TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/6 W194 1427327-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.02.2020
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Entscheidungsdatum

06.02.2020

Norm

AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §54 Abs2
AsylG 2005 §55 Abs1
BFA-VG §9
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W194 1427327-2/37E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Daniela Sabetzer über die Beschwerde von XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Embacher Neugschwendtner Rechtsanwälte in 1040 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.03.2017, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und in Abänderung des angefochtenen Bescheides festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

Dem Beschwerdeführer wird der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 05.07.2016 stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005.

2. Mit Schreiben vom 06.10.2016 übermittelte der Beschwerdeführer der belangten Behörde eine Stellungnahme in diesem Verfahren.

3. Mit Bescheid vom 11.03.2017, zugestellt am 15.03.2017, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 ab und erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG (Spruchpunkt I.), stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 52 Abs. 9 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.) und die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt III.).

Des Weiteren wurde dem Beschwerdeführer mit Verfahrensanordnung ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch seinen Rechtsberater, am 29.03.2017 Beschwerde und führte im Wesentlichen aus, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels vorliegen würden und insbesondere die Integration des Beschwerdeführers in Österreich vorbildlich sei. Er spreche fließend Deutsch und befinde sich mehr als fünf Jahren in Österreich; jedenfalls sei sein Aufenthalt hier seit drei Jahren rechtmäßig.

5. Die belangte Behörde übermittelte dem Bundesverwaltungsgericht mit hg. am 03.04.2017 eingelangter Beschwerdevorlage den verfahrensgegenständlichen Verwaltungsakt.

6. Am 11.04.2017, 26.07.2017, 05.04.2018, 09.04.2018, 16.04.2018, 23.01.2019 und 11.03.2019 übermittelte der Beschwerdeführer Unterlagen zum Nachweis seiner Integrationsbemühungen in Österreich.

7. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.05.2019 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung W194 zugewiesen.

8. Am 02.07.2019 und 19.08.2019 legte der Beschwerdeführer weitere Unterlagen hinsichtlich seiner Integration in Österreich vor.

9. Mit Schreiben vom 21.08.2019 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht den Parteien des Verfahrens die Ladungen zur Verhandlung.

10. Am 20.09.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer, sein Rechtsvertreter sowie ein Vertreter der belangten Behörde teilnahmen und der ein Dolmetscher für die Sprache Paschtu beigezogen wurde.

Der Beschwerdeführer wurde in der Verhandlung zu seinem Leben und seinen Anknüpfungspunkten in Österreich sowie zu seiner Verurteilung befragt. Er legte Unterlagen zum Nachweis seiner Integrationsbemühungen vor. Weiters wurde ein vom Beschwerdeführer angebotener Zeuge befragt.

11. Am 04.10.2019 erstattete der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter eine Stellungnahme, welche der belangten Behörde am 10.10.2019 zur Kenntnis gebracht wurde. Eine Stellungnahme der belangten Behörde langte nicht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Beschwerdeführer und seiner Herkunft:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und sunnitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Paschtu. Er stammt aus der Provinz XXXX . Er verließ sein Heimatland im Alter von ca. XXXX Jahren und zog mit seiner Familie nach Pakistan, wo er XXXX Jahre die Schule besuchte und bis zu seiner Ausreise nach Europa im Jahr XXXX lebte. Die Familie des Beschwerdeführers befindet sich in Pakistan und im Iran.

1.2. Zur seinem Asylverfahren:

Der Beschwerdeführer stellte am 12.08.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz im Österreich. Das Verfahren hinsichtlich dieses Antrages ist rechtskräftig abgeschlossen:

Mit Bescheid des (damals zuständigen) Bundesasylamtes vom 25.05.2012, Zahl: XXXX , wurde dieser Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.04.2015, GZ W222 1427327-1/31E, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 sowie § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 abgewiesen und gleichzeitig gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 festgestellt, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat Afghanistan unzulässig ist.

Am 07.07.2015 wurde dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde eine Duldung aus rechtlichen Gründen bis 19.07.2016 ausgestellt.

1.3. Zum verfahrensgegenständlichen Antrag:

Am 05.07.2016 stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005.

Mit Bescheid vom 11.03.2017 wies die belangte Behörde diesen Antrag ab, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 52 Abs. 9 FPG zulässig sei und die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Die vorliegende Beschwerde wendet sich gegen alle Spruchpunkte dieses Bescheides.

1.4. Zu seinem Leben in Österreich:

Der Beschwerdeführer hält sich seit 12.08.2011, dh. seit ca. 8 1/2 Jahren, durchgehend in Österreich auf.

Er nimmt am sozialen und gesellschaftlichen Leben in Österreich aktiv teil: Er lebt seit XXXX in einem Privatquartier bei einem österreichischen Staatsbürger, der in der Verhandlung als Zeuge befragt wurde, und dessen Familie - XXXX . Er kümmert sich um das Frühstück und das Mittagessen, isst gemeinsam mit der Familie und führt viele Gespräche mit dem Zeugen. Nachmittags betreibt er üblicherweise Sport (zB XXXX ). Er verbringt die meiste Zeit mit der Familie, bei der er wohnt, hilft in der Nachbarschaft aus und trifft öfters Freunde, mit denen er XXXX spielt.

Der Beschwerdeführer kennt die Familie des Zeugen seit XXXX . Zunächst unterstützte der Zeuge den Beschwerdeführer bei der Vorbereitung auf seine Deutschprüfungen. Seit XXXX arbeitet der Beschwerdeführer in der XXXX , deren Leiter der Zeuge ist, mit. Der Beschwerdeführer ist im Rahmen dieser Tätigkeit, die er an zwei Tagen in der Woche ausübt, XXXX . Er ist sehr kommunikativ in seiner Arbeit, bereitet für die Kunden Tee zu und redet gerne mit diesen. Der Beschwerdeführer legte im Verfahren mehrere Unterstützungserklärungen von Kunden der XXXX vor. In den ersten Monaten seiner Tätigkeit in der XXXX erhielt er dafür ein geringes Gehalt XXXX ; seit XXXX übt er diese Tätigkeit ehrenamtlich aus.

Der Beschwerdeführer kam im Alter von knapp XXXX Jahren nach Österreich und ist im Zeitpunkt dieser Entscheidung XXXX Jahre alt. Er ist nicht verheiratet und hat keine Kinder. Er ist gesund und hat in Österreich keine Familienangehörigen.

Der Beschwerdeführer spricht sehr gut Deutsch. Am 15.02.2018 bestand er die ÖSD Integrationsprüfung B1 bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenz (Niveau: B1) und zu Werte- und Orientierungswissen. Am 12.06.2019 absolvierte er die B2-Deutsch-Prüfung des ÖIF. Der Beschwerdeführer wünscht sich, in Österreich ein "ganz normales Leben zu führen und zu arbeiten". In beruflicher Hinsicht beabsichtigt der Beschwerdeführer, in der XXXX zu arbeiten. Dazu legte er im Verfahren mehrere Einstellungszusagen unterschiedlicher Firmen vor.

Der Beschwerdeführer bezieht staatliche Unterstützung.

1.5. Zu seiner Verurteilung:

Der Beschwerdeführer ist in Österreich einmal rechtskräftig verurteilt worden.

Mit Urteil des zuständigen Landesgerichtes vom 26.05.2014 wurde der Beschwerdeführer XXXX zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, welche für die Dauer einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Die Verurteilung wurde am 06.06.2014 rechtskräftig.

Der Beschwerdeführer gab dazu in der gegenständlichen Verhandlung an, dass er einen Fehler gemacht habe, den er nicht wiederholen werde (vgl. Seite 13 der Niederschrift).

Diese Verurteilung ist getilgt und schien in einem vom Bundesverwaltungsgericht am 21.08.2019 eingeholten Strafregisterauszug betreffend den Beschwerdeführer nicht mehr auf.

Mit Bescheid der zuständigen Bezirkshauptmannschaft vom 13.11.2013 wurde dem Beschwerdeführer im Zusammenhang mit seiner Verurteilung der Besitz von Waffen und Munition verboten.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Beschwerdeführer und seiner Herkunft:

Die Feststellungen zur Herkunft des Beschwerdeführers, seiner Religionszugehörigkeit, seiner Volksgruppenzugehörigkeit, seiner Muttersprache, seiner Ausreise aus Afghanistan, seinem Leben in Pakistan und seiner Ausreise nach Europa gründen sich auf die in der rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.04.2015, GZ W222 1427327-1/31E, getroffenen Feststellungen. Diese Feststellungen stehen mit den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers in der gegenständlichen Verhandlung vom 20.09.2019 im Einklang (vgl. insbesondere die Seiten 12f der Niederschrift). Dass der Beschwerdeführer in Pakistan die Schule besuchte und seine Familie in Pakistan und im Iran lebt, ergibt sich aus seinen glaubwürdigen Angaben in der gegenständlichen Verhandlung (vgl. die Seiten 9 und 11 der Niederschrift).

