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L10013 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht GemeindehaushaltNorm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Josef Krenn in Haag, vertreten durch Dr. Josef Lechner und Dr. Ewald Wirleitner, Rechtsanwälte in Steyr, Grünmarkt 8, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 11. April 1996, Zl. R/1-V-92186/01, betreffend Feststellung der Öffentlichkeit einer Straße gemäß § 2 des NÖ Landesstraßengesetzes (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Haag, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 10. Juni 1992 wurde unter Berufung auf § 2 des NÖ Landesstraßengesetzes festgestellt, "daß der Verbindungsstraße (Privatstraße) von der Landeshauptstraße 85 zur Landesstraße 6283 in den Katastralgemeinden Salaberg und Holzleiten die Merkmale der Öffentlichkeit zukommen und als öffentliche Straße für alle Arten des öffentlichen Verkehrs (Fahrzeug-, Reit-, Radfahr- und Fußgeherverkehr) gilt".
Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 27. August 1992 gemäß § 66 Abs.4 AVG ebenso abgewiesen wie die gegen den Berufungsbescheid eingebrachte Vorstellung mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 25. Juni 1993.
Mit hg. Erkenntnis vom 7. Dezember 1993, Zl. 93/05/0184, wurde der letztgenannte Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof führte in diesem Erkenntnis aus, daß im Sinne des § 2 Abs. 3 des NÖ Landesstraßengesetzes nicht nur klargestellt sein muß, welchen Arten des öffentlichen Verkehrs die Straße dient, sondern es darf auch kein Zweifel hinsichtlich des Verlaufes und des Umfanges der Trasse bestehen. Für den Beschwerdeführer muß feststehen, wo die Trasse dieser Privatstraße im Bereich seiner Liegenschaft verläuft. Schließlich führte der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis aus:
"Welchen konkreten Trassenverlauf im Bereich der Liegenschaft des Beschwerdeführers die Berufungsbehörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat, läßt sich auch dem Berufungsbescheid nicht entnehmen, da die Berufungsbehörde den in dieser Hinsicht mangelhaften Spruch des erstinstanzlichen Bescheides nicht geändert hat. Auch die belangte Behörde hat entsprechend dem wiedergegebenen Teil der Begründung ihres Bescheides insbesondere keine Veranlassung gesehen, die Frage des genannten Verlaufes der Trasse im Bereich der Liegenschaft des Beschwerdeführers inhaltlich zu prüfen und den in der Vorstellung geltend gemachten Verfahrensmangel aufzugreifen, obwohl dies im Hinblick auf die vorstehenden rechtlichen Erwägungen des Gerichtshofes auch dann erforderlich gewesen wäre, wenn man unter Zugrundelegung der Annahme, daß die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 leg. cit. im Beschwerdefall vorliegen, der Auffassung der belangten Behörde folgt, daß im Falle der Richtigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers die Feststellung der Öffentlichkeit der in Rede stehenden Privatstraße nicht zu verhindern gewesen wäre."
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im übrigen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf dieses Erkenntnis verwiesen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 11. April 1996 hat die Niederösterreichische Landesregierung nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Haag vom 27. August 1992 gemäß § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde entscheidungswesentlich aus, aus dem im Sinne der Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Ermittlungsverfahren sei abzuleiten, daß die von den Straßenrechtsbehörden der Stadtgemeinde Haag - wenngleich damals ohne entsprechenden Nachweis - getroffenen Feststellungen, daß das beim Bezirksgericht Haag zu Zl. C 99/89g anhängig gewesene Zivilrechtsverfahren in keinem direkten Zusammenhang mit dem gegenständlichen Feststellungsverfahren nach § 2 des NÖ Landesstraßengesetzes stehe, zutreffend gewesen seien. Durch das ergänzte Ermittlungsverfahren sei weiters offenkundig geworden, daß die Behauptung des Beschwerdeführers, daß die seinerzeitige Wegtrasse ab der Einmündung in die Landeshauptstraße 85 ca. 1,80 m weiter nördlich verlaufen sei, jeder sachlichen Grundlage entbehre, zumal nunmehr nachgewiesen sei, daß die Wegtrasse bereits ab der Einmündung in die Landeshauptstraße 85 geringfügig weiter südlich verlaufen sei. Weiters sei insbesondere die ursprüngliche Feststellung der Straßenrechtsbehörden der Stadtgemeinde Haag bestätigt worden, daß der Beschwerdeführer die Wegtrasse im Bereich seines Wohngebäudes durch eigenmächtige und konsenslose Baumaßnahmen zu seinem Vor- und zum Nachteil der nördlichen Grundstücksnachbarn in Richtung Norden "gedrückt" habe. Die anderslautenden Behauptungen des Beschwerdeführers hätten sich anläßlich der ersten Erhebung der Vorstellungsbehörde am 18. März 1994 bereits deswegen als völlig unhaltbar erwiesen, weil festgestellt werden habe können, daß der gegenständliche Weg zwischen Alleebäumen verlaufe, welche im Bereich des Hauses des Beschwerdeführers direkt an den nördlichen Fahrbahnrand angrenzten. Hiebei