TE Lvwg Erkenntnis 2020/6/25 LVwG-AV-355/001-2020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.06.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

25.06.2020

Norm

StVO 1960 §59 Abs1 litb
VStG 1991 §3 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch die Richterin

HR Mag. Parich-Gabler über die Beschwerde des A, vertreten durch Rechtsanwalt B, ***, ***, als Erwachsenenvertreter, gegen den Bescheid der Bruck an der Leitha vom 18.03.2020, Zl. ***, betreffend Verbot des Lenkens von Fahrrädern nach der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

1.   Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 Verwaltungsgerichtsverfahrens-gesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

2.   Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha (in weiterer Folge als Verwaltungsbehörde bezeichnet) vom 18.03.2020, Zl. ***, wurde dem Beschwerdeführer das Lenken von Fahrrädern im Verwaltungsbezirk Bruck an der Leitha auf die Dauer von einem Jahr ab Zustellung des Bescheides verboten sowie die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid ausgeschlossen.


Die Verwaltungsbehörde führte begründend aus, dass der Beschwerdeführer am 07.08.2017 ein Fahrrad mit einem Atemluftalkoholgehalt von 0,79 mg/l in *** gelenkt habe (Strafbescheid *** vom 02.10.2017), sowie am 11.10.2018 ein Fahrrad mit einem Atemluftalkoholgehalt von 0,70 mg/l in *** (Strafbescheid *** vom 11.03.2020) und letztmalig am 21.12.2018, um 13:15 Uhr, ein Fahrrad in *** mit einem Atemluftalkoholgehalt von 0,57 mg/l (Strafbescheid *** vom 22.8.2019) gelenkt habe. Dies sei ihm mit Parteiengehör zur Kenntnis gebracht worden. Die Behörde müsse Personen das Lenken von Fahrrädern verbieten, wenn diese wegen ihres Verhaltens im Straßenverkehr (wiederholte einschlägige Bestrafungen) eine Gefahr für die Verkehrssicherheit darstellen würden (§ 59 Abs 1 lit.b SVO). Ein solches Fahrverbot könne nur befristet oder unbefristet erlassen werden. In seinem Fall habe ein befristetes Fahrverbot ausgesprochen werden können, da er bis auf die oben angeführten Vorfälle im Straßenverkehr noch nicht nachteilig in Erscheinung getreten sei.

2.   Zum Beschwerdevorbringen:

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seinen Erwachsenenvertreter fristgerecht Beschwerde, welche im Wesentlichen damit begründet wird, dass es sich beim Beschwerdeführer um eine Person handle, der ein Erwachsenenvertreter zur Seite gestellt worden sei, auf diesen Umstand sei im Zusammenhang mit der Prüfung der Schuldfähigkeit nicht eingegangen worden. Der Strafbescheid zur GZ. *** sei rechtskräftig, der Strafbescheid zur

GZ. *** werde hingegen angefochten, der Strafbescheid zur

GZ. *** sei dem Erwachsenenvertreter unbekannt. Da es sich beim Beschwerdeführer um eine Person handle, welche sich nicht mehr vor den Behörden selbst vertreten könne, sei eine rechtmäßige Zustellung hiebei nur an den Erwachsenenvertreter möglich und fordere der Erwachsenenvertreter die belangte Behörde auf, ihm diesen Bescheid zuzustellen. Es liege sohin maximal eine rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers vor und könne die belangte Behörde nicht davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer eine Gefahr für die Verkehrssicherheit darstelle. Es werde daher der Antrag gestellt, nach Abhaltung einer mündlichen Verhandlung das über den Beschwerdeführer verhängte Verbot der Lenkung eines Fahrrades aufzuheben, in eventu die Dauer des Verbotes auf eine schuld- und tatangemessene Höhe zu reduzieren.

3.   Zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren:

In Entsprechung des Parteienantrages führte das erkennende Gericht eine gemeinsame öffentliche mündliche Verhandlung in den Verfahren LVwG-S-641/001-2020 (betreffend das Straferkenntnis zur GZ. ***) sowie LVwG-AV-355/001-2020 aufgrund des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges in Anwesenheit des Erwachsenenvertreters des Beschwerdeführers durch.

In der Verhandlung schränkte der Vertreter des Beschwerdeführers seine Beschwerde gegen den Strafbescheid zur GZ. ***, betreffend das Lenken des Fahrrades am 11.10.2018 in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand mit einem Alkoholgehalt seiner Atemluft von 0,70 mg/l, auf eine solche gegen die Strafhöhe ein.

Mit rechtskräftigem Erkenntnis vom 1.4.2020 zur GZ. LVwG-S-2094/001-2019 (betreffend das Strafverfahren zur GZ. ***), das dem Erwachsenvertreter am 15.06.2020 zugestellt wurde, setzte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die über den Beschwerdeführer verhängte Geldstrafe wegen Übertretung des § 5 Abs 1 iVm § 99 Abs 1b StVO herab.

Es liegen sohin im Entscheidungszeitpunkt folgende rechtskräftige Verwaltungsvorstrafen gegen den Beschwerdeführer vor:

Zur Zl. *** wegen Übertretung des § 5 Abs 1 iVm § 99 Abs 1a StVO, zur Zl. *** wegen Übertretung des § 5 Abs 1 iVm § 99 Abs 1b StVO sowie zur Zl. *** wegen Übertretung des § 5 Abs 1 iVm § 99 Abs 1a StVO.

