TE OGH 2020/6/29 2Ob142/19z

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Veröffentlicht am 29.06.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** N*****, vertreten durch Lattenmayer, Luks & Enzinger Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Verlassenschaft nach R***** G*****, verstorben am ***** 2015, *****, vertreten durch die Verlassenschaftskuratorin Dr. Christiane Buchleitner, Rechtsanwältin in Wien, wegen 709.981,77 EUR sA, Rechnungslegung und Zahlung (Streitwert 80.000 EUR) sowie Feststellung (Streitwert 40.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 80.000 EUR) gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Juni 2019, GZ 12 R 12/19a-37, womit das Teilurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 8. November 2018, GZ 60 Cg 31/18x-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der außerordentlichen Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Teilurteil wird dahin abgeändert, dass es zu lauten hat:

         „1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei über sämtliche zu Lebzeiten des Erblassers R***** G*****, verstorben am ***** 2015, im Zeitraum vom 30. 6. 1999 bis 27. 4. 2015 getätigten pflichtteilsrelevanten Schenkungen binnen zwei Monaten Auskunft zu erteilen. 

         2. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei ferner schuldig, der klagenden Partei

a) auch über sämtliche nicht pflichtteilsrelevante Schenkungen im Zeitraum vom 30. 6. 1999 bis 26. 4. 2013 und

b) über sämtliche Aktiva und Passiva zum Zeitpunkt des Ablebens des Erblassers

Auskunft zu erteilen, wird abgewiesen.

In diesem Umfang wird auch das Begehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den sich aufgrund der jeweiligen Auskunftserteilung ergebenden Guthabensbetrag zu einer Quote von einem Zwölftel zu bezahlen, abgewiesen.“

3. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.554,56 EUR (darin enthalten 460,89 EUR USt und 1.789,25 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist neben drei adoptierten Kindern die leibliche Tochter des am ***** 2015 verstorbenen R***** G*****. Dieser verstarb unter Hinterlassung des Testaments vom 24. 3. 2011, in dem die Klägerin nicht bedacht wurde. Ein mit der Klägerin abgeschlossener Erbverzichtsvertrag wurde mit Urteil vom 2. 6. 2017 rechtskräftig aufgehoben, weil die Klägerin ihn aufgrund von Drohungen und einer Täuschung unterfertigt hatte.

Der Erblasser war bis zu seinem Tod ein vermögender Mann, der sein Geld mit dem Betrieb von Automaten und Fahrgeschäften im Prater verdiente. Ein diesbezügliches Einzelunternehmen brachte er in der Folge in eine GmbH und diese dann in eine im Jahr 2001 gegründete Privatstiftung ein. Der Erblasser war stets bemüht, den Bestand seines Reichtums zu erhalten und zu sichern.

In seinem Testament setzte er seinen Adoptivsohn und eine seiner Adoptivtöchter gleichteilig zu Erben ein und bestimmte Ersatzerben. Beiden Erben setzte er (ua) näher bezeichnete Fahrzeuge und Liegenschaften als Legate aus.

Im Verlassenschaftsverfahren stellte die Klägerin mehrere auf die Ermittlung des Verlassenschaftsvermögens gerichtete Anträge. Sie beantragte auch Kontoanfragen in mehreren ausländischen Staaten, weil „im Verfahren aufgetaucht“ war, dass der Erblasser nicht nur in Österreich, sondern auch im Ausland Vermögen gehabt habe. Auch die Witwe hatte die Vollständigkeit des im Verlassenschaftsverfahren bekanntgegebenen Vermögens in Frage gestellt und auf ihr bekannte, aber nicht berücksichtigte Vermögensgegenstände des Erblassers hingewiesen. Der Verbleib der im Testament genannten Fahrzeuge und Schmuckstücke, eines BMWs und von Geldmitteln wurde im Verlassenschaftsverfahren nicht geklärt. Die Klägerin versuchte auch, von ihren Geschwistern Informationen zu erlangen, die ihr solche aber nicht erteilten. Das Verlassenschaftsverfahren nach dem Vater ist noch nicht beendet.