2.2. Zur seinem Asylverfahren:

Dass der Beschwerdeführer am 12.08.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte, ergibt sich aus dem Akteninhalt. Der Beschwerdeführer verwies darauf auch in der gegenständlichen Verhandlung (vgl. Seite 6 der Niederschrift).

Die Feststellungen zu den im Asylverfahren des Beschwerdeführers ergangenen Entscheidungen des Bundesasylamtes vom 25.05.2012 und des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.04.2015 gründen sich auf diese Entscheidungen, welche Teil des gegenständlichen Verwaltungsaktes sind.

Die Feststellungen zur bis 19.07.2016 ausgestellten Duldung des Beschwerdeführers stützen sich auf die Angaben im gegenständlich angefochtenen Bescheid (vgl. AS 248) in Verbindung mit den Angaben des Beschwerdeführers in der gegenständlichen Verhandlung (vgl. Seite 6 der Niederschrift).

2.3. Zum verfahrensgegenständlichen Antrag:

Die Feststellungen zum verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, zum Bescheid der belangten Behörde, mit dem dieser Antrag abgewiesen wurde, und zur vorliegenden Beschwerde gründen sich auf die Unterlagen im verfahrensgegenständlichen Verwaltungsakt.

2.4. Zu seinem Leben in Österreich:

Dass sich der Beschwerdeführer seit seiner Asylantragstellung im Jahr 2011 durchgehend in Österreich aufhält, hat er in der gegenständlichen Verhandlung glaubwürdig dargetan (vgl. Seite 6 der Niederschrift). Im Verfahren haben sich auch keinerlei Anhaltspunkte ergeben, dass der Beschwerdeführer sich seit der Antragstellung nicht durchgehend in Österreich aufgehalten hätte.

Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in XXXX , zum Zusammenleben mit dem Zeugen und dessen Familie, zu seinen Freizeitaktivitäten und Hilfstätigkeiten in der Nachbarschaft gründen sich einerseits auf die auf die lebhaften und schlüssigen Schilderungen des Beschwerdeführers in der gegenständlichen Verhandlung (vgl. die Seiten 6ff der Niederschrift) und andererseits auf die (damit in Einklang stehenden) nachvollziehbaren Angaben des Zeugen (vgl. die Seiten 16ff der Niederschrift), der für das Bundesverwaltungsgericht einen sehr ruhigen, bedächtigen und insgesamt sehr glaubwürdigen Eindruck hinterließ. Die Zeitpunkte, seit denen der Beschwerdeführer den Zeugen kennt, seitdem er beim Zeugen arbeitet und bei diesem wohnt, werden vom Beschwerdeführer und Zeugen übereinstimmend und klar geschildert (vgl. die Seiten 6f und 16 der Niederschrift). Ebenso werden die Tätigkeiten des Beschwerdeführers in der XXXX vom Beschwerdeführer und Zeugen gleichermaßen detailliert und ohne wechselseitige Widersprüche dargestellt (vgl. die Seiten 7, 10 und 16 der Niederschrift). Das insoweit vom Zeugen gezeichnete Bild des Beschwerdeführers (vgl. zB Seite 17 der Niederschrift: " XXXX ) wird durch die vorgelegten Unterstützungserklärungen von Kunden der XXXX untermauert (vgl. die OZ 21).

Für das Bundesverwaltungsgerichtshof ergab sich daraus das Bild einer persönlichen Nahebeziehung des Beschwerdeführers zum Zeugen und seiner Familie und einer insbesondere über seine ehrenamtliche Tätigkeit und die Freundschaft zum Zeugen erworbene gute Integration des Beschwerdeführers in seinem Wohnort samt Verschränkungen zu seinen Nachbarn, die er immer wieder bei Tätigkeiten in Haus und Garten unterstützt (vgl. zB Seite 18 der Niederschrift).

