TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/7 W154 2166401-1

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Veröffentlicht am 07.05.2020
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Entscheidungsdatum

07.05.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
Dublin III-VO Art28 Abs1
Dublin III-VO Art28 Abs2
FPG §76
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35

Spruch

W154 2166401-1/15E

Schriftliche Ausfertigung des am 07.08.2017 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Helga KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , alias: XXXX , alias: XXXX , StA: Nigeria, vertreten durch die DIAKONIE FLÜCHTLINGSDIENST GEN. GMBH, pA WATTGASSE 48, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.07.2017, Zl. 1111054803-170846306, und gegen die Anhaltung in Schubhaft seit 20.07.2017, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.08.2017, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG idgF iVm Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG idgF wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

III. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF) reiste unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und brachte am 09.04.2016 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) einen Antrag gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF (AsylG), ein.

Eine EURODAC-Abfrage ergab eine erkennungsdienstliche Behandlung des BF am 25.02.2016 in Augusta, Italien.

2. Im Rahmen der Erstbefragung am 10.04.2016 gab der BF im Wesentlichen an, dass er in Edo States, Nigeria, geboren sei. Er habe Nigeria am 27.08.2015 verlassen und sei über Niger und Libyen nach Italien gereist. Dort sei die Unterkunft, die man ihm zur Verfügung gestellt hätte, nicht gut gewesen, weshalb er weitergereist sei.

3. Aufgrund des EURODAC-Treffers zu Italien wurde am 02.05.2016 eine Anfrage gemäß Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), an Italien gestellt.

Am 28.06.2016 langte ein Schreiben der italienischen Behörden beim BFA ein, in welchem Italien seine Zustimmung zur Aufnahme des BF gemäß Art. 13 Abs. 1 der Dublin III-VO erklärte. Ferner übermittelten die Behörden dem BFA die Alias-Daten des BF, die dieser in Italien angegeben hatte.

4. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 15.10.2016, übernommen am 21.10.2016, den Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück und sprach aus, dass Italien für die Prüfung des Antrages des BF gemäß Art. 13 Abs. 1 der Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Die Außerlandesbringung des BF wurde gemäß § 61 Abs. 1 Bundesgesetz über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF (FPG), angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung des BF nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Gegen diesen Bescheid erhob der BF Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, die mit Erkenntnis vom 16.11.2016 als unbegründet abgewiesen wurde. Die zurückweisende Entscheidung erwuchs am 17.11.2016 in Rechtskraft.

5. Da der BF in weiterer Folge untertauchte und sein Aufenthaltsort nicht festgestellt hatte werden können, war eine Überstellung des BF nach Italien nicht möglich.

6. Am 16.12.2016 wurde gegen den BF ein Festnahmeauftrag erlassen, aufgrund dessen der BF am 19.07.2017 festgenommen und in das Polizeianhaltezentrum Eisenstadt eingeliefert wurde. Am 20.07.2017 fand vor dem BFA in Folge eine Einvernahme zur Prüfung von aufenthaltsbeendenden- und Sicherungsmaßnahmen statt, im Zuge derer der BF einen Asylfolgeantrag stellte.

7. Mit dem oben im Spruch angeführten Mandatsbescheid des BFA wurde über den BF gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 iVm § 76 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Die belangte Behörde stützte die Fluchtgefahr in ihrem Bescheid dabei auf § 76 Abs. 3 Z. 1 und 9 FPG.

8. Gegen den Bescheid, die Schubhaftanordnung sowie die fortdauernde Anhaltung in Schubhaft erhob der bevollmächtigte Rechtsvertreter des BF am 02.08.2017 Beschwerde. Dabei ging die Beschwerde von fehlender erheblicher Fluchtgefahr aus und rügte des Weiteren die Nichtanwendung eines gelinderen Mittels.

In der Beschwerde wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid zu beheben, die Anordnung der Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären und auszusprechen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung nicht vorlägen. Darüber hinaus wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung sowie Kosten- und Barauslagenersatz beantragt.

9. Am 03.08.2017 legte die belangte Behörde die Verwaltungsakten vor. Eine Stellungnahme zum Beschwerdevorbringen wurde nicht erstattet.

10. Mit Aktenvermerk vom 04.08.2017 wurde nach Prüfung der Voraussetzungen seitens des BFA festgestellt, dass gemäß § 12a Abs. 1 Z1 - 4 AsylG die Voraussetzungen für das Bestehen des faktischen Abschiebeschutzes nicht gegeben seien.

11. Das Bundesverwaltungsgericht führte im Schubhaftbeschwerdeverfahren am 07.08.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF im Beisein seines bevollmächtigten Rechtsvertreters teilnahmen. Die belangte Behörde nahm an der mündlichen Verhandlung nicht teil.

In der Verhandlung wurde im Wesentlichen auf den Aufenthalt des BF nach Abschluss seines negativen Asylverfahrens im November 2017 Bezug genommen. Dabei schilderte der BF, dass er selbständig ohne Reisedokument nach Italien weitergereist sei, da er nach dem (negativen) Abschluss seines Asylverfahrens keinen Schlafplatz mehr zur Verfügung gehabt habe, weil keiner seiner Freunde ihm einen angeboten habe. Er habe sich den gesamten November und Dezember 2016 in Rom/Italien aufgehalten. Dort habe er auf der Straße gelebt. Danach sei er nach Genua weitergereist, wo er eine Freundin getroffen habe, mit er nach Lyon/Frankreich gefahren sei. Sie sei seine Freundin geworden, mit der er auch zusammengelebt habe. Aufgrund seines illegalen Aufenthaltes in Frankreich habe er seine Freundin verlassen und nach Österreich zurückkehren wollen. Im Juli 2017 sei er über eine Internet-Mitfahrbörse mit einem Auto zuerst nach Rom und von dort nach Wien gefahren. Er sei deshalb nicht mit dem Zug gefahren, weil er befürchtet habe, dass man ihm an der Grenze die Einreise nach Österreich verwehren könnte. Am 17. 07.2017 sei er dann in Wien angekommen. Die Frage, warum er in Italien nicht um Asyl angesucht habe, obwohl Italien für sein Asylverfahren zuständig sei, beantwortete der BF dahingehend, dass ihm ein Mann gesagt habe, dass er dort keine Chance habe. Hinsichtlich seiner bereits organisierten Überstellung nach Italien am 24.08.2017 äußerte sich der BF dahingehend, sich diesbezüglich kooperativ zu zeigen. Des Weiteren gab der BF an, in Österreich keine Verwandten, jedoch einen guten, in Folge namentlich genannten Freund im Burgenland zu haben, bei dem er nach seiner Rückkehr nach Österreich auch übernachtet habe. Dieser gehöre derselben Ethnie an wie er selbst und spreche dieselbe Muttersprache. Der Mann sei verheiratet, habe 3 Kinder und wohne in einem näher genannten Ort im Burgenland. Der BF habe ihn seinerzeit beim Verkaufen der Straßenzeitung "Augustin" kennengelernt. Im Zuge der Befragung schrieb der BF den Namen des genannten Freundes nieder, wobei der Familienname des Freundes von dem in der Beschwerde genannten Namen abwich. Die in der mündlichen Verhandlung angegebene Telefonnummer war mit der in der Beschwerde genannten identisch. Hinsichtlich vorhandener Barmittel gab der BF an, über ? 102.- zu verfügen. Nach einer möglichen Freilassung aus der Schubhaft würde er sich zu seinem Freund im Burgenland begeben, bei dem er zwecks möglicher Kontrollen durch die Polizei auch anwesend sein wolle.

Im Anschluss an die mündliche Verhandlung erfolgte die mündliche Verkündung des Erkenntnisses.

11. Mit Schreiben vom 09.08.2017 beantragte der bevollmächtigte Vertreter des BF die schriftliche Ausfertigung des am 07.08.2017 mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF behauptet, Staatsangehöriger von Nigeria zu sein. Seine Identität steht nicht fest. In Italien ist der BF mit unterschiedlichen Geburtsdaten in Erscheinung getreten.

Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.

Der BF verfügt gegenwärtig über keinen Reisepass oder sonstige identitätsbezeugende Dokumente.

