TE Vwgh Erkenntnis 1997/12/17 95/21/0736

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.12.1997
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Julcher, über die Beschwerde des AO (geboren am 26. Juni 1959), vertreten durch

Dr. Gerfried Höfferer, Rechtsanwalt in Wien II, Franzensbrückenstraße 20/1/6b, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 31. März 1995, Zl. 112.598/2-III/11/94, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer aufenthaltsrechtlichen Angelegenheit, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die vorliegende Beschwerde ist gegen einen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 31. März 1995 gerichtet, mit welchem die gegen einen Bescheid des Landeshauptmanns von Wien vom 2. Juli 1994, mit welchem der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz abgewiesen worden war, gerichtete Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurückgewiesen wurde. Dieser Bescheid wurde damit begründet, daß Berufungen gemäß § 63 Abs. 5 AVG binnen zwei Wochen nach erfolgter Zustellung einzubringen seien. Da die Zustellung des Bescheides des Landeshauptmanns von Wien am 12. Juli 1994 erfolgt sei und die Berufung des Beschwerdeführers erst am 24. November 1994 eingebracht worden sei, sei die Berufung des Beschwerdeführers als verspätet zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil ihm der Bescheid des Landeshauptmanns von Wien vom 2. Juli 1994 erst anläßlich einer Vorsprache bei der Behörde erster Instanz am 22. November 1994 übergeben und daher erst an diesem Tage zugestellt worden sei. Zwar hätte ein Zustellversuch am 11. Juli 1994 an seiner damaligen Wohnadresse, einem Hotel in Wien XIV, stattgefunden. RSb-Schreiben - in dieser Form sei der Zustellversuch erfolgt - würden im genannten Hotel grundsätzlich vom Portier übernommen. Da es in diesem Hotel gar kein Hausbrieffach gäbe, könne der Zusteller auch gar keine Hinterlegungsanzeige in einem Hausbrieffach hinterlassen haben. Es sei daher davon auszugehen, daß überhaupt keine Verständigung von einer postamtlichen Hinterlegung des Schriftstückes erfolgt sei, jedenfalls habe der Beschwerdeführer keine Hinterlegungsanzeige erhalten. Erst im Zuge eines gegen den Beschwerdeführer gerichteten fremdenpolizeilichen Verwaltungsstrafverfahrens habe er davon erfahren, daß sein Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz rechtskräftig abgewiesen worden sei. Die belangte Behörde hätte die in der Berufung des Beschwerdeführers erfolgte Angabe, ihm sei der Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 2. Juli 1994 am 22. November 1994 zugestellt worden, zum Anlaß nehmen müssen, in Erfüllung ihrer Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung des wahren Sachverhaltes gemäß §§ 37, 39 AVG hinsichtlich der Rechtzeitigkeit der Berufung entsprechende Ermittlungen anzustellen und ihm gemäß § 45 Abs. 3 AVG Gelegenheit geben müssen, zu ihrer Ansicht, daß die Berufungsfrist versäumt sei, Stellung zu nehmen.

Die Beschwerde ist berechtigt. Die Frage, ob eine Berufung rechtzeitig oder verspätet eingebracht wurde, ist eine Rechtsfrage, die die Behörde aufgrund der von ihr festgestellten Tatsachen zu entscheiden hat. Die Zurückweisung eines Rechtsmittels als verspätet setzt voraus, daß der Beginn und das Ende der Rechtsmittelfrist feststeht. Die Behörde hat, bevor sie die Zurückweisung eines Rechtsmittels ausspricht, dies nach § 37 AVG und § 39 Abs. 2 dieses Gesetzes von Amts wegen zu prüfen, zumal der Rechtsmittelwerber nicht verpflichtet ist, von vornherein alle Umstände anzuführen, aus denen er die Rechtzeitigkeit seines Rechtsmittels ableitet. Die Behörde hat gemäß § 45 Abs. 3 AVG dem Berufungswerber Gelegenheit zu geben, vom gewonnenen Ermittlungsergebnis Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Die Verletzung dieser Verfahrensvorschrift führt bereits dann zu einem rechtserheblichen Verfahrensmangel, wenn nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei dessen Vermeidung zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 10. September 1997, Zl. 96/21/1090, und die bei Hauer - Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, S. 561 f, angegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Diese Verpflichtung hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall verletzt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995210736.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten