Entscheidungsdatum
30.01.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W114 2196400-1/24E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard DITZ über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch RA Dr. Helmut BLUM, Mozartstraße 11/6, 4020 Linz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, Außenstelle Linz, vom 23.04.2018, Zl. 1094839900 - 151770630, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.05.2019 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte IV., V. und VII. des angefochtenen Bescheides wird abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. XXXX , geb. am XXXX , (im Weiteren: Beschwerdeführer oder BF), stellte am 13.11.2015 nach illegaler Einreise in das österreichische Staatsgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Im Rahmen seiner Erstbefragung vor der Polizeiinspektion XXXX gab der Beschwerdeführer an, afghanischer Staatsbürger, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und sunnitischer Moslem zu sein. Er sei ledig. Er stamme aus einem Dorf in der Provinz Baghlan in Afghanistan. Er habe in Afghanistan keine Schule besucht und sei Analphabet. Er habe zuletzt in Afghanistan als Fahrer in einem Transportunternehmen gearbeitet. Sein Vater, seine Mutter, zwei ältere Schwestern, zwei jüngere Schwestern und drei jüngere Brüder würden sich in Afghanistan in seinem Heimatort befinden.
Befragt nach seinen Fluchtgründen führte der BF aus, dass in Afghanistan Krieg herrsche und er deswegen geflüchtet sei. Seine Familie sei in Afghanistan geblieben, da für deren Ausreise das Geld nicht gereicht habe. Er habe Angst vor dem Krieg.
3. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 14.12.2017 legte der Beschwerdeführer dar, dass er aus der Region XXXX im Distrikt Nahrin in der Provinz Baghlan stamme. Er habe bereits im Jahr 2014 beschlossen, Afghanistan zu verlassen; aus finanziellen Gründen sei er jedoch erst im Oktober 2015 aus Afghanistan ausgereist. Seine Schlepper-unterstützte Flucht habe US $ 6.000.-- gekostet.
Er habe in Afghanistan ab seinem achten Lebensjahr gearbeitet, wobei er zuerst als Schweißer beschäftigt gewesen sei. Ab seinem 12. Lebensjahr sei er LKW-Beifahrer eines Onkels väterlicherseits gewesen; während der letzten beiden Jahren habe er selbst einen LKW gelenkt, wobei er für seinen Vater, der mit Kohle gehandelt habe, gearbeitet habe. Seine Familie, die aus seinen Eltern, vier Schwestern und drei Brüder bestehen würde, würde sich nach wie vor in seinem Heimatdorf befinden. Seine Familie lebe dabei in ihrem eigenen Haus. Er habe auch regelmäßig Kontakt zu seiner Familie. Darüber hinaus würden sich in Afghanistan insgesamt vier Onkel und fünf Tanten aufhalten, wobei alle über Eigenheime verfügen würden. Er habe auch Kontakt zu einem Freund in Afghanistan.
Im Jahr 2013 habe er einen LKW seines Vaters chauffiert, als er und sein Beifahrer von vier bewaffneten und vermummten Personen überfallen, misshandelt und beraubt worden wären. Sie hätten auch sein Mobiltelefon, auf dem die Telefonnummer seines Vaters abgespeichert gewesen wäre, mit sich genommen. Sein Vater sei daraufhin immer wieder angerufen worden. Dabei sei seinem Vater mitgeteilt worden, dass der Beschwerdeführer für sie als Fahrer arbeiten sollte. Sein Vater habe schließlich seine Telefonnummer geändert. Damit hätten die Belästigungen geendet.
Ein Jahr später sei vor dem Wohnhaus ein Drohbrief gelegen. In diesem Drohbrief sei gestanden, dass er von den Taliban ein Fahrzeug gestohlen habe und dieses der Polizei übergeben habe. Er solle dafür die Verantwortung übernehmen und sich den Taliban stellen.
Sein Vater habe keinen anderen Ausweg gesehen, als den Beschwerdeführer nach Europa zu schicken.
In seiner Einvernahme vor dem BFA verneinte er die Frage, ob er in Österreich eine Freundin bzw. eine Lebensgefährtin habe.
4. Bereits im Asylverfahren legte der BF zahlreiche Unterstützungsschreiben österreichischer Privatpersonen und Institutionen sowie mehrere Dokumente, die ehrenamtliche Tätigkeiten bescheinigten und weitere Integrationsdokumente vor. Der BF legte auch eine Totalfälschung eines afghanischen Führerscheines und eine Ablichtung des Drohbriefes, der mit 27.05.2014 datiert ist und eine Ablichtung eines Schreibens der Dorfältesten seines Dorfes in Afghanistan, welches mit 11.02.2014 datiert ist und in dem berichtet wird, dass der BF im Alter von 17 Jahren mehrmals von Taliban mit dem Tod bedroht worden wäre, weswegen der BF Afghanistan verlassen habe, vor.
Der BF verwies auf viele Deutsch-Sprachkursteilnahmebestätigungen und legte auch ein ÖSD-Zertifikat vom 21.03.2018 vor, in welchem bescheinigt wird, dass der BF eine Deutsch-Sprachprüfung auf B1-Niveau bestanden hat.
5. Mit Bescheid des BFA, Regionaldirektion Oberösterreich, Außenstelle Linz vom 23.04.2018, Zl. 1094839900 - 151770630, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm
§ 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 18 Abs. 1 Z 3 BFA-VG wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung aberkannt (Spruchpunkt VI.). Weiters wurde ausgeführt, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VII.).
Begründend wurde zu Spruchpunkt I. ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sei. Die vom BF im Asylverfahren getätigten Zeitangaben würden dazu führen, dass der BF keine Verfolgungsgefahr habe glaubhaft machen können, zumal zwischen dem Vorfall, bei dem er als LKW-Fahrer überfallen, beraubt und misshandelt worden wäre, dem behaupteten Erhalt des Drohbriefes und seiner tatsächlichen Ausreise aus Afghanistan jeweils ein Jahr vergangen sei, ohne dass es zu weiteren verfolgungsrelevanten Aktionen gekommen sei. Zudem sei es seinen Familienmitgliedern offensichtlich möglich, sich in Afghanistan, ohne verfolgt zu werden, aufzuhalten. Die Echtheit des vom BF vorgelegten Drohbriefes wurde angezweifelt, die von den Dorfältesten seines Dorfes vorgelegte Bestätigung wurde vom BFA als Gefälligkeitsschreiben qualifiziert.
Zu Spruchpunkt II. wurde dargelegt, dass es sich bei seiner Heimatprovinz Baghlan um eine volatile Provinz handle und dass die Sicherheitssituation dort bedrohlich sei.
Dem Beschwerdeführer stehe jedoch mit Kabul, das über einen international sicher erreichbaren Flughafen verfüge, eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Er könne darüber hinaus auch Rückkehrbeihilfe in Anspruch nehmen. Der BF verfüge in Afghanistan darüber hinaus über familiäre Anknüpfungspunkte.
Der Beschwerdeführer erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG; der BF habe sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein müssen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan. Besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, würden zwar vorliegen. Bei der anzustellenden Abwägung der betroffenen Interessen sei dem geordneten Vollzug des Fremdenwesens und der öffentlichen Ordnung und Sicherheit mehr Gewicht einzuräumen, als den Interessen des Beschwerdeführers.
Angesichts des Umstandes, dass der BF eine Totalfälschung eines afghanischen Führerscheines vorgelegt habe und sich darauf berufen habe, sei einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung abzuerkennen. Daher sei auch eine Frist für eine freiwillige Ausreise nicht zuzusprechen.
Diese Entscheidung wurde dem BF am 24.04.2018 durch persönliche Übernahme durch den BF zugestellt.
6. Mit Schriftsatz vom 17.05.2018, eingelangt beim BFA am 22.05.2018, erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch Dr. Helmut BLUM, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, Beschwerde. Insbesondere wurde dabei auch ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt.
Begründet wird diese Beschwerde im Wesentlichen zusammengefasst damit, dass der BF im Asylverfahren keinesfalls das BFA über seine Identität getäuscht habe, zumal er auch eine Tazkira vorgelegt habe, aus der zweifelsfrei seine wahre Identität entnommen werden könnte. Er habe im Asylverfahren immer die Wahrheit gesagt, sodass ihm der Status eines Asylberechtigten, jedenfalls jedoch zumindest der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen sei. Er habe Afghanistan nicht sofort verlassen können, da er damals einerseits nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügt habe und andererseits noch sehr jung gewesen wäre. In Kabul verfüge er über kein soziales Netz, sodass ihm dort eine Ansiedelung nicht zugemutet werden könnte. Er habe bereits maßgebliche Integrationsschritte gesetzt, was insbesondere durch die Zeugin XXXX bestätigt werden könnte.
7. Mit Schreiben vom 24.05.2018 legte das BFA dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde mit dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sowie die bezughabenden Unterlagen des Verwaltungsverfahrens zur Entscheidung vor.
8. Mit (Teil-) Erkenntnis des BVwG vom 28.05.2018, GZ W114 2196400-1/3E, wurde Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides behoben und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Entscheidungswesentlich wurde in dieser Entscheidung mitgeteilt, dass die Vorlage eines gefälschten Führerscheines, aufgrund dessen der BF befugt gewesen wäre, bereits im Alter von 14 Jahren legal ein mehrspuriges Kraftfahrzeug zu lenken, ein untauglicher Versuch einer Täuschung über die Identität darstellen würde, da bereits bei einfacher Recherche zu erfahren gewesen wäre, dass in Afghanistan für das Ausstellen eines echten und legalen Führerscheines ein Mindestalter von 18 Jahren gelte. Da aus dem vorgelegten Akteninhalt nicht zweifelsfrei erkennbar sei, ob die Verneinung der Gewährung eines internationalen Schutzes rechtskonform sei, sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
9. Mit Schreiben vom 07.06.2018 teilte der BF durch seinen Rechtsvertreter mit, dass das Strafverfahren hinsichtlich des Vergehens der Urkundenfälschung von der Staatsanwaltschaft Linz eingestellt worden wäre.
10. Am 22.08.2018 wies der BF auf eine Beschäftigungsbewilligung des AMS vom 17.08.2018, ABB-Nr. 3938229, hin, wonach in dieser dem BF erlaubt werde, eine Lehre als Straßenerhaltungsfachmann zu absolvieren.
11. Am 01.09.2018 begann der BF eine Lehre bei der Gemeinde Engerwitzdorf, wobei als Ausbildungsleiter XXXX verantwortlich ist.
In einem Schreiben vom 02.05.2019 bestätigte XXXX , dass der BF in ihrer Familie Anschluss gefunden habe und gleichsam wie ein Enkelkind in ihrer Familie behandelt werde.
12. Gemeinsam mit der Ladung zur Beschwerdeverhandlung vom 26.03.2019 wurden dem Beschwerdeführer umfangreiche aktuelle Länderinformationen zu Afghanistan zugänglich gemacht und ihm die Möglichkeit geboten, eine Stellungnahme abzugeben.
13. Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 07.05.2019 wurde der Beschwerdeführer zu seiner Identität und Herkunft sowie zu seinen Fluchtgründen befragt. Die Verhandlung fand im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari statt. Das BFA verzichtete mit Schreiben vom 27.03.2019 auf eine Teilnahme an der Verhandlung.
An der Beschwerdeverhandlung nahm neben dem BF und seinem Rechtsvertreter auch XXXX teil, die sich als Zeugin hinsichtlich der Bescheinigung der Integration des BF in Österreich anbot. Insbesondere berichtete sie zeugenschaftlich befragt, dass der BF eine siebzehnjährige Freundin habe, deren Vater vor wenigen Wochen einen schweren Autounfall gehabt habe, sich seither im Zustand eines Wachkomas befinde und falls er jemals wieder das Bewusstsein zurückerhalten würde, mit schweren zerebralen Schäden zu rechnen habe. Der Beschwerdeführer als Freund, mit dem sie sich in einer Beziehung befinden würde, sei ihr in dieser schweren Zeit eine äußerst wichtige Stütze und dürfe nicht abgeschoben werden, zumal dann nicht absehbar sei, welche Konsequenzen der Verlust ihres Freundes für die junge Frau hätte. Die beiden jungen Menschen würden sich in einer Beziehung befinden, wobei der BF in der Familie von XXXX und seine Freundin bei ihrer Mutter wohnen würden. Die Freundin habe mit Zustimmung von XXXX auch bereits beim BF genächtigt.
Ausgehend von den im Beschwerdeverfahren aufgenommenen Beweisen und dem ermittelten Sachverhalt, insbesondere dem in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 07.05.2019 gewonnen Eindruck wurde das Erkenntnis gemäß § 29 Abs. 1 VwGVG mündlich verkündet und umfangreich begründet.
Die Beschwerde wurde hinsichtlich der Spruchpunkte I., II. und III. des angefochtenen Bescheides in den BVwG-Erkenntnisspruchpunkten I., II. und III. als unbegründet abgewiesen. In einem Spruchpunkt IV. wurden die Spruchpunkte IV., V. und VII. des angefochtenen Bescheides aufgehoben und festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist. Darüber hinaus wurde in einem Spruchpunkt V. dem Beschwerdeführer der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
Begründend führte das BVwG aus, dass nicht festgestellt habe werden können, dass der BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit überhaupt von einer Verfolgungsgefahr betroffen wäre. Der Beschwerdeführer würde, unter Berücksichtigung von Art. 2 und 3 EMRK, bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht in eine ausweglose Situation geraten. Er könne in sein Heimatland zurückkehren. Bezüglich der Erteilung des Aufenthaltstitels "Aufenthaltsberechtigung plus" führte das BVwG aus, dass der Beschwerdeführer von einer österreichischen Familie gleichsam als Familienmitglied aufgenommen worden wäre. Zudem habe er eine Freundin, deren Vater vor wenigen Wochen einen Unfall erlitten habe und sich seither in einem Koma befinde, sodass nicht auszuschließen wäre, dass bei einer Abschiebung des BF diese junge Frau in eine besorgniserregende Situation, die auch letal enden könnte, geraten würde, da sie dann neben dem Verlust ihres verunfallten Vaters als Ansprech- und Bezugsperson auch ihren Freund verlieren würde. Eine Rückkehrentscheidung gegen den BF würde sich im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK als unverhältnismäßig erweisen. Zudem berücksichtigte das erkennende Gericht ein aufrechtes Lehrverhältnis des Beschwerdeführers, seine Selbsterhaltungsfähigkeit, seine Deutschkenntnisse auf Niveau B1, seine herausragenden Leistungen in der Berufsschule, seine außergewöhnliche Integration in seiner Heimatgemeinde, sein umfangreiches, freiwilliges und soziales Engagement, seine strafrechtliche Unbescholtenheit sowie seine zahlreichen Unterstützungsschreiben.
14. Mit Schreiben vom 09.05.2019, eingelangt im BVwG noch am selben Tag, beantragte das BFA die Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung des in der mündlichen Verhandlung am 07.05.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses des BVwG. Das Erkenntnis vom 11.06.2019, GZ W114 2196400-1//12E, wurde am 11.06.2019 an die Parteien des Beschwerdeverfahrens versandt.
15. Gegen die Spruchpunkte IV. und V. dieses Erkenntnisses erhob das BFA mit Schriftsatz vom 09.07.2019 Revision an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH).
Die Spruchpunkte I., II. und III. des Erkenntnisses des BVwG wurden vom BFA nicht angefochten.
16. Mit Erkenntnis des VwGH vom 17.12.2019, Zl. Ro 2019/18/0006-4, wurde das Erkenntnis des BVwG vom 11.06.2019, GZ W114 2196400-1//12E, im angefochtenen Umfang, somit nur hinsichtlich seiner Spruchpunkte A IV. und V. (Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung und Erteilung eines Aufenthaltstitels), wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründend führte der VwGH aus, dass keine "außergewöhnlichen Umstände" vorliegen würden, sodass dem BF unter Zugrundelegung des Art. 8 EMRK ein dauernder Aufenthalt in Österreich nicht ermöglicht werden dürfte. Der BF lebe nicht mit seiner Freundin zusammen, noch gebe es gemeinsame Kinder. Es bestehe auch keine wirtschaftliche Abhängigkeit. Da er als "Enkelsohn" zwar bei einer "Wahloma" lebe, aber wirtschaftlich unabhängig sei, könne auch bei einer nicht einmal fünfjährigen Aufenthaltsdauer eine anzustellende Interessenabwägung auch nicht zu Gunsten des BF ausfallen.
17. Am 11.12.2019 beschloss der Nationalrat eine Novelle des Fremdenpolizeigesetzes, die vorsieht, dass die Frist für die Ausreiseverpflichtung für AsylwerberInnen, welche sich in einer Mangelberuf-Lehre befinden, erst nach Lehrabschluss zu laufen beginnt. Diese Gesetzesnovelle wurde am 27.12.2019 kundgemacht und trat mit Ablauf des Tages der Kundmachung somit am 28.12.2019 in Kraft.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Vorweg wird auf das Erkenntnis des BVwG vom 11.06.2019, GZ W114 2196400-1//12E, hingewiesen und dazu ausgeführt, dass auch die dort getroffenen Feststellungen zu Feststellungen in der gegenständlichen Entscheidung erklärt werden. Insbesondere wird festgestellt, dass durch das Erkenntnis des VwGH vom 17.12.2019, Zl. Ro 2019/18/0006-4, nur die Spruchpunkte A IV. und V. des Erkenntnisses des BVwG vom 11.06.2019, GZ W114 2196400-1//12E, aufgehoben wurden und damit die Entscheidung hinsichtlich der Bestätigung des Nichtzuerkennens des Status eines Asylberechtigten bzw. eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan sowie eine Versagung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 an den Beschwerdeführer weiterhin rechtsgültig sind.
Lediglich zum besseren Verständnis der gegenständlichen Entscheidung werden einzelne Feststellungen aus dem Erkenntnis des BVwG vom 11.06.2019, GZ W114 2196400-1//12E, in dieser Entscheidung neuerlich getroffen.
1.1. Zum Beschwerdeführer:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken. Er ist sunnitischer Moslem.
Der Beschwerdeführer hat am 13.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Er befindet sich somit seit etwas mehr als vier Jahren in Österreich.
Der BF ist strafrechtlich unbescholten.
Er ist ledig und hat keine Kinder.
Der Beschwerdeführer hat in der Vergangenheit in Österreich mehrfach ehrenamtlich und gemeinnützig gearbeitet. Er befindet sich in einem legalen Ausbildungsverhältnis und absolviert eine Lehre als Straßenerhaltungsfachmann. Er ist finanziell unabhängig und nicht auf staatliche Unterstützung angewiesen. Er wohnt bei der Familie von XXXX , die ihn gleichsam als Enkelsohn betrachten und ihn als solchen behandeln bzw. auch unterstützen. Er spricht bereits ausgezeichnet Deutsch und verfügt auch über ein entsprechendes ÖSD-Zertifikat auf Niveau B1.
Er hat eine österreichische Freundin, deren Vater im Straßenverkehr schwer verunfallt ist, sich seither im Wachkoma befindet und falls er jemals wieder das Bewusstsein erlangen sollte, mit schwersten zerebralen Schäden zu rechnen hat. Der Beschwerdeführer begleitet seine Freundin durch diese schwere Zeit. Der Beschwerdeführer ging die Beziehung zu einem Zeitpunkt ein, in dem er sich seines unsicheren Aufenthaltes bewusst sein musste.
Eine eheähnliche Beziehung, in Form einer engen und dauerhaften persönlichen Bindung, im Sinne einer faktischen Familienbindung, im Sinne des Art. 8 EMRK, konnte zwischen dem BF und seiner Freundin nicht festgestellt werden. Es kann nicht festgestellt werden, dass zwischen dem BF und seiner Freundin eine Wirtschaftsgemeinschaft besteht.
Ebenfalls konnten keine "außergewöhnlichen Umstände" festgestellt werden, die - so der VwGH, an dessen diesbezüglich Entscheidung das erkennende Gericht gebunden ist - im Zuge einer Interessenabwägung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen mit den persönlichen Interessen des BF, zugunsten des Beschwerdeführers führen würden. Eine Rückkehrentscheidung gegen den BF erweist sich als nicht unverhältnismäßig.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Inhalt der dem BVwG vom BFA vorgelegten Unterlagen im gegenständlichen Beschwerdeverfahren.
2.2. Die Feststellungen zum Namen des Beschwerdeführers, zu seiner Staatsbürgerschaft, zu seiner Volksgruppenzugehörigkeit, zu seiner Religion sowie dass der BF ledig ist und keine Kinder hat, stützen sich auf die insoweit im Asylverfahren gleichbleibenden Angaben des BF, die auch nicht bestritten wurden.
2.3. Die Feststellung zur Unbescholtenheit des BF stützt sich auf die eingeholte Strafregisterauskunft.
2.4. Die vom BF geleisteten ehrenamtlichen Tätigkeiten in Österreich können den vom BF dazu vorgelegten Dokumenten entnommen werden, wie auch vom BF ein ÖSD-Deutschsprachzertifikat auf Niveau B1 vorgelegt wurde. Der BF hat diesbezüglich auch in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG sehr nachhaltig und angesichts der Kürze seines Aufenthaltes in Österreich geradezu herausragend seine ausgezeichneten Deutsch-Sprachkenntnisse bewiesen.
2.5. Die Tätigkeit als Lehrling bei einem österreichischen Unternehmen wird durch entsprechende Dokumente unter Beweis gestellt. Die finanzielle Unabhängigkeit ergibt sich aus der Tatsache, dass er eine Lehrlingsentschädigung bezieht sowie aus dem Grundversorgungs-Informationssystem.
2.6. Seine Einbindung in das soziale und kulturelle Leben in seinem Heimatort hat er durch verschiedene Unterstützungserklärungen und durch Mitgliedschaften bei lokalen Vereinen bzw. durch Teilnahmebestätigungen an sportlichen Wettbewerben bescheinigt.
2.7. Vom BF und von XXXX wurde übereinstimmend und glaubwürdig dargelegt, dass der BF eine Freundin hat, von der er jedoch finanziell unabhängig ist, mit der er nicht in einem gemeinsamen Haushalt wohnt und mit der er keine Kinder hat.
2.8. Wie der VwGH wiederholt zum Ausdruck brachte, ist das Bestehen eines Lehrverhältnisses, stetiges soziales Engagement und perfekte Deutschkenntnisse, keine "außergewöhnlichen Umstände", die im Zuge einer Interessenabwägung, zugunsten des Beschwerdeführers ausfallen würden, da diesbezüglich, nach der Rechtsauffassung des VwGH, das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber den privaten Interessen des BF überwiegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Da in den hier maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt somit in gegenständlicher Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu Spruchpunkt A):
3.1. Zur Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II. und III. des angefochtenen Bescheides:
Sofern sich die Beschwerde des BF gegen die Spruchpunkte I., II. und III. des angefochtenen Bescheides richtet, wird vom erkennenden Gericht hingewiesen, dass die diesbezügliche Beschwerde mit Erkenntnis des BVwG vom 11.06.2019, GZ W114 2196400-1/12E, rechtskräftig abgewiesen wurde und dass die diesbezügliche Entscheidung des BVwG auch nicht mit einer außerordentlichen Revision beim VwGH angefochten wurde noch dagegen eine VfGH-Beschwerde erhoben wurde. Daher sind die diesbezüglich vom BVwG getroffenen Entscheidungen weiterhin gültig und bedürfen auch keiner neuerlichen Behandlung im Rahmen der gegenständlichen Entscheidung.
3.2. Zur Beschwerde gegen den Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides:
Sofern sich die Beschwerde des BF gegen den Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides richtet, wird vom BVwG hingewiesen, dass dieser Spruchpunkt mit (Teil-) Erkenntnis des BVwG vom 28.05.2018, GZ W114 2196400-1/3E, behoben wurde und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde. Diese BVwG-Entscheidung wurde weder beim VwGH noch beim VfGH bekämpft. Daher ist auch die diesbezügliche vom BVwG getroffene Entscheidungen weiterhin gültig und bedarf ebenfalls keiner neuerlichen Behandlung im Rahmen der gegenständlichen Entscheidung.
3.3. Zur Beschwerde gegen den Spruchpunkt IV., V. und VII. des angefochtenen Bescheides:
3.3.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige. Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger von Afghanistan kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu. Im vorliegenden Verfahren liegt auch kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG vor.
Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, BGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
Der Beschwerdeführer befindet sich seit November 2015 im Bundesgebiet und sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG liegen daher nicht vor.
Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art 8 EMRK geboten ist.
§ 9 BFA-VG normiert den Schutz des Privat- und Familienlebens:
"(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden, wenn
1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, eine der Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes von mehr als fünf Jahren gemäß § 53 Abs. 3 Z 6, 7 oder 8 FPG liegt vor, oder
2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.
(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."
Gemäß Art 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Ein Eingriff in das durch Art. 8 EMRK verfassungsgesetzlich garantierte - unter Gesetzesvorbehalt stehende - Recht ist dann verfassungswidrig, wenn die ihn verfügende verwaltungsgerichtliche Entscheidung ohne jede Rechtsgrundlage ergangen ist, auf einer dem Art. 8 EMRK widersprechenden Rechtsvorschrift beruht oder wenn das Verwaltungsgericht bei Erlassung der Entscheidung eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hat; ein solcher Fall liegt nur vor, wenn das Verwaltungsgericht einen so schweren Fehler begangen hat, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre, oder wenn es der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen verfassungswidrigen, insbesondere Art. 8 Abs. 1 EMRK widersprechenden und durch Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht gedeckten Inhalt unterstellt hat (vgl. VfGH 23.09.2019, E 4948/2018, VfSlg 11.638/1988, 15.051/1997, 15.400/1999, 16.657/2002)
Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005, sondern zB. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR ist das nach Art. 8 EMRK geschützte Familienleben nicht auf durch Heirat rechtlich formalisierte Bindungen beschränkt, sondern umfasst auch andere faktische Familienbindungen, bei denen die Partner außerhalb des Ehestandes zusammenleben. Zur Frage, ob eine nichteheliche Lebensgemeinschaft ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK begründet, stellt der EGMR auf das Bestehen enger persönlicher Bindungen ab, die sich in einer Reihe von Umständen - etwa dem Zusammenleben, der Länge der Beziehung oder der Geburt gemeinsamer Kinder - äußern können (vgl. VwGH vom 31.01.2019, Ra 2019/20/0028, RZ 11; 29.11.2017, Ra 2017/18/0425, RZ 13).
In Österreich fehlt es an einer gesetzlichen Definition der Lebensgemeinschaft. Nach den vom Obersten Gerichtshof (OGH) entwickelten Kriterien wird unter einer Lebensgemeinschaft ein jederzeit lösbares familienrechtsähnliches Verhältnis verstanden, das der Ehe nachgebildet, aber von geringerer Festigkeit ist, und ein eheähnlicher Zustand, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht. Für das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft spielt neben der Eheähnlichkeit aber auch eine gewisse Dauer, auf die sie eingerichtet ist und das Zusammenspiel der Elemente Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft eine Rolle, wobei anerkannt ist, dass im Sinn eines beweglichen Systems nicht stets alle drei Merkmale vorhanden sein müssen, sondern der Wegfall eines Kriteriums durch das Vorliegen der anderen oder die Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt sein kann.
Der Begriff der Wirtschaftsgemeinschaft beschränkt sich nicht auf die rein materielle Seite; darunter wird vom OGH verstanden, dass die beiden Partner Freud und Leid miteinander teilen, einander Beistand und Dienste leisten und einander an den zur Bestreitung des Unterhalts, der Zerstreuung und der Erholung dienenden gemeinsamen Güter teilnehmen lassen, dass also sich die Parteien im Kampf gegen alle Nöte des Lebens beistehen und daher auch gemeinsam an den zur Bestreitung des Unterhalts verfügbaren Gütern teilhaben. Die Lebensgemeinschaft ist daher sowohl von einer zwischenmenschlichen als auch einer wirtschaftlichen Komponente geprägt. Auch die Wirtschaftsgemeinschaft ist kein unbedingt notwendiges Kriterium für die Annahme einer Lebensgemeinschaft. Wenn ein Abstellen allein auf materiellen Aspekte unter Ausblendung der seelischen Gemeinschaft unzulässig ist, dürfen die materiellen Aspekte dennoch nicht völlig vernachlässigt werden, weil sonst ein Zustand, wie er für das Zusammenleben von Ehegatten typisch ist, nicht mehr angenommen werden darf und die wirtschaftliche Bedeutung der Ehe für die Gatten nicht mehr ausreichend bedacht würde; ein Mindestmaß an wirtschaftlicher Gemeinschaft ist daher unverzichtbar (so auch Gitschthaler in seiner Glosse zu EF-Z 2010/78 [115], der meint, fehle es an einer solchen komplett, führten also die "Lebensgefährten" weiterhin getrennte Kassen und ließen sie einander auch nicht an den zur Bestreitung des Unterhalts, der Zerstreuung und der Erholung dienenden gemeinsamen Güter teilnehmen, könne auch eine Wohn- und Geschlechtsgemeinschaft die Lebensgemeinschaft nicht begründen), (vgl. OGH vom 18.04.2012, 3 Ob 237/11s).
Der Beschwerdeführer, der ledig ist und keine Kinder hat, hat in Österreich Familienanschluss bei einer "Wahloma" gefunden, bei der er wohnt und hat eine Freundin, mit der er jedoch weder zusammenlebt, noch Kinder hat, noch in einem wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis steht. Der VwGH, dem die gegenständliche Angelegenheit im Zuge einer Revision vorgelegt wurde, gelangte nach Auseinandersetzung mit dem gegenständlichen Sachverhalt zur Auffassung, dass weder das Wohnen im Familienverbund seiner "Wahloma" noch die die nichteheliche Beziehung zu seiner Freundin in einer besonderen, näher dargelegten Situation ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK darstellt. Vor dem Hintergrund dieser vom VwGH getroffenen Feststellungen muss nunmehr auch das BVwG in der gegenständlichen Angelegenheit sich der Auffassung des VwGH anschließen und in der gegenständlichen Angelegenheit entscheiden, dass eine Verletzung des Rechtes auf Schutz des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht ersichtlich ist.
Unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. VwGH 12.11.2019, Ra 2019/20/0422, RZ 10; 24.09.2019, Ra 2019/20/0446, RZ 7; 20.10.2016, Ra 2016/21/0198; VwGH vom 25.01.2018 Ra 2017/21/0218).
Bei der Beurteilung der Frage, ob der BF in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügen, spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist. Der VwGH geht bei einem vierjährigen Aufenthalt im Allgemeinen von einer eher kürzeren Aufenthaltsdauer aus (vgl. Chvosta, ÖJZ 2007/74 unter Hinweis auf VwGH 08.03.2005, 2004/18/0354; 27.03.2007, 2005/21/0378), und stellt im Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, fest, "dass der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte".
Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der VfGH und der VwGH haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfGH 17.03.2005, G78/04 ua; VwGH vom 26.06.2007, 2007/01/0479). Nach der bisherigen Rechtsprechung ist auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).
In der gegenständlichen Angelegenheit reiste der BF illegal in das österreichische Bundesgebiet ein (vgl. dazu VwGH 22.01.2009, 2008/21/0654). Er hält sich bislang erst etwas mehr als vier Jahre in Österreich auf, somit nicht so lange, als dass man nach vorhin angeführter Rechtsprechung des VwGH von einem schützenswerten Privatleben in Österreich ausgehen könnte. Der Beschwerdeführer lebt mit seiner Freundin nicht in einem gemeinsamen Haushalt. Ein intensives und damit schützenswertes Privat- bzw. Familienleben in Österreich lässt sich mangels Abhängigkeit sowie Erreichen der notwendigen Intensität nicht ableiten.
Selbst wenn man vom Vorliegen schützenswerten Privatlebens ausginge, wäre der Eingriff in dieses Recht durch Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht unverhältnismäßig:
Dass der Fremde strafrechtlich unbescholten ist, vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (z.B. VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112; 25.02.2010, 2009/21/0070; 13.10.2011, 2009/22/0273; 19.04.2012, 2011/18/0253).
Die Dauer des Verfahrens überstieg nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist. Es liegt somit jedenfalls kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthalts im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" erscheinen zu lassen (vgl. VfSlg 18.499/2008, 19.752/2013; EGMR 4.12.2012, Fall Butt, Appl. 47.017/09, Z 85 f.).
In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass der BF für die Dauer seines Asylverfahrens in Österreich stets nur vorläufig aufenthaltsberechtigt war. Er musste von vornherein damit rechnen, dass es im Falle einer negativen Entscheidung über den Asylantrag zu einer Beendigung des Aufenthalts kommt. Eine Ausweisung - im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung - in derartigen Fällen, in denen sich die betroffene(n) Person(en) der Unsicherheit des Aufenthaltsstatus bewusst sein musste(n), könne nur unter ganz speziellen bzw. außergewöhnlichen Umständen ("in exceptional circumstances") eine Verletzung von Art 8 EMRK darstellen (vgl. hierzu zB: EGMR 11. 04. 2006, Useinov v. The Netherlands, Appl. 61.292/00 bzw. EGMR 08. 04. 2008, Nnyanzi v. The United Kingdom, Appl. 21.878/06) oder zuletzt VwGH vom 10.04.2019, Ra 2019/18/0049 oder VwGH vom 18.03.2019, Ra 2019/01/0068 bzw. VwGH vom 28.02.2019, Ro 2019/01/0003.
Der VwGH stellte in seinem Erkenntnis vom 17.12.2019, Zl. Ro 2019/08/0006-4 zum vorliegenden Sachverhalt fest, dass eine außergewöhnliche Konstellation der Integration, aus der sich bei einer unter fünfjährigen Aufenthaltsdauer kein Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung ergebe, konkret nicht vorgelegen sei. Die Umstände, dass ein Fremder sehr gut Deutsch spreche, sozial vielfältig vernetzt und integriert sei, für seinen Lebensunterhalt selbst aufkomme, sich in einem aufrechten Lehrverhältnis befinde und nie straffällig geworden sei, würden keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale darstellen. Sämtliche diesbezüglicher Aspekte seien während eines unsicheren Aufenthalts entstanden und daher in ihrem Gewicht gemindert.
