TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/3 W116 2222856-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.06.2020
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Entscheidungsdatum

03.06.2020

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §75 Abs24
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W116 2222856-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Mario DRAGONI als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.07.2019, Zl. 1207111503-190411002, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsbürger, Araber und sunnitischer Moslem, stellte nach illegaler Einreise am 23.04.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Im Zuge der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung gab er im Wesentlichen an, dass er am 23.07.2018 illegal von Syrien in die Türkei ausgereist sei, wo er sich in Istanbul niedergelassen und als Kleidungsverkäufer gearbeitet habe. Am 13.04.2019 sei er schlepperunterstützt aus der Türkei über ihm unbekannte Länder bis nach Österreich gereist. Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, dass er in einer Hilfsorganisation gearbeitet habe und in Ortschaften, die nicht unter Kontrolle des syrischen Regimes gewesen seien, Essen verteilt habe. Daher sei er vom Regime bedroht worden. Außerdem werde er auch bedroht, weil seine Söhne dem Einberufungsbefehl nicht nachgekommen und geflohen seien. In Daraa habe es sehr schlimme Angriffe gegeben und es sei sehr gefährlich gewesen. Seine Frau und seine Kinder seien bereits im Mai 2017 aus ihrer Heimat geflohen. Seine Familie habe legal ausreisen können, er jedoch nicht. Deshalb habe er noch in der Heimat verbleiben müssen. Davon abgesehen habe er keine weiteren Gründe einer Asylantragstellung. Im Falle einer Rückkehr in seine Heimat fürchte er, dass er eingesperrt werde. Es drohe ihm eine Strafe, da es Bilder von ihm in der Menschenrechtsorganisation gebe und seine Kinder sich der Einberufung entzogen hätten.

1.2. Am 13.06.2019 wurde der Beschwerdeführer von einem Organ des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl zu seinem Asylantrag niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, dass seine Eltern verstorben seien, drei Brüder in Jordanien, ein Bruder in Dubai, fünf Schwestern in Syrien, eine Schwester in Jordanien sowie seine Tochter in Syrien leben würden. Außerdem habe er in Syrien einen Onkel väterlicherseits, zu dem er keinen Kontakt habe. Seine Ehefrau und drei seiner Söhne würden sich in Österreich befinden, ein weiterer Sohn in Deutschland. Er habe im Jahr 1992 in Syrien sowohl traditionell als auch standesamtlich geheiratet und habe insgesamt fünf Kinder. Zuletzt habe er in der Ortschaft XXXX /Daraa gelebt, die ca. 25 km von der Stadt Daraa entfernt sei. Er sei ausschließlich in Syrien aufhältig gewesen, habe dort neun Jahre lang die Schule besucht und habe bis zum Ausbruch des Krieges 10 bis 15 Jahre als Kleinlastwagenfahrer gearbeitet. Nach Kriegsbeginn habe er bis zu seiner Ausreise bei Hilfsorganisationen mitgearbeitet und Hilfsgüter an Bedürftige verteilt. Am 15.07.2018 habe er Daraa verlassen und sei zunächst in den Norden Syriens gereist, wo er eine Woche verbracht habe. Dann sei er in die Türkei geschleppt worden, wo er sich sieben bis acht Monate aufgehalten habe, bevor er am 19.04.2019 oder 20.04.2019 nach Österreich gekommen sei.

Zu seinen Fluchtgründen gab er im Wesentlichen an, dass er in Gebieten gelebt habe, die außerhalb der Kontrolle des Regimes gelegen seien. Im Jahr 2014 sei sein Haus bombardiert worden, wobei einer seiner Brüder gestorben sei. Er habe danach nach XXXX ziehen müssen, weil Kämpfe in deren Gebiet ausgebrochen seien. Im Jahr 2015 sei sein Sohn in einem Alter gewesen, in dem er zum Wehrdienst einrücken habe müssen. Dieser habe sich damals entschlossen auszureisen, damit er nicht gezwungen werde, sich einer Konfliktpartei anzuschließen. Er habe seinen jüngeren Bruder mitgenommen, sie seien ins Ausland gegangen und bis nach Österreich geschleppt worden. Im Jahr 2013 habe er begonnen, für Hilfsorganisationen zu arbeiten. Er sei in der Gegend als einer, welcher bei Hilfsorganisationen arbeite und Hilfsgüter wie Heizmittel oder Lebensmittel verteile, bekannt geworden. Für das Regime würden diese Tätigkeit sowie die Fahnenflucht seines Sohnes als Verbrechen gelten. Deshalb habe er Angst gehabt, dass er verhaftet werde oder dass man ihn verschwinden lasse oder ihn töte. Anfang Juli 2018 habe das Regime viele befreite Gebiete in der Provinz Daraa eingenommen. Er sei gezwungen worden, in den Norden Syriens zu flüchten. Von dort sei er in die Türkei gereist, wo er ca. acht Monate verbracht habe. Dann habe er sich entschieden, seiner Familie nach Österreich zu folgen. Er habe Kontakt zu einem Schlepper in Istanbul aufgenommen, welcher ihn innerhalb von acht Tagen nach Österreich gebracht habe. Er sei mittels verschiedener Transportmittel durch verschiedene Länder gereist, bis er in Österreich angekommen sei.

Ein weiterer Grund für seine Ausreise sei, dass seine Familie in Österreich und er ganz alleine in Syrien gewesen sei. Er habe nicht mit seiner Ehefrau gemeinsam einreisen können, weil er zu der österreichischen Vertretung im Libanon hätte gehen müssen. Dazu hätte er durch Gebiete des Regimes reisen müssen. Seine Frau habe in den Libanon gehen können, weil sie nicht vom Regime gesucht worden sei.

Ergänzend gab er an, dass er für zwei Hilfsorganisationen gearbeitet habe. Von 2015 bis zu seinem Weggang aus Daraa habe er für die Organisation "Alayadi Albayda", übersetzt "die weißen Hände", gearbeitet und von 2013 bis 2015 für eine Organisation, die "Ata Lialigatha Wa Atanmia", übersetzt "Gabe für Hilfe und Entwicklung", geheißen habe. Die letztere Organisation heiße mittlerweile "Ata Alinsania", übersetzt "Menschlichkeit". Zudem habe er am Handy Fotos, die zeigen würden, wie er Hilfsgüter verteile. Diese Fotos habe er zufälligerweise noch finden können, da er alle Daten auf seinem Handy aus Angst, auf seiner Flucht in den Norden Syriens erwischt zu werden, gelöscht habe. Es habe sich hierbei um syrische Organisationen gehandelt, die von der Türkei aus geführt worden seien. Seine Aufgabe habe darin bestanden, die Hilfsgüter, die er bekommen habe, an bedürftige Familien zu verteilen. In diesem Zusammenhang meinte der Beschwerdeführer, dass er auch Telefonnummern von Personen habe, mit denen er bei den Hilfsorganisationen gearbeitet habe.

Er sei nicht persönlich bedroht oder angegriffen worden, aber er habe Informationen darüber erhalten, dass er vom Regime gesucht werden würde. Diese Informationen habe er von Personen, die in seiner Ortschaft gewesen seien. Manche von diesen hätten in Gebiete des syrischen Regimes gehen können und seien danach gefragt worden, wo er, der Beschwerdeführer, sei. Des Weiteren habe er keine Probleme mit den Behörden seines Herkunftsstaates gehabt und sei nicht strafrechtlich verurteilt worden. Er sei nicht politisch aktiv gewesen, aber er habe in Syrien vor Kriegsbeginn an Demonstrationen teilgenommen. Wegen seiner Religion oder Volksgruppenzugehörigkeit sei er nicht persönlich bedroht worden. In Österreich sei er kein Mitglied in einem Verein oder einer Organisation. Im Fall einer Rückkehr nach Syrien befürchte er, dass er verhaftet werde oder man ihn verschwinden lassen oder hinrichten würde, wenn er in Gebieten zurückkehre, die unter der Kontrolle des Regimes seien.

