TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/31 W179 2183045-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.01.2020
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Entscheidungsdatum

31.01.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W179 2183045-1/27E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. iur. Eduard Hartwig PAULUS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb am XXXX , StA Afghanistan, vertreten durch Mag. Susanne SINGER, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Maria Theresia-Straße 9/3, gegen den vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am XXXX zu der Geschäftszahl XXXX ausgefertigten Bescheid, betreffend einen Antrag auf Internationalen Schutz, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung,

SPRUCH:

A) beschlossen:

Das Ermittlungsverfahren wird geschlossen.

B) zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

C) Revision

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise in die Republik Österreich am XXXX einen Antrag auf Internationalen Schutz.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten und eines subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte ihm nicht einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), sondern erließ vielmehr gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte die Zulässigkeit seiner Abschiebung fest (Spruchpunkt V.), und sprach aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die erhobene Beschwerde in vollem Umfange, dies mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben und dem Beschwerdeführer Asyl zu gewähren, allenfalls subsidiären Schutz zu gewähren und die Spruchpunkte IV. und V. aufzuheben, allenfalls festzustellen, dass eine erlassene Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und somit die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung vorliegen, deshalb dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel nach § 55 Asylgesetz zu erteilen und die Spruchpunkte IV. und V. aufzuheben, allenfalls den angefochtenen Bescheid wegen Rechtsfähigkeit zur Gänze zu beheben und die Angelegenheiten an die belangte Behörde zurückzuverweisen, sowie jedenfalls eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen.

4. Die belangte Behörde legt die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor, erstattet keine Gegenschrift, verzichtet auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Beschwerdeverhandlung, dies ohne einen Antrag zu stellen.

5. Mit Verfahrensanordnung vom XXXX teilt die belangte Behörde dem Beschwerdeführer den Verlust seines Aufenthaltsrechtes wegen der Anklage einer gerichtlich strafbaren Handlung, die nur vorsätzlich begangen werden kann, mit, dies unter Beischluss der strafgerichtlichen Verständigung von der Hauptverhandlung und des diesbezüglichen staatsanwaltschaftlichen Strafantrages XXXX

6. In der Folge werden von der Rechtsvertretung, die zwischenzeitig von der die Beschwerde einbringende "ARGE Rechtberatung - Diakonie und Volkshilfe" auf die im Spruchkopf genannte Rechtsvertretung wechselte, Integrationsunterlagen vorgelegt.

7. Die belangte Behörde reicht daraufhin einen "Protokollsvermerk und gekürzte [strafgerichtliche] Urteilsausfertigung" zu dem Beschwerdeführer XXXX

8. Im nächsten Schritt reicht die belangte Behörde die Mitschrift der XXXX strafgerichtlichen Hauptverhandlung nach, aus der sich ergibt, XXXX

9. Der Beschwerdeführer legt eine weitere Integrationsunterlage vor.

10. Die belangte Behörde teilt auf die erfolgte hg Ladung zur Beschwerdeverhandlung mit, dass die Teilnahme eines informierten Behördenvertreters aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei, zudem beantragt sie die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde.

11. In der Folge führt das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des rechtsanwaltlich vertretenen Beschwerdeführers (in Abwesenheit der belangten Behörde) eine mündliche Beschwerdeverhandlung ab, in welcher der Beschwerdeführer eingehend mittels Dolmetsch einvernommen wird.

Hinsichtlich der Frage zum Stand des strafgerichtlichen Verfahrens teilt der Beschwerdeführer mit, XXXX , was dem Strafgericht mitgeteilt worden sei, woraufhin dieses nun eine XXXX .

Alle Parteien erklären, dass es keine weiteren Beweisanträge gibt und schließt das Bundesverwaltungsgericht das Ermittlungsverfahren.

12. Daraufhin legt der Beschwerdeführer - der belangten Behörde - den Beschluss des zuständigen XXXX

Die belangte Behörde legt diesen Schriftsatz samt strafgerichtlichen Beschluss dem Bundesverwaltungsgericht (somit nachträglich) vor.

13. In der Folge bringt die belangte Behörde (gleichermaßen nachträglich) ihr Schreiben, mit welchem sie den Beschwerdeführer informiert, dass sein Aufenthaltsrecht wieder rückwirkend auflebt und auf welchem Wege er eine neue Aufenthaltsberechtigungskarte weiß iSd § 51 AsylG erlangen könne, in Vorlage.

14. Schließlich übermittelt die belangte Behörde nochmals den strafgerichtlichen Beschluss, der ihr diesmal vom zuständigen XXXX direkt (in voller Länge samt Deckblatt) zugestellt worden war.

15. Mit verfahrensleitendem Beschluss setzt das Bundesverwaltungsgericht das Ermittlungsverfahren von Amts wegen fort und räumt den Parteien rechtliches Gehör zu den nachgereichten Beweismitteln als auch zum aktuellen Länderinformationsblatt Afghanistan vom 13. November 2019 ein, woraufhin sich die belangte Behörde verschweigt sowie der Beschwerdeführer mit Schreiben vom XXXX drei weitere Beweismittel sowie Berichte zur Situation in Afghanistan in Vorlage bringt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

a) Zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit:

1. Nach geständiger Verantwortung des Beschwerdeführers XXXX , wurde das diesbezüglich zum Beschwerdeführer geführte Strafverfahren schließlich mit Beschluss XXXX

2. Das Strafregister der Republik Österreich weist keine Verurteilung des Beschwerdeführers auf und ist dieser strafgerichtlich unbescholten.

b) Zur Person des Beschwerdeführers:

3. Der Beschwerdeführer heißt zum Zwecke dieses Verfahrens XXXX .

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX .

XXXX .

XXXX .

c) Zur Verfolgung des Beschwerdeführers:

XXXX .

XXXX .

8. Das Vorliegen anderer asylrelevante GFK-Gründe werden von dem Beschwerdeführer nicht behauptet .

d) Zur Rückkehr des Beschwerdeführers:

9. Dem Beschwerdeführer könnte bei einer Rückkehr in die XXXX aufgrund der dort herrschenden allgemeinen schlechten Sicherheitslage ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Die Wohnraum- und Versorgungslage in Mazar-e Sharif ist sehr angespannt. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Mazar-e Sharif kann der Beschwerdeführer jedoch grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und in Mazar-e Sharif einer Arbeit nachgehen und sich selber erhalten.

Der Beschwerdeführer hat bei einer Rückkehr nach Afghanistan familiäre Unterstützung zu erwarten. Der Beschwerdeführer kann Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

Es ist dem Beschwerdeführer möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

e) Feststellungen zum Herkunftsstaat/Drittstaat:

10. Es werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers getroffen:

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 3.9.2019), nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten (USDOD 6.2019). Traditionell markiert die Ankündigung der jährlichen Frühjahrsoffensive der Taliban den Beginn der sogenannten Kampfsaison - was eher als symbolisch gewertet werden kann, da die Taliban und die Regierungskräfte in den vergangenen Jahren auch im Winter gegeneinander kämpften (AJ 12.4.2019). Die Frühjahrsoffensive des Jahres 2019 trägt den Namen al-Fath (UNGASC 14.6.2019; vgl. AJ 12.4.2019; NYT 12.4.2019) und wurde von den Taliban trotz der Friedensgespräche angekündigt (AJ 12.4.2019; vgl. NYT 12.4.2019). Landesweit am meisten von diesem aktiven Konflikt betroffen, waren die Provinzen Helmand, Farah und Ghazni (UNGASC 14.6.2019). Offensiven der afghanischen Spezialeinheiten der Sicherheitskräfte gegen die Taliban wurden seit Dezember 2018 verstärkt - dies hatte zum Ziel die Bewegungsfreiheit der Taliban zu stören, Schlüsselgebiete zu verteidigen und damit eine produktive Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Seit Juli 2018 liefen auf hochrangiger politischer Ebene Bestrebungen, den Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban politisch zu lösen (TS 22.1.2019). Berichten zufolge standen die Verhandlungen mit den Taliban kurz vor dem Abschluss. Als Anfang September der US-amerikanische Präsident ein geplantes Treffen mit den Islamisten - als Reaktion auf einen Anschlag - absagte (DZ 8.9.2019). Während sich die derzeitige militärische Situation in Afghanistan nach wie vor in einer Sackgasse befindet, stabilisierte die Einführung zusätzlicher Berater und Wegbereiter im Jahr 2018 die Situation und verlangsamte die Dynamik des Vormarsches der Taliban (USDOD 12.2018).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren (USDOD 6.2019). Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung; die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, Engpässe entstehen und dadurch manchmal auch Kräfte fehlen können, um Territorium zu halten (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019). Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau. Die Ausnahme waren islamische Festtage, an denen, wie bereits in der Vergangenheit auch schon, das Kampfniveau deutlich zurückging, als sowohl regierungsfreundliche Kräfte, aber auch regierungsfeindliche Elemente ihre offensiven Operationen reduzierten. Im Gegensatz dazu hielt das Kampftempo während des gesamten Fastenmonats Ramadan an, da regierungsfeindliche Elemente mehrere Selbstmordattentate ausführten und sowohl regierungsfreundliche Truppen, als auch regierungsfeindliche Elemente, bekundeten, ihre operative Dynamik aufrechtzuerhalten (UNGASC 3.9.2019). Die Taliban verlautbarten, eine asymmetrische Strategie zu verfolgen: die Aufständischen führen weiterhin Überfälle auf Kontrollpunkte und Distriktzentren aus und bedrohen Bevölkerungszentren (UNGASC 7.12.2018). Angriffe haben sich zwischen November 2018 und Jänner 2019 um 19% im Vergleich zum Vorberichtszeitraum (16.8. - 31.10.2018) verstärkt. Insbesondere in den Wintermonaten wurde in Afghanistan eine erhöhte Unsicherheit wahrgenommen. (SIGAR 30.4.2019). Seit dem Jahr 2002 ist die Wintersaison besonders stark umkämpft. Trotzdem bemühten sich die ANDSF und Koalitionskräfte die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und konzentrierten sich auf Verteidigungsoperationen gegen die Taliban und den ISKP. Diese Operationen verursachten bei den Aufständischen schwere Verluste und hinderten sie daran ihr Ziel zu erreichen (USDOD 6.2019). Der ISKP ist auch weiterhin widerstandsfähig: Afghanische und internationale Streitkräfte führten mit einem hohen Tempo Operationen gegen die Hochburgen des ISKP in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch, was zu einer gewissen Verschlechterung der Führungsstrukturen der ISKP führt. Dennoch konkurriert die Gruppierung auch weiterhin mit den Taliban in der östlichen Region und hat eine operative Kapazität in der Stadt Kabul behalten (UNGASC 3.9.2019).

So erzielen weder die afghanischen Sicherheitskräfte noch regierungsfeindliche Elemente signifikante territoriale Gewinne. Das aktivste Konfliktgebiet ist die Provinz Kandahar, gefolgt von den Provinzen Helmand und Nangarhar. Wenngleich keine signifikanten Bedrohungen der staatlichen Kontrolle über Provinzhauptstädte gibt, wurde in der Nähe der Provinzhauptstädte Farah, Kunduz und Ghazni über ein hohes Maß an Taliban-Aktivität berichtet (UNGASC 3.9.2019). In mehreren Regionen wurden von den Taliban vorübergehend strategische Posten entlang der Hauptstraßen eingenommen, sodass sie den Verkehr zwischen den Provinzen erfolgreich einschränken konnten (UNGASC 7.12.2018). So kam es beispielsweise in strategisch liegenden Provinzen entlang des Highway 1 (Ring Road) zu temporären Einschränkungen durch die Taliban (UNGASC 7.12.2018; vgl. ARN 23.6.2019). Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte stellen erhebliche Mittel für die Verbesserung der Sicherheit auf den Hauptstraßen bereit - insbesondere in den Provinzen Ghazni, Zabul, Balkh und Jawzjan. (UNGASC 3.9.2019).

Für das gesamte Jahr 2018, registrierten die Vereinten Nationen (UN) in Afghanistan insgesamt 22.478 sicherheitsrelevante Vorfälle. Gegenüber 2017 ist das ein Rückgang von 5%, wobei die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Jahr 2017 mit insgesamt 23.744 ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hatte (UNGASC 28.2.2019).

Jänner bis Oktober 2018 nahm die Kontrolle oder der Einfluss der afghanischen Regierung von 56% auf 54% der Distrikte ab, die Kontrolle bzw. Einfluss der Aufständischen auf Distrikte sank in diesem Zeitraum von 15% auf 12%. Der Anteil der umstrittenen Distrikte stieg von 29% auf 34%. Der Prozentsatz der Bevölkerung, welche in Distrikten unter afghanischer Regierungskontrolle oder -einfluss lebte, ging mit Stand Oktober 2018 auf 63,5% zurück. 8,5 Millionen Menschen (25,6% der Bevölkerung) leben mit Stand Oktober 2018 in umkämpften Gebieten, ein Anstieg um fast zwei Prozentpunkte gegenüber dem gleichen Zeitpunkt im Jahr 2017. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an von den Aufständischen kontrollierten Distrikten waren Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Ein auf Afghanistan spezialisierter Militäranalyst berichtete im Januar 2019, dass rund 39% der afghanischen Distrikte unter der Kontrolle der afghanischen Regierung standen und 37% von den Taliban kontrolliert wurden. Diese Gebiete waren relativ ruhig, Zusammenstöße wurden gelegentlich gemeldet. Rund 20% der Distrikte waren stark umkämpft. Der Islamische Staat (IS) kontrollierte rund 4% der Distrikte (MA 14.1.2019).

Die Kontrolle über Distrikte, Bevölkerung und Territorium befindet sich derzeit in einer Pattsituation (SIGAR 30.4.2019). Die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle Ende 2018 bis Ende Juni 2019, insbesondere in der Provinz Helmand, sind als verstärkte Bemühungen der Sicherheitskräfte zu sehen, wichtige Taliban-Hochburgen und deren Führung zu erreichen, um in weiterer Folge eine Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Intensivierte Kampfhandlungen zwischen ANDSF und Taliban werden von beiden Konfliktparteien als Druckmittel am Verhandlungstisch in Doha erachtet (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019).