Laut der aus dem Verlassenschaftsverfahren stammenden Vermögensaufstellung vom 9. 2. 2018 besteht der Nachlass – unter Außerachtlassung von an eine Adoptivtochter ausbezahlten Lebensversicherungen über 373.324,50 EUR und 99.086,48 EUR – aus Aktiva von 8.708,20 EUR und Passiva von 28.182,12 EUR.

Die Klägerin ersuchte mit Schreiben vom 11. 4. 2018 die Beklagte, vertreten durch die bestellte Verlassenschaftskuratorin, ihr Auskunft über sämtliche Schenkungen des Erblassers an ihre Geschwister bzw an sonstige Dritte (insbesondere die Privatstiftung) zu geben und die entsprechenden Unterlagen vorzulegen. Das beantwortete die Beklagte damit, dass keine diesbezüglichen Unterlagen vorliegen würden.

Während des anhängigen Rechtsstreits richtete die Beklagte (ua) Anfragen an die Landespolizeidirektion Wien hinsichtlich der auf den Erblasser zugelassenen Fahrzeuge sowie an eine Vielzahl von Banken in Liechtenstein, der Schweiz und Kroatien. Überdies ersuchte sie die Liechtensteinische Landesverwaltung um Mitteilung, ob in Liechtenstein Privatstiftungen des Erblassers bestehen. Lediglich letztere beantwortete bis dato die an sie gerichtete Anfrage.

Die Klägerin begehrt – soweit für das Revisionsverfahren relevant – die Rechnungslegung bzw Auskunft über sämtliche Aktiva und Passiva zum Zeitpunkt des Ablebens des Vaters und über sämtliche zu seinen Lebzeiten im Zeitraum 30. 6. 1999 bis 27. 4. 2015 erfolgte Schenkungen sowie die Zahlung der sich aus den Rechnungslegungsbegehren ergebenden Beträge. Ihr Vater sei ein wohlhabender Kaufmann gewesen, der neben Luxussportwägen auch ein namhaftes Vermögen besessen habe. Er habe über zahlreiche Schaustellerobjekte im Vergnügungspark des Wiener Praters durchwegs ertragreiche Geschäfte gemacht und die Geschäftstätigkeit als wirtschaftlicher Eigentümer vorwiegend über eine GmbH entfaltet, die im Weiteren in eine Privatstiftung eingebracht worden sei. Es sei deshalb stark in Zweifel zu ziehen, dass das gesamte nachlasszugehörige Vermögen im Vermögensverzeichnis des Verlassenschaftsverfahrens Berücksichtigung gefunden habe. Selbst bei der Witwe herrsche über den Verbleib der im Testament vom 24. 3. 2011 erwähnten Luxussportwägen Ungewissheit. Die begründete Besorgnis der Klägerin, dass zu Lebzeiten neben bereits bekannten noch weitere pflichtteilsrelevante Verfügungen getätigt worden seien, sei daher evident.

Die Klägerin habe mit Schreiben der Beklagten vom 2. 5. 2018 Kenntnis über die Vermögensaufstellung des Gerichtskommissärs erhalten. Damit habe die Beklagte ihrer Auskunftspflicht aber nicht genügt, weil die Aufstellung keinesfalls abschließend und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht richtig sei. Es liege bei der Vertretung der Verlassenschaft, die Erbanwärter in die Pflicht zu nehmen bzw gemeinsam mit dem Gerichtskommissär die Umstände rund um nachlassrelevante Vermögenswerte abzuklären.