In Österreich lebe er gemeinsam mit seiner Gattin und seinen Kindern. Eines seiner Kinder arbeite, die anderen beiden würden die Schule und seine Gattin einen Deutschkurs besuchen. Er verbringe die meiste Zeit zu Hause, da er noch keine Kurse habe. Zuerst möchte er die Sprache lernen und wenn sich die Gelegenheit ergeben werde, arbeiten.

Der Beschwerdeführer legte zu Beginn seiner Einvernahme einen syrischen Personalausweis und einen Auszug aus dem Familienbuch in arabischer und deutscher Sprache vor. Am Ende der Einvernahme wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, die Eheurkunde, den Ehevertrag, die Fotos und eine Liste mit Namen und Telefonnummern jener Personen, die seine Tätigkeit bei der Hilfsorganisation bestätigen könnten, nachzureichen.

1.3. Am Tag seiner Einvernahme übermittelte der Beschwerdeführer per E-Mail die angeforderten Fotos und die Kontaktdaten der Hilfsorganisation, in der er tätig gewesen sei.

1.4. In weiterer Folge legte der Beschwerdeführer dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl folgende weitere Unterlagen vor: einen Einreiseantrag, den der Beschwerdeführer bei der österreichischen Vertretungsbehörde in Istanbul stellte, die Heiratsurkunde, eine Kopie seines Reisepasses, seine Geburtsurkunde samt beglaubigter Übersetzung und einen Auszug aus dem Familienstandsregister samt beglaubigter Übersetzung. Betreffend seinen Sohn legte er eine Schulnachricht, ein Jahreszeugnis, eine edu-card sowie eine Kopie des Reisepasses vor.

2. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl:

2.1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.07.2019, zugestellt durch Hinterlegung am 07.08.2019, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 26.07.2020 erteilt (Spruchpunkt III.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Syrien, stellte die Identität des Beschwerdeführers fest und begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer kein fundiertes und substantiiertes Fluchtvorbringen darlegen habe können. Er habe zwar seine Tätigkeit bei der Hilfsorganisation "Beyaz Eller" glaubhaft darstellen können, jedoch sei nicht ersichtlich, warum er vom syrischen Regime aufgrund dieser Tätigkeit verfolgt werden würde. Die diesbezüglich vorgelegten Fotos seien aus den Jahren 2015 und 2016 und auch im Internet zu finden. Er sei für das syrische Regime jederzeit greifbar gewesen, zumal seine Tätigkeit nicht im Verborgenen erfolgt sei. Zudem erlaube die syrische Regierung der Hilfsorganisation im gesamten syrischen Gebiet Außenstellen, welche auch in vom syrischen Regime besetzten Gebieten agieren würden. Ferner seien keine Übergriffe der syrischen Armee auf die Hilfsorganisation gemeldet worden. Wäre er tatsächlich aufgrund seiner Tätigkeit vom syrischen Regime verfolgt worden, wäre er bereits seit 2015 Bedrohungen ausgesetzt gewesen. Er habe sich jedoch bis Juli 2018 unbehelligt in Daraa bewegen und aufhalten können.

Des Weiteren führte die belangte Behörde zu dem Fluchtvorbringen betreffend die Wehrdienstverweigerung der beiden Söhne des Beschwerdeführers aus, dass der Beschwerdeführer bei einer Bedrohung mit maßgeblicher Intensität bereits mit seiner Gattin im Mai 2018 das Land hätte verlassen können. Er habe zwar angegeben, dass die Reise in den Libanon für ihn zu gefährlich gewesen sei, jedoch sei es von Daraa in den Libanon kürzer und weniger gefährlich als die Flucht über die türkische Grenze. Zudem hätten seine Gattin und sein minderjähriger Sohn keine Probleme während der Ausreise gehabt, obwohl diese ebenso wie der Beschwerdeführer zur Familie zählen würden. Eine Gruppenverfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Familie von Wehrdienstverweigerern könne demnach nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer habe nach der Einreise in die Türkei einen Einreiseantrag mit Bezug auf das Verfahren seines Sohnes gestellt. Dieser sei vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit der Begründung abgewiesen worden, dass sein Sohn bereits volljährig und ein Familienverfahren nicht mehr möglich gewesen sei. Der Beschwerdeführer hätte von der Türkei aus auch einen Antrag auf Familienzusammenführung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz stellen können, habe jedoch eine illegale Einreise in das Bundesgebiet einer legalen Einreise vorgezogen.

Der Beschwerdeführer habe sich lediglich auf eine allgemeine, mit dem Bürgerkrieg einhergehende Gefährdung und nicht auf eine gegen ihn selbst konkret gerichtete Verfolgungshandlung bezogen, wobei die belangte Behörde die schlechte Sicherheitslage in der Region Daraa nicht verkannt habe.

2.2. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG vom 29.07.2019 wurde dem Beschwerdeführer die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

2.3. Gegen Spruchpunkt I. des oben genannten Bescheides brachte der Beschwerdeführer über seine gesetzliche Vertretung am 22.08.2019 rechtzeitig eine Beschwerde beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein. Darin wird im Wesentlichen inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht. Nach Wiedergabe des Sachverhalts wurde in der Beschwerdebegründung zunächst die Feststellung, dass die Tätigkeit von Hilfsorganisationen vom syrischen Regime toleriert werde, bekämpft. Dieser Behauptung fehle jede Grundlage und es sei wohl davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer besser informiert sei. Ferner fehle der Feststellung, dass der Beschwerdeführer aufgrund der Wehrdienstverweigerung seiner Söhne nicht bedroht werde, jede Grundlage. Es sei davon auszugehen, dass die Glaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers dafür spreche, dass er gemeinsam mit seiner Familie geflüchtet wäre, wenn dies legal möglich gewesen wäre. Der Beschwerdeführer werde aufgrund seiner politischen Ansichten bzw. seiner oppositionellen Haltung gegenüber dem Regime verfolgt und dies stelle einen Asylgrund entsprechend der Genfer Flüchtlingskonvention dar. Der Beschwerdeführer stelle daher unter anderem den Antrag auf Asylgewährung.

3. Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:

3.1. Die gegenständliche Beschwerde wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl samt dem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht am 23.08.2019 zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

Auf Grundlage des Antrages auf internationalen Schutz, der Einvernahmen des Beschwerdeführers durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Zuge seiner Erstbefragung sowie durch die Organe des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu gegenständlichem Asylantrag, der vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente, der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Syrien, Araber und sunnitischer Moslem. Er ist in Daraa, im Süden Syriens, geboren und wohnte dort bis zu seiner Ausreise. Er besuchte neun Jahre lang die Schule und arbeitete bis zum Kriegsbeginn jahrelang als Kleinlastwagenfahrer. Nach Ausbruch des Krieges war er bis zu seiner Ausreise für Hilfsorganisationen tätig, wobei er Hilfsgüter an Bedürftige verteilte.

Er hat drei Brüder, die in Jordanien leben, einen Bruder, der in Dubai aufhältig ist, und sechs Schwestern, wovon eine in Jordanien und die restlichen in Syrien wohnen. Er ist seit dem Jahr 1992 verheiratet und hat fünf Kinder. In Österreich lebt der Beschwerdeführer mit seiner Ehefrau und drei seiner Söhne. Ein weiterer Sohn befindet sich in Deutschland und seine Tochter ist in Syrien zurückgeblieben. In Syrien hat der Beschwerdeführer noch einen Onkel väterlicherseits, zu dem er keinen Kontakt pflegt.