Das Alter des Beschwerdeführers steht fest (vgl. die Feststellungen im angefochtenen Bescheid, wonach die Identität des Beschwerdeführers feststeht; AS 251). Dass der Beschwerdeführer gesund ist, nicht verheiratet ist, keine Kinder und keine Familienangehörigen in Österreich hat, hat er in der Verhandlung glaubwürdig dargelegt (vgl. die Seiten 3, 6 und 11 der Niederschrift).

Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen des Beschwerdeführers gründen sich auf die Wahrnehmungen des Bundesverwaltungsgerichtes in der Verhandlung. Die Verhandlung konnte weitgehend ohne Heranziehung des Dolmetschers geführt werden. Die Feststellungen zu den absolvierten Deutschprüfungen und zur Integrationsprüfung beruhen auf den vorgelegten Zeugnissen des Beschwerdeführers (vgl. die OZ 21). Dass der Beschwerdeführer hier ein "normales Leben" führen und arbeiten möchte, hat er in der Verhandlung mehrmals betont (vgl. zB Seite 9 der Niederschrift). Die Feststellungen zu den beruflichen Vorstellungen des Beschwerdeführers gründen sich auf seine Angaben in der Verhandlung (vgl. die Seiten 9f der Niederschrift) in Verbindung mit den Aussagen des Zeugen (vgl. Seite 17 der Niederschrift) und den vorgelegten Einstellungszusagen (vgl. die OZ 21, die OZ 25 und die Beilagen zur Verhandlung).

Dass der Beschwerdeführer staatliche Unterstützung bezieht, hat er in der Verhandlung ausgesagt (vgl. Seite 10 der Niederschrift).

2.5. Zu seiner Verurteilung:

Die Feststellungen zur rechtkräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers ergeben sich aus den Feststellungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid sowie einem von dieser eingeholten Strafregisterauszug vom 22.06.2016 (vgl. die AS 11 und AS 252f).

Die Feststellungen zur Tilgung dieser Verurteilung beruhen auf dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Strafregisterauszug vom 21.08.2019. Zudem wurde dieser Punkt in der Verhandlung erörtert und von den Parteien nicht bestritten (vgl. Seite 14 der Niederschrift).

Die Feststellungen zum Waffenverbot beruhen auf dem von der belangten Behörde in der Verhandlung vorgelegten Bescheid (vgl. die Beilagen zur Niederschrift) in Verbindung mit den von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen (vgl. AS 253).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gegenstand, Zulässigkeit und Rechtzeitigkeit der Beschwerde:

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005. Dieser wurde von der belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen und zugleich eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen.

Die vorliegende Beschwerde ist rechtzeitig und zulässig. Sie wendet sich gegen alle Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides.

3.2. Gesetzliche Grundlagen:

§ 10 Abs. 3 AsylG 2005 lautet:

"Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme

§ 10. [...]

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt."

§ 52 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) lautet:

"Rückkehrentscheidung

§ 52. [...]

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

[...]"

§ 55 AsylG 2005 lautet:

"Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ?Aufenthaltsberechtigung plus' zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen."

§ 58 AsylG 2005 lautet:

"Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln

Antragstellung und amtswegiges Verfahren

§ 58. [...]

(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.

(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.

[...]

(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,

2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder

3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist

soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.

(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist

1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder

2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.

Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.

[...]"

§ 60 AsylG 2005 lautet:

"Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen

§ 60. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nicht erteilt werden, wenn

1. gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht, oder

2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht.

[...]

(3) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Der Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen widerstreitet dem öffentlichen Interesse, wenn

1. dieser ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass dieser durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt oder

2. im Falle der §§ 56 und 57 dessen Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde."

§ 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet:

"Schutz des Privat- und Familienlebens

§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

[...]"

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 MRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (vgl. VwGH 29.03.2019, Ra 2018/18/0539, mwN).

3.3. Prüfung der Kriterien gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG im Beschwerdefall:

3.3.1. Die Aufenthaltsdauer nach § 9 Abs. 2 Z 1 BFA-VG ("die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war") stellt nur eines von mehreren im Zuge der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Kriterien dar, weshalb auch nicht gesagt werden kann, dass bei Unterschreiten einer bestimmten Mindestdauer des Aufenthalts in Österreich jedenfalls von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet gegenüber den gegenteiligen privaten Interessen auszugehen ist. Einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren kommt für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zu (vgl. VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0070).

Der Beschwerdeführer hält sich seit August 2011, dh. seit ca. 8,5 Jahren in Österreich auf. Jedenfalls seit April 2015 ist er zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt (vgl. das rechtskräftige Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.04.2015, mit welchem gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 festgestellt wurde, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat Afghanistan unzulässig ist).

3.3.2. Dem Kriterium des § 9 Abs. 2 Z 2 BFA-VG ("das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens") kommt im Beschwerdefall kein Gewicht zu, da der Beschwerdeführer in Österreich über keine Familienangehörigen verfügt. Er ist nicht verheiratet, hat keine Kinder, keine Verwandten oder sonstige nahe Angehörige in Österreich. Ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK in Österreich besteht somit nicht, und die Rückkehrentscheidung würde daher nicht in sein Recht auf Achtung des Familienlebens eingreifen.

3.3.3. Jedoch ist im Beschwerdefall von einer Schutzwürdigkeit des Privatlebens des Beschwerdeführers im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 3 BFA-VG auszugehen:

Der Beschwerdeführer hat ein besonderes Naheverhältnis und eine freundschaftliche Bindung zu einem österreichischen Staatsbürger, der als Zeuge in der gegenständlichen Verhandlung befragt wurde, und dessen Familie, die er seit mehr als zwei Jahren kennt und bei der er mittlerweile auch wohnt. Der Beschwerdeführer kocht gemeinsam mit der Familie und unterstützt diese sowie seine Nachbarn im Alltag. Er hat Freunde, mit denen er regelmäßig gemeinsam Sport betreibt und arbeitet seit mehr als zwei Jahren regelmäßig in der XXXX an seinem Wohnort, die der Zeuge leitet. In der Verhandlung entstand im Zusammenhalt mit den vorgelegten Unterstützungserklärungen und der Aussage des Zeugen der Eindruck, dass der Beschwerdeführer einen regen Austausch mit den Kunden der XXXX betreibt und ein fixer Bestandteil an seiner Arbeitsstätte ist.

Im Beschwerdefall ist demnach anzunehmen, dass ein Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich vorliegt, das dem Schutzbereich des Art. 8 EMRK unterliegt. Eine Rückkehrentscheidung würde folglich in ein in Österreich bestehendes Privatleben des Beschwerdeführers eingreifen, den Beschwerdeführer von seinem gegenwärtigen sozialen Umfeld in Österreich trennen und diesen an der Weiterführung seines gesellschaftlichen und sozialen Lebens in Österreich, das sich in den letzten Jahren XXXX , hindern. Hierbei muss besonders berücksichtigt werden, dass der Beschwerdeführer ca. ein Drittel seines bisherigen Lebens in Österreich verbracht hat.

3.3.4. Im Beschwerdefall ist aus diesen Gründen weiters von einem für die Abwägungsentscheidung relevanten und umfassenden "Grad der Integration" (§ 9 Abs. 2 Z 4 BFA-VG) auszugehen.

Aufgrund der zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich getroffenen Feststellungen (II.1.4.) besteht für das Bundesgericht kein Zweifel, dass der Beschwerdeführer einen guten Grad an Integration erreicht hat und über den Zeugen bzw. seine ehrenamtliche Tätigkeit in der XXXX im gesellschaftlichen und sozialen Leben seines Wohnortes verankert ist. Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer sehr gut Deutsch spricht, die B2-Prüfung abgelegt hat und vielfältige Einstellungszusagen in beruflicher Hinsicht im Verfahren vorgelegt hat.

3.3.5. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann auch der Frage, ob sich der Fremde bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat eine Existenzgrundlage schaffen kann, im Rahmen der Interessenabwägung unter dem Gesichtspunkt der Bindungen zum Heimatstaat (§ 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG) Bedeutung zukommen (vgl. VwGH 17.12.2018, Ra 2018/14/0301). Dabei kommt es im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK nicht auf das Bestehen einer Kernfamilie im Heimatland an, sondern lediglich auf "Bindungen zum Heimatstaat des Fremden" (vgl. VwGH 19.06.2019, Ra 2019/01/0051).

Maßgebliche Bindungen des Beschwerdeführers zu seinem Heimatstaat vermag das Bundesverwaltungsgericht - auch wenn der Beschwerdeführer, wie der Zeuge anführte (vgl. Seite 18 der Niederschrift) in der lokalen afghanischen Community gut verankert sei - angesichts des Umstandes, dass er weitgehend außerhalb seines Heimatlandes aufgewachsen ist, nicht zu erblicken.

