TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/5 W183 2210621-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.02.2020
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Entscheidungsdatum

05.02.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §6 Abs1 Z4
AsylG 2005 §7 Abs1
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W183 2210621-1/34E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. PIELER über die Beschwerde von XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.11.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.11.2019 zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 7 Abs. 1 AsylG 2005 ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 15.12.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesem Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.09.2016, Zl. XXXX , stattgegeben und dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

2. Am 07.06.2017, 17.09.2018 und 31.10.2019 wurde der Beschwerdeführer wegen Vergehen strafgerichtlich verurteilt.

3. Am 15.10.2018 wurde der Beschwerdeführer von der nunmehr belangten Behörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), zur Prüfung des Aberkennungssachverhaltes niederschriftlich einvernommen.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid (zugestellt am 13.11.2018) wurde dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aberkannt und festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I.). Ihm wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), sondern gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Iran zulässig ist (Spruchpunkt V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

Das BFA stellte dem Beschwerdeführer amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.

5. Mit Schriftsatz vom 27.11.2018 erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde in vollem Umfang.

6. Mit Schriftsatz vom 03.12.2018 (eingelangt am 04.12.2018) legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 28.03.2019 wurde die gegenständliche Rechtssache der bislang zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nun zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen (eingelangt am 15.05.2019).

7. Mit Schreiben vom 14.10.2019 wurden der Beschwerdeführer sowie das BFA zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 18.11.2019 geladen und wurde in den Ladungen darauf hingewiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht beabsichtigt, die Länderberichte gemäß dem "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Iran, Gesamtaktualisierung am 14. Juni 2019" sowie dem "Länderreport 10 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Iran - Situation der Christen, Stand 3/2019" als Grundlage für die Feststellungen zur Situation in Iran heranzuziehen. Es wurde Gelegenheit zur Einsicht- und Stellungnahme gegeben. Keine der Parteien übermittelte dem Bundesverwaltungsgericht eine schriftliche Stellungnahme.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 18.11.2019 unter Beiziehung eines Dolmetschs für die Sprache Farsi eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer sowie dessen Rechtsvertretung und eine Vertreterin des BFA teilnahmen. Da sich der Beschwerdeführer in Haft befand, wurde die Verhandlung gem. § 25 Abs. 6b VwGVG unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung durchgeführt. Der Beschwerdeführer wurde ausführlich zu seiner Person, seinen Asylgründen sowie religiösen Aktivitäten in Österreich befragt. Es wurde ihm Gelegenheit gegeben, alle Gründe umfassend darzulegen, zu den ins Verfahren eingeführten Länderberichten Stellung zu nehmen und seine Situation in Österreich darzustellen. Ergänzend brachte das Bundesverwaltungsgericht die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation betreffend Drogenersatztherapie vom 21.03.2012 zum Parteiengehör.

9. Das Bundesverwaltungsgericht führte zuletzt am 30.01.2020 eine Strafregisterabfrage durch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger iranischer Staatsangehöriger. Er trägt den im Erkenntniskopf genannten Namen und ist am dort angeführten Datum geboren. Seine Identität steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer wurde mit rechtskräftigem Urteil des XXXX vom 07.06.2017 wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 27a Abs. 2a SMG, 15 StGB sowie des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1, erster und zweiter Fall, Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten bedingt verurteilt. Die bedingte Strafnachsicht wurde am 31.10.2019 widerrufen.

Der Beschwerdeführer wurde mit rechtskräftigem Urteil des XXXX vom 17.09.2018 wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 27a Abs. 2a, zweiter Fall SMG, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten, davon sieben bedingt, verurteilt. Die bedingte Strafnachsicht wurde am 31.10.2019 widerrufen.

Der Beschwerdeführer wurde mit rechtskräftigem Urteil des XXXX vom 31.10.2019 wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.

Es liegen keine weiteren Verurteilungen des Beschwerdeführers, insbesondere nicht wegen eines Verbrechens, vor.

1.2. Zum Fluchtvorbringen und Aberkennungssachverhalt

1.2.1. Der Beschwerdeführer ist spätestens seit 15.12.2015 in Österreich aufhältig. Ihm wurde nach einem Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid des BFA vom 13.09.2016, Zl. XXXX , der Status des Asylberechtigten zuerkannt; dieser Status wurde bis dato nicht (rechtskräftig) aberkannt.

Dem Beschwerdeführer wurde vom BFA der Status des Asylberechtigten zuerkannt, da aufgrund der Ermittlungen zur allgemeinen Lage in Iran in Verbindung mit dem Vorbringen die behauptete Furcht vor Verfolgung als glaubhaft gemacht gewertet werden konnte. Im betreffenden Aktenvermerk vom selben Tag wurde dazu näher ausgeführt, dass dieser Entscheidung die Feststellungen zugrunde liegen, dass der Beschwerdeführer vom Islam abfiel und zum Christentum konvertierte, weswegen ihm in Iran Verfolgung droht. Er besuchte eine näher genannte katholische Kirche und nahm am Taufunterricht teil. Zur Lage im Herkunftsstaat wurde festgestellt, dass Vom-Islam-Abtrünnigen die Todesstrafe droht und laut iranischer Verfassung ein muslimischer Bürger nicht das Recht habe, seinen Glauben auszusuchen, zu wechseln oder aufzugeben. Eine Konversion vom Islam werde als Apostasie erachtet.

1.2.2. Die belangte Behörde leitete das Aberkennungsverfahren aufgrund von Straffälligkeit (Drogenhandel) gemäß § 7 Abs. 2a AsylG 2005 ein.

1.2.3. Aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides geht hervor, dass dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aberkannt wurde. Festgestellt wurde, der Beschwerdeführer sei als schiitischer Moslem in Iran geboren und habe keinen tatsächlichen Glaubens- bzw. Gesinnungswandel zum Christentum vollzogen. Die Gründe für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten würden nicht mehr vorliegen. Seine subjektive Lage habe sich im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt, als ihm Asyl gewährt worden sei, geändert. Eine aktuelle bzw. individuelle Furcht vor Verfolgung in Iran habe er nicht glaubhaft machen können. Begründend wurde ausgeführt, während der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Einvernahme zu seinem Antrag auf internationalen Schutz Ende August 2016 die erkennende Behörde noch glaubhaft davon überzeugen habe können, in Österreich zum Christentum konvertieren zu wollen und sich im römisch-katholischen Glauben taufen lassen zu wollen, habe er im Zuge seiner Einvernahme vor dem BFA am 15.10.2018 keinen tatsächlichen Glaubenswandel samt innerer Überzeugung vom Christentum glaubhaft darlegen können. Gegen seine tatsächliche, innere Hinwendung zum Christentum zähle auch, dass er zweimal wegen besonders schwerer Verbrechen verurteilt worden sei. Weiters habe sich der Beschwerdeführer nach der Anerkennung seines Asylstatus offensichtlich wieder zurückentwickelt und keinen tatsächlichen Glaubens- bzw. Gesinnungswandel zum Christentum vollzogen. Im Gegensatz zu einem erwartbaren Verhalten bei einem tatsächlichen inneren Gesinnungswandel hin zum römisch-katholischen Glauben habe der Beschwerdeführer die begonnene Vorbereitung zum Katechumenat nach seinem Umzug nach Wien nicht wieder aufgenommen und keinen Gottesdienst mehr besucht. Zusammenfassend sei von einer geänderten Lage seiner individuellen Situation im Herkunftsland auszugehen: Er sei weder in der Vergangenheit, noch zukünftig Verfolgungshandlungen im Sinne der GFK in seinem Heimatland ausgesetzt, da er in Österreich keinen tatsächlichen Glaubens- bzw. Gesinnungswandel zum Christentum vollzogen habe. Daher sei festzustellen, dass die Gründe für seine potentielle Verfolgung in seinem Heimatsland, die zur Anerkennung seines Asylstatus in Österreich geführt hätten, nicht mehr bestehen würden.

Betreffend die Situation im Herkunftsstaat wurde das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Iran vom 03.07.2018 herangezogen und im angefochtenen Bescheid auszugsweise wiedergegeben. Aus diesem geht hervor, dass Apostasie in Iran verboten ist und mit langen Haftstrafen bis hin zur Todesstrafe bedroht ist. Missionstätigkeit kann als Sanktion die Todesstrafe nach sich ziehen. Ein anonymes Leben als Christ allein führt nicht zu einer Verhaftung.

Auch aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Iran, Gesamtaktualisierung am 14. Juni 2019, welches vom Bundesverwaltungsgericht herangezogen wurde, ergibt sich, dass Apostasie in Iran verboten ist und mit langen Haftstrafen bis hin zur Todesstrafe bedroht ist. Missionstätigkeit kann als Sanktion die Todesstrafe nach sich ziehen. Ein anonymes Leben als Christ allein führt nicht zu einer Verhaftung.

1.2.4. Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung an, sich zum christlichen (katholischen) Glauben zu bekennen, zu beten und nach einer Entzugstherapie getauft werden zu wollen. Er vermochte das Vaterunser ansatzweise aufzusagen und wesentliche Eckpfeiler des christlichen Glaubens zu beschreiben.

Aus der im Beschwerdeverfahren eingeholten Vollzugsinformation ergibt sich, dass der Beschwerdeführer in der Haft mit römisch-katholischem Religionsbekenntnis geführt wird.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Als Beweismittel insbesondere relevant sind der Bescheid des BFA vom 13.09.2016, Zl. XXXX , sowie der dazugehörige Aktenvermerk, die Niederschriften der Einvernahme durch das BFA vom 15.10.2018 und der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 18.11.2019, der angefochtene Bescheid, die Strafurteile vom 07.06.2017, 17.09.2018 und 31.10.2019, das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Iran, Gesamtaktualisierung am 14. Juni 2019, der Aktenvermerk zur Einleitung eines Aberkennungsverfahrens vom 05.10.2018 sowie die Strafregisterabfrage vom 30.01.2020 und die Vollzugsinformation vom 08.11.2019.

Im gegenständlichen Fall sind die genannten Beweismittel unstrittig. Was die Identität des Beschwerdeführers anbelangt, so ist von einer Verfahrensidentität auszugehen, da seitens des Beschwerdeführers keine unstrittigen Personaldokumente vorgelegt wurden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des Asylberechtigten von Amts wegen mit Bescheid unter anderem dann abzuerkennen, wenn ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt (Z 1) oder einer der in Art. 1 Abschnitt C der GFK angeführten Endigungsgründe eingetreten ist (Z 2).

Das Bundesverwaltungsgericht hält in einem ersten Schritt fest, dass Angelegenheit des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens die Aberkennung des Status des Asylberechtigten ist und vom BFA ein ebensolches Verfahren geführt wurde. Zwar stützt sich das BFA im Spruch des angefochtenen Bescheides auf § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005, die Kognitionsbefugnis des BVwG ist jedoch nicht auf diese Ziffer begrenzt, sondern umfasst auch die Z 1 des § 7 Abs. 1 AsylG 2005 (vgl. VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005 zur Aberkennung des Status des subsidiärer Schutzberechtigten), zumal das BFA selbst begründend mehrmals auf das Vorliegen besonders schwerer Verbrechen Bezug nimmt.

Im gegenständlichen Fall hat das Bundesverwaltungsgericht somit zu prüfen, ob der Tatbestand der Z 1 oder der Z 2 des § 7 Abs. 1 AsylG 2005 erfüllt ist. Eine Verlegung des Lebensmittelpunktes in einen anderen Staat ist im Verfahren nicht hervorgekommen und war somit nicht prüfungsrelevant.

3.1.1. Zum Vorliegen eines Asylausschlussgrundes

Gemäß § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet.

Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich, dass für das Erfüllen dieses Tatbestandes kumulativ vier Voraussetzungen vorliegen müssen: So muss der Asylberechtigte erstens ein schweres Verbrechen verübt haben, dafür zweitens rechtskräftig verurteilt worden und drittens gemeingefährlich sein. Schlussendlich müssen noch die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen (vgl. VwGH 26.02.2019, Zl. Ra 2018/18/0493). Zu der ersten Voraussetzung (besonders schweres Verbrechen) ist festzuhalten, dass es sich dabei jedenfalls um ein Verbrechen iSd § 17 StGB handeln muss (vgl. VwGH 29.08.2019, Ra 2018/19/0522) und dieses zusätzlich besonders schwer sein muss. Unter den Begriff des "besonders schweren Verbrechens" im Sinn von § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 fallen nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen. Die Tat muss sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen, wobei unter anderem auf Milderungsgründe Bedacht zu nehmen ist (vgl. VwGH 18.11.2019, Ra 2019/18/0418). Grundsätzlich sind die Ausschlussklauseln restriktiv auszulegen (VwGH 11.12.2008, 2006/19/0352).

Im gegenständlichen Fall wurde der Beschwerdeführer jedoch ausschließlich wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften und nicht wegen Verbrechen iSd § 17 StGB verurteilt.

Mangels Vorliegens eines besonders schweren Verbrechens ist auf die weiteren Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 nicht näher einzugehen und ist in einem ersten Schritt festzuhalten, dass eine Aberkennung aufgrund der Straffälligkeit des Beschwerdeführers ausscheidet.

3.1.2. Zum Vorliegen eines Endigungsgrundes

Als Endigungsgrund gegenständlich relevant ist vor dem Hintergrund des Verfahrenssachverhalts lediglich die Ziffer 5 des Art. 1 Abschnitt C GFK. Diese lautet: "Eine Person, auf die die Bestimmungen des Absatzes A zutrifft, fällt nicht mehr unter dieses Abkommen, [...] 5. wenn sie nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer sie als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt."

Grundsätzlich ist zu den Endigungsklauseln festzuhalten, dass diese restriktiv auszulegen sind und keine anderen Gründe analog zur Rechtfertigung der Zurücknahme des Flüchtlingsstatus herangezogen werden dürfen (vgl. das Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, UNHCR 2011, Rz 116). Das Handbuch führt in Rz 117 weiters aus, dass Artikel 1 C nicht den Widerruf der Rechtsstellung als Flüchtling behandle. Auch können Fakten bekannt werden, denen zufolge eine Person nie hätte als Flüchtling anerkannt werden dürfen; z.B. könne erst später bekannt werden, dass der Flüchtlingsstatus nur durch die falsche Darstellung wesentlicher Fakten erlangt wurde, oder dass die betreffende Person eine andere Staatsangehörigkeit besitzt, oder dass eine der Ausschlussklauseln zum Tragen gekommen wäre, wenn alle relevanten Fakten bekannt gewesen wären. In solchen Fällen werde normalerweise die Entscheidung, der zufolge eine Person als Flüchtling gilt, aufgehoben.

Aus Rz 6 der Richtlinie zum Internationalen Schutz Nr. 3 ergibt sich, dass der Flüchtlingsschutz umfassende und dauerhafte Lösungen zum Ziel hat. Es gelte daher der Grundsatz, dass sich die Verhältnisse im Herkunftsland grundlegend und dauerhaft geändert haben müssen, bevor die Beendigungsklausel angewandt werden kann.

Zu der Frage, ob es sich um eine Änderung der Umstände nur im Herkunftsstaat oder auch in der Person des Betroffenen handeln kann, ist zu bemerken, dass zwar die oben bereits erwähnten Auslegungshilfen wie das Handbuch oder die Richtlinie Nr. 3, aber auch das Exekutivkomitee von UNHCR in der Regel auf den Herkunftsstaat abstellen. In Rz 18 der Richtlinie Nr. 3 wird aber auch eine individuelle Beendigung nicht ausgeschlossen und wie folgt ausgeführt: "Eine wörtliche Auslegung von Art. 1 C (5) und (6) würde eine einzelfallbezogene Anwendung zulassen. [...] Dennoch hat man sich selten bei der Entscheidung von Einzelfällen auf Art. 1 C (5) und (6) berufen. Staaten haben im Allgemeinen keine regelmäßigen Überprüfungen von Einzelfällen im Hinblick auf grundlegende Änderungen in deren Herkunftsländern durchgeführt. Diese Praxis bestätigt, dass Flüchtlingen ein größtmögliches Maß an Stabilität gewährt werden sollte. Sie entspricht auch Artikel 34 der Genfer Flüchtlingskonvention, der den Staaten nahe legt "soweit wie möglich die Eingliederung und Einbürgerung der Flüchtlinge [zu] erleichtern". Die Anwendung der Beendigungsklauseln auf Einzelfälle darf jedenfalls nicht zum Zweck einer erneuten Anhörung erfolgen."

In gleicher Weise vertreten Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 AsylG, K9, die Ansicht, dass sich die wesentliche Änderung der Situation einerseits auf das Herkunftsland beziehen kann und andererseits auch auf in der Person des Flüchtlings gelegene Umstände, etwa wenn eine wegen der Mitgliedschaft zu einer bestimmten Religion verfolgte Person nun doch zu der den staatlichen Stellen genehmen Religion übertritt und damit eine gefahrlose Heimkehr möglich ist.

Aus einer jüngst vom Verwaltungsgerichtshof getroffenen Entscheidung folgt, dass der Wegfall der Notwendigkeit, auf den Schutz eines anderen Staates angewiesen zu sein, sich durchaus auch als Ergebnis unterschiedlicher Entwicklungen von Ereignissen, die sowohl in der Person des Fremden als auch in der in seinem Heimatland gegebenen Situation, darstellen kann (VwGH 09.01.2020, Ra 2019/19/0496).

Was das Ausmaß der Veränderung anbelangt, wird ein durchaus hoher Maßstab angelegt. So müssen die Änderungen grundlegend sowie nicht nur vorübergehend sein (vgl. VwGH 31.01.2019 Ra 2018/14/0121). Dieser Maßstab ist nach Ansicht des erkennenden Gerichts sowohl bei Veränderungen im Herkunftsstaat wie auch bei Änderungen in der Person des Beschwerdeführers anzuwenden.