Sein ältester und sein drittältester Sohn verließen Syrien Anfang Mai 2015 illegal in Richtung Türkei und reisten nach Österreich ein. Seine Ehefrau und sein jüngster, minderjähriger Sohn verließen Syrien im Mai 2018 über die Grenze zum Libanon und gelangten nach Österreich. Daraa war ein von Regierungstruppen und Rebellenmilizen umkämpftes Gebiet im Süden Syriens. Im Juli 2018 gaben die in der Stadt verbliebenen Rebellen Daraa auf und die syrische Armee marschierte ein. Deswegen reiste der Beschwerdeführer im Juli 2018 illegal aus Syrien in die Türkei aus, wo er sich einige Monate lang aufhielt. Im April 2019 reiste er schlepperunterstützt von der Türkei über ihm unbekannte Länder bis nach Österreich, wo er am 23.04.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Dem ältesten Sohn des Beschwerdeführers XXXX , geboren am XXXX , wurde mit Bescheid vom 17.01.2017, IFA: 1071022006, sowie seinem drittältesten Sohn XXXX , geboren am XXXX , mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.08.2017, W214 2152902-1/6E jeweils der Status eines Asylberechtigten aufgrund deren Wehrdienstentziehung zuerkannt.

Festgestellt wird, dass dem Beschwerdeführer in Syrien bei einer Rückkehr die reale Gefahr droht, dass er als Vater von zwei Wehrdienstverweigerern von der syrischen Regierung verfolgt wird.

Festgestellt wird weiters, dass in Syrien ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 bis 42 Jahren besteht. Aufgrund von Schwierigkeiten bei der Aushebung neuer Rekruten werden zunehmend auch Reservisten (neuerlich) zum Militärdienst eingezogen und es kommt zurzeit sogar zur Aufhebung von Militärdienstaufschüben. Schließlich kommt es bei der Vollziehung des Wehrgesetzes zu einem bestimmten Maß an Willkür. Da der 52-jährige Beschwerdeführer nicht mehr im wehrfähigen Alter ist, droht ihm in Syrien aber keine reale Gefahr, als Reservist zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen zu werden und er wäre demnach im Zusammenhang mit der Einziehung, der Ableistung und der Verweigerung des Militärdienstes keiner Gefahr erheblicher Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt.

Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Syrien die reale Gefahr, dass ihm aufgrund seiner Herkunft aus der ehemals umkämpften Region Daraa von der syrischen Regierung eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und als Oppositioneller verfolgt, festgenommen, gefoltert oder gar hingerichtet wird und wäre daher der Gefahr erheblicher Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Darüber hinaus ist auch seine Zugehörigkeit zum sunnitischen Islam durchaus geeignet, den Beschwerdeführer zum Ziel von Verfolgungen zu machen. Der bewaffnete Konflikt wird nämlich zunehmend konfessionell und sunnitische Zivilisten sind aktuell das Hauptziel der Regimetruppen und von Pro-Regime-Milizen.

Eine hinsichtlich des Reiseweges zumutbare und legale Rückkehr nach Syrien ist nur über den Flughafen in Damaskus möglich, der sich in der Hand der Regierung befindet. Für einen nach Syrien zurückkehrenden, abgelehnten Asylwerber besteht im Allgemeinen bei der Ankunft - wie bei Männern im wehrfähigen Alter, bei denen überprüft wird, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben - die reale Gefahr, aufgrund einer angenommenen politischen Gesinnung inhaftiert zu werden, und in der Folge schweren Misshandlungen ausgesetzt zu sein (UK Home 8.2016). Die Sicherheitsorgane haben am Flughafen freie Hand, und es gibt keine Schutzmechanismen, wenn eine Person verdächtigt und deswegen misshandelt wird. Es kann passieren, dass die Person sofort inhaftiert und dabei Opfer von Verschwindenlassen oder Folter wird.

Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:

"Folter, Haftbedingungen und unmenschliche Behandlung

Das Gesetz verbietet Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen oder Strafen, wobei das Strafgesetzbuch eine Strafe von maximal drei Jahren Gefängnis für Täter vorsieht. Nichtsdestotrotz wenden die Sicherheitskräfte in Tausenden Fällen solche Praktiken an (USDOS 13.3.2019). Willkürliche Festnahmen, Misshandlung, Folter und Verschwindenlassen sind in Syrien weit verbreitet (HRW 18.1.2018; vgl. AI 22.2.2018, USDOS 13.3.2019, AA 13.11.2018). Sie richten sich von Seiten der Regierung insbesondere gegen Oppositionelle oder Menschen, die vom Regime als oppositionell wahrgenommen werden (AA 13.11.2018).

NGOs berichten glaubhaft, dass die syrische Regierung und mit ihr verbündete Milizen physische Misshandlung, Bestrafung und Folter an oppositionellen Kämpfern und Zivilisten begehen (USDOS 13.3.2019; vgl. TWP 23.12.2018). Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Frauen, Männern und Minderjährigen sind weit verbreitet. Die Regierung soll hierbei auch auf Personen abzielen, denen Verbindungen zur Opposition vorgeworfen werden (USDOS 13.3.2019). Es sind zahllose Fälle dokumentiert, bei denen Familienmitglieder wegen der als regierungsfeindlich wahrgenommenen Tätigkeit von Verwandten inhaftiert und gefoltert wurden, auch wenn die als regierungsfeindlich wahrgenommenen Personen ins Ausland geflüchtet waren (AA 13.11.2018; vgl. AI 22.2.2018).

Systematische Folter und die Bedingungen in den Haftanstalten führen häufig zum Tod der Insassen. Die Gefängnisse sind stark überfüllt, es mangelt an Nahrung, Trinkwasser, Hygiene und Zugang zu sanitären Einrichtungen und medizinischer Versorgung. Diese Bedingungen waren so durchgängig, dass die UN Commission of Inquiry zu dem Schluss kam, diese seien Regierungspolitik. Laut Berichten von NGOs gibt es zahlreiche informelle Hafteinrichtungen in umgebauten Militärbasen, Schulen, Stadien und anderen unbekannten Lokalitäten. So sollen inhaftierte Demonstranten in leerstehenden Fabriken und Lagerhäusern ohne angemessene sanitäre Einrichtungen festgehalten werden. Die Regierung hält weiterhin Tausende Personen ohne Anklage und ohne Kontakt zur Außenwelt ("incommunicado") an unbekannten Orten fest (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 13.11.2018, SHRC 24.1.2019). Von Familien von Häftlingen wird Geld verlangt, dafür dass die Gefangenen Nahrung erhalten und nicht mehr gefoltert werden, was dann jedoch nicht eingehalten wird. Große Summen werden gezahlt, um die Freilassung von Gefangenen zu erwirken (MOFANL 7.2019).

In jedem Dorf und jeder Stadt gibt es Haft- bzw. Verhörzentren für die ersten Befragungen und Untersuchungen nach einer Verhaftung. Diese werden von den Sicherheits- und Nachrichtendiensten oder auch regierungstreuen Milizen kontrolliert. Meist werden Festgenommene in ein größeres Untersuchungszentrum in der Provinz oder nach Damaskus und schließlich in ein Militär- oder ziviles Gefängnis gebracht. Im Zuge dieses Prozesses kommt es zu Folter und Todesfällen. Selten wird ein Häftling freigelassen. Unschuldige bleiben oft in Haft, um Geldsummen für ihre Freilassung zu erpressen oder um sie im Zuge eines "Freilassungsabkommens" auszutauschen (SHRC 24.1.2019).

Seit Sommer 2018 werden von den Regierungsbehörden Sterberegister veröffentlicht, wodurch erstmals offiziell der Tod von 7.953 Menschen in Regierungsgewahrsam bestätigt wurde, wenn auch unter Angabe wenig glaubwürdiger amtlich festgestellter natürlicher Todesursachen (Herzinfarkt, etc.). Berichte von ehemaligen Insassen sowie Menschenrechtsorganisationen benennen als häufigste Todesursachen Folter, Krankheit als Folge mangelnder Ernährung und Hygiene in den Einrichtungen und außergerichtliche Tötung (AA 13.11.2018; vgl. SHRC 24.1.2019). Die syrische Regierung übergibt die Überreste der Verstorbenen nicht an die Familien (HRW 17.1.2019).