4.   Beweiswürdigung:

Sämtliche Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt der Verwaltungsbehörde zur Zl. *** sowie den Ergebnissen des durchgeführten Ermittlungsverfahrens vor dem erkennenden Gericht.

Fest steht, dass der Beschwerdeführer schon drei Mal wegen Lenkens eines Fahrrades in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand rechtskräftig bestraft wurde.

5.   Rechtslage:

§ 5 Abs. 1 Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO):

„(1) Wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet, darf ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt.“

§ 59 Abs. 1 StVO:

„(1) Die Behörde hat einer Person das Lenken eines Fahrzeuges, das ohne besondere Berechtigung gelenkt werden darf, ausdrücklich zu verbieten, wenn diese

         a)       wegen körperlicher oder geistiger Mängel zum Lenken eines Fahrzeuges ungeeignet ist oder

         b)       wegen ihres Verhaltens im Straßenverkehr, insbesondere im Hinblick auf wiederholte einschlägige Bestrafungen, eine Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs bildet.“

§ 3 Abs. 1 und 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG):

„(1) Nicht strafbar ist, wer zur Zeit der Tat wegen Bewusstseinsstörung, wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder wegen Geistesschwäche unfähig war, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln.

(2) War die Fähigkeit zur Zeit der Tat aus einem dieser Gründe in hohem Grad vermindert, so ist das als mildernder Umstand bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen. Das gilt aber nicht für Bewusstseinsstörungen, die auf selbst verschuldeter Trunkenheit beruhen.“

6.   Erwägungen:

Gemäß § 3 Abs. 1 VStG ist nicht strafbar, wer zur Zeit der Tat wegen Bewusstseinsstörung, wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder wegen Geistesschwäche unfähig war, das unerlaubte der Tat einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln. Die Zurechnungsfähigkeit bildet demnach eine unbedingte Voraussetzung für die Strafbarkeit, wobei das Vorliegen der Ausnahmen der Tatbestände des § 3 Abs. 1 VStG auch grundsätzlich von Amts wegen zu prüfen ist (VwGH 20.11.1967, Zlen. 1134, 1135/67).

Die Frage, ob der Täter zur Tatzeit im Sinne des § 3 Abs. 1 VStG zurechnungsfähig war, ist eine Rechtsfrage, die von der Behörde – allenfalls unter Beiziehung von Sachverständigen – zu lösen ist. Dementsprechend hat die Behörde – sofern nicht offenkundig Zurechnungsfähigkeit vorliegt – das vom Beschwerdeführer hierzu erstattete Vorbringen rechtlich zu prüfen; eine vorliegende Besachwalterung stellt lediglich ein Indiz für das Vorliegen von Zurechnungsunfähigkeit dar (vgl. VwGH 10.10.1990, 90/03/0140). Maßgeblich ist dabei die Schuldfähigkeit des Täters zum Tatzeitpunkt (VwGH 20.09.2000, 97/03/0375). Sachlich geht es stets um die fehlende normative Ansprechbarkeit für das jeweils konkret in Rede stehende Delikt; die Zurechnungsfähigkeit kann daher auch zu einem gegebenen Zeitpunkt je nach Tatbestand differieren.

In den gegenständlichen Verfahren wurde seitens des Erwachsenenvertreters die Schuldfähigkeit nicht in Abrede gestellt, der Erwachsenenvertreter brachte vor, dass der Beschwerdeführer schuldfähig sei, jedoch eine geminderte geistige Kapazität vorliege.

Es war auch aufgrund der Aktenlage nicht ohne weiteres auf eine Zurechnungsunfähigkeit des Beschwerdeführers zu schließen, ergibt sich alleine aus dem Faktum des Bestehens einer aufrechten Erwachsenenvertretung keineswegs, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage sein sollte bzw. gewesen sein soll, das Unerlaubte seiner Tat einzusehen und dieser Einsicht gemäß zu handeln.

Bei Vorliegen einer Zurechnungsunfähigkeit müsste dem Beschwerdeführer das Lenken des Fahrrades aufgrund seiner geistigen Mängel nicht nur befristet, sondern unbefristet verboten werden.

Aufgrund der vorliegenden Vormerkungen ist jedoch davon auszugehen, dass von dem Beschwerdeführer eine Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs ausgeht, dies aufgrund seines speziellen Verhaltens im Straßenverkehr, nämlich dem Lenken seines Fahrrades im Alkohol beeinträchtigten Zustand in drei Fällen.

Es kommt gemäß § 59 Abs 1 lit.b StVO keineswegs allein darauf an, dass das Verhalten des Beschwerdeführers zu Bestrafungen geführt hat, sondern es genügt, wenn das Verhalten des Beschwerdeführers im Straßenverkehr erkennen lässt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs bildet, wie bei einer mehrmaligen Lenkung eines Fahrrades in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand vorliegt.

Dem Beschwerdevorbringen und dem Antrag des Beschwerdeführers die Dauer des Verbots des Lenkens des Fahrrades herabzusetzen, war sohin kein Erfolg beschieden.

7.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Schlagworte

Verkehrsrecht; Straßenverkehr; Lenkverbot; Fahrrad; Alkoholisierung; Zurechnungsfähigkeit;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.355.001.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.09.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten