Entscheidungsdatum
06.02.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W278 2222994-1/15E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HABITZL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger der Volksrepublik China, vertreten durch XXXX , Rechtsanwältin in XXXX , XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht:
A) I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II. und V. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides zu lauten hat:
"Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1, 4 und 5 FPG wird gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen."
II. Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
1. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (infolge: BF), Staatsangehöriger der Volksrepublik China, reiste im Jahr 2000 nach Österreich und erhielt zuletzt am XXXX 2010 einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt EU".
Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX 2018, Zl. XXXX , wurde der BF wegen der Vergehen der Schlepperei (§ 114 Abs. 1 FPG, § 15 StGB) und der Ausbeutung eines Fremden (§ 116 Abs. 1 FPG) sowie der Verbrechen des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels (§ 217 Abs. 1 2. Fall StGB) und des Menschenhandels (§ 104a Abs. 1 StGB idF BGBl I 2015/112) zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Mit Beschluss vom XXXX 2018, Zl. XXXX , bewilligte das Landesgericht XXXX dem BF die bedingte Entlassung aus der Strafhaft per XXXX 2018 unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren und Anordnung der Bewährungshilfe.
Mit Urteil des Obersten Gerichtshofs vom XXXX 2019, Zl. XXXX , wurde das Urteil des Landesgerichts XXXX dahingehend berichtigt, dass der Schuldspruch wegen Menschenhandels unter die zum Zeitpunkt der Tatbegehung geltende Strafnorm des § 104a Abs. 1 Z 2 StGB idF BGBl I 2004/15 zu subsumieren war, da diese für den BF günstiger war als die vom Erstgericht angewendete Norm, die zum Urteilszeitpunkt in Geltung stand. Zudem reduzierte der OGH die gegen den BF verhängte Freiheitsstrafe aufgrund der langen Verfahrensdauer auf drei Jahre und drei Monate.
Mit schriftlicher Stellungnahme vom XXXX 2019 brachte der BF vor, er sei im Oktober 2000 nach Österreich gekommen um an der Montanuniversität XXXX zu studieren, habe sein Studium etwa 2005 allerdings abbrechen müssen, weil ihn seine Eltern nicht mehr unterstützt hätten und er nebenbei als Koch habe arbeiten müssen. Am XXXX 2010 habe er seine Frau geheiratet und sei am XXXX 2011 seine Tochter geboren worden. Bereits im Herbst 2011 habe er sich mehr als 10 Jahre ordnungsgemäß in Österreich aufgehalten. Aus der Haft sei er bedingt entlassen worden und sei er bereits zuvor im elektronisch überwachten Hausarrest angehalten worden. Aus einem Versicherungsdatenauszug seien seine Beschäftigungszeiten ersichtlich und habe er ständig Kontakt zu seinem Bewährungshelfer.
Am XXXX 2019 wurde der BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bezüglich der Prüfung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot einvernommen und gab dabei ergänzend an, hinsichtlich seiner Straftaten habe er den genauen Gesetzesinhalt nicht gekannt und vermutlich deshalb etwas Gesetzwidriges gemacht. Außerdem habe es auch ein finanzielles Interesse gegeben, daran, mit welcher Summe er von den Straftaten profitiert habe, könne er sich allerdings nicht mehr erinnern, doch hätte sein Verdienst die normale Lebenserhaltung überstiegen. Er wohne mit seiner Frau und seiner Tochter im gemeinsamen Haushalt zusammen, arbeite als Kellner und verdiene EUR 980,00 netto. In China habe er die Schule mit der Matura abgeschlossen und anschließend vier Jahre Maschinenbau studiert, gearbeitet habe er nicht, weil er direkt danach nach Österreich gekommen sei. Zwischenzeitlich sei er drei bis viermal in China gewesen, zuletzt von XXXX 2018 bis XXXX 2018 und habe er währenddessen bei seinen Eltern gewohnt, zu denen er zwei- bis dreimal pro Woche Kontakt habe.
Mit Verständigung von der Beweisaufnahme vom XXXX 2019 wurde dem BF mitgeteilt, dass aufgrund seiner Verurteilung die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot beabsichtigt sei und wurde ihm dazu eine Stellungnahmefrist von 14 Tagen eingeräumt.
In seiner Stellungnahme vom XXXX brachte der BF vor, er arbeite seit XXXX 2019 für zwei Unternehmen und verfüge sohin über ein monatliches Nettoeinkommen von EUR 1.700,00 zuzüglich Trinkgeld und habe sich zumindest bis Herbst 2011 wohlverhalten. Ein aufenthaltsbeendender Bescheid sei auch aufgrund seiner in Österreich aufhältigen Frau und Tochter verfassungswidrig.
Mit im Spruch genannten Bescheid wurde gegen den BF gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach China zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.).
Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, der BF sei seiner Tochter gegenüber unterhaltspflichtig und könne sie allein aufgrund des Einkommens ihrer Mutter nicht versorgt werden. Die Rückkehrentscheidung nehme seiner Tochter das Recht auf Kontakt, was klar dem Kindeswohl widerspreche. Es werde daher die Einholung einer Stellungnahme des Jugendamtes zum Kindeswohl beantragt. Aufgrund der Schulpflicht der Tochter könnten regelmäßige Besuche in China nicht stattfinden, sondern sei dies ausschließlich während der Schulferien möglich. Der BF befinde sich seit 19 Jahren rechtmäßig in Österreich, weshalb die Gründung seiner Familie zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, zu welchem sein Aufenthalt im Inland sicher gewesen sei. Er habe sich im Inland einen großen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut, spreche sehr gut Deutsch und bestehe keine nennenswerte Bindung zu seinem Geburtsstaat mehr, weshalb letztendlich von einem Überwiegen seiner persönlichen Interessen am Verbleib in Österreich auszugehen sei.
Mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (infolge: BVwG) vom XXXX 2019, Zl. XXXX wurde der Beschwerde des BF die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Mit Schreiben vom XXXX 2019 ersuchte das BVwG die Justizanstalt XXXX um Übermittlung eines Berichts zum Verhalten des BF während der Haft und teilte diese am XXXX 2019 per E-Mail mit, dass dem BF während seiner Haft eine Geldbuße auferlegt worden sei, weil er einen Mitinsassen ins Gesicht schlug.
Mit Schreiben vom XXXX 2019 ersuchte das BVwG auch die Justizanstalt XXXX um Übermittlung eines Berichts zum Verhalten des BF während seines dortigen Haftaufenthaltes und teilte in der Folge die Justizanstalt XXXX mit, dass der BF nach seiner am XXXX 2018 erfolgten Überstellung von der Justizanstalt XXXX in die Justizanstalt XXXX am XXXX 2018 in die Justizanstalt XXXX überstellt worden sei, wo er bis zu seiner Haftentlassung am XXXX 2018 im elektronisch überwachten Hausarrest angehalten worden sei.
Mit Schreiben vom XXXX 2019 teilte der Bewährungshelfer des BF mit, dass dieser die Termine verlässlich einhalte, die Eingliederung des BF in den Arbeitsmarkt bemerkenswert rasch gelungen sei und der BF die Termine zur psychosozialen Stabilisierung nutze.
Am XXXX 2019 fand vor dem BVwG in Anwesenheit der Rechtsvertreterin des BF eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der BF umfassend zu seiner strafrechtlichen Verurteilung, seiner Integration in Österreich und seinen Beziehungen zum Herkunftsstaat befragt wurde.
Mit Schriftsatz vom XXXX 2019 legte der BF Kopien des am XXXX abgelaufenen Reisepasses seiner Ehefrau zum Nachweis ihrer Reisebewegungen vor sowie mit Urkundenvorlage vom XXXX 2019 Überweisungsbestätigungen zum Nachweis der finanziellen Unterstützung durch seine Eltern.
Am XXXX 2019 übermittelte der BF eine Meldebestätigung von XXXX , aus der hervorgeht, dass diese zwischenzeitlich aus seiner Wohnung abgemeldet wurde.
Mit Parteiengehör vom 08.01.2020 wurde dem BF Gelegenheit gegeben, zum Länderinformationsblatt zu China vom 16.12.2019 Stellung zu nehmen und ließ der BF die dazu eingeräumte Frist von einer Woche ungenützt verstreichen.
2. Feststellungen:
2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der BF heißt XXXX und ist am XXXX geboren. Seine Identität steht fest. Er ist Staatsangehöriger der Volksrepublik China und spricht Chinesisch auf muttersprachlichem Niveau sowie gut Deutsch. Er ist verheiratet und hat eine Tochter.
Der BF besuchte in China insgesamt 12 Jahre die Schule, die er mit der Matura abschloss. Anschließend begann er ein Studium in Maschinenbau, das er mit einem Bachelor beendete. Der BF wurde in China sozialisiert und lebte bis zu seinem 22. Lebensjahr dort.
In China leben nach wie vor die Eltern des BF, zu denen der BF zumindest ein- bis zweimal pro Woche Kontakt hat.
Der BF leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten.
2.2. Zum (Privat-)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Der BF reiste im Jahr 2000 nach Österreich ein und erhielt am XXXX 2008 einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt Familienangehöriger" sowie in weiterer Folge am XXXX 2010 einen unbefristeten Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt EU" nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG).
Der BF ist seit XXXX 2001 durchgehend in Österreich gemeldet, besuchte zunächst den Vorstudienlehrgang und studierte bis zumindest 2004 Maschinenbau an der Montanuniversität XXXX. Während seines Aufenthaltes in Österreich arbeitete der BF als Koch und Kellner bei mehr als 20 verschiedenen Arbeitgebern. Dazwischen bezog er immer wieder Arbeitslosengeld. Seit XXXX 2019 ist der BF bei der XXXX sozialversicherungsrechtlich gemeldet. Zusätzlich arbeitet der BF seit XXXX 2019 für die XXXX , die allerdings aufgelöst wurde und derzeit abgewickelt wird und ist seit XXXX 2019 bei der XXXX geringfügig beschäftigt.
Der BF heiratete seine Frau XXXX am XXXX 2010 in XXXX , am XXXX 2011 kam in Wien die gemeinsame Tochter XXXX zur Welt. Der BF lebt gemeinsam mit seiner Frau und seiner Tochter, die chinesische Staatsangehörige sind und in Österreich einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt EU" haben, in einer Mietwohnung und pflegte eine außereheliche Beziehung zu XXXX , die zwischen XXXX 2019 und XXXX 2019 in seiner Wohnung zum Schein gemeldet war. Während seiner Haft bestritt die Ehefrau des BF den Lebensunterhalt für sich und ihre Tochter selbständig, gänzlich ohne Unterstützung des BF oder seiner Eltern und kümmert sich auch nunmehr vorwiegend die Ehefrau des BF um die gemeinsame Tochter, die derzeit die dritte Klasse Volksschule besucht und auch Chinesisch spricht.
Seit seiner Ausreise hielt sich der BF zumindest drei- bis viermal in China auf. Zuletzt war der BF von XXXX 2018 bis XXXX 2018 in China und wohnte währenddessen bei seinen Eltern. Auch die Ehefrau und Tochter des BF reisen ab und zu nach China, um die Eltern seiner Ehefrau zu besuchen, zuletzt etwa von XXXX 2019 bis XXXX 2019. Zudem hielt sich die Ehefrau des BF im Jahr 2009, von XXXX 2012 bis XXXX 2012, im Jahr 2013, von XXXX 2014 bis XXXX 2015, von XXXX 2016 bis XXXX 2016 sowie von XXXX 2018 bis XXXX 2018 in China auf.
Der BF verfügt in Österreich über einen Freundes- und Bekanntenkreis, wobei ein gemeinsamer Freundeskreis mit seiner Frau nicht besteht, ist nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation und hat in Österreich auch keine Ausbildung absolviert.
Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX 2018, Zl. XXXX das mit Urteil des Obersten Gerichtshofs vom XXXX 2019, Zl. XXXX , angepasst wurde, wurde der BF wegen der Vergehen des Menschenhandels (§ 104a Abs. 1 Z 2 StGB idF BGBl I 2004/15), der Schlepperei (§ 114 Abs. 1 FPG), der Ausbeutung eines Fremden (§ 116 Abs. 1 FPG) sowie der Verbrechen des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels (§ 217 Abs. 1 1. und 2. Fall StGB) zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten rechtskräftig verurteilt.
Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF zwischen Herbst 2011 und Oktober 2015 insgesamt sieben chinesische Staatsangehörige noch in China über deren jeweiligen Schlepper kontaktierte, ihre Abholung vom europäischen Zielort zusagte und sechs von ihnen in der Folge auch tatsächlich von Paris abholte und nach Österreich verbrachte bzw. direkt vom Flughafen Schwechat abholte, obwohl er wusste, dass die von ihm geschleppten Personen umgerechnet mehrere tausend Euro für erschlichene Visa bezahlt hatten. Hinsichtlich der siebten Person blieb es beim Versuch, weil diese die Reise nicht antrat. Zudem nahm der BF dieselben sechs chinesischen Staatsangehörigen, nachdem er ihnen vorgeschlagen hatte, nach Österreich zu kommen und sie von Paris bzw. vom Flughafen Schwechat abgeholt hatte, zwischen Dezember 2011 und November 2015 in den von ihm - teilweise in Kooperation mit anderen Personen - erworbenen Massagestudios auf und führte sie dort der Prostitution zu, wobei zumindest in drei Fällen gewerbsmäßige Begehung vorlag.
Einer dieser Personen, nämlich XXXX , nahm der BF ihren Reisepass sowie ihr Bargeld in Höhe von EUR 1.500,00 ab und brachte sie anschließend unter dem Vorwand, sie habe für ihre Verbringung nach Österreich zu wenig bezahlt und müsse daher das von ihm dafür vorausbezahlte Geld durch "Sexarbeit" zurückzahlen, in einer von ihm angemieteten Wohnung unter, die sie nicht verlassen durfte. Dort musste sie unter Beaufsichtigung der Mittäterin des BF, die sich durch Telefonate um die Kundschaft kümmerte und anschließend die Bezahlung der Kunden entgegennahm, durchschnittlich zwei Kunden pro Tag betreuen. Eine Bezahlung erhielt sie dafür nicht. Wenige Wochen später verbrachte der BF XXXX in eine andere Wohnung, wobei er ihr ihren Reisepass wieder aushändigte und hatte sie dort unter denselben Bedingungen wie zuvor der Prostitution nachzugehen. In einem unachtsamen Moment der Mittäterin des BF gelang ihr von dort aus nach einigen Tagen die Flucht.
Bei der Strafbemessung wertete der Oberste Gerichtshof als mildernd den bisher ordentlichen Lebenswandel, das teilweise Geständnis, das längere Zurückliegen der Taten sowie die lange Verfahrensdauer, als erschwerend hingegen das Zusammentreffen von sechs Verbrechen mit neun Vergehen sowie hinsichtlich der letzten geschleppten Person im Oktober 2015 bzw. der letzten der Prostitution zugeführten Person im November 2015 die Tatbegehung bei anhängigem Strafverfahren.
Von XXXX 2013 bis XXXX 2014 sowie von XXXX 2016 bis XXXX 2018 befand sich der BF in Haft, wobei er von XXXX 2018 bis XXXX 2018 im elektronisch überwachten Hausarrest angehalten und anschließend unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt entlassen wurde. Für die Dauer der Probezeit wurde dem BF Bewährungshilfe angeordnet und hält er die diesbezüglichen Termine verlässlich ein. Am XXXX 2017 schlug der BF einen seiner Mitinsassen in der Justizanstalt XXXX ins Gesicht, weshalb ihm eine Geldbuße auferlegt wurde. Während seiner Haft erhielt der BF über 110 Mal Besuch von XXXX und insgesamt sieben Mal von seiner Ehefrau. Seine Tochter besuchte ihn nicht.
Festgestellt wird, dass der weitere Aufenthalt des BF in Österreich eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt.
2.3. Zur Rückkehr des Beschwerdeführers nach China:
Der BF läuft im Falle einer Rückkehr nach China nicht Gefahr, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe, oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden. Es besteht auch keine Gefahr, dass der BF im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde und ihm die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.
Das Leben oder die Freiheit des BF ist im Falle der Rückkehr nach China auch nicht aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht.
2.4. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:
Aufgrund der in der das Verfahren eingeführten und mit dem BF erläuterten Erkenntnisquellen werden folgende Feststellungen zum Herkunftsstaat des BF getroffen:
(Auszug aus dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Volksrepublik China, gekürzt und bereinigt):
Länderinformationsblatt der Staatendokumentation China Volksrepublik
Stand 16.12.2019
Politische Lage
Die Volksrepublik China ist mit geschätzten 1,385 Milliarden Einwohnern (Stand Juli 2018) und einer Fläche von 9.596.960 km² der bevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 20.11.2019).
China ist in 22 Provinzen, fünf Autonome Regionen der nationalen Minderheiten Tibet, Xinjiang, Innere Mongolei, Ningxia und Guangxi, sowie vier regierungsunmittelbare Städte (Peking, Shanghai, Tianjin, Chongqing) und zwei Sonderverwaltungsregionen (Hongkong, Macau) untergliedert (AA 3.2019a). Hongkong hat seit dem Souveränitätsübergang vom Vereinigten Königreich auf die Volksrepublik China zum 1. Juli 1997 den Status einer Sonderverwaltungsregion (Special Administrative Region - SAR). Grundlage für den Souveränitätsübergang ist die von den beiden Regierungschefs am 19. Dezember 1984 in Peking unterzeichnete ?Gemeinsame Erklärung'. Nach dem dort verankerten Prinzip 'Ein Land, zwei Systeme' kann Hongkong für 50 Jahre sein marktwirtschaftliches Wirtschaftssystem aufrechterhalten und genießt einen hohen Grad an politischer und rechtlicher Autonomie. Zum 1. Juli 1997 trat auch das Hongkonger "Basic Law" in Kraft und löste die koloniale Verfassung ab. Macau wurde nach einem ähnlichen Abkommen am 20. Dezember 1999 von Portugal an die Volksrepublik China zurückgegeben. Die Vereinigung mit Taiwan zur "Wiederherstellung der nationalen territorialen Integrität" bleibt eines der erklärten Kernziele chinesischer Politik (AA 3.2019a).
Gemäß ihrer Verfassung ist die Volksrepublik China ein "sozialistischer Staat unter der demokratischen Diktatur des Volkes, der von der Arbeiterklasse geführt wird und auf dem Bündnis der Arbeiter und Bauern beruht" (AA 3.2019a). China ist ein autoritärer Staat, in dem die Kommunistische Partei (KP) verfassungsmäßig die höchste Autorität ist. Beinahe alle hohen Positionen in der Regierung sowie im Sicherheitsapparat werden von Mitgliedern der KP gehalten (USDOS 13.3.2019). Die KP ist die allbestimmende politische Kraft. Der 19. Parteitag hat im Oktober 2017 ein neues Zentralkomitee (ZK) gewählt, dem alle wichtigen Entscheidungsträger in Staat, Regierung, Armee und Gesellschaft angehören. Xi Jinping ist seit 2012 Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas. Das Zentralkomitee wiederum wählt das Politbüro (25 Mitglieder) und den Ständigen Ausschuss des Politbüros (derzeit 7 Mitglieder). Letzteres ist das ranghöchste Parteiorgan und gibt die Leitlinien der Politik vor. Die Personalvorschläge für alle diese Gremien werden zuvor durch die Parteiführung erarbeitet, wobei über das genaue Verfahren und dessen Grad der Formalisierung keine Klarheit besteht (AA 3.2019a vgl. USDOS 13.3.2019).
Xi Jinping ist zudem Vorsitzender der Zentralen Militärkommission (ZMK) der Kommunistischen Partei Chinas und Oberkommandierender der Streitkräfte, die seit 1997 direkt der Kommunistischen Partei Chinas unterstellt sind. Der 2018 erneut gewählte Ministerpräsident Li Keqiang leitet den Staatsrat, die eigentliche Regierung. Er wird von einem "inneren Kabinett" aus vier Stellvertretenden Ministerpräsidenten und fünf Staatsräten unterstützt. Der Staatsrat fungiert als Exekutive und höchstes Organ der staatlichen Verwaltung (AA 3.2019a).
Der 3.000 Mitglieder zählende Nationale Volkskongress (NVK) wird durch subnationale Kongresse für fünf Jahre gewählt (FH 2.2019a). Er wählt formell den Staatspräsidenten für fünf Jahre und bestätigt den Premierminister, der vom Präsidenten nominiert wird (FH 1.2017a). Der Nationale Volkskongress (NVK) ist formal das gesetzgebende Organ der VR China. Er tagt als Plenum einmal jährlich und beschließt mit einer Legislaturperiode von fünf Jahren nationale Gesetze (LVAk 9.2019). Der NVK ist jedoch vor allem eine symbolische Einrichtung (FH 1.2017a). Nur der Ständige Ausschuss trifft sich regelmäßig, der NVK kommt einmal pro Jahr für zwei Wochen zusammen, um die vorgeschlagene Gesetzgebung anzunehmen (FH 2.2019a). Eine parlamentarische Opposition zur KPCh gibt es nicht (AA 14.12.2018). Es gibt weitere acht kleine "demokratische Parteien", die auch im Nationalen Volkskongress, aber vor allem in der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes vertreten sind. Deren Vorsitzender ist Wang Yang. Das Gremium unter Führung der KP Chinas hat lediglich beratende Funktion (AA 3.2019a).
Der Nationale Volkskongress hat mit seiner ersten Sitzung der 13. Legislaturperiode (5. - 20. März 2018) Xi Jinping erneut zum Staatspräsidenten gewählt (AA 3.2019a). Xi Jinping ist Vorsitzender der Zentralen Militärkommission (ZMK) der Kommunistischen Partei Chinas und Oberkommandierender der Streitkräfte (AA 3.2019a). Er hält damit die drei einflussreichsten Positionen (USDOS 13.3.2019). Präsident Xi Jinping hat seine Absicht bekundet, auf unbestimmte Zeit zu regieren, nachdem die chinesische Legislative im März 2018 die Verfassung geändert hatte, um die Amtszeit für die Präsidentschaft zu verkürzen (HRW 17.1.2019). Vorrangige Ziele der chinesischen Führung sind die Entwicklung des "Sozialismus chinesischer Prägung im neuen Zeitalter" und die Verwirklichung des "chinesischen Traums vom großartigen Wiederaufstieg der chinesischen Nation". Die Wahrung der politischen und sozialen Stabilität unter Führung der Partei gilt als wichtigstes Ziel der KP Chinas. Die strenge Führung durch die Partei soll dabei in allen Bereichen der Gesellschaft durchgesetzt werden. Gleichzeitig laufen Kampagnen zur inneren Reform und Stärkung der Partei. Schwerpunkte sind der Kampf gegen Korruption und Vetternwirtschaft sowie die Stärkung der zentralen Kontrolle der Parteiführung.
Die von Deng Xiaoping im Jahr 1978 verkündete Ära von "Reform und Öffnung" hat China eine lange Phase anhaltend hohen Wachstums gebracht. Vor dem 40-jährigen Jubiläum von "Reform und Öffnung" im Dezember 2018 scheinen die wirtschaftlichen Reformanstrengungen jedoch weitgehend zum Erliegen gekommen zu sein. Angesichts der dramatischen Herausforderungen durch den demografischen Wandel, die Umweltbelastungen und die weiter zunehmende soziale Ungleichheit erscheint eine Fortsetzung der Reformagenda umso dringlicher. (AA 3.2019a).
Sicherheitslage
Proteste auf lokaler Ebene haben in ganz China auch 2018 zugenommen. Sie richten sich vor allem gegen steigende Arbeitslosigkeit und Vorenthaltung von Löhnen, hauptsächlich von Wanderarbeitern. Bei den bäuerlichen Protesten auf dem Land geht es meistens um die (entschädigungslose oder unzureichend entschädigte) Enteignung von Ländereien oder die chemische Verseuchung der Felder durch Industriebetriebe oder Umweltkatastrophen. Nachdem die Anzahl sogenannter "Massenzwischenfälle" über Jahre hinweg mit großer Geschwindigkeit zunahm, werden hierzu seit 2008 (> 200.000 Proteste) keine Statistiken mehr veröffentlicht. Zwei Aktivisten, die seit 2013 durch eigene, über Twitter veröffentlichte Statistiken diese Lücke zu schließen versuchten, wurden im Juni 2016 verhaftet, einer von ihnen zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Die lokalen Behörden verfolgen in Reaktion zumeist eine Mischstrategie aus engmaschiger Kontrolle, die ein Übergreifen nach außen verhindern soll, gepaart mit einem zumindest partiellen Eingehen auf die Anliegen (USDOS 13.3.2019; vgl. AA 14.12.2018)
China hat anhand der Vorkommnisse der späten 1980er Jahre gelernt, dass soziale Spannungen zu einer ernsthaften Gefährdung des Systems führen können. Infolgedessen wurde ein engmaschiges Kontroll- und Regulierungssystem (z.B. Social Credit System) sowohl in urbanen Kerngebieten als auch in den peripheren Siedlungsgebieten der Minderheiten aufgebaut (LVAk 9.2019).
Rechtsschutz/Justizwesen
Die Führung unternimmt Anstrengungen, das Rechtssystem auszubauen (AA 14.12.2018). Dem steht jedoch der Anspruch der Kommunistischen Partei auf ungeteilte Macht gegenüber (FH 2.2019a). Gewaltenteilung und Mehrparteiendemokratie werden abgelehnt. Von der Verwirklichung rechtsstaatlicher Normen und einem Verfassungsstaat ist China noch weit entfernt. Im Alltag sind viele Chinesen weiterhin mit Willkür und Rechtlosigkeit konfrontiert, neben sozialer Not eine der Hauptquellen von Unzufriedenheit in der chinesischen Gesellschaft (AA 3.2019a). Eine unabhängige Strafjustiz existiert in China folglich nicht. Strafrichter und Staatsanwälte unterliegen der politischen Kontrolle von staatlichen Stellen und Parteigremien (AA 14.12.2019). Die Kontrolle der Gerichte durch politische Institutionen ist ein verfassungsrechtlich verankertes Prinzip (ÖB 11.2019). Die KP dominiert das Rechtssystem auf allen Ebenen und erlaubt Parteifunktionären, Urteile und Verurteilungen zu beeinflussen. Die Aufsicht der KP zeigt sich besonders in politisch heiklen Fällen durch die Anwendung sogenannter "Leitlinien". Während Bürger in nicht-politischen Fällen ein gewisses Maß an fairer Entscheidung erwarten können, unterliegen solche, die politisch sensible Fragen oder die Interessen mächtiger Gruppen berühren, diesen "Leitlinien" der politisch-juristischen Ausschüsse (FH 2.2019a). Seit dem vierten Jahresplenum des 18. Zentralkomitees 2014 betont die Führung die Rolle des Rechts und ergriff Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität gerichtlicher Verfahren und zum Aufbau eines "sozialistisches Rechtssystem chinesischer Prägung" unter dem Motto "den Gesetzen entsprechend das Land regieren". Echte Rechtsstaatlichkeit im Sinne der Achtung des Legalitätsprinzips in der Verwaltung und der Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit wird dabei aber dezidiert abgelehnt. Das in den Beschlüssen reflektierte Verständnis von Recht soll die Macht des Staates, d.h. der Kommunistischen Partei (KP), keinesfalls einschränken, sondern vielmehr stärken (ÖB 11.2019).
Die wichtigste Einrichtung der KP zur Kontrolle des Rechtssystems ist die Kommission des Zentralkomitees für Politik und Recht (ZKPR). Das ZKPR ist in unterschiedlichen Unter-Formaten auf jeder gerichtlichen Ebene verankert, wobei die jeweiligen Ebenen der übergeordneten Ebene verantwortlich sind. Die Macht des Komitees, das auf allen Ebenen auf Verfahren Einfluss nimmt, wurde auch seit den Beschlüssen des Vierten Plenums der KP im Oktober 2014 bewusst nicht angetastet (ÖB 11.2019).
Die Richter-Ernennung erfolgt auf Provinzebene durch Rechtskomitees, welchen hochrangige Partei-Funktionäre angehören und welche von einem KP-Inspektorat überwacht werden. Richter sind verpflichtet, über Einflussnahme seitens lokaler Politiker auf Verfahren Bericht zu erstatten. Es ist für Richter schwierig, zwischen "Unabhängigkeit" von lokalen politischen Einflüssen, und Loyalität zur KP-Linie (welche regelmäßig miteinander und mit einflussreichen Wirtschafts- und Privatinteressen verbunden sind) zu navigieren. Trotz laufender Reformbemühungen gibt es - vor allem auf unterer Gerichtsebene - noch immer einen Mangel an gut ausgebildeten Richtern (ÖB 11.2019).
Ein umfassender Regelungsrahmen unterhalb der gesetzlichen Ebene soll "Fehlverhalten" von Justizbeamten und Staatsanwälten in juristischen Prozessen unterbinden. Das Oberste Volksgericht (OVG) und die Oberste Staatsanwaltschaft haben wiederholt gefordert, "Falschurteile" der Gerichte zu verhindern, die Richterschaft an das Verfassungsverbot von Folter und anderen Zwangsmaßnahmen bei Vernehmungen zu erinnern und darauf hinzuweisen, dass Verurteilungen sich nicht allein auf Geständnisse stützen dürfen. Die Regierung widmet zudem sowohl der juristischen Ausbildung als auch der institutionellen Stärkung von Gerichten und Staatsanwaltschaften seit mehreren Jahren verstärkte Aufmerksamkeit (AA 14.12.2018).
Das umstrittene System der "Umerziehung durch Arbeit" ("laojiao") für Drogenabhängige wurde aufgrund entsprechender Beschlüsse des 3. Plenums des Zentralkomitees (ZK) im November 2013 offiziell am 28. Dezember 2013 abgeschafft. Es liegen jedoch Erkenntnisse vor, wonach die entsprechenden Haftanstalten lediglich in "legal education centers" umbenannt wurden (AA 14.12.2018).
Mit der letzten großen Novellierung 2013 sieht die Strafprozessordnung genaue Regeln für Festnahmen vor, führt die "Hochachtung und der Schutz der Menschenrechte" an und verbietet Folter und Bedrohung bzw. Anwendung anderer illegaler Methoden zur Beweisermittlung. Es besteht jedoch eine teilweise erhebliche Divergenz zwischen den Rechtsvorschriften und deren Umsetzung, und werden diese zum Zwecke der Unterdrückung von politisch unliebsamen Personen instrumentalisiert. Laut Strafprozessordnung müssen auch im Falle einer Festnahme wegen Terrorismus, der Gefährdung der Staatssicherheit oder der schwerwiegenden Korruption die Angehörigen von in Untersuchungshaft sitzenden Personen innerhalb von 24 Stunden über die Festnahme informiert werden, nicht jedoch über den Grund der Festnahme oder über den Aufenthaltsort. Zudem besteht diese Informationspflicht nicht, wenn durch diese Information die Ermittlungen behindert würden - in diesen Fällen müssen Angehörige erst nach 37 Tagen informiert werden. Was eine "Behinderung der Ermittlung" bedeutet, liegt im Ermessen der Polizei, es gibt kein Rechtsmittel dagegen. Da Verdächtige sich formell in Untersuchungshaft befinden, muss der Ort der Festhaltung laut Gesetz auch in diesen Fällen eine offizielle Einrichtung sein. Das Strafprozessgesetz sieht zudem vor, dass Verdächtige, die die staatliche Sicherheit gefährden, an einem "designierten Ort" bis zu 6 Monate unter "Hausarrest" gestellt werden können. Dieser Aufenthaltsort kann auch außerhalb offizieller Einrichtungen liegen. Diese Möglichkeit wurde mit der Strafprozessnovelle 2012 eingeführt und von Rechtsexperten wie dem Rapporteur der UN-Working Group on Enforced or Involuntary Disappearances wegen des inhärenten Folterrisikos als völkerrechtswidrig kritisiert (ÖB 11.2019).
Die Staatsorgane greifen verstärkt auf den "Hausarrest an einem festgelegten Ort" zurück - eine Form der geheimen Inhaftierung ohne Kontakt zur Außenwelt, die es der Polizei erlaubt, eine Person für die Dauer von bis zu sechs Monaten außerhalb des formellen Systems, das die Inhaftierung von Personen regelt, und ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand der eigenen Wahl, zu Familienangehörigen oder anderen Personen der Außenwelt festzuhalten. Dadurch wurden diese Personen der Gefahr ausgesetzt, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden. Diese Inhaftierungspraxis dient dazu, die Tätigkeit von Menschenrechtsverteidigern - einschließlich der von Rechtsanwälten, politisch engagierten Bürgern und Angehörigen von Religionsgemeinschaften - zu unterbinden (ÖB 11.2019; vgl. AA 14.12.2018, AI 22.2.2018).
Im Zusammenhang mit verwaltungsstrafrechtlich bewehrten rechtswidrigen Handlungen kann die Polizei zudem "Verwaltungsstrafen" verhängen. Diese Strafen reichen von Ermahnungen über Geldbußen bis hin zu einer "Verwaltungshaft" (ohne richterliche Entscheidung) von bis zu 15 Tagen. Der Aufenthalt in den offiziell nicht existenten "schwarzen Gefängnissen" kann zwischen wenigen Tagen und in einigen Fällen langjährigen Haftaufenthalten variieren (AA 14.12.2018).
Das am 1. Januar 2013 in Kraft getretene revidierte Strafverfahrensgesetz verbessert vor allem die Stellung des Verdächtigen/Angeklagten und des Verteidigers im Strafprozess; die Umsetzung steht aber in der durch Behördenwillkür und Intransparenz geprägten Praxis in weiten Teilen noch aus. Auch der Zeugenschutz wird gestärkt. Chinesische Experten gehen davon aus, dass die Durchsetzung dieser Regeln viele Jahre erfordern wird (AA 14.12.2018).
Seit 2014 wurden schrittweise Reformen zur Verbesserung der Justizleistung unter Wahrung der Parteivormachtstellung durchgeführt. Die Änderungen konzentrierten sich auf die Erhöhung der Transparenz, Professionalität und Autonomie gegenüber den lokalen Behörden (FH 2.2019a).
Das chinesische Strafgesetz hat die früher festgeschriebenen "konterrevolutionären Straftaten" abgeschafft und im Wesentlichen durch "Straftaten, welche die Sicherheit des Staates gefährden" (Art. 102-114 chin. StGB) ersetzt. Danach können vor allem Personen bestraft werden, die einen politischen Umsturz/Separatismus anstreben oder das Ansehen der VR China beeinträchtigen. Gerade dieser Teil des Strafgesetzes fällt durch eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe auf (AA 14.12.2018). Die Regierung hat weitere Gesetze zur nationalen Sicherheit ausgearbeitet und verabschieden lassen, die eine ernste Gefahr für den Schutz der Menschenrechte darstellen. Das massive landesweite Vorgehen gegen Menschenrechtsanwälte und politisch engagierte Bürger hielt das ganze Jahr 2017 über an (AI 22.2.2018). Prozesse, bei denen die Anklage auf Terrorismus oder "Verrat von Staatsgeheimnissen" lautet, werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt. Was ein Staatsgeheimnis ist, kann nach chinesischer Gesetzeslage auch rückwirkend festgelegt werden. Angeklagte werden in diesen Prozessen weiterhin in erheblichem Umfang in der Wahrnehmung ihrer Rechte beschränkt. Unter anderem wird dem Beschuldigten meist nicht erlaubt, Verteidiger seiner Wahl zu beauftragen; nur in seltenen Ausnahmefällen wird vom Gericht überhaupt eine Verteidigung bestellt (AA 14.12.2018).
Auch 2018 setzten sich die Übergriffe der Behörden auf Menschenrechtsanwälte das ganze Jahr hindurch mit Verhaftungen und strafrechtlicher Verfolgung fort (FH 2.2019a). Anwälte, Mitarbeiter von Kanzleien und Aktivisten, droht bei öffentlicher Kritik am System Festnahme und Haft (AI 1.10.2019; vgl. ZO 29.1.2019, DP 19.1.2018). Von Schikanösen Maßnahmen können auch Familienangehörige betroffen sein (AI 1.10.2019; vgl. TAZ 29.3.2016).
Seit der offiziellen Abschaffung des Systems der "Umerziehung durch Arbeit" werden Menschenrechtsaktivisten nicht mehr in administrativer Haft angehalten, sondern systematisch auf Basis von Strafrechtstatbeständen wie Staatsgefährdung, Separatismus, Volksverhetzung, oder gemeiner Vergehen oder Verbrechen verurteilt, womit der Anschein der Rechtsstaatlichkeit erweckt werden soll. Aufgrund der vagen Tatbestände, des Zusammenhalts der einzelnen Institutionen und des Mangels an unabhängiger engagierter anwaltlicher Vertretung, kann ein strafrechtlich relevanter Sachverhalt relativ leicht "geschaffen" werden (ÖB 11.2019). Häufig wurden Anklagen wegen "Untergrabung der staatlichen Ordnung", "Anstiftung zum Separatismus" oder "Terrorismus", "Anstiftung zu Subversion" oder "Weitergabe von Staatsgeheimnissen", wie auch "Streitsucht und Unruhestiftung" erhoben und langjährige Gefängnisstrafen verhängt (ÖB 11.2019; vgl. AI 22.2.2018).
Wegen der mangelnden Unabhängigkeit der Justiz wählen viele Betroffene von Behördenwillkür den Weg der Petition bei einer übergeordneten Behörde (z.B. Provinz- oder Zentralregierung). Petitionen von Bürgern gegen Rechtsbrüche lokaler Kader in den Provinzen nehmen zu. Chinesischen Zeitungsberichten zufolge werden pro Jahr landesweit ca. 10 Millionen Eingaben [Petente] eingereicht. Petenten, die Vergehen von lokalen Behörden und Kadern anzeigen wollen, werden häufig von angeheuerten Schlägertrupps aufgegriffen und ohne Kontakt zur Außenwelt inGefängnissen festgehalten. Diese Art des Verschwindenlassens ist eine weit verbreitete, von der Regierung aber stets verleugnete Methode, um unliebsame Personen aus dem Verkehr zu ziehen. Zwischen Februar und April 2014 wurden verschiedene Reformen des Petitionssystems verabschiedet, die eine schnellere Bearbeitung und Umstellung auf mehr Online-Plattformen beinhaltet. Das 4. Plenum des Zentralkomitees der KP hat im Oktober 2014 weitere Schritte zur Regelung des Petitionswesens getroffen, deren Umsetzung aber 2018 noch aussteht (AA 14.12.2018).
Sicherheitsbehörden
Zivile Behörden haben die Kontrolle über Militär- und Sicherheitskräfte (USDOS 13.3.2019). Die Zentrale Militärkommission (ZMK) der Partei leitet die Streitkräfte des Landes (AA 3.2019a). Xi Jinping, der Vorsitzende der ZMK der Kommunistischen Partei Chinas, ist Oberkommandierender der Streitkräfte, welche seit 1997 direkt der Kommunistischen Partei Chinas unterstellt sind (AA 3.2018a). Die Ausgaben für die innere Sicherheit sind in allen Provinzen und Regionen im Zeitraum von 2007 bis 2016 um 215 Prozent angestiegen und erhöhten sich 2018 insbesondere in sensiblen Minderheitenregionen wie Xinjiang und Tibet weiter (DFAT 3.10.2019).
Sicherheitsbehörden sind das Ministerium für Staatssicherheit, das Ministerium für Öffentliche Sicherheit, und die Bewaffnete Volkspolizei (BVP) der Volksbefreiungsarmee. Das Ministerium für Staatssicherheit soll vor Staatsfeinden, Spionen und konterrevolutionären Aktivitäten zur Sabotage oder dem Sturz des chinesischen sozialistischen Systems schützen. In die Zuständigkeit dieses Ministeriums fallen auch der Inlands- und Auslandsgeheimdienst. Die BVP ist in 45 Divisionen unterteilt, bestehend aus Innensicherheitspolizei, Grenzüberwachung, Regierungs- und Botschaftsbewachung, sowie Funk- und Kommunikationsspezialisten. Ein wesentlicher Anteil der in den letzten Jahren vorgenommenen Truppenreduktionen in der Volksbefreiungsarmee war in Wahrheit eine Umschichtung von den Linientruppen zur BVP. Darüber hinaus beschäftigen zahlreiche lokale Kader u.a. entlassene Militärangehörige in paramilitärischen Schlägertrupps. Diese Banden gehen häufig bei Zwangsaussiedlung im Zuge von Immobilienspekulation durchaus auch im Zusammenspiel mit der BVP gegen Zivilisten vor. Das Ministerium für Öffentliche Sicherheit beaufsichtigt alle innerstaatlichen Aktivitäten der zivilen Sicherheitsbehörden (außer derjenigen, die in die Zuständigkeit des Staatssicherheitsministeriums fallen), sowie die BVP. Konkret umfassen seine Aufgaben innere Sicherheit, Wirtschaft und Kommunikationssicherheit, neben der Zuständigkeit für Polizeieinsätze und Gefängnisverwaltung. Die Organisationseinheit auf niedrigster Ebene sind die lokalen Polizeikommissariate, die für den alltäglichen Umgang mit der Bevölkerung verantwortlich sind und die Aufgaben von Polizeistationen erfüllen (ÖB 11.2019).
Im Juni 2017 wurde mit dem Aufklärungsgesetz ("Intelligence Law", 2017; geändert 2018), durch das Ständige Komitee des Nationalen Volkskongresses Chinas, ein neues Gesetz erlassen, welches über die staatlichen Sicherheitsbehörden hinaus jedes einzelne Mitglied der chinesischen Gesellschaft aufruft, zur nationalen Aufklärungsarbeit beizutragen und nachrichtendienstlich relevante Informationen über Dritte, die an Aktivitäten beteiligt sind, welche der nationalen Sicherheit Chinas oder seinen Interessen schaden können, an die Behörden weiterzugeben (DFAT 3.10.2019). Darüber hinaus besteht ein enges Netz an lokalen Partei-Büros welche mittels freiwilliger "Blockwarte" die Bewegungen der Bewohner einzelner Viertel überwachen und mit der Polizei zusammenarbeiten (ÖB 11.2019).
Die Behörde für Staatssicherheit kann seit Mitte April 2017 Beträge zwischen 10.000 und 500.000 Yuan (etwa 68.000 Euro) für nützliche Hinweise an Informanten auszahlen, welche durch ihre Mitarbeit bei der Enttarnung von ausländischen Spionen helfen. Informationen können über eine speziell eingerichtete Hotline, Briefe oder bei einem persönlichen Besuch bei der Behörde gegeben werden. So sich die Hinweise als zweckdienlichen herausstellen, soll der Informant das Geld erhalten (FAZ 11.4.2017).
Folter und unmenschliche Behandlung
China ratifizierte bereits 1988 die UN-Konvention gegen Folter. Nach Art. 247 und 248 StGB wird Folter zur Erzwingung eines Geständnisses oder zu anderen Zwecken in schweren Fällen mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe, in besonders schweren Fällen mit bis zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe oder Todesstrafe geahndet (AA 14.12.2018). In den letzten Jahren wurden außerdem einige Verordnungen erlassen, die formell für Tatverdächtige im Ermittlungsverfahren einen besseren Schutz vor Folter bieten sollen. Ein großes Problem bleibt jedoch die mangelnde Umsetzung dieser Rechtsinstrumente, die Sicherheitsbehörden genießen weiterhin auch aufgrund des Mangels an Kontrolle und Transparenz einen großen Handlungsspielraum. Sicherheitskräfte setzen sich routinemäßig über rechtliche Schutzbestimmungen hinweg. Für die Polizei stellt Straflosigkeit im Falle von Brutalität und bei verdächtigen Todesfällen in Gewahrsam die Norm dar (ÖB 11.2019; vgl. FH 2.2019a).
Menschenrechtsanwälte äußern Besorgnis darüber, dass Rechtsanwälte und Aktivisten weiterhin nach Inhaftierung verschiedenen Formen von Folter, Misshandlung oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt sind. Angehörige der ethnischen Minderheit der Uiguren berichten von systematischer Folter und anderer erniedrigender Behandlung durch im Strafvollzug und in den Internierungslagern beschäftigte Beamte (USDOS 13.3.2019).
Die chinesische Führung erklärte am 4. Parteiplenum 2014 zum Ziel, die Rechtsstaatlichkeit zu verbessern und Folter, Misshandlungen und Missstände in der Justiz zu verhindern. Gleichzeitig wird radikal gegen unabhängige Rechtsanwälte, Menschenrechtsverteidiger, und Medien vorgegangen, sodass das Ziel einer Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit in Frage gestellt wird. Neben politischen Absichtserklärungen und einigen wenigen "Vorzeigefällen", in denen Fehlurteile - etwa nach vollzogener Todesstrafe posthum - revidiert wurden, oder einzelne Polizisten nach tödlicher Folter (und öffentlicher Empörung) entlassen werden, ist jedoch nicht bekannt, dass strukturelle Maßnahmen getroffen werden, um das Risiko von Folter und Misshandlungen zu vermindern (ÖB 11.2019; vgl. AI 22.2.2018).
Das revidierte Strafverfahrensrecht verbietet die Verwendung von Geständnissen und Zeugenaussagen, die unter Folter oder anderweitig mit illegalen Mitteln zustande gekommen sind (neuer Art. 53), sowie sonstiger illegal erlangter Beweismittel (Art. 54) im Strafprozess. Trotzdem soll Folter in der Untersuchungshaft häufiger vorkommen als in regulären Gefängnissen (AA 14.12.2018). Die Anwendung von Folter zur Erzwingung von Geständnissen ist nach wie vor weit verbreitet und wird eingesetzt, um Geständnisse zu erhalten oder politische und religiöse Dissidenten zu zwingen, ihre Überzeugungen zu widerrufen (FH 2.2019a). Von Medien, Menschenrechtsgruppen, Mitgliedern der internationalen Gemeinschaft und Uiguren wird über die Anwendung von Gewalt und Folter gegen Uiguren in Umerziehungszentren berichtet (DFAT 3.9.2019).
Soweit die chinesische Regierung und die staatlich gelenkte Presse Folterfälle einräumen, stellen sie diese als vereinzelte Übergriffe "unterer Amtsträger" dar, gegen die man energisch vorgehe (AA 14.12.2018).
Korruption
Korruption stellt nach wie vor ein großes Problem im Land dar (USDOS 13.3.2019). China scheint im Korruptionswahrnehmungsindex (Corruption Perceptions Index) von Transparency International (TI) für das Jahr 2018 mit einer Bewertung von 39 (von 100) (0 sehr korrupt, 100 kaum korrupt) auf dem 87. Rang von 180 Staaten auf (TI 2019). 2017 wurde China mit 41 Punkten (Rang 77 von 180 Staaten) bewertet (TI 2018). Trotz diverser Anti-Korruptionsmaßnahmen bewirken Korruption und deren Auswirkungen auf die Wirtschaft des Landes, nach wie vor deutliche Zeichen von Unzufriedenheit in der Bevölkerung (LVAk 9.2019). Die weitest verbreiteten Formen von Korruption in China sind Bestechung, Veruntreuung öffentlicher Gelder und Günstlingswirtschaft durch Regierungsvertreter. Korruption, politische Einmischung und Vermittlungsleistungen sind beim Erwerb öffentlicher Dienstleistungen und im Umgang mit dem Rechtssystem üblich (DFAT 3.10.2019). Gemäß der Auswertung des Globalen Korruptions-Barometers für China zum Jahre 2017, haben 26 Prozent der Befragten Vermittlungszahlungen geleistet, um Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen, einschließlich Bildung, Leistungen im Gesundheitswesen und der Strafverfolgungsbehörden zu erhalten (TI 2.3.2017). Auch die von der Regierung stark regulierten Bereichen wie Landnutzung, Immobilien, Bergbau und Entwicklung der Infrastruktur sind anfällig für Betrug, Bestechung und Schmiergeldzahlungen. (USDOS 13.3.2019).
Bei seinem Amtsantritt startete Präsident Xi eine landesweite Anti-Korruptionskampagne (DFAT 3.10.2019; vgl. FH 2.2019a). Ziel dieser Kampagne war, hochrangige und niederrangige korrupte Beamte zu fassen. 2013 wurden von den Behörden 172.000 Anti-Korruptionsuntersuchungen durchgeführt, im Jahre 2015 waren es 330.000. 2017 wurden 527.000 Untersuchungen durchgeführt und im im ersten Halbjahr 2017 waren es 302.000 Untersuchungen (DFAT 3.10.2019). Mehr als eine Million Beamte wurden nach offiziellen Angaben bisher überprüft und bestraft (FH 2.2019a). Bis Mitte 2017 sind durch das behördliche Durchgreifen über 1.800 Beamte dingfest gemacht worden, darunter 182 Beamte auf Ebene der stellvertretenden Provinz- oder stellvertretenden Ministerialebene bzw. darüber. Die erfolgten Untersuchungen führten zu Verhaftungen, Ausschlüssen aus der Partei und der Verurteilung von 1.130 Beamten (darunter 139 hoher Beamter) wegen Korruption (DFAT 3.10.2019). Unter den Gemaßregelten befinden sich hochrangige Staats- und Parteifunktionäre aus dem Sicherheitsapparat, dem Militär, dem Außenministerium, staatlichen Unternehmen und den staatlichen Medien (DFAT 3.10.2019; vgl. FH 2.2019a).
Obwohl die Beamten mit strafrechtlichen Sanktionen wegen Korruption konfrontiert waren, haben die Regierung und die CCP das Gesetz nicht konsequent und transparent umgesetzt (USDOS 13.3.2019).
Eine stark auf Parteiloyalität und Verschwiegenheit fokussierte Antikorruptionskampagne kennzeichnet gegenwärtig die innenpolitischen Entwicklungen (AA 14.12.2018).
Allgemeine Menschenrechtslage
Die Volksrepublik China erkennt de jure die grundlegenden Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte an. Sie gehört einer Reihe von Übereinkünften zum Schutz der Menschenrechte an, darunter die Konvention gegen Folter. Die VR China hat den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte 1998 zwar unterzeichnet, allerdings bis heute nicht ratifiziert.(AA 3.2019a).
Die Menschenrechtslage in China bietet weiterhin ein zwiespältiges und trotz aller Fortschritte im Ergebnis negatives Bild. 2004 wurde der Begriff "Menschenrechte" in die Verfassung aufgenommen, die individuellen Freiräume der Bürger in Wirtschaft und Gesellschaft wurden in den letzten Jahren erheblich erweitert. Andererseits bleiben die Wahrung der inneren Stabilität und der Machterhalt der KPCh oberste Prämisse und rote Linie. Vor diesem Hintergrund geht die chinesische Führung kompromisslos gegen jene vor, die als Bedrohung dieser Prioritäten angesehen werden, wie z. B. regierungskritische Schriftsteller, Blogger, Bürgerrechtsaktivisten, Menschenrechtsanwälte, Petitionäre oder Mitglieder nicht anerkannter Religionsgemeinschaften (Falun Gong, Hauskirchen etc.). Seit dem Führungswechsel im März 2013 ist ein noch einmal verstärkt repressives Vorgehen der chinesischen Behörden gegenüber Kritikern der Regierung oder der Partei zu beobachten. Einschüchterungsmaßnahmen umfassen u.a. Hausarrest, willkürliche Haft in sogenannten schwarzen Gefängnissen ("black jails" bzw. "legal education center"), Folter, Berufsverbote und Druck auf Familienangehörige durch Bedrohungen bis hin zur "Sippenhaft"; in einigen Fällen wurden lange Haftstrafen verhängt. Personen, die in Opposition zu Regierung und herrschender Ideologie stehen, setzen sich unmittelbar der Gefahr von Repression durch staatliche Stellen aus, wenn sie aus Sicht der Regierung die Kommunistische Partei, die Einheit des Staates oder das internationale Ansehen Chinas gefährden. Die Schwelle ist immer dann erreicht, wenn die chinesischen Sicherheitsbehörden annehmen, dass ein - noch so loses - Netzwerk gebildet werden könnte. Aus Sicht der Regierung geht von separatistischen Bestrebungen und Untergrundaktivitäten innerhalb Chinas die größte Gefahr aus (AA 14.12.2018).
Oberstes Ziel ist die Aufrechterhaltung "sozialer Stabilität", die aus Sicht der chinesischen Führung unerlässlich für die weitere Entwicklung des Landes ist (AA 14.12.2018).
Es gibt weiterhin besorgniserregende Verletzungen rechtsstaatlicher Mindeststandards in ganz China. So gibt es immer noch Strafverfolgung aus politischen Gründen, Administrativhaft (Haftstrafe ohne Gerichtsurteil), Verletzung von allgemeinen Verfahrensgarantien im Strafverfahren (zum Beispiel Unschuldsvermutung, Recht auf Verteidigung), sehr häufige Verhängung der Todesstrafe sowie Fälle von Misshandlungen und Folter. Daneben gibt es das Bekenntnis der Regierung zu einem an Recht und Gesetz ausgerichteten sozialen Regierungshandeln und vermehrt Reformbemühungen im Rechtsbereich (AA 3.2019a).
Häufig kommen Übergriffe lokaler Amtsträger bzw. von denen beauftragter Dritter vor, die im Ergebnis den Zielen der Regierungspolitik entsprechen oder der Wahrung des Einkommens dieser Personen dienen. Zumeist handelt es sich um Demonstranten bei Fällen mit wirtschaftlichem Hintergrund (illegale Landnahme, Korruption etc.). Auch Journalisten sind von solchen Fällen betroffen, zum Teil werden offen Kopfgelder ausgesetzt, ohne dass dies rechtliche Konsequenz hat (AA 14.12.2018).
Chinas wissenschaftliches Entwicklungskonzept hält auch Einzug in die "Soziale Steuerung" durch und für die Partei. Umfassende Sicherheit, so erkannte die Parteiführung, benötigt Big Data über Einstellungen und Stimmungen innerhalb der Bevölkerung sowie deren analytische Aufarbeitung (LVAk 9.2019).
Die chinesische Regierung plant 2020 ein soziales Kreditsystem einzuführen, das Menschen in allen Lebenslagen bewertet und entsprechend belohnt oder bestraft (EuZ 29.8.2019; vgl. LVAk 9.2019). Als Datenquellen werden das Verhalten in den sozialen Medien, beim Online-Shopping, beim Verfassen von Kurznachrichten, aber auch Kranken- und Gerichtsakten, Verkehrsdelikte, Steuersünden, rüpelhaftes Verhalten in der Öffentlichkeit, Rauchen in öffentlichen Räumen etc. genutzt (EuZ 29.8.2019).
Haftbedingungen
Die Haftbedingungen sind im Allgemeinen hart, mit unzureichender Ernährung, regelmäßigen Misshandlungen und Entzug von medizinischen Hilfeleistungen (FH 2.2019a). Das Gesetz verbietet Misshandlung und Beleidigung von Häftlingen oder Geständnisse zu erzwingen (USDOS 13.3.2019). In vielen Fällen wurde Inhaftierten in Untersuchungsgefängnissen anfänglich der Zugang zu Rechtsbeiständen verwehrt (AI 2.8.2019; vgl. AI 22.8.2019), was mit mit dem "Verdacht auf Untergrabung der Staatsgewalt" (AI 22.8.2019) oder der "Gefährdung der nationalen Sicherheit" begründet wurde (AI 22.2.2017).
Misshandlung von Gefangenen, u. a. auch Zwangsmedikation, wird selbst von staatlichen Stellen eingeräumt. Dies, zusammen mit zum Teil schwierigen Haftbedingungen, führt bei den Gefangenen nicht selten zu gesundheitlichen Schäden. Eine medizinische Versorgung wird von chinesischer Seite zum Teil nicht oder erst nach Zuspitzung der Lage gewährt. Neben der Freiheitsstrafe existieren verschiedene Formen freiheitsentziehender Maßnahmen, sogenannte Administrativhaft: "Haft zur Erziehung" (shourong jiaoyu), "Haft zur Umerziehung" und "Zwangsmäßige Drogenrehabilitation in Isolation". Sie zielen häufig auf Prostituierte und Drogenabhängige, aber auch politisch missliebige Personen (z.B. Anti-Falun Gong-Kampagne) ab (AA 14.12.2018). Erkenntnissen zu Folge wurde nach Abgeschafftung des Systems "Umerziehung durch Arbeit" ("laojiao") eine Umbenennung von hunderten diesewr Haftanstalten in sogenannte "legal education centers" betrieben. Menschenrechtsorganisationen kritisieren, dass diese Maßnahmen weder Rehabilitierungs-/Entzugshilfe bieten noch der Resozialisierung der Drogenabhängigen dienen. Vielmehr stehe der Freiheitsentzug (Minimum zwei Jahre) und die Verrichtung unbezahlter Arbeit im Vordergrund (AA 14.12.2018). Die ohne gesetzliche Basis operierenden Umerziehungs-Zentren für Prostituierte und Konsumenten der Prostitution (wobei letztere sich in der Regel per Korruption freikaufen können) bestehen weiter (ÖB 11.2019).
Nach glaubhaften Berichten von NGOs sind mindestens 3.000 politischer Verbrechen angeklagte Peronen in den vergangenen zwei Jahrzehnten in Anstalten für "politisch Anormale" festgehalten worden; ca. 1.000 Mitglieder von Falun Gong wurden gegen ihren Willen psychiatrischer Behandlung unterzogen. Es wird von Zwangsmedikation und Gewaltanwendung (Elektroschocks) berichtet (AA 14.12.2018).
Berichten zu Folge sind politische Gefangene, darunter Angehörige der Falun Gong, Uiguren, tibetische Buddhisten und im Untergrund ihren Glauben praktizierende Christen, in Haftanstalten der Gefahr von gewaltsamer Organentnahmen ausgesetzt (WSJ 5.2.2019).
Missbräuchliche Einweisungen politisch missliebiger Personen (vor allem Petenten oder Dissidenten) in psychiatrische Anstalten ohne faires Gerichtsverfahren oder aufgrund falscher oder gefälschter medizinischer Gutachten kommen weiterhin vor (AA 14.12.2018). Die Polizei kann in solchen Anstalten Personen nach eigenem Gutdünken ohne zeitliche Begrenzungen festhalten (ÖB 11.2019).
Todesstrafe
Es gibt Anzeichen, dass China sich langsam in Richtung einer Verminderung der Anwendung der Todesstrafe bewegt. Seit 2006 muss der Oberste Volksgerichtshof jede verhängte Todesstrafe bestätigen, deshalb ist von einem Rückgang der Hinrichtungen auszugehen. Dennoch dürfte China jährlich mehr Menschen hinrichten als alle anderen Länder zusammen. Die tatsächliche Zahl der Hinrichtungen ist in China ein Staatsgeheimnis. Die Todesstrafe wird bei 46 Verbrechen angewendet, von denen 21 keine Gewaltverbrechen sind. (ÖB 11.2019). Die genaue Zahl der Hinrichtungen bleibt Staatsgeheimnis. Man geht davon aus, dass China bei der Anzahl der Hinrichtungen weltweit führt (AI 10.4.2019). Experten zufolge wurden 2016 mehrere Tausend Menschen in China hingerichtet. NGOs schätzen aber auch, dass die Zahl der Vollstreckungen seit mehreren Jahren abnimmt (AA 14.12.2018).
Obwohl die Regierung betont, dass die überwiegende Mehrheit der Chinesen für die Beibehaltung der Todesstrafe wäre, gibt es eine offene Debatte zur Anwendung der Todesstrafe, die in den vergangenen Jahren zu positiven Reformen geführt hat. Durch die verstärkte Praxis der außergerichtlichen Mediation, bei der ein Mörder die Familie des Todesopfers finanziell entschädigen kann, konnten ebenfalls einige Todesurteile abgewendet werden (ÖB 11.2019). Angesichts der Tatsache, dass etwa 90 Prozent der Todesurteile in China für schwere Verbrechen wie Mord, Raubmord, Vergewaltigung oder Drogenschmuggel verhängt werden, wird die Beschränkung der Todesstrafe aber absehbar nicht zu signifikant weniger Todesurteilen in China führen. Todesurteile werden entweder zur sofortigen Vollstreckung oder mit zweijährigem Vollstreckungsaufschub verhängt. In letzterem Fall werden die Urteile nach Ablauf der Frist, falls sich der Delinquent in dieser Zeit straffrei verhalten hat, regelmäßig in lebenslange Strafen umgewandelt. Seit 2007 müssen Todesurteile zur sofortigen Vollstreckung wieder vom Obersten Volksgericht (OVG) bestätigt werden. Offiziellen Angaben zufolge werden etwa 10 Prozent dieser Todesurteile im Rahmen dieses Verfahrens aufgehoben. Zudem erfolgt vor Vollstreckung eine obligatorische Überprüfung aller Todesurteile durch das Oberste Volksgericht (AA 14.12.2018). Die Regierung erklärte, dass sie die Verwendung von Organen hingerichteter Gefangener beendet habe. Jedoch übersteigen Umfang und Geschwindigkeit einer Verfügbarkeit von Organen bei weitem jene Parameter, welche von einem im Entstehen begriffenen freiwilligen Spendensystem erfüllt werden können. Rechtsaktivisten, Journalisten und Mediziner äußerten auch 2018 ihre Besorgnis über unethische und illegale Organbeschaffung von Gefangenen, einschließlich Mitgliedern religiöser und ethnischer Minderheiten, wie Falun Gong und Uiguren (FH 2.2019a).
Die Todesstrafe wird derzeit verstärkt wegen "Staatsverbrechen", teilweise in Massenverfahren ohne Transparenz verhängt (ÖB 11.2019).
Bewegungsfreiheit
Das Gesetz sieht eine innerstaatliche Bewegungsfreiheit, die Möglichkeit von Auslandsreisen und die Möglichkeit einer Rückkehr vor. Doch werden diese Rechte nicht immer durch die Regierung ermöglicht. Die Behörden verschärften die Beschränkungen der Bewegungsfreiheit von Personen vor wichtigen Jubiläen, Besuchen ausländischer Würdenträger oder großen politischen Ereignissen, welche als politisch sensibel empfunden werden, um Demonstrationen vorzubeugen (USDOS 13.3.2019; vgl. FH 2.2019a).
Millionen von Menschen sind von staatlichen Einschränkungen beim Zugang zu Auslandsreisen und Reisepässen betroffen, viele von ihnen Uiguren und Tibeter (FH 2.2019a),
Im Jahr 2017 waren mehrere Tausend Tibeter, welche von China nach Indien reisten, um dort den Dalai Lama zu hören, gezwungen, früher zurückzukehren, weil chinesische Beamte in Tibet versuchten, Pässe zu beschlagnahmen und Vergeltungsmaßnahmen gegen die ins Ausland gereisten Personen und deren Familienangehörige androhten (HRW 18.1.2018).
Repressionen erfolgen landesweit nicht einheitlich. Da wegen der Größe des Landes und der historisch überkommenen Strukturen Einfluss und Kontrolle der Zentralregierung in den einzelnen Landesteilen unterschiedlich ausgeprägt sind, treten staatliche oder dem Staat zurechenbare Übergriffe in den Regionen unterschiedlich häufig auf. Daher kann es im Einzelfall möglich sein, durch einen Ortswechsel Repressalien auszuweichen. Allerdings ist ein Umzug von in der VR China lebenden Chinesen in einen anderen Landesteil durch die restriktive Registrierungspraxis ("Hukou"-System) nur schwer möglich (Verlust des Zugangs zu Bildung und Sozialleistungen). Für Personen aus ländlichen Gebieten ist es schwierig, legal in eine Stadt überzusiedeln. Insbesondere für aus politischen Gründen Verfolgte gibt es nach Ansicht des deutschen Auswärtigen Amtes keine sichere Ausweichmöglichkeit innerhalb Chinas (AA 14.12.2018).
Ein Untertauchen, also eine nicht registrierte Niederlassung in einen anderen Landesteil als jenem des Melde-Wohnorts, ist schwierig. Sowohl bei Inlandsflügen als auch bei Zugfahrten wird systematisch die Identität überprüft, auch Zugtickets können nur mit Personalausweis gekauft werden und sind nicht übertragbar. KFZ mit Kennzeichen von außerhalb der Stadt oder der Provinz und deren Passagiere werden systematisch überprüft. Es besteht ein sehr effizientes System der Überwachung durch Nachbarschaftskomitees. In der Tibetischen Autonomen Region und in Xinjiang besteht besonders strenge Überwachung unter anderem durch das System der kollektiven Bestrafung von Dorfgemeinschaften und starken Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, wonach Personen, die ihr Dorf oder ihre Region verlassen wollen, hierfür Genehmigungen einholen müssen welche teilweise nur für bestimmte andere Regionen ausgestellt werden. In Xinjiang werden darüber hinaus in von Uiguren bewohnten Gegenden an Straßensperren Identitätskontrollen - vor allem von jungen männlichen Uiguren - durch die bewaffnete Volkspolizei und die Volksbefreiungsarmee durchgeführt (ÖB 11.2019).
Die Bewegungsfreiheit für Tibeter ist stark eingeschränkt (IHRWch 17.8.2018). Ohne zahlreiche Genehmigungen dürfen sie sich außerhalb ihres Wohngebietes nicht bewegen und auch nicht arbeiten. Das Alltagsleben für Tibeter ist durch eine Vielzahl von Kontrollen gekennzeichnet (ST 30.8.2019).
Seit 1.6.2016 gibt es für die Einwohner Xinjiangs strenge Auflagen für den Erwerb von Reisedokumenten. Biometrische-Daten, eine DNA-Blutprobe, Fingerabdrücke sowie eine Stimmaufzeichnung und ein dreidimensionales Foto des Körpers müssen bei einem Antrag zur Verfügung gestellt werden (DZ 25.11.2016; vgl. BBC 7.6.2016). Personen in der Provinz Xinjiang müssen für Reise