Mit Stand Dezember 2018 ist der Verbleib von 100.000 syrischen Gefangenen noch immer unbekannt. Laut Menschenrechtsgruppen und den Vereinten Nationen sind wahrscheinlich Tausende, wenn nicht Zehntausende davon umgekommen (TWP 23.12.2018).

Die Methoden der Folter, des Verschwindenlassens und der schlechten Bedingungen in den Haftanstalten sind jedoch keine Neuerung der Jahre seit Ausbruch des Konfliktes, sondern waren bereits zuvor gängige Praxis der unterschiedlichen Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden in Syrien (SHRC 24.1.2019).

Russland, der Iran und die Türkei haben im Zusammenhang mit den Astana-Verhandlungen wiederholt zugesagt, sich um die Missstände bezüglich willkürlicher Verhaftungen und Verschwindenlassen zu kümmern. Im Dezember 2017 gründeten sie eine Arbeitsgruppe zu Inhaftierungen und Entführungen im syrischen Konflikt, es waren bisher jedoch nur geringe Fortschritte zu verzeichnen (HRW 17.1.2019).

Auch die Rebellengruppierungen werden außergerichtlicher Tötungen und der Folter von Inhaftierten beschuldigt (FH 1.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Opfer sind vor allem (vermutete) regierungstreue Personen und Mitglieder von Milizen oder rivalisierenden bewaffneten Gruppen. Zu den Bedingungen in den Hafteinrichtungen der verschiedenen regierungsfeindlichen Gruppen ist wenig bekannt, NGOs berichten von willkürlichen Verhaftungen, Folter und unmenschlicher Behandlung. Der IS bestrafte häufig Opfer in der Öffentlichkeit und zwang Bewohner, darunter auch Kinder, Hinrichtungen und Amputationen mitanzusehen. Es gibt Berichte zu Steinigungen und Misshandlungen von Frauen. Dem sogenannten Islamischen Staat (IS) werden systematische Misshandlungen von Gefangenen der Freien Syrischen Armee (FSA) und der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) vorgeworfen. Berichtet werden auch Folter und Tötungen von Gefangenen durch den IS (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

- AA - Deutsches Auswärtiges Amt (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges- amt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff 10.12.2018

- AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/2018 - The State of the Wolrd's Human Rights - Syria, https://www.ecoi.net/en/document/1425112.html. Zugriff 12.12.2018

- FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Syria. https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/syria. Zugriff 12.12.2018

- HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Syria. https://www.ecoi.net/en/ document/1422595.html. Zugriff 12.12.2018

- HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): Annual report on the human rights situation in 2018 - Syrian Arab Republic. https://www.ecoi.net/en/document/2002172.htm l. Zugriff 29.1.2019

- MOFANL - Ministry of Foreign Affairs of the Netherlands - Department for Country of Origin Information Reports (7.2019): Country of Origin Information Report Syria - The security situation. per E-Mail am 27.8.2019

- SHRC - Syrian Human Rights Committee (24.1.2019): The 17th Annual Report on Human Rights in Syria 2018. http://www.shrc.org/en/wp-content/uploads/2019/01/English_Web.pdf. Zugriff 31.1.2019

- TWP - The Washington Post (23.12.2018): Syria's once teeming prison cells being emptied by mass murder. https://www.washingtonpost.com/graphics/2018/world/svria-bodies/?noredirect=on&utm term=.6a8815bb3721. Zugriff 14.2.2019

- USDOS - United States Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Syria. https://www.ecoi.net/en/document/2004226.htm I . Zugriff 19.3.2019

Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst

Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von 18 oder 21 Monaten gesetzlich verpflichtend. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit eines freiwilligen Militärdienstes. Frauen können ebenfalls freiwillig Militärdienst leisten (CIA 3.4.2019; vgl. AA 13.11.2018, FIS 14.12.2018). Palästinensische Flüchtlinge mit dauerhaftem Aufenthalt in Syrien unterliegen ebenfalls der Wehrpflicht, dienen jedoch in der Regel in der Palestinian Liberation Army (PLA) unter palästinensischen Offizieren. Diese ist jedoch de facto ein Teil der syrischen Armee (AA 13.11.2018; vgl. FIS 14.12.2018). Auch Binnenvertriebene sind wie andere Syrer zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet und werden rekrutiert (FIS 14.12.2018).

Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Erreichen des 42. Lebensjahres in den aktiven Dienst einberufen werden. Vor dem Ausbruch des Konflikts bestand der Reservedienst im Allgemeinen nur aus mehreren Wochen oder Monaten Ausbildung zur Auffrischung der Fähigkeiten, und die Regierung berief Reservisten nur selten ein. Seit 2011 hat sich das jedoch geändert. Es liegen außerdem einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z.B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung). Manche Personen werden wieder zum aktiven Dienst einberufen, andere wiederum nicht, was von vielen verschiedenen Faktoren abhängt. Es ist sehr schwierig zu sagen, ob jemand tatsächlich zum Reservedienst einberufen wird. Männer können ihren Dienst-/Reservedienststatus bei der Militärbehörde überprüfen. Die meisten tun dies jedoch nur auf informellem Weg, um zu vermeiden, sofort rekrutiert zu werden (BFA 8.2017).

Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Militärbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit, oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsätzen verbunden sind, ableisten. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen (BFA 8.2017).

Die syrische Armee hat durch Verluste, Desertion und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen (TIMEP 6.12.2018).

Aktuell ist ein "Herausfiltern" von Militärdienstpflichtigen im Rahmen von Straßenkontrollen oder an einem der zahlreichen Checkpoints weit verbreitet. In der Praxis wurde die Altersgrenze erhöht und auch Männer in ihren späten 40ern und frühen 50ern sind gezwungen Wehr-/Reservedienst zu leisten. Die Altersgrenze hängt laut Experten eher von lokalen Entwicklungen und den Mobilisierungsbemühungen der Regierung ab, als vom allgemeinen Gesetz. Dem Experten zufolge würden jedoch jüngere Männer genauer überwacht, ältere könnten leichter der Rekrutierung entgehen. Generell hat sich das Maß der Willkür in Syrien im Zuge des Konfliktes erhöht (FIS 14.12.2018). Die Behörden ziehen vornehmlich Männer bis 27 ein, während Ältere sich eher auf Ausnahmen berufen können. Dennoch wurden die Altersgrenzen fallweise nach oben angehoben, sodass auch Männer bis zu einem Alter von 55 Jahren eingezogen wurden, bzw. Männer nach Erreichen des 42. Lebensjahres die Armee nicht verlassen können. Ebenso wurden seit Ausbruch des Konflikts aktive Soldaten auch nach Erfüllung der Wehrpflicht nicht aus dem Wehrdienst entlassen (ÖB 7.2019).

Die Militärpolizei verhaftet in Gebieten unter der Kontrolle der Regierung junge Männer, die für den Wehrdienst gesucht werden. Nachdem die meisten fixen Sicherheitsbarrieren innerhalb der Städte aufgelöst wurden, patrouilliert nun die Militärpolizei durch die Straßen. Diese Patrouillen stoppen junge Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln und durchsuchen Wohnungen von gesuchten Personen (SHRC 24.1.2019). Es gab in der Vergangenheit Fälle, in denen Familienmitglieder von Wehrdienstverweigerern oder Deserteuren Vergeltungsmaßnahmen wie Unterdrucksetzung und Inhaftierung ausgesetzt waren (TIMEP 6.12.2018).