Der BF stellte in Österreich am 09.04.2016 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 15.10.2016, übernommen am 21.10.2016, den Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück und sprach aus, dass Italien für die Prüfung des Antrages des BF gemäß Art. 13 Abs. 1 der Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Die Außerlandesbringung des BF wurde gemäß § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung des BF nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Gegen diesen Bescheid erhob der BF Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, die mit Erkenntnis vom 16.11.2016 als unbegründet abgewiesen wurde. Die zurückweisende Entscheidung erwuchs am 17.11.2016 in Rechtskraft.

Der BF reiste nach Abschluss seines Asylverfahrens ohne ein gültiges Reisedokument selbständig nach Italien aus. In Folge reiste er von Italien nach Frankreich und danach wiederum nach Italien zurück.

In Folge reiste der BF neuerlich illegal in das Bundesgebiet der Republik Österreich ein und wurde am 19.07.2017 auf Grundlage eines Festnahmeauftrages vom 16.12.2016 festgenommen und ins Polizeianhaltezentrum Eisenstadt eingeliefert.

Im Zuge der Einvernahme vom 20.07.2017 stellte der BF einen Asylfolgeantrag. Ein Konsultationsverfahren mit Italien hat ergeben, dass Italien der Übernahme des BF zugestimmt hat. Gemäß § 12a AsylG kommt dem Folgeantrag des BF kein faktischer Abschiebeschutz zu. Die Abschiebung des BF nach Italien ist durchführbar.

Die Überstellung des BF nach Italien ist für den 24.08.2017 organisiert.

Mit dem oben im Spruch angeführten Mandatsbescheid des BFA wurde über den BF gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 iVm § 76 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Der BF befindet sich seit 20.07.2017 fortlaufend in Schubhaft. Diese wird derzeit im Polizeianhaltezentrum Eisenstadt vollzogen. Der BF ist haftfähig.

Der BF hat sich mehrfach in unterschiedlichen Mitgliedsstaaten aufgehalten.

Der BF verfügt in Österreich über keinerlei familiäre Bindungen, über keine gesicherte Unterkunft und wies keine hinreichenden finanziellen Mittel zur Sicherung seines Lebensunterhaltes vor. Er geht keiner legalen Erwerbstätigkeit nach. Es ist zu erwarten, dass eine Entlassung dazu benützt werden würde, unterzutauchen und im Verborgenen den Aufenthalt fortzusetzen bzw. sich der Ausweisung zu entziehen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Zum Sachverhalt:

Der oben festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens, der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 07.08.2017 sowie den Auszügen aus der Anhaltedatei- Vollzugsverwaltung sowie dem Betreuungsinformationssystem.

Zum Entscheidungszeitpunkt bestehen keine Hinweise darauf, dass die Überstellung des BF nach Italien nicht zum angegebenen Zeitpunkt durchgeführt werden könnte.

Hinsichtlich der Hafttauglichkeit stützt sich die Feststellung auf die Tatsache, dass bis zum Entscheidungszeitpunkt keine gegenteiligen Informationen an das Gericht ergangen sind und es im Rahmen des Verfahrens auch keine Anhaltspunkte für gesundheitliche Beschwerden des BF gab.

Die Feststellung zur ungeklärten Identität des BF ergibt sich daraus, dass der BF keinen Reisepass bzw. andere identitätsbezeugende Dokumente vorlegen konnte.

Die Feststellungen zu den persönlichen Lebensumständen des BF in Österreich (fehlende Verankerung, Fehlen einer steten Unterkunft, Mittellosigkeit, fehlende legale Erwerbstätigkeit) beruhen auf den Angaben des BF vor der belangten Behörde und den entsprechenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid. Der BF ist diesen Feststellungen weder in der Einvernahme am 09.05.2017 noch in der Beschwerde oder der mündlichen Verhandlung vom 07.08.2017 substantiiert entgegengetreten.

Die erhebliche Fluchtgefahr des BF wird auch dadurch untermauert, dass der BF zum einen über keinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich verfügt. Zum anderen tauchte der BF bereits nach Abschluss seines ersten Asylverfahrens unter und begab sich ohne entsprechende Reisedokumente selbständig nach Italien, reiste von dort nach Frankreich weiter, kehrte nach Italien zurück und reiste abermals illegal in Österreich ein. Bei seiner Wiedereinreise nach Österreich benützte der BF bewusst nicht den Zug, sondern einen PKW, um nicht - wie er explizit in der Verhandlung vom 07.08.2017 angegeben hat - durch eine Polizeikontrolle an der Einreise nach Österreich gehindert zu werden. Der BF konnte betreffend seine Identität der Behörde keine Personaldokumente oder identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen und hat darüber hinaus - wie sich aus dem Verfahrensakt ergibt - durch Verwendung verschiedener Geburtsdaten die Behörden zu täuschen versucht.

Es besteht aus dem bisherigen Verhalten des BF heraus die begründete Annahme, dass er, auf freiem Fuß belassen, sich einer Überstellung nach Italien zu entziehen versuchen wird, sodass die getroffene Maßnahme als erforderlich anzusehen ist, hätte der BF schon bereits einmal nach Italien überstellt werden sollen und hat sich dieser durch Untertauchen entzogen und ist vielmehr neuerlich illegal nach Österreich eingereist, obwohl ihm der negative Ausgang seines ersten Asylverfahrens bekannt war.

Dass der BF nicht gewillt ist, sich der österreichischen Rechtsordnung zu unterwerfen, zeigt sich auch daran, dass der BF nicht nur nicht bereit war, nach negativem Abschluss seines ersten Asylverfahrens Österreich legal zu verlassen, hat er darüber hinaus durch illegale Wiedereinreise nach Österreich abermals die österreichische Rechtsordnung missachtet.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zu Spruchpunkt I. ( Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft):

3.1.1. Gesetzliche Grundlage:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß §§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

Die Dublin III-VO trat mit am 19. Juli 2013 in Kraft und ist gemäß Art. 49 leg.cit. auf alle Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem 1. Jänner 2014 gestellt werden und gilt ab diesem Zeitpunkt für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern. Im - gegenüber der Dublin II-VO neuen - Art. 28 Dublin III-VO ist die Inhaftnahme zum Zwecke der Überstellung im Dublin-Verfahren geregelt. Allfällige entgegenstehende Bestimmungen des nationalen Fremdenrechts sind, sofern keine verordnungskonforme Interpretation möglich ist, demgegenüber unanwendbar. Solange die Dublin III-VO gegenüber einem Drittstaatsangehörigen angewendet wird, darf Administrativhaft zur Sicherung deren Vollzugs nur nach Art. 28 leg.cit. verhängt werden und nicht etwa nach anderen Bestimmungen des nationalen Rechts, da sonst der Schutzzweck der gegenständlichen Regelung vereitelt wäre (Filzwieser/Sprung, Die Dublin III-Verordnung, 223 [in Druck]).

Gemäß Art. 28 Dublin III-VO dürfen die Mitgliedstaaten zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, die Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Die Haft hat so kurz wie möglich zu sein und nicht länger zu sein, als bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen, bis die Überstellung gemäß dieser Verordnung durchgeführt wird. Die Frist für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs darf, wenn der Asylwerber in Haft ist, einen Monat ab der Stellung des Antrags nicht überschreiten. Der Mitgliedstaat, der das Dublin-Verfahren führt, ersucht in diesen Fällen um eine dringende Antwort, die spätestens zwei Wochen nach Eingang des Gesuchs erfolgen muss. Die Überstellung aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt, sobald diese praktisch durchführbar ist, spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme oder von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung mehr hat. Hält der ersuchende Mitgliedstaat die Fristen nicht ein oder findet die Überstellung nicht innerhalb des Zeitraums von sechs Wochen statt, wird die Person nicht länger in Haft gehalten.

"Fluchtgefahr" definiert Art. 2 lit. n Dublin III-VO als das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte.

Zwar dürfen die Mitgliedstaaten die zum Vollzug von EU-Verordnungen erforderlichen innerstaatlichen Organisations- und Verfahrensvorschriften bereitstellen. Um der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts willen ist jedoch der Rückgriff auf innerstaatliche Rechtsvorschriften nur in dem zum Vollzug der Verordnung notwendigen Umfang zulässig. Den Mitgliedstaaten ist es in Bezug auf Verordnungen des Unionsrechts verwehrt, Maßnahmen zu ergreifen, die eine Änderung ihrer Tragweite oder eine Ergänzung ihrer Vorschriften zum Inhalt haben. Es besteht ein prinzipielles unionsrechtliches Verbot der Präzisierung von EU-Verordnungen durch verbindliches innerstaatliches Recht. Eine Ausnahme von diesem Verbot besteht nur dort, wo von der Verordnung eine nähere Konkretisierung selbst verlangt wird (Öhlinger/Potatcs, Gemeinschaftsrecht und staatliches Recht³, 2006,138 f.).

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Zur Judikatur:

3.1.2. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, "dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig"(VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527). Bereits im Erkenntnis des VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595, wurde dazu klargestellt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zu kommt, "weshalb ohne besondere Anhaltspunkte für eine absehbare Änderung der Einstellung des Fremden die Haft nicht allein im Hinblick darauf aufrechterhalten werden darf, diese 'Einstellungsänderung' durch Haftdauer zu erwirken. (Hier: Der Fremde hatte, nachdem er nach zwei Monaten nicht aus der Schubhaft entlassen worden war, seine vorgetäuschte Mitwirkungsbereitschaft aufgegeben und zu erkennen gegeben, dass er nicht in den Kamerun zurückkehren wolle und auch nicht an einer Identitätsfestellung mitwirken werde. Die mangelnde Kooperation des Fremden gipfelte schließlich in der Verweigerung jeglicher Angaben. Die belangte Behörde hat in Folge bis zu einem neuerlichen Einvernahmeversuch zugewartet ohne zwischenzeitig auf Basis der vorhandenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von Kamerun heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen. In diesem Verhalten der belangten Behörde ist eine unangemessne Verzögerung zu erblicken)." (VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595; vgl. dazu etwa auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Eine erhebliche Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes, selbst wenn daraus keine Haftunfähigkeit resultiert, kann im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zum Ergebnis führen, dass unter Berücksichtigung des gesundheitlichen Zustandes des Fremden und der bisherigen Dauer der Schubhaft die Anwendung gelinderer Mittel ausreichend gewesen wäre (im Zusammenhang mit behaupteter Haftunfähigkeit wegen psychischer Beschwerden vgl. VwGH 05.07.2012, Zl. 2012/21/0034; VwGH 19.04.2012, Zl. 2011/21/0123; VwGH 29.02.2012, Zl. 2011/21/0066). Der Krankheit eines gemeinsam geflüchteten Familienmitglieds kann insofern Bedeutung zukommen, als eine sich aus der Erkrankung ergebende Betreuungsbedürftigkeit auch die Mobilität der übrigen Familienmitglieder einschränken und damit die Gefahr eines Untertauchens in die Illegalität vermindern könnte (vgl. VwGH vom 28.02.2008; Zl. 2007/21/0391).

In seiner Judikatur zu § 77 FPG 2005 ging der Verwaltungsgerichtshof bisher davon aus, dass der UVS als Beschwerdeinstanz im Schubhaftbeschwerdeverfahren nach der Bejahung eines Sicherungsbedarfs bei seiner Entscheidung zwar die Möglichkeit der Anwendung gelinderer Mittel gemäß § 77 FPG 2005 an Stelle der Schubhaft im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen hat, diesem allerdings keine Zuständigkeit zur Entscheidung darüber, welches der im § 77 Abs. 3 FPG 2005 demonstrativ aufgezählten gelinderen Mittel anzuwenden wäre, zukommt. Deren Auswahl blieb vielmehr der Fremdenpolizeibehörde vorbehalten (vgl. VwGH 20.10.2011, Zl. 2010/21/0140; VwGH 28.05.2008, Zl. 2007/21/0246). Es liegen keine Anhaltspunkte vor, die einer Übertragung dieser Judikatur hinsichtlich des mit Ausnahme der neuen Absätze 8 und 9 weitgehend unveränderten § 77 FPG auf das seit 01.01.2014 anstelle des UVS zuständige Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich entgegenstehen würden.

3.1.3. Im vorliegenden Fall geht das Gericht von erheblicher Fluchtgefahr im Sinne von Artikel 28 Dublin - III - Verordnung aus. Das Verfahren hat nicht ergeben, dass der BF im Rahmen einer Freilassung in Österreich nicht einen Aufenthalt im Verborgenen wählen würde, zumal der BF bereits nach Abschluss seines ersten Asylverfahrens wegen unbekannten Aufenthaltes nicht nach Italien überstellt werden konnte. Vielmehr ist er nach seinem Aufenthalt in Italien nach Frankreich weitergereist und ist nach der Rückreise nach Italien abermals illegal nach Österreich eingereist, obwohl ihm der negative Ausgang seines ersten Asylverfahrens bekannt war und er davon Kenntnis hatte, dass Italien zur Führung seines Asylverfahrens zuständig ist.

Die Behörde ist daher zu Recht vom Bestehen eines erheblichen Sicherungsbedarfes ausgegangen.

3.1.4. Darüber hinaus ist die Verhältnismäßigkeit der Inschubhaftnahme nach Ansicht des -erkennenden Gerichtes ebenso gegeben. Betrachtet man die familiären und sozialen Verhältnisse des BF, so zeigt sich, dass hier bisher keine konkret schützenswerten Anknüpfungspunkte entstanden sind. Dies hat der BF selbst explizit zum Ausdruck gebracht. Der BF verfügt in Österreich auch über keine geeigneten Unterkunft- und Einkommensmöglichkeiten, weshalb in Hinblick darauf und auf das bisherige Verhalten des BF im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit somit den öffentlichen Interessen an der Einhaltung der Rechtsordnung gegenüber den privaten Interessen des BF der Vorrang einzuräumen ist.

3.1.5. Eine Verhängung eines gelinderen Mittels wurde zu Recht ausgeschlossen. Der BF verfügt nicht über wesentliche Vermögensmittel, weshalb eine Sicherheitsleistung nicht in Frage kommt. Da aufgrund des bisherigen - oben geschilderten - Verhaltens des BF ein beträchtliches Risiko des Untertauchens besteht, würde die Verhängung eines gelinderen Mittels im Sinne einer konkreten Zuweisung einer Unterkunft und/oder einer Meldeverpflichtung nach Ansicht des Gerichtes nicht zu einer Sicherung der Abschiebung führen, hat der BF doch explizit zum Ausdruck gebracht, aufgrund von Chancenlosigkeit in Hinblick auf sein Asylverfahren Italien mehrfach verlassen zu haben, womit daher der Sicherungszweck dieser gelinderen Mittel vereitelt würde. Aus diesem Grund konnte auch von der Einvernahme der in der Beschwerde genannten Person als Zeuge Abstand genommen werden.

3.1.6. Die gegenständlich angeordnete Schubhaft erweist sich daher auch als "ultima ratio" und wird die Schubhaft auch weiterzuführen sein. Auf Grund des vorher Ausgeführten ergibt sich, dass sowohl Sicherungsbedarf, als auch Verhältnismäßigkeit gegeben ist und die Anwendung eines gelinderen Mittels nicht erfolgversprechend zu beurteilen war. In diesem Sinne ist auch das Kriterium der "ultima ratio" im vorliegenden Schubhaftverfahren gegeben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft):

Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Da die BF aktuell in Schubhaft angehalten wird, war auch über die Fortsetzung der Schubhaft innerhalb einer Woche abzusprechen.

Die soeben angeführten Erwägungen haben in inhaltlicher Hinsicht aufgrund ihrer Aktualität und ihres Zukunftsbezuges - es sind keine die Frage der Rechtmäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft ändernden Umstände erkennbar - auch den Ausspruch der Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft zur Folge, zumal mit der Abschiebung des BF auch zeitnah - die Überstellung des BF ist für den 24.08.2017 organisiert - zu rechnen ist.

Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

3.3. Zu Spruchpunkt III. (Kostenbegehren):

Gemäß § 35 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

Da die Verwaltungsbehörde vollständig obsiegte, steht dem BF nach der angeführten Bestimmung der Ersatz seiner Aufwendungen nicht zu.

Zu Spruchpunkt B) (Un)zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie der oben dargelegten rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt A) zu entnehmen ist, warf die Tatsachenlastigkeit des gegenständlichen Falles keine Auslegungsprobleme der anzuwendenden Normen auf, schon gar nicht waren Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Außerlandesbringung Fluchtgefahr Identität Mittellosigkeit öffentliche Interessen Schubhaft Sicherungsbedarf Untertauchen Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W154.2166401.1.00

Im RIS seit

08.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

08.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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