Zivile Opfer

Die Vereinten Nationen dokumentierten für den Berichtszeitraum 1.1.-30.9.2019 8.239 zivile Opfer (2.563 Tote, 5.676 Verletzte) - dieser Wert ähnelt dem Vorjahreswert 2018. Regierungsfeindliche Elemente waren auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer; 41% der Opfer waren Frauen und Kinder. Wenngleich die Vereinten Nationen für das erste Halbjahr 2019 die niedrigste Anzahl ziviler Opfer registrierten, so waren Juli, August und September - im Gegensatz zu 2019 - von einem hohen Gewaltniveau betroffen. Zivilisten, die in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni, und Faryab wohnten, waren am stärksten vom Konflikt betroffen (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 17.10.2019).

Für das gesamte Jahr 2018 wurde von mindestens 9.214 zivilen Opfern (2.845 Tote, 6.369 Verletzte) (SIGAR 30.4.2019) berichtet bzw. dokumentierte die UNAMA insgesamt 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte). Den Aufzeichnungen der UNAMA zufolge, entspricht das einem Anstieg bei der Gesamtanzahl an zivilen Opfern um 5% bzw. 11% bei zivilen Todesfällen gegenüber dem Jahr 2017 und markierte einen Höchststand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2009. Die meisten zivilen Opfer wurden im Jahr 2018 in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni und Faryab verzeichnet, wobei die beiden Provinzen mit der höchsten zivilen Opferanzahl - Kabul (1.866) und Nangarhar (1.815) - 2018 mehr als doppelt so viele Opfer zu verzeichnen hatten, wie die drittplatzierte Provinz Helmand (880 zivile Opfer) (UNAMA 24.2.2019; vgl. SIGAR 30.4.2019). Im Jahr 2018 stieg die Anzahl an dokumentierten zivilen Opfern aufgrund von Handlungen der regierungsfreundlichen Kräfte um 24% gegenüber 2017. Der Anstieg ziviler Opfer durch Handlungen regierungsfreundlicher Kräfte im Jahr 2018 wird auf verstärkte Luftangriffe, Suchoperationen der ANDSF und regierungsfreundlicher bewaffneter Gruppierungen zurückgeführt (UNAMA 24.2.2019).

High-Profile Angriffe (HPAs)

Sowohl im gesamten Jahr 2018 (USDOD 12.2018), als auch in den ersten fünf Monaten 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen (USDOD 6.2019; vgl. USDOD 12.2018). Diese Angriffe sind stetig zurückgegangen (USDOD 6.2019). Zwischen 1.6.2018 und 30.11.2018 fanden 59 HPAs in Kabul statt (Vorjahreswert: 73) (USDOD 12.2018), zwischen 1.12.2018 und15.5.2019 waren es 6 HPAs (Vorjahreswert: 17) (USDOD 6.2019).

Anschläge gegen Gläubige und Kultstätten, religiöse Minderheiten

Die Zahl der Angriffe auf Gläubige, religiöse Exponenten und Kultstätten war 2018 auf einem ähnlich hohen Niveau wie 2017: bei 22 Angriffen durch regierungsfeindliche Kräfte, meist des ISKP, wurden 453 zivile Opfer registriert (156 Tote, 297 Verletzte), ein Großteil verursacht durch Selbstmordanschläge (136 Tote, 266 Verletzte) (UNAMA 24.2.2019).

Für das Jahr 2018 wurden insgesamt 19 Vorfälle konfessionell motivierter Gewalt gegen Schiiten dokumentiert, bei denen es insgesamt zu 747 zivilen Opfern kam (223 Tote, 524 Verletzte). Dies ist eine Zunahme von 34% verglichen mit dem Jahr 2017. Während die Mehrheit konfessionell motivierter Angriffe gegen Schiiten im Jahr 2017 auf Kultstätten verübt wurden, gab es im Jahr 2018 nur zwei derartige Angriffe. Die meisten Anschläge auf Schiiten fanden im Jahr 2018 in anderen zivilen Lebensräumen statt, einschließlich in mehrheitlich von Schiiten oder Hazara bewohnten Gegenden. Gezielte Attentate und Selbstmordangriffe auf religiöse Führer und Gläubige führten, zu 35 zivilen Opfern (15 Tote, 20 Verletzte) (UNAMA 24.2.2019).

Angriffe im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen im Oktober 2018

Die afghanische Regierung bemühte sich Wahllokale zu sichern, was mehr als 4 Millionen afghanischen Bürgern ermöglichte zu wählen (UNAMA 11.2018). Und auch die Vorkehrungen der ANDSF zur Sicherung der Wahllokale ermöglichten eine Wahl, die weniger gewalttätig war als jede andere Wahl der letzten zehn Jahre (USDOS 12.2018). Die Taliban hatten im Vorfeld öffentlich verkündet, die für Oktober 2018 geplanten Parlamentswahlen stören zu wollen. Ähnlich wie bei der Präsidentschaftswahl 2014 warnten sie Bürger davor, sich für die Wahl zu registrieren, verhängten "Geldbußen" und/oder beschlagnahmten Tazkiras und bedrohten Personen, die an der Durchführung der Wahl beteiligt waren (UNAMA 11.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Von Beginn der Wählerregistrierung (14.4.2018) bis Ende des Jahres 2018, wurden 1.007 Opfer (226 Tote, 781 Verletzte) sowie 310 Entführungen aufgrund der Wahl verzeichnet (UNAMA 24.2.2019). Am Wahltag (20.10.2018) verifizierte UNAMA 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) durch Wahl bedingte Gewalt. Die höchste Anzahl an zivilen Opfern an einem Wahltag seit Beginn der Aufzeichnungen durch UNAMA im Jahr 2009 (UNAMA 11.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (USDOD 6.2019; vgl. CRS 12.2.2019) und stellt nicht nur für die beiden Länder eine Sicherheitsherausforderung dar, sondern eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität (USDOD 6.2019):

Taliban

Die USA sprechen seit rund einem Jahr mit hochrangigen Vertretern der Taliban über eine politische Lösung des langjährigen Afghanistan-Konflikts. Dabei geht es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan kein sicherer Hafen für Terroristen wird. Beide Seiten hatten sich jüngst optimistisch gezeigt, bald zu einer Einigung zu kommen (FAZ 21.8.2019). Während dieser Verhandlungen haben die Taliban Forderungen eines Waffenstillstandes abgewiesen und täglich Operationen ausgeführt, die hauptsächlich die afghanischen Sicherheitskräfte zum Ziel haben. (TG 30.7.2019). Zwischen 1.12.2018 und 31.5.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zu Ziel. Das wird als Versuch gewertet, in den Friedensverhandlungen ein Druckmittel zu haben (USDOD 6.2019).

Der derzeitige Taliban-Führer ist nach wie vor Haibatullah Akhundzada (REU 17.8.2019; vgl. FA 3.1.2018) - Stellvertreter sind Mullah Mohammad Yaqub - Sohn des ehemaligen Taliban-Führers Mullah Omar - und Serajuddin Haqqani (CTC 1.2018; vgl. TN 26.5.2016) Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (TN 13.1.2017). Die Taliban bezeichnen sich selbst als das Islamische Emirat Afghanistan (VOJ o.D.). Die Regierungsstruktur und das militärische Kommando sind in der Layha, einem Verhaltenskodex der Taliban, definiert (AAN 4.7.2011), welche zuletzt 2010 veröffentlicht wurde (AAN 6.12.2018).

Ein Bericht über die Rekrutierungspraxis der Taliban teilt die Taliban-Kämpfer in zwei Kategorien: professionelle Vollzeitkämpfer, die oft in den Madrassen rekrutiert werden, und Teilzeit-Kämpfer vor Ort, die gegenüber einem lokalen Kommandanten loyal und in die lokale Gesellschaft eingebettet sind (LI 29.6.2017). Die Gesamtstärke der Taliban wurde von einem Experten im Jahr 2017 auf über 200.000 geschätzt, darunter angeblich 150.000 Kämpfer (rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten, der Rest sein Teil der lokalen Milizen). Der Experte schätzte jedoch, dass die Zahl der Vollzeitkämpfer, die gleichzeitig in Afghanistan aktiv sind, selten 40.000 übersteigt (LI 23.8.2017). Im Jänner 2018 schätzte ein Beamter des US-Verteidigungsministeriums die Gesamtstärke der Taliban in Afghanistan auf 60.000 (NBC 30.1.2018). Laut dem oben genannten Experten werden die Kämpfe hauptsächlich von den Vollzeitkämpfern der mobilen Einheiten ausgetragen (LI 23.8.2017; vgl. AAN 3.1.2017; AAN 17.3.2017).

Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan. Seit Ende 2014 wurden 20 davon öffentlich zur Schau gestellt. Das Khalid bin Walid-Camp soll12 Ableger, in acht Provinzen betreibt (Helmand, Kandahar, Ghazni, Ghor, Saripul, Faryab, Farah und Maidan Wardak). 300 Militärtrainer und Gelehrte sind dort tätig und es soll möglich sein, in diesem Camp bis zu 2.000 Rekruten auf einmal auszubilden (LWJ 14.8.2019).

Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt (LI 23.8.2017). In einigen nördlichen Gebieten sollen die Taliban bereits überwiegend Nicht-Paschtunen sein, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LI 23.8.2017).

Haqqani-Netzwerk

Das seit 2012 bestehende Haqqani-Netzwerk ist eine teilautonome Organisation, Bestandteil der afghanischen Taliban und Verbündeter von al-Qaida (CRS 12.2.2019). Benannt nach dessen Begründer, Jalaluddin Haqqani (AAN 1.7.2010; vgl. USDOS 19.9.2018; vgl. CRS 12.2.2019), einem führenden Mitglied des antisowjetischen Jihad (1979-1989) und einer wichtigen Taliban-Figur; sein Tod wurde von den Taliban im September 2018 verlautbart. Der derzeitige Leiter ist dessen Sohn Serajuddin Haqqani, der seit 2015, als stellvertretender Leiter galt (CTC 1.2018).

Als gefährlichster Arm der Taliban, hat das Haqqani-Netzwerk, seit Jahren Angriffe in den städtischen Bereichen ausgeführt (NYT 20.8.2019) und wird für einige der tödlichsten Angriffe in Afghanistan verantwortlich gemacht (CRS 12.2.2019).

Islamischer Staat (IS/ISIS/ISIL/Daesh), Islamischer Staat Khorasan Provinz (ISKP)

Erste Berichte über den Islamischen Staat (IS, auch ISIS, ISIL oder Daesh genannt) in Afghanistan gehen auf den Sommer 2014 zurück (AAN 17.11.2014; vgl. LWJ 5.3.2015). Zu den Kommandanten gehörten zunächst oft unzufriedene afghanische und pakistanische Taliban (AAN 1.8.2017; vgl. LWJ 4.12.2017). Schätzungen zur Stärke des ISKP variieren zwischen 1.500 und 3.000 (USDOS 18.9.2018), bzw. 2.500 und 4.000 Kämpfern (UNSC 13.6.2019). Nach US-Angaben vom Frühjahr 2019 ist ihre Zahl auf 5.000 gestiegen. Auch soll der Islamische Staat vom zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan sowie von aus Syrien geflohenen Kämpfern profitieren (BAMF 3.6.2019; vgl. VOA 21.5.2019).

Berichten zufolge, besteht der ISKP in Pakistan hauptsächlich aus ehemaligen Teherik-e Taliban Mitgliedern, die vor der pakistanischen Armee und ihrer militärischen Operationen in der FATA geflohen sind (CRS 12.2.2019 ;vgl. CTC 12.2018). Dem Islamischen Staat ist es gelungen, seine organisatorischen Kapazitäten sowohl in Afghanistan als auch in Pakistan dadurch zu stärken, dass er Partnerschaften mit regionalen militanten Gruppen einging. Seit 2014 haben sich dem Islamischen Staat mehrere Gruppen in Afghanistan angeschlossen, z.B. Teherik-e Taliban Pakistan (TTP)-Fraktionen oder das Islamic Movement of Uzbekistan (IMU), während andere ohne formelle Zugehörigkeitserklärung mit IS-Gruppierungen zusammengearbeitet haben, z.B. die Jundullah-Fraktion von TTP oder Lashkar-e Islam (CTC 12.2018).

Der islamische Staat hat eine Präsenz im Osten des Landes, insbesondere in der Provinz Nangarhar, die an Pakistan angrenzt (CRS 12.2.2019 ;vgl. CTC 12.2018). In dieser sind vor allem bestimmte südliche Distrikte von Nangarhar betroffen (AAN 27.9.2016; vgl. REU 23.11.2017; AAN 23.9.2017; AAN 19.2.2019), wo sie mit den Taliban um die Kontrolle kämpfen (RFE/RL 30.10.2017; vgl. AAN 19.2.2019). Im Jahr 2018 erlitt der ISKP militärische Rückschläge sowie Gebietsverluste und einen weiteren Abgang von Führungspersönlichkeiten. Einerseits konnten die Regierungskräfte die Kontrolle über ehemalige IS-Gebiete erlangen, andererseits schwächten auch die Taliban die Kontrolle des ISKP in Gebieten in Nangarhar (UNSC 13.6.2019; vgl. CSR 12.2.2019). Aufgrund der militärischen Niederlagen war der ISKP dazu gezwungen, die Anzahl seiner Angriffe zu reduzieren. Die Gruppierung versuchte die Provinzen Paktia und Logar im Südosten einzunehmen, war aber schlussendlich erfolglos (UNSC 31.7.2019). Im Norden Afghanistans versuchten sie ebenfalls Fuß zu fassen. Im August 2018 erfuhr diese Gruppierung Niederlagen, wenngleich sie dennoch als Bedrohung in dieser Region wahrgenommen wird (CSR 12.2.2019). Berichte über die Präsenz des ISKP könnten jedoch übertrieben sein, da Warnungen vor dem Islamischen Staat laut einem Afghanistan-Experten "ein nützliches Fundraising-Tool" sind: so kann die afghanische Regierung dafür sorgen, dass Afghanistan im Bewusstsein des Westens bleibt und die Auslandshilfe nicht völlig versiegt (NAT 12.1.2017). Die Präsenz des ISKP konzentrierte sich auf die Provinzen Kunar und Nangarhar. Außerhalb von Ostafghanistan ist es dem ISKP nicht möglich, eine organisierte oder offene Präsenz aufrechtzuerhalten (UNSC 13.6.2019).