Die beklagte Verlassenschaft wandte gegen die Rechnungslegungsansprüche ein, dass die überschuldete Verlassenschaft dafür nicht passiv legitimiert sei. Da die Verlassenschaft zur Deckung eines Schenkungspflichtteils nicht ausreiche, habe sich der Anspruch gegen die Beschenkten zu richten. Die Beklagte bzw die Verlassenschaftskuratorin sei von der Klägerin bereits vor Klagseinbringung zur Auskunftserteilung hinsichtlich der zu Lebzeiten erfolgten Schenkungen aufgefordert worden. Mit E-Mail vom 17. 4. 2018 sei dieser Auskunftsanspruch dahingehend erfüllt worden, dass der Klägerin mitgeteilt worden sei, dass keine Unterlagen betreffend Schenkungen vorlägen. Auch der Auskunftsanspruch der Klägerin hinsichtlich sämtlicher Aktiva und Passiva sei bereits erfüllt worden, indem der Klägerin mit E-Mail vom 2. 5. 2018 die Vermögensaufstellung übersandt worden sei. Ein Auskunftsanspruch gegen die Verlassenschaft könne sich nur auf vorhandene Unterlagen beziehen. Es sei nicht Aufgabe der Verlassenschaft, sondern allenfalls des Gerichtskommissärs, den Umfang der Verlassenschaft zu ermitteln. Die Verlassenschaftskuratorin verfüge diesbezüglich über keine Informationen und könne daher darüber auch keine Auskunft erstatten. Lediglich aus anwaltlicher Vorsicht seien die von der Klägerin angeführten Banken sowie die Rechtsvertreter der vermeintlich Beschenkten angeschrieben worden, um Auskunft über allfälliges weiteres Vermögen zu erhalten. Die Beklagte habe allerdings keine oder negative Rückmeldungen bekommen.

Das Erstgericht gab mit Teilurteil den Rechnungslegungsbegehren statt. Es ging vom eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt aus und erörterte rechtlich, die Klägerin habe berechtigte Zweifel an der Richtigkeit des Inventars und der Vollständigkeit der ihr bekannt gewordenen Schenkungen aufgezeigt, sodass der Manifestationsanspruch zu Recht bestehe. Es könne auch nicht davon gesprochen werden, dass die Beklagte die Auskunftsbegehren der Klägerin erfüllt habe, weil es dazu nicht bloß der Vorlage eines Vermögensverzeichnisses bedurft hätte, sondern der Ablegung eines Eids. Auch habe die Beklagte hinsichtlich der an sie gerichteten Begehren vorprozessual nur auf das Nichtvorhandensein von Unterlagen verwiesen, was einer Weigerung nahekomme.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung mit Teilurteil dahin ab, dass es beide Rechnungslegungsbegehren abwies. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die Revision nicht zulässig sei.

Das Berufungsgericht führte aus, die Klägerin begehre mit dem ersten Teil ihrer Stufenklage ausschließlich Rechnungslegung und keine eidliche Bekräftigung, weshalb sich die Rechtsansicht des Erstgerichts als verfehlt erweise. Die Beklagte habe ihre Verpflichtung zur Auskunftserteilung nach Art XLII Abs 1 EGZPO vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz erfüllt. Die Verlassenschaftskuratorin habe das Ersuchen der Klägerin um Auskunft über sämtliche Schenkungen des Erblassers dahin beantwortet, dass ihr keinerlei diesbezügliche Unterlagen vorliegen würden. Das Berufungsgericht teile die Ansicht der Beklagten, dass sie im Wege eines Auskunftsbegehrens nach Art XLII EGZPO nicht dazu verhalten werden könne, Nachforschungen anzustellen. Dass die Beklagte der Klägerin die vom Gerichtskommissär errichtete Vermögensaufstellung am 2. 5. 2018 übermittelt habe, bestreite die Klägerin nicht. Wenn die Klägerin deren Richtigkeit bezweifle, sei sie darauf zu verweisen, dass eine wahrheitsgemäße Rechnungslegung im Rahmen eines Verfahrens nach Art XLII EGZPO nicht erzwungen werden könne, weil in diesem keine Überprüfung der materiellen Richtigkeit der Rechnung stattfinde. Auf den Einwand der mangelnden Passivlegitimation sowie jenen der fehlenden Darlegung einer begründeten Besorgnis müsse nicht eingegangen werden.

Mangels erheblicher Rechtsfrage sei die Revision nicht zuzulassen.

Die Klägerin beantragt in ihrer außerordentlichen Revision im Ergebnis, die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen und stellt hilfsweise einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte strebt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung die Zurückweisung der Revision, hilfsweise die Bestätigung der Berufungsentscheidung an.

Die Revision ist zulässig, weil dem Berufungsgericht eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen ist. Sie ist auch teilweise berechtigt.

Die Klägerin bringt vor, aus § 804 ABGB sei ein Anspruch auf genaue und vollständige Ermittlung des Nachlasses abzuleiten. Es seien auch die vom Erstgericht als berechtigt anerkannten Zweifel der Klägerin an der Vollständigkeit der bekannt gewordenen Schenkungen auszuräumen. Die Besorgnis der Klägerin in Bezug auf möglicherweise verheimlichtes Nachlassvermögen ergebe sich bereits aus der Tatsache, dass der Verbleib von im Testament genannten Vermögenswerten des Erblassers nicht geklärt habe werden können. Dass die Nachlasskuratorin die Auskunftspflicht bereits erfüllt habe, widerspreche der Judikatur, wonach der Pflichtteilsberechtigte dadurch in die Lage versetzt werden müsse, seinen Pflichtteilsanspruch zu errechnen, was von den Nachlasswerten und erfolgten Zuwendungen zu Lebzeiten des Erblassers abhängig sei.

Überdies habe das Berufungsgericht der Klägerin durch die abweisende Entscheidung ohne Zurückverweisung zur Verfahrensergänzung ein Leistungsbegehren unmöglich gemacht, worin auch eine Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO liege. Die Abweisung des Rechnungslegungsbegehrens habe zwingend die Abweisung des Leistungsbegehrens zur Folge, weshalb der Klägerin die Möglichkeit gegeben hätte werden müssen, das auf das Manifestationsbegehren aufbauende Leistungsbegehren bestimmt zu formulieren.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

I. Zur Verfahrensrüge:

Nach ständiger Rechtsprechung ist bei einer Stufenklage zuerst das Verfahren über das Auskunftsbegehren durchzuführen und darüber mit Teilurteil zu entscheiden; erst dann ist das Klagebegehren ausreichend bestimmt zu gestalten, sodass darüber entschieden werden kann (RS0108687). Die Vorgangsweise des Berufungsgerichts steht mit dieser Rechtsprechung im Einklang. Es begründet daher weder die behauptete Nichtigkeit noch einen Verfahrensmangel, wenn es über den Manifestationsanspruch inhaltlich entschied. Im Übrigen unterlässt es die Klägerin darzulegen, mit welchem Betrag sie das unbestimmte Zahlungsbegehren im Falle einer Erörterung oder Zurückverweisung an das Erstgericht beziffert hätte, sodass auch die Relevanz des angeblichen Verfahrensmangels nicht aufgezeigt wird (RS0116273).

II. Zum Manifestationsanspruch im Allgemeinen:

II.1. Art XLII EGZPO regelt in seinem Abs 1 zwei Fälle. Danach kann zum Einen derjenige, der nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts dazu verpflichtet ist, ein Vermögen anzugeben, durch Urteil dazu und zur Beeidigung dieser Vermögensangabe verhalten werden. Diese Bestimmung schafft keine eigene zivilrechtliche Verpflichtung, sondern setzt eine solche voraus. Im Unterschied dazu normiert der zweite Fall einen eigenen privatrechtlichen Anspruch auf Angabe eines Vermögens. Voraussetzung dafür ist, dass der Beklagte von der Verschweigung oder Verheimlichung des anzugebenden Vermögens vermutlich Kenntnis hat. In beiden Fällen ist ein privatrechtliches Interesse an der Ermittlung des Vermögens Voraussetzung der Befugnis zur Klage (5 Ob 30/01z; 2 Ob 316/02p; 2 Ob 186/10g; RS0034986; RS0034852; RS0034834; vgl Konecny in Fasching/Konecny3 Art XLII EGZPO Rz 4 f und Rz 7; Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka5 Art XLII EGZPO Rz 1).

