gem. § 217 Criminal Code, bei vollzogenem Analverkehr Freiheitsstrafe von 14 Jahren gem. § 214 Criminal Code) als auch nach Scharia-Recht (Körperstrafen bis hin zum Tod durch Steinigung in besonderen Fällen) strafbar. [...] 2011 nahm der Senat eine weitere Verschärfung der Gesetze an. Danach könnte künftig bereits das Zusammenleben homosexueller Paare mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden. [...]

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Stand: April 2012, 6.5.2012)

Aufgrund weitverbreiteter sozialer Tabus gegen Homosexualität gaben nur sehr wenige Menschen ihre Orientierung offen bekannt. [...]

(U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2011 - Nigeria, 24.5.2012, http://www.ecoi.net/local_link/217663/338426_de.html, Zugriff 15.10.2012)

2.4.7 Repressive Maßnahmen gegen Homosexuelle existierten also bereits in den Ausreisejahren des Beschwerdeführers, 2012 und 2015, und zwar einschließlich strafrechtlicher Sanktionen von Haft bis zu 10 oder 14 Jahren. Auch der "SSMPA" war bereits 2011 geplant und Regierungsbeschluss. Die Angaben des Beschwerdeführers sind demnach wie das BFA festhält nicht nachvollziehbar. Es ist nicht zu sehen, worin die seit 2015 angeblich stattgefundene Verschärfung bestehen sollte, und noch weniger, wodurch die Situation des Beschwerdeführers als Heterosexueller, der sich - behaupteter Maßen - vor 8 Jahren karitativ im Homosexuelle kümmerte, eine schlechtere geworden hätte sein sollen (so sinngemäß auch das BFA, AS 153).

2.4.8 Dem BFA ist beizupflichten, dass der Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen konnte, und es unglaubhaft ist, dass ihm Gefahr wegen früheren Kontakts mit Homosexuellen drohe. (S. 15, 48 ff, AS 119, 152 ff) Wenn der Beschwerdeführer wie behauptet laufend mit Homosexuellen zu tun gehabt hatte, war ihm auch die Rechtslage ihrem Inhalt nach bekannt. Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer das Thema noch in der Einvernahme im Oktober 2018 unerwähnt ließ und angeblich erst danach anfing, "Leute anzurufen", die ihn gewarnt hätten (AS 75, 153). Wie das BFA kann das Verwaltungsgericht darum nicht feststellen, dass der Beschwerdeführer konkreter persönlicher Verfolgung ausgesetzt gewesen oder in Gefahr wäre, eine solche nach Rückkehr zu erleiden.

2.4.9 Betreffend die vom Beschwerdeführer als "nicht der Hauptgrund" angeführten Aktivitäten der Biafra-Bewegung (AS 75), die in der Beschwerde nicht erwähnt werden, war zu berücksichtigen, dass er politische Betätigung verneinte (AS 76) und keinerlei konkrete Rückkehrbefürchtung dazu äußerte. Vielmehr gab er an, dass die Bewegung sich vor zwei Jahren (2017) wieder zu erheben begonnen habe. Das Gericht bedenkt, dass der Beschwerdeführer demnach bereits in seiner Einvernahme am 25.10.2018 eventuelle Befürchtungen erwähnt hätte, was nicht der Fall war. Aus den Feststellungen ergibt sich, dass zwar Anfang 2019 ein Priester in XXXX verprügelt wurde, nicht hingegen freilich, dass die staatliche Gewalt gegen solche Angriffe keinen Schutz bieten könne oder wolle (auch nicht aus denen im Bescheid auf S. 17 f, AS 121 f). Daher hegt das Gericht keine Bedenken des Inhalts, dass dem Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung oder Gefahr seitens Biafra (IPOB) droht.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1 Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I):

3.1.1 Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der GFK droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Flüchtling im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen, oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

3.1.2 Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, er werde als vermeintlicher Homosexueller verfolgt werden, ist auf die Notwendigkeit zu verweisen, eine Verfolgung zumindest glaubhaft zu machen. Wie ausgeführt, ist das dem Beschwerdeführer nicht gelungen. Dies gilt auch für seine angedeutete Furcht wegen Aktivitäten der Biafra-Bewegung.

3.1.3 Im vorliegenden Fall liegt daher die Voraussetzung einer aktuellen Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund nicht vor. Daraus ergibt sich rechtlich gesehen, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat keine Verfolgung nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK droht, und daher der Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides zu bestätigen ist.

3.2 Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II):

3.2.1 Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser Antrag in Bezug auf den Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Nach § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 zu verbinden.

3.2.2 Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.

Dies gilt auch betreffend die festgestellte derzeitige Verbreitung des "Corona"-Virus, die kein derartiges Geschehen bildet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach erkannt, dass auch die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten kann, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet. Gleichzeitig wurde jedoch unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EGMR betont, dass eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen ist (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174 und VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443 mwH). Nach den Feststellungen zu Gesundheit und Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers und den Länderfeststellungen ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Lage geraten würde.

Das gilt auch dann, wenn eine Unterstützung durch Angehörige des Beschwerdeführers wider Erwarten unterbleibt, weil er arbeitsfähig ist, Igbo und Englisch spricht und auch bereits im Laden seiner Schwester sowie in Österreich beruflich tätig war.

Aufgrund all dessen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage gerät, sodass auch der Spruchteil II des angefochtenen Bescheides zu bestätigen war.

3.3 Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III):

Im Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheids sprach das BFA aus, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel "aus berücksichtigungswürdigen Gründen" gemäß "§ 57 AsylG" nicht erteilt werde. Damit war nach der Begründung (S. 54, AS 158) das in § 57 AsylG 2005 beschriebene Rechtsinstitut "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemeint. Dem war durch die Richtigstellung des Spruchs Rechnung zu tragen.

Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG 2005 wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Aus der Beschwerde und dem Verwaltungsakt ergeben sich auch keine Hinweise, die nahelegen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommt.

3.4 Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV):

Wenn ein Antrag auf internationalen Schutz sowohl betreffend den Status des Asyl-, als auch jenen des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, wie im bekämpften Bescheid geschehen, ist nach § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 in Verbindung mit § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG vorgesehen, dass das BFA eine Rückkehrentscheidung erlässt.

Das gilt nur dann nicht, wenn eine solche wegen eines Eingriffs in das Privat- oder Familienleben eines Fremden auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist. Zu entscheiden ist dabei nach einer individuellen Abwägung der berührten Interessen gegenüber den öffentlichen, ob ein Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig ist.

Im vorangegangenen Beschwerdeverfahren hat dieses Gericht bereits die Rückkehrentscheidung bestätigt und dazu ausgeführt:

"Der seit der Antragstellung am 08.02.2018 andauernde Aufenthalt des Beschwerdeführers beruhte seit dem Ablauf seines Aufenthaltstitels ?Studierender' am 04.10.2016 auf einer vorläufigen, nicht endgültig gesicherten rechtlichen Grundlage, weshalb dieser während der gesamten Dauer seines Verfahrens in Österreich nicht darauf vertrauen durfte, dass er sich in Österreich auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen kann.

Der Beschwerdeführer ist nach Österreich gekommen, um hier zu studieren; im Rahmen seiner universitären Tätigkeit hat er bis auf [die] Deutschprüfung Niveau B2 vom 18.01.2014 nicht den für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ?Studierender' vorausgesetzten Studienerfolg erzielt. Er ging zwar während seines Aufenthaltes in Österreich Beschäftigungen nach, dies allerdings nur in geringfügigem Ausmaß. Er führt auch keine Lebensgemeinschaft oder eine ?familienähnliche' Beziehung in Österreich. Gleichzeitig hat der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat, in dem er aufgewachsen ist und knapp den Großteil [ca. 80 %, Anm.] seines bisherigen Lebens verbracht hat, sprachliche und kulturelle Verbindungen und auch familiäre Anknüpfungspunkte."

Weder aus den Angaben des Beschwerdeführers noch aus den sonstigen Beweisergebnissen ist ersichtlich, dass sich daran in den seither vergangenen gut 14 Monaten Entscheidendes geändert hätte. Betreffend die nunmehrige Freundin ist das Aufnehmen der Beziehung und deren Fortführung während des unsicheren Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers und dann nach rechtskräftiger Abweisung von dessen Antrag auf einen Aufenthaltstitel zu berücksichtigen, also während dessen unberechtigten Aufenthalts bis zum (unbegründeten) Asylantrag.

Außer der kurzen Beziehungsdauer ist zur Person der Freundin noch zu bedenken, dass diese kraft ihrer Staatsangehörigkeit (und des für sie festgestellten Nichtvorliegens von Asyl- oder Gründen für subsidiären Schutz) jederzeit in den Herkunftsstaat des Beschwerdeführers reisen kann, sogar erleichtert durch die gemeinsame Volksgruppenzugehörigkeit.

Dem Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich stehen öffentliche Interessen gegenüber. Zuerst steht ihm das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel anwesend sind - gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz - auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden.