Neben komplexen Angriffen auf Regierungsziele, verübte der ISKP zahlreiche groß angelegte Anschläge gegen Zivilisten, insbesondere auf die schiitische-Minderheit (CSR 12.2.2019; vgl. UNAMA 24.2.2019; AAN 24.2.2019; CTC 12.2018; UNGASC 7.12.2018; UNAMA 10.2018). Im Jahr 2018 war der ISKP für ein Fünftel aller zivilen Opfer verantwortlich, obwohl er über eine kleinere Kampftruppe als die Taliban verfügt (AAN 24.2.2019). Die Zahl der zivilen Opfer durch ISKP-Handlungen hat sich dabei 2018 gegenüber 2017 mehr als verdoppelt (UNAMA 24.2.2019), nahm im ersten Halbjahr 2019 allerdings wieder ab (UNAMA 30.7.2019).

Der ISKP verurteilt die Taliban als "Abtrünnige", die nur ethnische und/oder nationale Interessen verfolgen (CRS 12.2.2019). Die Taliban und der Islamische Staat sind verfeindet. In Afghanistan kämpfen die Taliban seit Jahren gegen den IS, dessen Ideologien und Taktiken weitaus extremer sind als jene der Taliban (WP 19.8.2019; vgl. AP 19.8.2019). Während die Taliban ihre Angriffe weitgehend auf Regierungsziele und afghanische und internationale Sicherheitskräfte beschränken (AP 19.8.2019), zielt der ISKP darauf ab, konfessionelle Gewalt in Afghanistan zu fördern, indem sich Angriffe gegen Schiiten richten (WP 19.8.2019).

Al-Qaida und ihr verbundene Gruppierungen

Al-Qaida sieht Afghanistan auch weiterhin als sichere Zufluchtsstätte für ihre Führung, basierend auf langjährigen und engen Beziehungen zu den Taliban. Beide Gruppierungen haben immer wieder öffentlich die Bedeutung ihres Bündnisses betont (UNSC 15.1.2019). Unter der Schirmherrschaft der Taliban ist al-Qaida in den letzten Jahren stärker geworden; dabei wird die Zahl der Mitglieder auf 240 geschätzt, wobei sich die meisten in den Provinzen Badakhshan, Kunar und Zabul befinden. Mentoren und al-Qaida-Kadettenführer sind oftmals in den Provinzen Helmand und Kandahar aktiv (UNSC 13.6.2019).

Al-Qaida will die Präsenz in der Provinz Badakhshan stärken, insbesondere im Distrikt Shighnan, der an der Grenze zu Tadschikistan liegt, aber auch in der Provinz Paktika, Distrikt Barmal, wird versucht die Präsenz auszubauen. Des Weiteren fungieren al-Qaida-Mitglieder als Ausbilder und Religionslehrer der Taliban und ihrer Familienmitglieder (UNSC 13.6.2019).

Im Rahmen der Friedensgespräche mit US-Vertretern haben die Taliban angeblich im Jänner 2019 zugestimmt, internationale Terrorgruppen wie Al-Qaida aus Afghanistan zu verbannen (TEL 24.1.2019).

Balkh

Balkh liegt im Norden Afghanistans und grenzt im Norden an Usbekistan, im Nordosten an Tadschikistan, im Osten an Kunduz und Baghlan, im Südosten an Samangan, im Südwesten an Sar-e Pul, im Westen an Jawzjan und im Nordwesten an Turkmenistan (UNOCHA 13.4.2014; vgl. GADM 2018). Die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz ist in die folgenden Distrikte unterteilt: Balkh, Char Bolak, Char Kent, Chimtal, Dawlat Abad, Dehdadi, Kaldar, Kishindeh, Khulm, Marmul, Mazar-e Sharif, Nahri Shahi, Sholgara, Shortepa und Zari (CSO 2019; vgl. IEC 2018).

Nach Schätzung der zentralen Statistikorganisation Afghanistan (CSO) für den Zeitraum 2019-20 leben 1.475.649 Personen in der Provinz Balkh, davon geschätzte 469.247 in der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif (CSO 2019). Balkh ist eine ethnisch vielfältige Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird (PAJ o.D.; vgl. NPS o.D.).

Balkh bzw. die Hauptstadt Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz sowie ein regionales Handelszentrum (SH 16.1.2017). Die Autobahn, welche zum usbekischen Grenzübergang Hairatan-Termiz führt, zweigt ca. 40 km östlich von Mazar-e Sharif von der Ringstraße ab. (TD 5.12.2017). In Mazar-e Sharif gibt es einen Flughafen mit Linienverkehr zu nationalen und internationalen Zielen (BFA Staatendokumentation 25.3.2019). Im Januar 2019 wurde ein Luftkorridor für Warentransporte eröffnet, der Mazar-e Sharif und Europa über die Türkei verbindet (PAJ 9.1.2019).

Laut dem Opium Survey von UNODC für das Jahr 2018 belegt Balkh den 7. Platz unter den zehn größten Schlafmohn produzierenden Provinzen Afghanistans. Aufgrund der Dürre sank der Mohnanbau in der Provinz 2018 um 30% gegenüber 2017 (UNODC/MCN 11.2018).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Balkh zählt zu den relativ stabilen (TN 1.9.2019) und ruhigen Provinzen Nordafghanistans, in welcher die Taliban in der Vergangenheit keinen Fuß fassen konnten (AN 6.5.2019). Die vergleichsweise ruhige Sicherheitslage war vor allem auf das Machtmonopol des ehemaligen Kriegsherrn und späteren Gouverneurs von Balkh, Atta Mohammed Noor, zurückzuführen (RFE/RL o.D.; RFE/RL 23.3.2018). In den letzten Monaten versuchen Aufständische der Taliban die nördliche Provinz Balkh aus benachbarten Regionen zu infiltrieren. Drei Schlüsseldistrikte, Zari, Sholagara und Chahar Kant, zählen zu jenen Distrikten, die in den letzten Monaten von Sicherheitsbedrohungen betroffen waren. Die Taliban überrannten keines dieser Gebiete (TN 22.8.2019). Einem UN-Bericht zufolge, gibt es eine Gruppe von rund 50 Kämpfern in der Provinz Balkh, welche mit dem Islamischen Staat (IS) sympathisiert (UNSC 1.2.2019). Bei einer Militäroperation im Februar 2019 wurden unter anderem in Balkh IS-Kämpfer getötet (BAMF 11.2.2019).

Das Hauptquartier des 209. ANA Shaheen Corps befindet sich im Distrikt Dehdadi (TN 22.4.2018). Es ist für die Sicherheit in den Provinzen Balkh, Jawzjan, Faryab, Sar-e-Pul und Samangan zuständig und untersteht der NATO-Mission Train, Advise, and Assist Command - North (TAAC-N), welche von deutschen Streitkräften geleitet wird (USDOD 6.2019). Deutsche Bundeswehrsoldaten sind in Camp Marmal in Mazar-e Sharif stationiert (TS 22.9.2018).

Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 227 zivile Opfer (85 Tote und 142 Verletzte) in Balkh. Dies entspricht einer Steigerung von 76% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von improvisierten Bomben (IEDS; ohne Selbstmordattentate) und gezielten Tötungen. UNAMA verzeichnete für das Jahr 2018 insgesamt 99 zivile Opfer durch Bodenkämpfe in der Provinz (UNAMA 24.2.2019). Hinsichtlich der nördlichen Region, zu denen UNAMA auch die Provinz Balkh zählt, konnte in den ersten 6 Monaten ein allgemeiner Anstieg ziviler Opfer verzeichnet werden (UNAMA 30.7.2019).

Im Winter 2018/2019 (UNGASC 28.2.2019) und Frühjahr 2019 wurden ANDSF-Operationen in der Provinz Balkh durchgeführt (UNGASC 14.6.2019). Die ANDSF führen auch weiterhin regelmäig Operationen in der Provinz (RFERL 22.9.2019; vgl KP 29.8.2019, KP 31.8.2019, KP 9.9.2019) unter anderem mit Unterstützung der US-amerikanischen Luftwaffe durch (BAMF 14.1.2019; vgl. KP 9.9.2019). Taliban-Kämpfer griffen Einheiten der ALP, Mitglieder regierungsfreundlicher Milizen und Sicherheitsposten beispielsweise in den Distrikten Chahrbulak (TN 9.1.2019; vgl. TN 10.1.2019), Chemtal (TN 11.9.2018; vgl. TN 6.7.2018), Dawlatabad (PAJ 3.9.2018; vgl. RFE/RL 4.9.2018) und Nahri Shahi (ACCORD 30.4.2019) an.

Berichten zufolge, errichten die Taliban auf wichtigen Verbindungsstraßen, die unterschiedliche Provinzen miteinander verbinden, immer wieder Kontrollpunkte. Dadurch wird das Pendeln für Regierungsangestellte erschwert (TN 22.8.2019; vgl. 10.8.2019). Insbesondere der Abschnitt zwischen den Provinzen Balkh und Jawjzan ist von dieser Unsicherheit betroffen (TN 10.8.

2. Beweiswürdigung:

1. Das Bundesverwaltungsgericht hat zur Bestimmung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts Einsicht genommen in den vorgelegten Behördenakt und den Gerichtsakt sowie die darin enthaltenen Unterlagen - insbesondere in den angefochtenen Bescheid, die dagegen erhobene Beschwerde und die dem Gericht vorgelegten Beweismittel - und hat eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt.

Weiters ist im Detail zu beweiswürdigen:

a) Zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit:

2. Soweit das zum Beschwerdeführer geführten Strafverfahrens zur Nachvollziehbarkeit des behördlichen als auch hiergerichtlichen Verfahrensganges darzustellen war, bleibt dieses für vorliegende Entscheidung jedoch explizit unberücksichtigt, ist der Beschwerdeführer XXXX weiterhin strafrechtlich unbescholten, was sich auch aus einer rezenten Abfrage des Strafregisters erschließt.

b) Zur Person des Beschwerdeführers:

3. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren, zumal afghanischen Personaldokumente nach hg Wissen wenig Beweiswert zumindest hinsichtlich ihrer inhaltlichen Richtigkeit zukommt.

4. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf (sein Aufwachsen sowie seine Situation in Afghanistan, seine Schul- und Berufsausbildung - abgesehen von der behaupteten Tätigkeit für das XXXX ; dazu weiter unten - sowie zu den Eigentumsverhältnissen seiner Familie) gründen sich auf seine diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren im Wesentlichen gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Die Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer mit den afghanischen Gegebenheiten vertraut ist, ergeben sich daraus, dass der Beschwerdeführer in einer afghanischen Familie in XXXX aufgewachsen ist und dort in die Schule gegangen ist. Der Beschwerdeführer spricht XXXX als Muttersprache, daneben XXXX .

Soweit der Beschwerdeführer die genannten fünf Entlassungsscheine in Kopie in der Beschwerdeverhandlung vorlegt, sind durchaus nicht alle Zweifel des erkennenden Gerichtes am Wahrheitsgehalt dieses Beschwerdevorbringens ausgeräumt worden, zumal der Beschwerdeführer zweifelsfrei versuchte, das Vorhandensein eines weiteren Bruders zu "unterschlagen" (vgl Seite 11 des hg Verhandlungsprotokolls). Jedenfalls gänzlich nicht glaubwürdig war jedoch die Angabe, dass nun auch der Schwiegervater zwischenzeitig verstorben sei (vgl Seite 12 hg Verhandlungsprotokolls). In Zusammenschau der Eindrücke des erkennenden Gerichtes hinsichtlich der Angaben des Beschwerdeführers zu eigenen Familie und Familie der Schwiegereltern geht das Gericht - selbst bei Wahrunterstellung dessen, dass der eigene Vater, zwei Schwestern und einen Bruder zwischenzeitig verstorben sein sollten - davon aus, dass der Beschwerdeführer jedenfalls vorübergehend von der Familie seiner XXXX unterstützt werden kann, waren die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung doch alles andere als glaubwürdig noch überzeugend, sondern erschienen vielmehr als Schutzbehauptung, um gerade eine allfällige familiäre Unterstützung im Falle der Rückkehr ins Heimatland verneinen zu können.

5. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung sowie auf dem Umstand, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist. Insbesondere legte der Beschwerdeführer keine Befunde, Atteste oder sonstigen Bestätigungen für schwerwiegende, lebensbedrohliche Krankheiten vor. Auch waren die Angaben zum Aufenthalt seines XXXX glaubwürdig.

6. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer arbeitsfähig ist, ergibt sich daraus, dass im Verfahren keine Umstände hervorgekommen sind, die gegen eine Arbeitsfähigkeit sprechen und der Beschwerdeführer bereits im Herkunftsland XXXX gearbeitet, als auch XXXX neben anderen ehrenamtlichen Hilfstätigkeiten tätig war, woraus sich auch auf seine Anpassungsfähigkeit schließen lässt.

7. Wenngleich ein Unterstützungsschreiben (AS 67) dem Beschwerdeführer den Besuch eines Werte- und Orientierungskurses zuschreibt, verneint er dies selbst anwaltlich vertreten in der hg Verhandlung, sodass der eigenen Aussage des Beschwerdeführers eine höhere Glaubwürdigkeit zuzumessen ist und davon auszugehen ist, dass dies nicht der Fall ist, zumal der Akt keine diesbezügliche Kursbestätigung aufweist.

c) Zur Verfolgung des Beschwerdeführers:

8. Wenngleich der Beschwerdeführer bei den sonstigen Angaben zu seinem bisherigen Leben in Afghanistan glaubwürdig war, trifft dies insbesondere für seine behauptete Tätigkeit für das XXXX als XXXX sowie die Verfolgung durch die Taliban nicht zu, und war hier der Beschwerdeführer in der hiergerichtlichen mündlichen Verhandlung insbesondere auch aufgrund seiner Mimik und Gestik gänzlich unglaubwürdig, und entsprechende gedankliche Antwortkonstruktionen erkennbar:

8.1. Zwar stellt der angefochtene Bescheid auf Aktenseite 167 fest, dass der Beschwerdeführer in seiner Heimat für das XXXX gearbeitet hat, zugleich bleibt der Bescheid jedoch in seiner Beweiswürdigung (konkret) schuldig, wie die belangte Behörde zu dieser Feststellung kommt (vergleiche Beweiswürdigung Aktenseite 269ff). Zumal der Beschwerdeführer im behördlichen als auch gerichtlichen Verfahren keinerlei Beweismittel für diese monierte Tätigkeit vorliegt. Gerade auch in diesem Punkte vermochte der Beschwerdeführer in der hiergerichtlichen Verhandlung nicht zu überzeugen, und war auch das damit zusammengehörige Vorbringen zur (versuchten) Verfolgung des Beschwerdeführers durch die Taliban bzw die diesbezügliche Verfolgungsgefahr, wie nachstehend noch zu zeigen, gleichermaßen nicht glaubwürdig, sodass das erkennende Gericht vielmehr davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer seine glaubwürdige Tätigkeit im XXXX bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan fortsetzte.