Für den vorliegenden Fall folgt daraus, dass einerseits die Situation von zum Christentum konvertierten Personen in Iran wie auch die Glaubenseinstellung des Beschwerdeführers einem Vergleich zu unterziehen sind. Zu erster Fragestellung ist festzuhalten, dass aus einem Vergleich der im Bescheid vom 13.09.2016, mit dem dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, festgestellten Situation in Iran mit den aktuellen Länderberichten zu Apostasie, Konversion und Christen keine wesentliche Änderung ersichtlich ist, weil damals wie heute Konvertiten grundsätzlich einem Verfolgungsrisiko, welches bis hin zur Tötung reichen kann, unterliegen.

Betreffend eine allfällige Veränderung in der Person des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass ein Vergleich der Einvernahmen im Asylzuerkennungsverfahren mit denen im Asylaberkennungsverfahren ebenfalls zu keinen wesentlichen Unterschieden führte. Damals wie heute ist der Beschwerdeführer nicht getauft, bekennt sich aber weiterhin zum christlichen Glauben. Damals wie heute verfügt er über ein überschaubares Wissen und ein mäßiges Ausüben seines Glaubens. Tatsächliche und objektive Ereignisse, wie etwa ein dokumentierter Übertritt zum muslimischen Glauben oder ein Bekenntnis dazu bzw. ein nachweisliches Ausüben des muslimischen Glaubens sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Vielmehr wird der Beschwerdeführer auch in der aktuellen Vollzugsinformation mit römisch-katholischem Religionsbekenntnis geführt. Es ist somit nicht davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer in seiner Person und seinem Glauben im Vergleich zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Asylstatus derart geändert hätte, dass von einer Änderung der Umstände iSd GFK auszugehen wäre.

Wenn das BFA vorbringt, der Beschwerdeführer habe sich nach Zuerkennung des Status des Asylberechtigten "zurückentwickelt" und kein erwartbares Verhalten gesetzt, so ist dazu auszuführen, dass dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten nicht unter Bedingungen oder im Hinblick auf ein zukünftiges Verhalten in Österreich zuerkannt wurde, sondern maßgeblich ist, ob dem Beschwerdeführer im Entscheidungszeitpunkt Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht. Im gegenständlichen Fall ist für die Frage der Aberkennung relevant, ob sich die persönlichen Umstände des Beschwerdeführers, die zu einer Zuerkennung geführt haben, so grundlegend geändert haben, dass er es nicht mehr ablehnen kann, sich unter den Schutz Irans zu stellen. Wie bereits festgestellt und näher ausgeführt, hat sich die Religionspraktik des Beschwerdeführers in einem Vergleich - auch, da sie von vornherein nicht sehr ausgeprägt war, was jedoch nicht zu einer Durchbrechung der Rechtskraftwirkung zu führen vermag - nicht grundlegend geändert und sind auch die Einschränkungen der Betätigung durch die Haft und die Drogensucht des Beschwerdeführers zu berücksichtigen.

Wenn die Behörde - im Widerspruch zum ebenfalls geäußerten Vorbringen, der Beschwerdeführer habe sich in seinem Glauben "zurückentwickelt" - alternativ vermeint, dass es sich beim Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt um einen Christen gehandelt habe, so ist dazu festzuhalten, dass ein Verfahren zur Aberkennung des Asylstatus nicht die geeignete Verfahrensart ist. Auch ist daran zu erinnern, dass - wie die oben genannte Richtlinie Nr. 3 festhält - Ziel der GFK eine dauerhafte Lösung für den Flüchtling ist und erneute Anhörungen nicht erfolgen sollen. Insbesondere kann eine neuerliche Beweiswürdigung eines im Kern unveränderten Sachverhalts nicht zu einer Aberkennung führen und steht dem das Rechtsinstitut der Rechtskraft entgegen. Lediglich unter bestimmten Voraussetzungen ist eine Durchbrechung der Rechtskraft möglich (zB im Falle eines Wiederaufnahmeverfahrens). Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Aberkennung des Asylstatus nach § 7 AsylG 2005 liegen aber im gegenständlichen Fall insgesamt nicht vor und war daher der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.

Dem Beschwerdeführer kommt auf Grund der Behebung des Bescheides weiterhin der Status des Asylberechtigten zu.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. die unter Punkt 3. angeführte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Aberkennung des Status des Asylberechtigten Asylaberkennung Behebung der Entscheidung ersatzlose Behebung Konversion Religion Rückkehrentscheidung behoben wesentliche Änderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W183.2210621.1.00

Im RIS seit

07.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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