Der VwGH hat sich mit der Rechtsfrage der Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere in Bezug auf die Tätigkeit als Lehrling während eines laufenden Asylverfahrens bereits umfassend auseinandergesetzt und zusammengefasst ausgeführt, dass die Berücksichtigung einer Lehre beziehungsweise einer Berufsausübung als öffentliches Interesse zugunsten des Fremden unzulässig ist und es maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitraum gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (VwGH 28.02.2019, Ro 2019/01/0003).
Zur Lehre bzw. Berufsausübung als öffentliches Interesse ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, nach der solche Interessen des inländischen Arbeitsmarktes nicht von Art. 8 EMRK umfasst sind (vgl. VwGH 5.10.2010, 2010/22/0147, 26.5.2003, 2001/18/0071; 28.02.2019, Ro 2019/01/0003, RZ 47).
Der BF ist in Afghanistan geboren und aufgewachsen. Er beherrscht Dari und verfügt über Arbeitserfahrung. In Österreich absolviert er eine Lehre und sammelt dadurch Berufserfahrung. Es ist daher davon auszugehen, dass er sich bei einer Rückkehr nach Afghanistan in die dortige Gesellschaft wieder eingliedern können wird, zumal er mit den gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten vertraut ist.
In einer Gesamtbetrachtung iS des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.
3.3.2. Im angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan zulässig ist.
3.3.3. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Für die gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234).
Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das 6. oder 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Dies entspricht dem Tatbestand des § 8 Abs. 1 AsylG 2005. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wird mit der vorliegenden Entscheidung verneint.
Die Abschiebung ist schließlich nach § 50 Abs. 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für Afghanistan nicht.
Es war sohin auch die Beschwerde gegen die Spruchpunkte IV., V. und VII. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
3.4. § 55a FPG "Hemmung der Frist für die freiwillige Ausreise zum Zweck des Abschlusses einer begonnenen Berufsausbildung":
Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 leg. cit. zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.
Am 11.12.2019 beschloss der Nationalrat eine Novelle des Fremdenpolizeigesetzes, die vorsieht, dass die Frist für die Ausreiseverpflichtung für AsylwerberInnen, welche sich in einer Mangelberuf-Lehre befinden, erst nach Lehrabschluss zu laufen beginnt. Dieses Gesetz wurde am 27.12.2019 kundgemacht und trat mit Ablauf des Tages der Kundmachung somit am 28.12.2019 in Kraft.
Durch diese Novelle wurde der § 55a eingefügt, dieser lautet:
§ 55a. (1) Ist ein Asylwerber, gegen den eine Rückkehrentscheidung erlassen wird oder nicht rechtskräftig erlassen worden ist, als Lehrling (§ 1 des Berufsausbildungsgesetzes - BAG, BGBl. Nr. 142/1969) beschäftigt und teilt er oder der Lehrberechtigte (§ 2 Abs. 1 BAG) dies rechtzeitig (Abs. 3) dem Bundesamt mit, so beginnt die Frist für die freiwillige Ausreise abweichend von § 55 Abs. 2
1. ab dem Zeitpunkt der Endigung, der vorzeitigen oder der außerordentlichen Auflösung des Lehrverhältnisses oder
2. im Falle der Beantragung der Zulassung zur Lehrabschlussprüfung mit Ablauf des von der zuständigen Lehrlingsstelle gemäß § 23 BAG festgesetzten Prüfungstermins, wenn dieser nach dem in Z 1 genannten Zeitpunkt liegt und dem Bundesamt mitgeteilt wurde,
spätestens jedoch nach Ablauf von vier Jahren nach Beginn des Lehrverhältnisses zu laufen, sofern das Lehrverhältnis vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 110/2019 begonnen und seitdem ununterbrochen bestanden hat.
(2) Abs. 1 gilt nicht für Asylwerber, die straffällig geworden sind (§ 2 Abs. 3 AsylG 2005) oder im Rahmen des Asylverfahrens über ihre Identität zu täuschen versucht haben.
(3) Die Mitteilung gemäß Abs. 1 ist rechtzeitig, wenn sie dem Bundesamt spätestens vor der Zustellung der Rückkehrentscheidung zugeht. Ist diese zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 110/2019 bereits zugestellt und erhebt der Asylwerber dagegen Beschwerde, so ist die Mitteilung rechtzeitig, wenn sie dem Bundesamt spätestens vor der Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zugeht. Diesfalls ist das Bundesamt verpflichtet, die Mitteilung unverzüglich dem Bundesverwaltungsgericht zur Kenntnis zu bringen.
(4) Die Mitteilung gemäß Abs. 1 bedarf der Schriftform. Ihr ist bei sonstiger Unwirksamkeit eine Abschrift des Lehrvertrags, in den Fällen des Abs. 1 Z 2 darüber hinaus eine Abschrift der Entscheidung der Lehrlingsstelle über die Festsetzung des Prüfungstermins beizulegen. Eine rechtzeitig erstattete und wirksame Mitteilung hat bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des Abs. 1 für den Fall der rechtskräftigen Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Folge, dass das Lehrverhältnis nicht als gemäß § 14 Abs. 2 lit. f BAG beendet gilt.
(5) Endet das Lehrverhältnis vor dem Ablauf der vereinbarten Lehrzeit (§ 14 Abs. 2 lit. a bis e BAG) oder wird es vorzeitig oder außerordentlich aufgelöst (§§ 15 oder 15a Abs. 1 BAG), so ist der Lehrberechtigte verpflichtet, dies unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb einer Woche, dem Bundesamt schriftlich mitzuteilen. In der Mitteilung ist neben den nach dem ersten Satz maßgeblichen Tatsachen und dem Zeitpunkt ihres Eintritts die Identität des Drittstaatsangehörigen anzugeben.
(6) Eine gemäß Abs. 1 eingetretene Hemmung des Fristenlaufs erlischt, wenn
1. das Lehrverhältnis vor dem Ablauf der vereinbarten Lehrzeit endet oder vorzeitig oder außerordentlich aufgelöst wird,
2. der Drittstaatsangehörige straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3 AsylG 2005) oder
3. die für das Lehrverhältnis erteilte Beschäftigungsbewilligung erlischt (§ 7 Abs. 6 AuslBG) oder widerrufen wird (§ 9 AuslBG) oder die Entscheidung, mit der sie erteilt wurde, im Rechtsweg nachträglich behoben wird.
Die Anwendung der Z 1 setzt nicht voraus, dass der Lehrberechtigte die Mitteilung gemäß Abs. 5 erstattet hat.
(7) Das Bundesamt hat ein Merkblatt über die Möglichkeit der Erstattung einer Mitteilung gemäß Abs. 1, deren Wirksamkeitsvoraussetzungen und Rechtsfolgen zu erstellen. Dieses ist beim Bundesamt und beim Bundesverwaltungsgericht bereitzuhalten. Ergibt sich aus der Aktenlage oder wird in einer Einvernahme (§ 19 AsylG 2005) oder einer mündlichen Verhandlung (§ 21 BFA-VG) vorgebracht, dass ein Asylwerber als Lehrling beschäftigt ist, so ist ihm das Merkblatt nachweislich auszuhändigen.
(8) Das Arbeitsmarktservice hat Lehrberechtigte, welche Asylwerber als Lehrlinge beschäftigen, umgehend von der Möglichkeit der Erstattung einer Mitteilung gemäß Abs. 1, deren Wirksamkeitsvoraussetzungen und Rechtsfolgen in geeigneter Form, insbesondere unter Verwendung des Merkblatts gemäß Abs. 7, zu informieren.
Mit dieser Novelle soll es Asylwerbern ermöglicht werden, unter bestimmten Voraussetzungen ihr begonnenes Lehrverhältnis in Österreich abzuschließen. Damit wird dem wirtschaftlichen Interesse der Ausbildungsbetriebe, die bereits in die Ausbildung der Lehrlinge investiert haben, Rechnung getragen. Es handelt sich jedoch nur um ein schützenswertes Interesse, wenn der Antritt des Lehrverhältnisses während des laufenden Asylverfahrens zulässig war und das Lehrverhältnis seither ununterbrochen bestanden hat.
Den Lehrling treffen besondere Meldepflichten. Hat er das BFA innerhalb der zeitlichen Grenzen gemäß Abs. 3 und in der nach Abs. 4 vorgeschriebenen Form über den Bestand des Lehrverhältnisses bzw. den von der zuständigen Lehrlingsstelle festgesetzten Termin für die Lehrabschlussprüfung in Kenntnis gesetzt, so wird der Beginn des Fristenlaufs auf den nach Z 1 oder Z 2 maßgeblichen Zeitpunkt verschoben. § 55a Abs. 1 Z. 2 sieht vor, dass die Maximaldauer betreffend den Beginn der Ausreisefrist auf höchstens 4 Jahre, gerechnet ab dem Beginn des Lehrverhältnisses, in die Zukunft verschoben werden kann. Somit sind auch jede Fälle abgedeckt, in denen gleichzeitig eine Ausbildung in zwei Lehrberufen absolviert wird (§ 6 Abs. 2 BAG).
Der Absatz 2 sieht zwingende Voraussetzungen für die Anwendung des Abs. 1 vor: die strafrechtliche Unbescholtenheit sowie, dass der Asylwerber während des Asylverfahrens nicht über seine Identität getäuscht hat. Er darf somit nicht über seinen Namen, sein Geburtsdatum oder seine Herkunft getäuscht haben.
Gemäß § 126 Abs. 23 FPG tritt die Novelle mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft und nach Ablauf von 4 Jahren nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft. Die Novelle trat am 28.12.2019 in Kraft und tritt somit am 28.12.2023 außer Kraft. Eine bis dahin eingetretene und nicht gemäß § 55a Abs. 6 erloschene Hemmung des Laufs der Frist für die freiwillige Ausreise dauert über diesen Zeitpunkt hinaus bis zu dem nach § 55a Abs. 1 oder Abs. 6 maßgeblichen Zeitpunkt fort.
Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten, er hat während des Asylverfahrens nicht über seine Identität getäuscht und sein Lehrverhältnis besteht seit 01.09.2018 ununterbrochen, sodass der § 55a FPG zur Anwendung kommt. Somit beginnt die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers mit Endigung des am 01.09.2018 begonnen Lehrverhältnisses und endet spätestens nach Ablauf von vier Jahren nach Beginn des Lehrverhältnisses.
Es wird darauf hingewiesen, dass dem Beschwerdeführer während der Hemmung der Ausreisefrist, Aufenthaltstitel nach anderen gesetzlichen Grundlagen unter bestimmten Voraussetzungen erteilt werden können.
Zu Spruchpunkt B):
Zur Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung.
In der gegenständlichen Angelegenheit liegt insbesondere auch das Erkenntnis des VwGH vom 17.12.2019, Zl. Ro 2019/18/0006-4, vor, das vom BVwG zwingend zu berücksichtigen ist.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
freiwillige Ausreise Frist Interessenabwägung Lehrausbildung öffentliches Interesse Privatleben RückkehrentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W114.2196400.1.00Im RIS seit
07.09.2020Zuletzt aktualisiert am
07.09.2020