8.2. Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers ist aus den folgenden Gründen nicht glaubwürdig:

8.2.1. Eingangs ist nochmals zu erwägen, dass der Beschwerdeführer insbesondere in diesem Punkte in der Beschwerdeverhandlung das Gericht nicht zu überzeugen vermochte, insbesondere war nicht erkennbar, dass der Beschwerdeführer von Begebenheiten berichtet, die ihn selbst betreffen oder gar belasten würden.

8.2.2. Der Beschwerdeführer brachte im Zuge der Erstbefragung, seiner Einvernahme vor dem Bundesamt und schließlich in der mündlichen Beschwerdeverhandlung ein mehrfach gesteigertes Fluchtvorbringen vor.

a) In der Erstbefragung (AS 11) am XXXX brachte der Beschwerdeführer vor, Afghanistan verlassen zu haben, weil einige Nachbarn den Taliban mitgeteilt haben, dass der Beschwerdeführer für die Regierung arbeite. Ein Arbeitskollege des Beschwerdeführers sei zuvor schon von den Taliban nach Verrat der Bewohner des Wohnortes entführt worden. Nach Eroberung der XXXX durch die Taliban sei er aus Angst geflohen.

b) Bei der Einvernahme durch das Bundesamt am XXXX (AS 113) brachte der Beschwerdeführer hiezu vor, dass die Taliban einen Nachbarn XXXX

c) In der Beschwerdeverhandlung am XXXX gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass XXXX .

Das Gericht übersieht bei der Würdigung eines Vergleiches der vom Beschwerdeführer im Rahmen der Erstbefragung mit den in der Einvernahme durch das Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben keineswegs die Judikatur zur Berücksichtigung der Funktion der Erstbefragung im Rahmen der Würdigung von Aussagen des Asylwerbers während der Erstbefragung (zB VfGH 20.02.2014, U 1919/2013; VwGH 28.05.2014, Ra 214/20/0017 ua). Demnach dient die Einvernahme durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gemäß § 19 Abs 1 AsylG 2005 nach Antragstellung "insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden ... und hat sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen". Diese Regelung bezweckt den Schutz des Asylwerbers davor, sich im direkten Anschluss an die Flucht aus ihrem Herkunftsstaat vor uniformierten Staatsorganen über traumatische Ereignisse verbreitern zu müssen, weil sie unter Umständen erst vor kurzem vor solchen geflohen sind, weshalb an die dennoch bei der Erstbefragung erstatteten, in der Regel kurzen Angaben zu den Fluchtgründen im Rahmen der Beweisführung keine hohen Ansprüche Bezug auf Stringenz und Vollständigkeit zu stellen sind. Diese Judikatur verbietet jedoch nicht die Auseinandersetzung mit möglicherweise inkonsistenten oder sogar widersprüchlichen Erzählungen zwischen der Ersteinvernahme und späteren Befragungen. Die Steigerung der Aussagen des Beschwerdeführers in den angegebenen Punkten ist vor diesem Hintergrund jedenfalls geeignet, die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers massiv in Zweifel zu ziehen.

Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer in der polizeilichen Einvernahme vom Verrat an die Taliban durch "einige" Nachbarn [Mehrzahl!] spricht, fällt maßgeblich auf, dass der Beschwerdeführer in der Einvernahme von der belangten Behörde noch nicht davon spricht, dass XXXX .

8.2.3. Auch variieren die Angaben des Beschwerdeführers zu Ursachen und Ausmaß XXXX

8.2.4. Ähnlich inkonsistent sind die Angaben dazu, dass XXXX .

8.2.5. Im Ergebnis wird dem Beschwerdeführer aus den dargestellten Gründen kein Glaube geschenkt und konnte er das erkennende Gericht in der Beschwerdeverhandlung keineswegs davon überzeugen, dass er jemals für das XXXX gearbeitet noch die Taliban XXXX , vielmehr gewann das Gericht den überzeugten Eindruck, dass es sich hierbei um ein konstruiertes Vorbringen zur Erlangung des Status eines Asylberichtigten handelt.

d) Zur Situation im Herkunftsstaat:

9. Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Länderberichte. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln.

Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

e) Zur Rückkehr des Beschwerdeführers:

10. Die Feststellungen zu den Folgen einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seine XXXX ergeben sich aus den oa Länderberichten. Daraus geht unter anderem hervor, dass die Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers XXXX ist.

Die Feststellungen zu den Folgen einer Ansiedlung des Beschwerdeführers in der Stadt Mazar-e Sharif, ergeben sich - unter Berücksichtigung der von UNHCR aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan - aus den oa Länderberichten spezifisch zur Lage in der Provinz Balkh und der Stadt Mazar-e Sharif.

Dem vorliegenden Berichtsmaterial (Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, insbesondere Unterkapitel 3.5. Balkh und Kapitel 21. Grundversorgung und Wirtschaft) ist außerdem nicht zu entnehmen, dass die Grundversorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser, Lebensmitteln und Unterkunft grundsätzlich nicht gewährleistet und zusammengebrochen wäre, auch wenn sich aus den Informationen eine schwierige Situation insbesondere für Rückkehrer wie den Beschwerdeführer ergibt (Länderinformationsblatt, 20. Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge und Kapitel 23. Rückkehr).

Zwar kommt es in der Provinz Balkh manchmal zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften, oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Insgesamt ist die Provinz Balkh aber eine der friedlichsten und stabilsten Provinzen Afghanistans (Feststellungen im LIB zu Balkh). Das Gericht geht auf Basis der in den Feststellungen zitierten Länderinformationen davon aus, dass die Sicherheitslage in der Stadt Mazar-e Sharif stabil ist, so dass dem Beschwerdeführer bei einer Ansiedelung in der Stadt Mazar-e Sharif kein reales Risiko eines Eingriffes in seine körperliche Integrität droht.

Dass die Wohnraum-, Arbeitsmarkt- und Versorgungslage angespannt ist, ergibt sich aus den Länderberichten, wonach in großen Städten zwar an sich Wohnraum zur Verfügung steht, es jedoch eine erhebliche Anzahl an Rückkehrern gibt. Aus den in den Feststellungen zitierten Länderberichten geht aber hervor, dass es auf Grund der aktuellen Rahmenbedingungen am Arbeitsmarkt zwar schwierig, aber insbesondere im Bereich der Gelegenheitsarbeiten ohne besondere Vorkenntnisse möglich ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und auf diese Weise ein Einkommen für sich XXXX auf dem dort üblichen Niveau zu erzielen.

Der Beschwerdeführer ist wie dargestellt ein gesunder, arbeitsfähiger junger Mann, der nach eigenen Angaben und nach den obigen Ergebnissen des Beweisverfahrens im Erwerbsleben teilnehmen kann. Wie festgestellt verfügt der Beschwerdeführer über XXXX und Erfahrungen als Angestellter XXXX , sodass der Beschwerdeführer jedenfalls in der Lage ist, das notwendige Auskommen für sich und XXXX zu erwirtschaften. Nach den vorliegenden Länderberichten besteht Bedarf am Arbeitsmarkt überwiegend in Hinblick auf manuelle Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung. Es sind im Beweisverfahren keine Hinweise darauf hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage sein sollte, sich mit Hilfsarbeiten entsprechend den dortigen Anforderungen ein ausreichendes Einkommen zu sichern. Der Beschwerdeführer war als Erwachsener in der Lage, auf sich alleingestellt eine weite Flucht bis nach Österreich durchzuführen. Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer besonders anpassungsfähig und auch deshalb in der Lage ist, sich auch im Falle einer Neuansiedlung in Mazar-e Sharif zurecht zu finden. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer XXXX als Muttersprache und auch XXXX spricht, und auch XXXX tätig war.

Das Gericht geht daher auf Grund dieser Umstände davon aus, dass sich der Beschwerdeführer nach anfänglichen Schwierigkeiten in Mazar-e Sharif niederlassen und sich dort eine Existenz ohne unbillige Härte aufbauen kann, die mit der alltäglichen Lebenssituation der anderen dort ansässigen Personen vergleichbar ist.

Auch wenn der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung behauptet, dass er im Falle seiner Rückkehr in das Heimatland keinerlei finanzielle Unterstützungsleistung durch seine Verwandten erhalten werde, ist dies vor dem Hintergrund der ausgeprägten Familienkultur bei afghanischen Staatsangehörigen generell (siehe dazu die Ausführungen im LIB in den Feststellungen) und auch konkret im Fall des Beschwerdeführers nicht glaubwürdig. Die XXXX lebt im Heimatland. Es ist nicht glaubwürdig, dass diese Personen den Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr und Neuansiedelung in Afghanistan nicht vorrübergehend unterstützen würden. Darüber hinaus könnte der Beschwerdeführer staatliche/NGO- Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen und käme er auch aus diesem Grund nicht in eine Notlage.

3. Rechtliche Beurteilung:

1. Die Beschwerde wurde rechtzeitig erhoben und ist zulässig.

3.1. Zu Spruchpunkt A) Beschluss:

2. Da nach Schluss der Verhandlung, in der das Ermittlungsverfahren geschlossen wurde, Beweismittel nachgereicht und deswegen das Ermittlungsverfahren von Amts wegen fortgesetzt wurde, um den Parteien dazu sowie zum aktualisierten Länderinformationsblatt rechtliches Gehör einzuräumen, war das Ermittlungsverfahren erneut mit Beschluss zu schließen.

3.2. Zu Spruchpunkt B) Erkenntnis:

3.2.1. Asyl:

(Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids)

3. Wie dargestellt hat der Beschwerdeführer nicht für das XXXX gearbeitet noch haben die Taliban in seiner Abwesenheit XXXX , weswegen daraus auch keine Verfolgungsgefahr für den Rechtsmittelwerber resultiert.

4. Weitere GFK-Verfolgungsgründe macht der Beschwerdeführer nicht geltend noch sind solche hiergerichtlich erkennbar.

5. Im Ergebnis liegen die Voraussetzungen des § 3 Abs 1 AsylG nicht vor und war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

3.2.2. Subsidiärer Schutz:

(Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids)

6. Gemäß § 8 Abs 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offensteht.

Zu prüfen ist daher, ob der Beschwerdeführer gemäß § 11 Abs 2 AsylG auf eine andere Region anstelle der als XXXX geltende XXXX - konkret auf die Stadt Mazar-e Sharif - aufgrund der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände verwiesen werden kann (VfGH 11.10.2012, U677/12):

6.1 Beim Beschwerdeführer handelt es sich, wie dargestellt, um einen arbeitsfähigen jungen Mann, bei dem keine ernsthaften Erkrankungen aktenkundig sind, sodass bei diesem die Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben nicht nur vorausgesetzt werden kann, sondern er insbesondere dies bereits zuvor als Angestellter XXXX unter Beweis stellte und so sich und XXXX ernähren konnte. Zudem ist der Beschwerdeführer in Afghanistan geboren und dort im afghanischen Familienverband aufgewachsen, dementsprechend mit den sozialen und kulturellen Gepflogenheiten von Afghanistan vertraut, zumal er auch XXXX als Muttersprache sowie XXXX beherrscht.

6.2. Zudem gehört der Rechtsmittelwerber keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Es ist daher davon auszugehen, dass es dem Beschwerdeführer erneut in Afghanistan binnen kurzer Zeit selbst möglich sein wird, seinen Lebensunterhalt selbständig zu verdienen und davon leben zu können.

6.3. Auch wenn in Afghanistan die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist, kann im vorliegenden Fall davon ausgegangen werden, dass es dem Beschwerdeführer unter Berücksichtigung seiner oben dargelegten persönlichen Verhältnisse im Fall der Rückkehr nach Afghanistan durchaus möglich und zumutbar ist, in der Stadt Mazar-e Sharif nach einem - wenn auch anfangs nur vorläufigen - Wohnraum zu suchen und sich etwa mit dem bereits ausgeübten Beruf eines Verkäufers oder einer Hilfskraft ein für seinen Lebensunterhalt (und in der Folge der seiner Gattin) ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Letztlich steht der Beschwerdeführer ergänzend auch die Möglichkeit offen, sich an ansässige staatliche, nicht-staatliche oder internationale Hilfseinrichtungen, im Speziellen solche für Rückkehrer aus dem Ausland, zu wenden, wenngleich nicht verkannt wird, dass von diesen Einrichtungen individuelle Unterstützungsleistungen meist nur in sehr eingeschränktem Ausmaß gewährt werden können.

6.4. Der Beschwerdeführer kann nach Ansicht des BVwG - unter Berücksichtigung der von UNHCR aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan - nach den oben angeführten Länderberichten in Zusammenschau mit seinen persönlichen dargestellten Lebensumständen in zumutbarer Weise in die Stadt Mazar-e Sharif zurückkehren.

Denn Balkh zählt laut den dargestellten Länderberichten zu den relativ stabilen und ruhigen Provinzen Nordafghanistans. Die Stadt Mazar-e Sharif selbst verfügt über einen internationalen Flughafen und ist per Flugzeug über Kabul für den Beschwerdeführer zu erreichen.

6.5. Ausgehend davon ist mit Blick auf die persönliche Situation des Beschwerdeführers nicht zu erkennen, dass er im Fall seiner Abschiebung nach Afghanistan in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr 6 oder Nr.13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden.

Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

3.2.3. Aufenthaltstitel, Rückkehrentscheidung und Abschiebung:

(Spruchpunkte III. - V. des angefochtenen Bescheids)

7. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wird.

a) "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 Abs 1 AsylG:

8.1. Gemäß § 57 Abs 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, (...)

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

8.2. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des Beschwerdeführers weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet ist, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist noch der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs 1 Z 3 FPG wurde. Weder hat der Beschwerdeführer das Vorliegen eines der Gründe des § 57 FPG behauptet, noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.

b) Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG:

9. Gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzbe

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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