habe weiters festgestellt werden können, daß diese Bäume jeweils ein Alter jenseits von 30 Jahren aufwiesen. Wäre demnach die Behauptung des Beschwerdeführers richtig gewesen, hätten diese Alleebäume ursprünglich mitten auf der Fahrbahn stehen müssen. Den Behauptungen des Beschwerdeführers anläßlich der Erhebung vom 18. März 1994, wonach auch im Bereich des Grundstückes Nr. 347 eine wesentliche Verlegung der Trasse stattgefunden habe, sei zu entgegnen, daß diese Trassenverlegung - selbst im Falle des Zutreffens dieser Behauptung - vom Beschwerdeführer nicht mit Erfolg geltend gemacht werden könnte, da sie sich nicht im Bereich seiner Liegenschaft befinde. Der Vollständigkeit halber werde auf die Aussage des Gemeinderates Gerstmayr, welcher direkt am gegenständlichen Weg (Grundstück Nr. 27) wohne, hingewiesen, wonach sich die im Flächenwidmungsplan dargestellte Wegtrasse zumindest in den letzten 30 Jahren nicht verändert habe. Dies beziehe sich insbesondere auch auf den vom Beschwerdeführer behaupteten Bereich des Grundstückes Nr. 374. Zusammenfassend könne somit festgestellt werden, daß sich die vom Beschwerdeführer angeblich gegen die Feststellung der Merkmale der Öffentlichkeit des gegenständlichen Privatweges sprechenden Tatsachen allesamt als unrichtig herausgestellt hätten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem gesetzlich gewährleisteten Recht, "gegen § 2 NÖ Landesstraßengesetz als Grundeigentümer durch die Feststellung der Öffentlichkeit nicht zur zwangsweisen Benützung durch jedermann verhalten zu werden", verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind die Verwaltungsbehörden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 B-VG stattgegeben hat, verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
Bindungswirkung entfaltet die das aufhebende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes tragende Rechtsanschauung, das ist neben dem Tenor des Erkenntnisses auch dessen Begründung, wobei sich diese Bindungswirkung auf alle Verwaltungsbehörden erstreckt (vgl. hiezu Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, Seite 186 f).
Tragender Aufhebungsgrund im hg. Erkenntnis vom 7. Dezember 1993, Zl. 93/05/0184, war, daß die belangte Behörde die Rechtslage deshalb verkannt hatte, weil gemäß § 2 Abs. 3 des NÖ Landesstraßengesetzes im Zuge der Feststellung einer Privatstraße als öffentliche Straße "kein Zweifel hinsichtlich des Verlaufes und des Umfanges der Trasse bestehen" darf. Weil sie insofern die Rechtslage verkannt hatte, hat die belangte Behörde den insoweit - also hinsichtlich des Verlaufes und des Umfanges der Trasse - mangelhaften Spruch der Gemeindebehörden nicht zum Anlaß einer Aufhebung des Bescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 27. August 1992 genommen, obwohl der Beschwerdeführer diesen Umstand in der Vorstellung als Verfahrensmangel geltend gemacht hat. Ausdrücklich hat der Verwaltungsgerichtshof im vorzitierten Erkenntnis vom 7. Dezember 1993 den Spruch im Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 10. Juni 1992 bezüglich des Erfordernisses eines konkreten Trassenverlaufes im Bereich der Liegenschaft des Beschwerdeführers als mangelhaft bezeichnet. Diesen mangelhaften Spruch hat die Berufungsbehörde infolge Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG zum Inhalt ihrer Berufungsentscheidung gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof ging daher in seinem Erkenntnis vom 7. Dezember 1993 davon aus, daß den gemeindebehördlichen Bescheiden nicht zu entnehmen ist, welchen Verlauf und welchen Umfang die Trasse der als öffentliche Straße gemäß § 2 Abs. 1 des NÖ Landesstraßengesetzes festgestellten beschwerdegegenständlichen Privatstraße im Bereich der Liegenschaft des Beschwerdeführers hat. Diesen Mangel konnte die belangte Behörde im Vorstellungsverfahren durch eigene Ermittlungen selbst auch nicht beheben, weil sie nur zur Rechtmäßigkeitskontrolle berechtigt und damit nicht befugt ist, anstelle der Gemeinde in der Sache, die Gegenstand des gemeindebehördlichen Verfahrens war, selbst zu entscheiden (vgl. hiezu § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973). Haben die Gemeindebehörden aber über den Verlauf und den Umfang der gemäß § 2 Abs. 2 des NÖ Landesstraßengesetzes zur öffentlichen Straße erklärten Privatstraße nicht in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise abgesprochen, fehlt es an einer gesetzmäßigen Entscheidung in der Sache selbst, welche von der Vorstellungsbehörde nicht nachgeholt werden kann.
Die belangte Behörde hätte daher gemäß § 63 Abs. 1 VwGG dem hg. Erkenntnis vom 7. Dezember 1993 nur durch Kassation des Bescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 27. August 1992 entsprechen dürfen.
Der angefochtene Bescheid war aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Verhältnis zu anderen Materien und Normen Gemeinderecht VorstellungInhalt der Vorstellungsentscheidung Aufgaben und Befugnisse der VorstellungsbehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996050156.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
11.08.2015