II.2. Der Anspruch gemäß Art XLII Abs 1 erster Fall EGZPO steht jedem zu, der gegen einen ihm aus materiell-rechtlichen Gründen zur Auskunftserteilung Verpflichteten ein bestimmtes Klagebegehren auf Leistung nur mit erheblichen Schwierigkeiten, die durch eine solche Abrechnung beseitigt werden können, zu erheben vermag, wenn dem Verpflichteten die Auskunftserteilung nach redlicher Verkehrsübung zumutbar ist (RS0106851). Durch die Auskunftspflicht soll es einem Anspruchsberechtigten, dem es an den für eine Prozessführung erforderlichen Informationen fehlt, ermöglicht werden, sein Recht gerichtlich durchzusetzen.

II.3. Das Verfahren über den Manifestationsanspruch dient nicht dazu, die materielle Richtigkeit eines davon abgeleiteten Anspruchs zu überprüfen. Vielmehr soll nur darauf aufbauend ein Leistungsbegehren vorbereitet werden können. Ansonsten dürfte folgerichtig diese Frage im späteren Verfahren über die Leistung nicht mehr aufgegriffen werden und würde dem die Einmaligkeitswirkung entgegenstehen, was aber nicht intendiert ist (vgl RS0004372).

II.4. Der Umfang der Manifestationspflicht darf nicht all zu sehr eingeschränkt werden; es muss nach der Natur des Geschäfts und den Umständen des Falls auf das Verkehrsübliche abgestellt werden (RS0019529). So muss die Rechnungslegung detailliert sein und kann sich nicht nur in der bloßen Angabe von Endziffern oder in der Überlassung von Belegen erschöpfen (RS0035140 [T5]). Eine Verweigerung der Rechnungslegung käme einer Verschweigung von Vermögen im Sinn des zweiten Falls des Art XLII Abs 1 EGZPO nahe, sodass eine entsprechende Auskunftserteilung schon aus diesem Grund zumutbar ist (6 Ob 17/02x; RS0035050 [T6]).

III. Zum Manifestationsanspruch der Klägerin:

III.1. Zur begründeten Besorgnis:

Die Klägerin macht einen Manifestationsanspruch basierend auf ihrem Pflichtteilsrecht geltend. Aufgrund des Todeszeitpunkts des Erblassers ist gemäß § 1503 Abs 7 Z 1 und 2 ABGB noch die Rechtslage idF vor dem ErbRÄG 2015 (BGBl I 2015/87) anzuwenden.

Zu dieser ist anerkannt, dass Pflichtteilsberechtigte auf materiell-rechtlicher Grundlage Auskunft über Zuwendungen des Erblassers an andere Pflichtteilsberechtigte und Dritte verlangen konnten (2 Ob 186/10g mwN; vgl Welser in Rummel/Lukas4 § 785 Rz 24; Eccher in Schwimann/Kodek4 § 786 Rz 6). Im Anwendungsbereich des Art XLII Abs 1 erster Fall EGZPO besteht der Anspruch schon bei begründeter Besorgnis des Pflichtteilsberechtigten, dass ihm nicht das gesamte Nachlassvermögen oder nicht alle für den Schenkungspflichtteil relevanten Verfügungen des Erblassers bekannt sind. Die diese Besorgnis begründenden Umstände hat der Pflichtteilsberechtigte konkret darzulegen (2 Ob 144/18t; 2 Ob 85/18s; 2 Ob 213/17p; uvm).

Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Die Klägerin hat ihre begründete Besorgnis ausreichend konkret behauptet, was im Übrigen auch in den Feststellungen seinen Niederschlag fand.