Im November 2017 beschloss das syrische Parlament eine Gesetzesnovelle der Artikel 74 und 97 des Militärdienstgesetzes. Die Novelle besagt, dass jene, die das Höchstalter für die Ableistung des Militärdienstes überschritten haben und den Militärdienst nicht abgeleistet haben, aber auch nicht aus etwaigen gesetzlich vorgesehenen Gründen vom Wehrdienst befreit sind, eine Kompensationszahlung von 8.000 USD oder dem Äquivalent in SYP leisten müssen. Diese Zahlung muss innerhalb von drei Monaten nach Erreichen des Alterslimits geleistet werden. Wenn diese Zahlung nicht geleistet wird, ist die Folge eine einjährige Haftstrafe und die Zahlung von 200 USD für jedes Jahr, um welches sich die Zahlung verzögert, wobei der Betrag 2000 USD oder das Äquivalent in SYP nicht übersteigen soll. Jedes begonnene Jahr der Verzögerung wird als ganzes Jahr gerechnet. Außerdem kann basierend auf einem Beschluss des Finanzministers das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Person, die sich weigert den Betrag zu bezahlen, konfisziert werden (SANA 8.11.2017; vgl. SLJ 10.11.2017, PAR 15.11.2017).

Quellen:

- AA - Deutsches Auswärtiges Amt (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges- amt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff 10.12.2018

- BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien - mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 13.12.2018

- CIA - Central Intelligence Agency (3.4.2019): The World Factbook: Syria - Military and Security, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/sy.html. Zugriff 6.4.2019

- FIS - Finnish Immigration Service (14.12.2018): Syria: Fact-Finding Mission to Beirut and Damascus, April 2018, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Syria_Fact- finding+mission+to+Beirut+and+Damascus%2C+April+2018.pdf. Zugriff 1.2.2019

- ÖB - Österreichische Botschaft Damaskus (7.2019): Asylländerbericht Syrien 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014213/SYRI_ÖB+Bericht_2019_07.pdf. Zugriff 19.8.2019

- PAR - Webseite des Parlaments der Arabischen Republik Syrien (15.11.2017): /35/ ^ij jjjläJII2007/ ^l*J /30/ (vijj^l^JI pl*JI http://parliament.gov.sy/arabic/index.php?node=201 &nid=18681&RID=-1&Last=10262&First=0&CurrentPage=0&Vld=-1&Mode=&Service=- 1 &Loc1 =&Key1 =&SDate=&EDate=&Year=&Country=&Num=&Dep=-1 &, Zugriff 7.12.2017

- SANA - Syrian Arab News Agency (8.11.2017): jj- JA jl*ii jjjli ßj. ^*^Jl ÄJJ Ä^AUJI SJJJJ ÄJJAJI ^UJl J-^Jl ^JJ J^IJ iuJjNi i. ojl'xill http://www.sana.sy/?p=656572, Zugriff 15.1.2019

- SHRC - Syrian Human Rights Committee (24.1.2019): The 17th Annual Report on Human Rights in Syria 2018, http://www.shrc.org/en/wp-content/uploads/2019/01/English_Web.pdf. Zugriff 31.1.2019

- SLJ - Syrian Law Journal [Twitter] (10.11.2017): Kurznachricht vom 10.11.2017 08:37, https://twitter.com/syrian_law/status/929025146429624320. Zugriff 15.1.2019

- TIMEP - The Tahrir Institute for Middle East Policy (6.12.2018): TIMEP Brief: Legislative Decree No. 18: Military Service Amnesty.

https://timep.org/wp-content/uploads/2018/12/LegislativeDecree18SyriaLawBrief2018-FINAL12-6-18a.pdf. Zugriff 19.2.2019

Wehrdienstverweigerung / Desertion

Im Verlauf des syrischen Bürgerkrieges verlor die syrische Armee viele Männer aufgrund von Wehrdienstverweigerung, Desertion, Überlaufen und zahlreichen Todesfällen (TIMEP 6.12.2018).

Wehrdienstverweigerer werden laut Gesetz in Friedenszeiten mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft, die Wehrpflicht besteht dabei weiterhin fort. In Kriegszeiten wird Wehrdienstverweigerung laut Gesetz, je nach den Umständen, mit Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren bestraft (AA 13.11.2018). Bezüglich der Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung gehen die Meinungen der Quellen auseinander. Während manche die Ergreifung eines Wehrdienstverweigerers mit Foltergarantie und Todesurteil gleichsetzen, sagen andere, dass Betroffene sofort eingezogen würden. Die Konsequenzen hängen offenbar vom Einzelfall ab (Landinfo 3.1.2018).

Berichten zufolge betrachtet die Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen "terroristische" Bedrohungen zu schützen (BFA 8.2017).

Zwischen der letzten Hälfte des Jahres 2011 bis zum Beginn des Jahres 2013 desertierten zehntausende Soldaten und Offiziere, flohen oder schlossen sich bewaffneten aufständischen Einheiten an. Seit der zweiten Hälfte des Jahres 2013 sind jedoch nur wenige Fälle von Desertion bekannt (Landinfo 3.1.2018).

Desertion wird gemäß dem Militärstrafgesetz von 1950 in Friedenszeiten mit ein bis fünf Jahren Haft bestraft und kann in Kriegszeiten bis zu doppelt so lange Haftstrafen nach sich ziehen. Deserteure, die zusätzlich außer Landes geflohen sind (sogenannte "externe Desertion"), unterliegen Artikel 101 des Militärstrafgesetzbuchs, der eine Strafe von fünf bis zehn Jahren Haft in Friedenszeiten und 15 Jahre Haft in Kriegszeiten vorschreibt. Desertion im Angesicht des Feindes ist mit lebenslanger Haftstrafe zu bestrafen. In schwerwiegenden Fällen wird die Todesstrafe verhängt (BFA 8.2017).

Deserteure werden härter bestraft als Wehrdienstverweigerer. Deserteure riskieren, inhaftiert, gefoltert und getötet zu werden. Repressalien gegenüber Familienmitgliedern können insbesondere bei Familien von "high profile"-Deserteuren der Fall sein, also z.B. Deserteure, die Soldaten oder Offiziere getötet haben oder sich der bewaffneten Opposition angeschlossen haben (Landinfo 3.1.2018).

Seit Ausbruch des Syrienkonflikts werden syrische Armeeangehörige erschossen, gefoltert, geschlagen und inhaftiert, wenn sie Befehle nicht befolgen (AA 13.11.2018).

In Gebieten, welche durch sogenannte Versöhnungsabkommen wieder unter die Kontrolle der syrischen Regierung gebracht wurden, werden häufig Vereinbarungen bezüglich des Wehrdienstes getroffen. Manche Vereinbarungen besagen, dass Männer nicht an die Front geschickt, sondern stattdessen bei der Polizei eingesetzt werden (BFA 8.2017). Berichten zufolge wurden solche Zusagen von der Regierung aber bisweilen auch gebrochen (AA 13.11.2018; vgl. FIS 14.12.2018). Auch in den "versöhnten Gebieten" sind Männer im entsprechenden Alter also mit der Wehrpflicht oder mit der Rekrutierung durch regimetreue bewaffnete Gruppen konfrontiert. In manchen dieser Gebiete drohte die Regierung auch, dass die Bevölkerung keinen Zugang zu humanitärer Hilfe erhält, wenn diese nicht die Regierungseinheiten unterstützt (FIS 14.12.2018).

Quellen:

- AA - Deutsches Auswärtiges Amt (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598 1542722823 auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-November-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff 10.12.2018

- BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien - mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf. Zugriff 13.12.2018

- FIS - Finnish Immigration Service (14.12.2018): Syria: Fact-Finding Mission to Beirut and Damascus, April 2018, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Syria_Fact- finding+mission+to+Beirut+and+Damascus%2C+April+2018.pdf, Zugriff 1.2.2019

- Landinfo (3.1.2018): Syria: Reactions against deserters and draft evaders, https://www.ecoi.net/en/file/local/1441219/1226_1534943446_landinfo-report-syria-reactions-against-deserters-and-draft-evaders.pdf, Zugriff 20.2.2019

- TIMEP - The Tahrir Institute for Middle East Policy (6.12.2018): TIMEP Brief: Legislative Decree No. 18: Military Service Amnesty, https://timep.org/wp-content/uploads/2018/12/LegislativeDecree18SyriaLawBrief2018-FINAL12-6-18a.pdf, Zugriff 19.2.2019

Rückkehr

Im Juli 2018 zählte die syrische Bevölkerung geschätzte 19,5 Millionen Menschen (CIA 3.4.2019).

Die Zahl der Binnenvertriebenen belief sich im September 2018 auf insgesamt 6,2 Millionen Menschen (UNHCR 30.9.2018). 2018 sind insgesamt etwa 1,2 bis 1,4 Millionen IDPs in Syrien zurückgekehrt (UNHCR 18.3.2019).

Mit März 2019 waren 5.681.093 Personen in den Nachbarländern Syriens und Nordafrika als syrische Flüchtlinge registriert (UNHCR 11.3.2019). 2018 sind laut UNHCR insgesamt etwa 56.000 Flüchtlinge nach Syrien zurückgekehrt (UNHCR 18.3.2019).

Weder IDPs noch Flüchtlinge sind notwendigerweise in ihre Heimatgebiete zurückgekehrt (UNHCR 18.3.2019).

Wenn eine Person in ihre Heimat zurückkehren möchte, können viele unterschiedliche Faktoren die Rückkehrmöglichkeiten beeinflussen. Ethno-religiöse, wirtschaftliche und politische Aspekte spielen ebenso eine Rolle, wie Fragen des Wiederaufbaus und die Haltung der Regierung gegenüber Gemeinden, die der Opposition zugeneigt sind (FIS 14.12.2018). Über die Zustände, in welche die Flüchtlinge zurückkehren und die Mechanismen des Rückkehrprozesses ist wenig bekannt. Da Präsident Assad die Kontrolle über große Gebiete wiedererlangt, sind immer weniger Informationen verfügbar und es herrschen weiterhin Zugangsbeschränkungen und Beschränkungen bei der Datenerhebung für UNHCR (EIP 6.2019). Die Behandlung von Einreisenden ist stark vom Einzelfall abhängig, und über den genauen Kenntnisstand der syrischen Behörden gibt es keine gesicherten Kenntnisse (ÖB 7.2019).

Das Fehlen von vorhersehbarer und nachhaltiger physischer Sicherheit in Syrien ist der Hauptfaktor, der die Rückkehrvorhaben von Flüchtlingen negativ beeinflusst. Weiters werden das Fehlen einer adäquaten Unterkunft oder Wohnung oder fehlende Möglichkeiten den Lebensunterhalt zu sichern als wesentliche Hindernisse für die Rückkehr genannt. Als wichtiger Grund für eine Rückkehr wird der Wunsch nach Familienzusammenführung genannt (UNHCR 7.2018). Rückkehrüberlegungen von syrischen Männern werden auch von ihrem Wehrdienststatus beeinflusst (DIS/DRC 2.2019).

Bereits im Jahr 2017 haben die libanesischen Behörden trotz des Konfliktes und begründeter Furcht vor Verfolgung vermehrt die Rückkehr syrischer Flüchtlinge gefordert. Eine kleine Anzahl von Flüchtlingen ist im Rahmen lokaler Abkommen nach Syrien zurückgekehrt. Diese Rückkehrbewegungen werden nicht von UNHCR überwacht. Einige Flüchtlinge kehren aufgrund der harschen Politik der Regierung ihnen gegenüber und sich verschlechternden Bedingungen im Libanon nach Syrien zurück, und nicht weil sie der Meinung sind, dass Syrien sicher sei. Gemeinden im Libanon haben Tausende von Flüchtlingen in Massenausweisungen/Massenvertreibungen ohne Rechtsgrundlage oder ordnungsgemäßes Verfahren vertrieben. Zehntausende sind weiterhin der Gefahr einer Vertreibung ausgesetzt (HRW 17.1.2019). Viele syrische Flüchtlinge kehren aufgrund der schlechten Bedingungen im Libanon und Jordanien nach Syrien zurück, und weil sie außerhalb Syriens keine Zukunft für sich sehen (IT 19.8.2018). UNHCR hat nur vereinzelt und für kurze Zeit Zugang zu Personen, die aus dem Libanon nach Syrien zurückkehren, und kann auch keine ungestörten Interviews mit ihnen führen (AA 13.11.2018).

Flüchtlinge, die aus dem Libanon nach Syrien zurückkehren möchten, müssen dies bei den lokalen Sicherheitsbehörden melden und diese leiten den Antrag an die syrischen Behörden weiter (IT 19.8.2018; vgl. Reuters 25.9.2018). Die syrischen Behörden überprüfen die Antragsteller. Anträge auf Rückkehr können von der Regierung auch abgelehnt werden. Der Anteil der Personen, denen die Rückkehr nicht gestattet wird, wird von den verschiedenen Quellen mit 5% (SD 16.1.2019), 10% (Reuters 25.9.2018), bis hin zu 30% (ABC 6.10.2018) angegeben. In vielen Fällen wird auch Binnenvertriebenen die Rückkehr in ihre Heimatgebiete nicht erlaubt (USDOS 13.3.2019).

Gründe für eine Ablehnung können (wahrgenommene) politische Aktivitäten gegen die Regierung bzw. Verbindungen zur Opposition oder die Nicht-Ableistung der Wehrpflicht sein (Reuters 25.9.2018; vgl. ABC 6.10.2018, SD 16.1.2019). Personen, die von der syrischen Regierung gesucht werden, und darum die Genehmigung zur Rückkehr nicht erhalten, sind aufgefordert ihren Status zu "regularisieren", bevor sie zurückkehren können (Reuters 25.9.2018; vgl. SD 16.1.2019). In Jordanien gibt es für diese Regularisierung jedoch bisher keine Abläufe. Im Januar 2019 fanden erstmals organisierte Rückkehrbewegungen einer geringen Anzahl von syrischen Flüchtlingen aus Jordanien am syrisch-jordanischen Jaber-Nassib-Grenzübergang statt. Organisiert wurde die Rückkehr von einem zivilen Komitee, ohne Beteiligung der jordanischen Behörden und auch hier wurden die Namen der Antragsteller den syrischen Behörden zur Rückkehrgenehmigung übermittelt (SD 16.1.2019).

Der Sicherheitssektor kontrolliert den Rückkehrprozess in Syrien. Die Sicherheitsdienste institutionalisieren ein System der Selbstbeschuldigung und Informationsweitergabe über Dritte, um große Datenbanken mit Informationen über reale und wahrgenommene Bedrohungen aus der syrischen Bevölkerung aufzubauen. Um intern oder aus dem Ausland zurückzukehren, müssen Geflüchtete umfangreiche Formulare ausfüllen (EIP 6.2019).

Gesetz Nr. 18 von 2014 sieht eine Strafverfolgung für illegale Ausreise in der Form von Bußgeldern oder Haftstrafen vor. Entsprechend einem Rundschreiben wurde die Bestrafung für illegale Ausreise jedoch aufgehoben und Grenzbeamte sind angehalten Personen, die illegal ausgereist sind, "bei der Einreise gut zu behandeln". Einem syrischen General zufolge müssen Personen, die aus dem Ausland zurückkehren möchten, in der entsprechenden syrischen Auslandsvertretung "Versöhnung" beantragen und unter anderem angeben wie und warum sie das Land verlassen haben und Angaben über Tätigkeiten in der Zeit des Auslandsaufenthaltes etc. machen. Diese Informationen werden an das syrische Außenministerium weitergeleitet, wo eine Sicherheitsüberprüfung durchgeführt wird. Syrer, die über die Landgrenzen einreisen, müssen dem General zufolge dort ein "Versöhnungsformular" ausfüllen (DIS 6.2019).