Mit Blick auf die Rechtsprechung vermag der - gegenüber der vorangegangenen Entscheidung dieses Gerichts - längere Aufenthalt dem Interesse am Verbleib des Beschwerdeführers kein entscheidendes Gewicht zu verleihen, weil Letzterer (spätestens) nach der abweisenden Entscheidung keine genügende Veranlassung hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt in Österreich auszugehen. Das trifft insbesondere auch auf den Teil des Aufenthalts zu, der sich auf den nicht berechtigten Asylantrag gründet. (VwGH 28.02.2019, Ro 2019/01/0003 mwN)

Es würde eine Benachteiligung jener Fremden gleichkommen, welche die Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen in Österreich beachten, wenn sich der Beschwerdeführer erfolgreich auf sein Privat- oder Familienleben berufen könnte, obwohl er seinen Aufenthalt lediglich durch Missachten der Ausreisepflicht und einen unbegründeten Asylantrag verlängert hat. In letzter Konsequenz würde ein solches Verhalten zu einer unsachlichen und damit verfassungswidrigen Differenzierung der Fremden untereinander führen.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden.

3.5 Zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt V)

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, die Festlegung eines solchen Staates wäre aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich.

Die Abschiebung in einen Staat ist nach § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention verletzt würden, oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat auch unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative.

§ 50 Abs. 3 FPG erklärt die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Nigeria einer realen Gefahr der Folter, der unmenschlichen Strafe oder Behandlung oder der Todesstrafe ausgesetzt wäre.

Es fehlt auch jedes Indiz dafür, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr durch einen innerstaatlichen oder zwischenstaatlichen Konflikt Gefahr laufen würde, beeinträchtigt oder gar getötet zu werden. Zudem liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und damit die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre. Das gilt auch, wenn eine Unterstützung durch Angehörige ausbleiben sollte.

Der Beschwerdeführer wird aufgrund seines Alters und seines Gesundheitszustandes in der Lage sein, in Nigeria zumindest notdürftig leben zu können. Er ist dort aufgewachsen, in die Schule und auf die Universität gegangen, spricht Igbo und Englisch und hat, weil er knapp 30 von rund 37 Lebensjahren dort verbracht hat und zumindest 2015 noch dort war, Erfahrungen mit der örtlichen Lebensweise. So kann er vorhandene Sozialkontakte zu Menschen nutzen, die im Herkunftsstaat leben, oder jedenfalls neue knüpfen, selbst wenn familiäre Unterstützung ausbleibt.

Die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz werden jedenfalls im konkreten Fall gedeckt werden können. Es genügt nicht für die Annahme, der Beschwerdeführer würde nach seiner Rückkehr keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können, dass er möglicherweise in Österreich wirtschaftlich besser leben kann als im Herkunftsland. Somit fehlen im vorliegenden Fall Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.

Zudem besteht in Nigeria keine so extreme Gefahrenlage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre.

Stichhaltige Gründe für die Annahme, dass in Nigeria das Leben des Beschwerdeführers oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, sind im Verfahren nicht hervorgekommen und wurden auch in der Beschwerde nicht neu behauptet.

Eine der Abschiebung nach Nigeria entgegenstehende Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte besteht nicht.

Daher erwiesen sich die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung als rechtmäßig und die Beschwerde daher insoweit als unbegründet.

3.6 Zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI):

Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe der Erlassung der Rückkehrentscheidung überwiegen.

Derartige Umstände wurden vom Beschwerdeführer nicht ins Treffen geführt und sind auch im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt daher - nach Wiederherstellung der Reisemöglichkeit in den Herkunftsstaat (vgl. zum Ausreisehindernis der Strafhaft VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237) - 14 Tage.

Die Beschwerde war daher auch betreffend den Spruchpunkt VI abzuweisen.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Glaubhaftmachung von Asylgründen, zur Behandlung gesteigerten Vorbringens und zur Relevanz des Privat- und Familienlebens und der Aufenthaltsdauer bei Rückkehrentscheidungen.

Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen kamen nicht hervor.

4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung relevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Außerdem muss die Verwaltungsbehörde ihre die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Gericht diese tragenden Erwägungen in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Die genannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der relevante Sachverhalt wurde durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist - aufgrund des Umstandes, dass zwischen Einbringung der Beschwerde und Entscheidung rund 3,5 Monate liegen - die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Gericht zur Gänze angeschlossen.

Das Gericht musste sich auch keinen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer verschaffen, da es sich um einen eindeutigen Fall in dem Sinne handelt, dass auch bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn der persönliche Eindruck ein positiver ist (vgl. VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0422 mwH).

Die Abhaltung einer Verhandlung konnte demnach unterbleiben.

Schlagworte

Abschiebung Asylantragstellung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel begründete Furcht vor Verfolgung berücksichtigungswürdige Gründe Fluchtgründe freiwillige Ausreise Frist Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit Interessenabwägung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen real risk reale Gefahr Rückkehrentscheidung subsidiärer Schutz Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I419.2213870.2.00

Im RIS seit

08.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

08.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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