III.2. Zur Passivlegitimation:

Soweit die Beklagte den Standpunkt vertritt, sie wäre nicht passiv legitimiert, weil die Verlassenschaft überschuldet sei und sich der Anspruch gegen die Beschenkten richten müsse, kann ihr nicht gefolgt werden. Eine Verpflichtung des Beschenkten, einem Pflichtteilsberechtigten das vom Erblasser noch durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erhaltene Vermögen anzugeben, besteht nicht (RS0019051; RS0012923; RS0129117). Der Auskunftsanspruch über das vorhandene Nachlassvermögen und getätigte Schenkungen besteht gegenüber der Verlassenschaft bzw nach Einantwortung gegenüber den Erben (6 Ob 206/02s; 6 Ob 108/06k; 2 Ob 186/10g) und zwar unabhängig davon, ob die Verlassenschaft überschuldet ist (vgl RS0007685).

Auch wenn es sich beim Auskunftsanspruch nach Art XLII Abs 1 EGZPO nur um einen Hilfsanspruch für ein noch unbestimmtes Zahlungsbegehren handelt (RS0034907), das bei überschuldetem Nachlass gegen diesen nicht erfolgreich einbringlich gemacht werden kann, ändert das nichts daran, dass die Unzulänglichkeit der Verlassenschaft zur Befriedigung aller Forderungen lediglich Einfluss auf die faktische Durchsetzbarkeit von Ansprüchen hat, nicht aber auf den Umfang der Haftung (6 Ob 108/06k).

Die Passivlegitimation der Beklagten ist daher zu bejahen.

III.3. Zum Auskunftsbegehren betreffend das Nachlassvermögen:

III.3.1. Es ist unstrittig, dass der Klägerin von der Verlassenschaftskuratorin die durch den Gerichtskommissär errichtete Aufstellung der Aktiven und Passiven der Verlassenschaft übermittelt wurde.

Inhalt und Ausgestaltung eines allfälligen Auskunftsanspruchs des Pflichtteilsberechtigten sind im materiellen Recht zu suchen. Der Anspruch richtet sich nach dem Zweck der Rechnungslegung bzw der Auskunftspflicht, der allgemein darin liegt, den Berechtigten in die Lage zu versetzen, Leistungsansprüche gegen den Verpflichteten festzustellen und geltend zu machen (RS0106851 [T1]; RS0019529 [T13]). Der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten ist inhaltlich auf genaue und vollständige Ermittlung des Nachlasses gerichtet. Er soll sich ein Urteil verschaffen können, das ihn in die Lage versetzt, seinen Pflichtteilsanspruch zu errechnen (vgl 2 Ob 316/02p). Wie bereits in Punkt II.3. dargelegt, dient das Verfahren über den Manifestationsanspruch aber nicht dazu, die materielle Richtigkeit der Auskunft bzw eines davon abgeleiteten Anspruchs zu überprüfen, weil das erst die Aufgabe des nachfolgenden Verfahrens über den Leistungsanspruch ist.

III.3.2. Das hier übermittelte Vermögensverzeichnis entspricht den erforderlichen Kriterien. Es enthält eine formal vollständige Auflistung von detailliert angeführten Aktiven und Passiven. Allein, dass die Klägerin es nach wie vor für inhaltlich unrichtig, weil unvollständig hält, ändert daran nichts.

III.3.3. Auch die Tatsache, dass der Anspruch, wie erörtert, schon bei subjektiv begründeter, wenn auch konkret darzulegender Besorgnis des Pflichtteilsberechtigten besteht, verhindert nicht, dass er durch eine den dargelegten Kriterien entsprechende Auskunft erfüllt wird. Nach Bekanntgabe einer den formalen Kriterien vollständig entsprechenden Auskunft durch den Verpflichteten bleibt dem Anspruchsberechtigten nur das Verlangen auf Eidesleistung (vgl RS0004372; RS0034971), das die Klägerin aber nicht gestellt hat.

III.3.4. Der Auskunftsanspruch betreffend das Nachlassvermögen ist daher als erfüllt anzusehen. Es hat insoweit bei der abweisenden Entscheidung des Berufungsgerichts zu bleiben.

III.4. Zum Auskunftsbegehren betreffend Schenkungen des Erblassers:

III.4.1. Der Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten umfasst neben dem vorhandenen Nachlassvermögen auch pflichtteilsrelevante Verfügungen, die der Erblasser zu Lebzeiten getätigt hat (2 Ob 316/02p; 2 Ob 186/10g; RS0127349), also mit Rücksicht auf die Bestimmungen der §§ 785 und 951 ABGB aF auch die vom Erblasser unter Lebenden gemachten Schenkungen (RS0012974).

III.4.2. Vor Einantwortung kann der Noterbe von der Verlassenschaft, konkret von der diese verwaltenden Person, Aufklärung verlangen (Konecny in Fasching/Konecny3 Art XLII EGZPO Rz 45). Der Geschäftskreis des Verlassenschaftskurators umfasst die Vertretung und Verwaltung des Nachlasses (RS0007737). Diese Maßnahme dient nicht seinem eigenen Interesse, sondern dem des Rechtssubjekts, das er vertritt (RS0007280).

III.4.3. Die Auskunftspflicht ist so weit zu bejahen, als dies für den Verpflichteten nach der redlichen Verkehrsübung zumutbar ist (RS0106851). Zum vergleichbaren Anspruch des Pflichteilsberechtigten auf Auskunft nach § 2314 BGB ist anerkannt, dass der Verpflichtete Wissen weitergeben muss, das er entweder schon besitzt oder sich beschaffen kann (Lange in MüKoBGB8 § 2314 Rn 5; Horn in Burandt/Rojahn, Erbrecht3 § 2314 BGB Rn 17), er also verpflichtet ist, sich – soweit zumutbar – die notwendigen Kenntnisse zu verschaffen, und dazu auch Auskunfts- und Informationsansprüche Dritten gegenüber, wie zB gegenüber Banken oder potenziellen Beschenkten geltend zu machen (BGH XI ZR 91/88 NJW 1989, 1601; vgl auch 10 Ob 19/14p; Lange in MüKoBGB8 § 2314 Rn 13; Horn in Burandt/Rojahn, Erbrecht3 § 2314 BGB Rn 30; Müller-Engels in BeckOK BGB53 § 2314 Rn 12 und 16; Horn in Scherer, Münchener Anwaltsbuch Erbrecht5 Rn 344).

III.4.4. Diese Anforderungen sind auf das auch im österreichischen Rechtsbereich bestehende Kriterium der Zumutbarkeit zu übertragen. Zumutbar ist auch hier nicht nur die Auskunftserteilung aufgrund des aktuell vorhandenen Wissens des Auskunftspflichtigen. Auch einfache Nachforschungen zur Verschaffung des erforderlichen Wissens sind zumutbar. Dazu wird jedenfalls die Durchsicht der Belege zu den Konten und Depots des Erblassers zählen sowie auch das Stellen von Auskunftsersuchen an in Frage kommende Banken oder an mögliche Beschenkte. Zur näheren Determinierung dieser Verpflichtung wird regelmäßig auf die Umstände des Einzelfalls Bedacht zu nehmen sein.

III.4.5. Kein Anspruch auf Auskunft besteht nur bei Unmöglichkeit des Auskunftsverlangens. Diese liegt aber – ebenfalls analog zur deutschen Rechtslage – erst vor, wenn alle dem Auskunftsverpflichteten zumutbar zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten versagen, er also alle zumutbaren Anstrengungen unternommen hat (vgl Horn in Burandt/Rojahn, Erbrecht3 § 2314 BGB Rn 34).

Auf solche Umstände hat sich die Beklagte nicht berufen. Ihre Einwände, ihr lägen keine Unterlagen vor und sie verfüge über keine Informationen, entbindet sie dagegen nicht von der Manifestationspflicht. Ihre während des anhängigen Verfahrens (dann doch) entfalteten Aktivitäten kamen zu spät, um das Auskunftsverlangen der Klägerin noch vor Schluss der Verhandlung erster Instanz erfüllen zu können. Der Anspruch der Klägerin besteht daher grundsätzlich zu Recht.

Dazu ist aber weiters zu beachten:

III.5. Zum Auskunftszeitraum:

Die Klägerin begehrt Auskunft bezogen auf sämtliche Schenkungen für den Zeitraum 30. 6. 1999 bis 27. 4. 2015.