Syrer benötigen in unterschiedlichen Lebensbereichen eine Sicherheitsfreigabe von den Behörden, so z.B. auch für die Eröffnung eines Geschäftes, eine Eheschließung und Organisation einer Hochzeitsfeier, um den Wohnsitz zu wechseln, für Wiederaufbautätigkeiten oder auch um eine Immobilie zu kaufen (FIS 14.12.2018; vgl. EIP 6.2019). Die Sicherheitsfreigabe kann auch Informationen enthalten, z.B. wo eine Person seit dem Verlassen des konkreten Gebietes aufhältig war. Der Genehmigungsprozess könnte sich einfacher gestalten für eine Person, die in Damaskus aufhältig war, wohingegen der Aufenthalt einer Person in Orten wie Deir ez-Zour zusätzliche Überprüfungen nach sich ziehen kann. Eine Person wird für die Sicherheitserklärung nach Familienmitgliedern, die von der Regierung gesucht werden, befragt, wobei nicht nur Mitglieder der Kern- sondern auch der Großfamilie eine Rolle spielen (FIS 14.12.2018).

Für Personen aus bestimmten Gebieten Syriens erlaubt die Regierung die Wohnsitzänderung aktuell nicht. Wenn es darum geht, wer in seinen Heimatort zurückkehren kann, können einem Experten zufolge ethnisch-konfessionelle aber auch praktische Motive eine Rolle spielen. Genannt werden zum Beispiel Sayyida Zeinab - eine schiitisch dominierte Gegend, in welcher der Sayyida Zeinab Schrein gelegen ist - oder die christliche Stadt Ma'lula in Damaskus-Umland, in die Muslime nicht zurückkehren können (FIS 14.12.2018). Ehemalige Bewohner von Homs müssen auch vier Jahre nach der Wiedereroberung durch die Regierung noch immer eine Sicherheitsüberprüfung bestehen, um in ihre Wohngebiete zurückkehren und ihre Häuser wieder aufbauen zu können (TE 28.6.2018). Syrer, die nach Syrien zurückkehren, können sich nicht an jedem Ort, der unter Regierungskontrolle steht, niederlassen. Die Begründung eines Wohnsitzes ist nur mit Bewilligung der Behörden möglich (ÖB 21.8.2019). Das syrische Innenministerium kündigte Anfang 2019 an, keine Sicherheitserklärung mehr als Voraussetzung für die Registrierung eines Mietvertrages bei Gemeinden zu verlangen (SLJ 29.1.2019; vgl. ÖB 10.5.2019), sondern Mieten werden dort registriert und die Daten an die Sicherheitsbehörden weitergeleitet (ÖB 10.5.2019), sodass die Sicherheitsbehörden nur im Nachhinein Einspruch erheben können. Abgesehen von Damaskus wurde dies bisher nicht umgesetzt (ÖB 21.8.2019). Außerhalb von Damaskus muss die Genehmigung nach wie vor eingeholt werden. Auch hinsichtlich Damaskus wurde berichtet, dass Syrer aus anderen Gebieten nicht erlaubt wurde, sich in Damaskus niederzulassen (ÖB 7.2019).

Eine Reihe von Vierteln in Damaskus bleiben teilweise oder vollständig geschlossen, selbst für Zivilisten, die die Wohnviertel nur kurz aufsuchen wollen, um nach ihren ehemaligen Häusern zu sehen (SD 19.11.2018).

Es ist schwierig Informationen über die Lage von Rückkehrern in Syrien zu erhalten. Regierungsfreundliche Medien berichten über die Freude der Rückkehrer, oppositionelle Medien berichten über Inhaftierungen und willkürliche Tötungen von Rückkehrern. Zudem wollen viele Flüchtlinge aus Angst vor Repressionen der Regierung nicht mehr mit Journalisten (TN 10.12.2018) oder sogar mit Verwandten sprechen, nachdem sie nach Syrien zurückgekehrt sind (Syria Direct 16.1.2019; vgl. TN 10.12.2018). Zur Situation von rückkehrenden Flüchtlingen aus Europa gibt es wohl auch aufgrund deren geringen Zahl keine Angaben (ÖB 7.2019).

Die syrische Regierung führt Listen mit Namen von Personen, die als in irgendeiner Form regierungsfeindlich angesehen werden. Die Aufnahme in diese Listen kann aus sehr unterschiedlichen Gründen erfolgen und sogar vollkommen willkürlich sein. Zum Beispiel kann die Behandlung einer Person an einer Kontrollstelle wie einem Checkpoint von unterschiedlichen Faktoren abhängen, darunter die Willkür des Checkpoint-Personals oder praktische Probleme, wie die Namensgleichheit mit einer von der Regierung gesuchten Person. Personen, die als regierungsfeindlich angesehen werden, können unterschiedliche Konsequenzen von Regierungsseite, wie Festnahme und im Zuge dessen auch Folter, riskieren. Zu als oppositionell oder regierungsfeindlich angesehenen Personen gehören einigen Quellen zufolge unter anderem medizinisches Personal, insbesondere wenn die Person diese Tätigkeit in einem von der Regierung belagerten oppositionellen Gebiet ausgeführt hat, Aktivisten und Journalisten, die sich mit ihrer Arbeit gegen die Regierung engagieren und diese offen kritisieren, oder Informationen oder Fotos von Geschehnissen in Syrien wie Angriffe der Regierung verbreitet haben sowie allgemein Personen, die offene Kritik an der Regierung üben. Einer Quelle zufolge kann es sein, dass die Regierung eine Person, deren Vergehen als nicht so schwerwiegend gesehen wird, nicht sofort, sondern erst nach einer gewissen Zeit festnimmt (FIS 14.12.2018).

Ein weiterer Faktor, der die Behandlung an einem Checkpoint beeinflussen kann, ist das Herkunftsgebiet oder der Wohnort einer Person. In einem Ort, der von der Opposition kontrolliert wird oder wurde, zu wohnen oder von dort zu stammen kann den Verdacht des Kontrollpersonals wecken (FIS 14.12.2018).

Es wird regelmäßig von Verhaftungen von und Anklagen gegen Rückkehrer gemäß der Anti-Terror-Gesetzgebung berichtet, wenn diesen Regimegegnerschaft unterstellt wird. Diese Berichte erscheinen laut Deutschem Auswärtigen Amt glaubwürdig, können im Einzelfall aber nicht verifiziert werden (AA 13.11.2018).

Es muss davon ausgegangen werden, dass syrische Sicherheitsdienste in der Lage sind, exilpolitische Tätigkeiten auszuspähen und darüber zu berichten (AA 13.11.2018; vgl. ÖB 7.2019). Es gibt Berichte, dass syrische Sicherheitsdienste mit Drohungen gegenüber noch in Syrien lebenden Familienmitgliedern Druck auf in Deutschland lebende Verwandte ausüben (AA 13.11.2018). Die syrische Regierung hat Interesse an politischen Aktivitäten von Syrern im Ausland. Eine Gefährdung eines Rückkehrers im Falle von exilpolitischer Aktivität hängt jedoch von den Aktivitäten selbst, dem Profil der Person und von zahlreichen anderen Faktoren, wie dem familiären Hintergrund und den Ressourcen ab, die der Regierung zur Verfügung stehen (BFA 8.2017). Der Sicherheitssektor nützt den Rückkehr- und Versöhnungsprozess, um, wie in der Vergangenheit, lokale Informanten zur Informationsgewinnung und Kontrolle der Bevölkerung zu institutionalisieren. Die Regierung weitet ihre Informationssammlung über alle Personen, die nach Syrien zurückkehren oder die dort verblieben sind, aus. Historisch wurden Informationen dieser Art benutzt, um Personen, die aus jedwedem Grund als Bedrohung für die Regierung gesehen werden, zu erpressen oder zu verhaften (EIP 6.2019).