Gemäß § 785 Abs 3 ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015 bleiben ua Schenkungen unberücksichtigt, die der Erblasser früher als zwei Jahre vor seinem Tod an nicht pflichtteilsberechtigte Personen machte. In Bezug auf solche, nicht anrechenbare Schenkungen hat die Klägerin daher auch keinen daraus abgeleiteten Anspruch auf Auskunftserteilung. Das Klagebegehren ist daher insoweit abzuweisen.

III.6. Zur Fassung des Urteilsspruchs:

III.6.1. Bei den Anspruchsarten nach Art XLII Abs 1 erster Fall EGZPO kann zwischen der zeitpunktbezogenen Auskunftspflicht, die auf die Angabe von Vermögen und Schulden in der Form eines Verzeichnisses von Aktiven und Passiven zu einem bestimmten Zeitpunkt gerichtet ist, und der Rechnungslegung, die periodenbezogen eine Darstellung von Vermögensbewegungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums umfasst, unterschieden werden (vgl Konecny in Fasching/Konecny3 Art XLII EGZPO Rz 26; Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka5 Art XLII EGZPO Rz 5 mwN).

Die Klägerin begehrte von der Beklagten wörtlich „Rechnung zu legen (Auskunft respektive Pflichtteilsberechnung-/deckung)“ sowie „Rechnung zu legen (Auskunft respektive Schenkungsanrechnung)“. Inhaltlich verlangte sie aber zu beiden Manifestationsbegehren keine Angaben über periodenbezogene Vermögensbewegungen im Sinne von laufenden Einnahmen und Ausgaben und dem sich daraus ergebenden Saldo. Ihr Klagebegehren ist daher als solches auf Erteilung von Auskünften zu verstehen, was auch bei der Fassung des Urteilsspruchs zum Ausdruck zu bringen ist (vgl RS0039357; RS0038852).

III.6.2. Im Umfang der Abweisung des Manifestationsbegehrens kann das – dem Wesen der Stufenklage entsprechend – unbestimmte Leistungsbegehren allein nicht bestehen und ist daher ebenfalls abzuweisen. Dass das Berufungsgericht über dieses Begehren noch nicht entschieden hat, ändert daran nichts (9 ObA 111/04a; vgl RS0035113).

III.7. Zur Leistungsfrist:

Wird die Pflicht zur Verrichtung einer Arbeit oder eines Geschäfts auferlegt, so hat das Gericht gemäß § 409 Abs 2 ZPO zur Erfüllung der Verbindlichkeit mit Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Verpflichteten eine angemessene Frist zu bestimmen. In Anbetracht der möglicherweise in nicht unbeträchtlichem Ausmaß notwendig werdenden Nachforschungen der Beklagten ist die Leistungsfrist über die vierzehntägige Frist des § 409 Abs 1 ZPO hinaus mit zwei Monaten festzusetzen.

IV. Ergebnis:

Das Auskunftsbegehren betreffend das Nachlassvermögen wurde bereits erfüllt, sodass es erfolglos bleiben muss. Außerdem steht der Klägerin in Bezug auf länger als zwei Jahre vor dem Tod des Erblassers gemachte nicht pflichtteilsrelevante Schenkungen kein Auskunftsanspruch zu, weshalb es auch insofern bei der Klagsabweisung durch das Berufungsgericht zu bleiben hat.

Dagegen wurde dem Auskunftsanspruch in Bezug auf mögliche anrechenbare, demnach pflichtteilsrelevante Schenkungen noch nicht nachgekommen. Insoweit ist daher dem Klagebegehren stattzugeben und die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen.

V. Die Kostenentscheidung ist in §§ 50 Abs 1, 43 Abs 1 ZPO begründet. Die Klägerin ist in Bezug auf das Auskunftsbegehren mit etwa einem Viertel durchgedrungen.

Textnummer

E129002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0020OB00142.19Z.0629.000

Im RIS seit

07.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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