Es gibt Berichte über Menschenrechtsverletzungen gegenüber Personen, die nach Syrien zurückgekehrt waren (IT 17.3.2018). Hunderte syrische Flüchtlinge wurden nach ihrer Rückkehr verhaftet und verhört - inklusive Geflüchteten, die aus dem Ausland nach Syrien zurückkehrten, IDPs aus Gebieten, die von der Opposition kontrolliert wurden, und Personen, die in durch die Regierung wiedereroberten Gebieten ein Versöhnungsabkommen mit der Regierung geschlossen haben. Sie wurden gezwungen Aussagen über Familienmitglieder zu machen und in manchen Fällen wurden sie gefoltert (TWP 2.6.2019; vgl. EIP 6.2019).

Daten der Vereinten Nationen weisen darauf hin, dass 14% von mehr als 17.000 befragten IDP- und Flüchtlingshaushalten, die im Jahr 2018 zurückgekehrt sind, während ihrer Rückkehr angehalten oder verhaftet wurden, 4% davon für über 24 Stunden. In der Gruppe der (ins Ausland) Geflüchteten wurden 19% verhaftet. Diese Zahlen beziehen sich spezifisch auf den Heimweg und nicht auf die Zeit nach der Rückkehr (EIP 6.2019).

Syrische Flüchtlinge benötigen für die Heimreise üblicherweise die Zustimmung der Regierung und die Bereitschaft vollständige Angaben über ihr Verhältnis zur Opposition zu machen. In vielen Fällen hält die Regierung die im Rahmen der "Versöhnungsabkommen" vereinbarten Garantien nicht ein, und Rückkehrer sind Belästigungen oder Erpressungen durch die Sicherheitsbehörden oder auch Inhaftierung und Folter ausgesetzt, mit dem Ziel Informationen über die Aktivitäten der Flüchtlinge im Ausland zu erhalten (TWP 2.6.2019).

Laut UNHCR ist unter den in Syrien herrschenden Bedingungen eine freiwillige Rückkehr in Sicherheit und Würde derzeit nicht möglich und UNHCR fördert oder unterstützt die Rückkehr von Flüchtlingen nach Syrien weiterhin nicht (UNHCR 18.3.2019).

Quellen:

- AA - Deutsches Auswärtiges Amt (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-svrien-stand-november-2018-13-11-2018. pdf, Zugriff 10.12.2018

- ABC - ABC News - Australian Broadcasting Cooperation (6.10.2018): Syrians return home after years as unwelcome refugees, but there's little cause for celebration, https://www.abc.net.au/news/2018-10-06/syria-refugees-returning-home-from-lebanon/ 10319154, Zugriff 5.3.2019

- BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien - mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf. Zugriff 13.12.2018

- CIA - Central Intelligence Agency (3.4.2019): The World Factbook: Syria - Military and Security, https://www.cia.gov/librarv/publications/the-world-factbook/geos/sv.html. Zugriff 6.4.2019

- DIS - Danish Immigration Service (6.2019): Consequences of illegal exit, consequences of leaving civil a servant position without notice and the situation of Kurds in Damascus, per E¬Mail

- DIS/DRC - Danish Immigration Service / Danish Refugee Council (2.2019): Security Situation in Damascus Province and Issues Regarding Return to Syria, https://nyidanmark.dk/-/media/Files/US/Landerapporter/Syrien_FFM_rapport_2019_Final_3101

2019. pdf?la=da&hash=A4D0089B4FB64FC6E812AF6240757FC0097849AC. Zugriff 27.2.2019

- EIP - European Institute of Peace (6.2019): Refugee return in Syria: Dangers, security risks and information scarcity, https://www.fln.dk/-/media/FLN/Materiale/Baggrundsmateriale/2019/06/19/07/03/Syri1040.pdf. Zugriff 4.7.2019

- FIS - Finnish Immigration Service (14.12.2018): Syria: Fact-Finding Mission to Beirut and Damascus, April 2018, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Syria_Fact- finding+mission+to+Beirut+and+Damascus%2C+April+2018.pdf. Zugriff 1.2.2019

- HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): Annual report on the human rights situation in 2018 - Syrian Arab Republic, https://www.ecoi.net/en/document/2002172.html, Zugriff 29.1.2019

- IT - Irish Times (17.3.2018): Arrests and torture of Syrian refugees returning home reported, https://www.irishtimes.com/news/world/middle-east/arrests-and-torture-of-syrian-refugees-returning-home-reported-1.3429762, Zugriff 19.3.2019

- IT - Irish Times (19.8.2018): Return of Syrian refugees accelerates to steady flow, https://www.irishtimes.com/news/world/middle-east/return-of-syrian-refugees-accelerates-to-steadv-flow-1.3601227, Zugriff 4.3.2019

- MOFANL - Ministry of Foreign Affairs of the Netherlands - Department for Country of Origin Information Reports (7.2019): Country of Origin Information Report Syria - The security situation, per E-Mail am 27.8.2019

- ÖB - Österreichische Botschaft Damaskus (10.5.2019): Auskunft, per E-Mail

- ÖB - Österreichische Botschaft Damaskus (7.2019): Asylländerbericht Syrien 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014213/SYRI_ÖB+Bericht_2019_07.pdf, Zugriff 19.8.2019

- ÖB - Österreichische Botschaft Damaskus (21.8.2019): Auskunft, per Mail

- Reuters (25.9.2018): Fifty thousand Syrians returned to Syria from Lebanon this year: official, https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-syria-lebanon-refugees/fifty-thousand-syrians-returned-to-syria-from-lebanon-this-year-official-idUSKCN1 M51 OM, Zugriff 5.3.2019

- SD - Syria Direct (19.11.2018): A new Syria': Law 10 reconstruction projects to commence in Damascus, backed by arsenal of demolition, expropriation legislation, https://syriadirect.org/news/%E2%80%98a-new-syria%E2%80%99- l aw-10-reconstruction-projects-to-commence-in-damascus-backed-by-arsenal-of-demolition-expropriation-legislation/, Zugriff 7.3.2019

- SD - Syria Direct (16.1.2019): In first 'organized' refugee returns from Jordan, dozens of Syrians head back to Damascus suburb, https://syriadirect.org/news/in-first- %E2%80%98organized%E2%80%99-refugee-returns-from-jordan-dozens-of-syrians-head-back-to-damascus-suburb/, Zugriff 6.3.2019

- SLJ - Syrian Law Journal via Twitter (29.1.2019): Kurznachricht vom 29.1.2019, https://twitter.com/syrian_law/status/1090257282170990597. Zugriff 7.3.2019

- TE - The Economist (28.6.2018): The Future of Syria - How a victorious Bashar al-Assad is changing Syria, https://www.economist.com/middle-east-and-africa/2018/06/28/how-a- victorious-bashar-al-assad-is-changing-syria, Zugriff 21.12.2018

- TN - The National (10.12.2018): Uncertainty over fate of Syrian refugees who return home, https://www.thenational.ae/world/mena/uncertainty-over-fate-of-syrian-refugees-who-return-home-1.801269, Zugriff 5.3.2019

- TWP - The Washington Post (2.6.2019): Assad urged Syrian refugees to come home. Many are being welcomed with arrest and interrogation, https://www.washingtonpost.com/world/assad-urged-syrian-refugees-to-come-home-many-are-being-welcomed-with-arrest-and-interrogation/2019/06/02/54bd696a-7bea-11

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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