3.3.6. Zu § 9 Abs. 2 Z 6 ("die strafgerichtliche Unbescholtenheit") und Z 7 ("Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts") BFA-VG ist festzuhalten:

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des zuständigen Landesgerichtes vom 26.05.2014 wegen XXXX zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, welche für die Dauer einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Der Vertreter des Beschwerdeführers führte in der Verhandlung dazu aus, dass der Beschwerdeführer zu einer äußerst geringen Freiheitsstrafe im Verhältnis zum Strafrahmen verurteilt, die Strafe bedingt ausgesprochen worden sei und sich der BF seitdem wohl verhalten habe. Der Beschwerdeführer habe sich für seine Tat entschuldigt, es tue ihm leid. Der Vertreter der belangten Behörde bestätigte, dass die Strafe sehr gering sei, er strich aber hervor, dass es sich um ein Verbrechen gehandelt habe und über den Beschwerdeführer auch ein Waffenverbot verhängt worden sei. Der Beschwerdeführer selbst gab an, dass er einen Fehler gemacht habe, den er nicht wiederholen werde.

Das Bundesverwaltungsgericht lässt ebenfalls nicht außer Acht, dass der Beschwerdeführer wegen eines Verbrechens verurteilt wurde und übersieht keineswegs, dass es sich um eine strafbare Handlung gegen die XXXX gehandelt hat.

Jedoch muss im Beschwerdefall andererseits berücksichtigt werden, dass der Beschwerdeführer eine sehr geringe Strafe erhalten hat, die zur Gänze bedingt nachgesehen wurde. Zudem ist die Verurteilung mittlerweile getilgt bzw. scheint im Strafregister nicht mehr auf. Dem Bundesverwaltungsgericht wurde seither keine neuerliche Anzeige betreffend den Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht. Im Verfahren kam auch nicht hervor, dass das Frauenbild des Beschwerdeführers mit europäischen Werten nicht vereinbar wäre. In der Verhandlung war erkennbar, dass der Beschwerdeführer seine Tat bedauert (vgl. die Angaben des Beschwerdeführers auf den Seiten 13f der Niederschrift sowie insbesondere die überzeugenden Angaben des Zeugen auf den Seiten 17f der Niederschrift).

3.3.7. Zur Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (§ 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG) ergibt sich aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 28.02.2019, Ro 2019/01/0003):

"Der Gesichtspunkt des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG [...] darf zwar nicht in unverhältnismäßiger Weise in den Vordergrund gestellt werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt klargestellt, dieser Aspekt habe schon vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz, dass der während unsicheren Aufenthalts erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen sei und ein solcherart begründetes privates und familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung (bzw. Rückkehrentscheidung) führen könne [...] Der Verwaltungsgerichtshof hat aber auch mehrfach darauf hingewiesen, dass es im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitraum gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste. [...]

Es entspricht aber der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, dass das Interesse eines Fremden an einem Verbleib in Österreich in seinem Gewicht maßgeblich gemindert ist, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt in Österreich auszugehen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die integrationsbegründenden Umstände (hier neben der Berufstätigkeit eine weitere soziale Integration durch das Erlernen der deutschen Sprache und den Aufbau eines Freundes- und Bekanntenkreises in Österreich) während eines Aufenthalts erworben wurden, der sich auf einen nicht berechtigten Asylantrag gründet. Die genannten Umstände reichen daher nicht dafür aus, dass unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK von einer Ausweisung des Beschwerdeführers hätte Abstand genommen und akzeptiert werden müssen, dass er mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen."

Der Verwaltungsgerichtshof verweist in seiner Judikatur darauf, dass sich ein Fremder spätestens nach Abweisung seines unbegründeten Antrages auf internationalen Schutz durch die belangte Behörde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein muss (vgl. VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0034; vgl. dazu auch EGMR 03.10.2014, Jeunesse/Niederlande, 12738/10, Rn 113).

Auch wenn der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz rechtskräftig abgewiesen wurde, wurde im April 2015 zugleich seine Abschiebung nach Afghanistan für unzulässig erklärt. Dem Beschwerdeführer wurde von der belangten Behörde hierauf eine Duldung aus rechtlichen Gründen bis 19.07.2016 ausgestellt. Über den Antrag des Beschwerdeführers vom 20.06.2016 auf Verlängerung seiner Duldungskarte (vgl. AS 248) wurde - soweit ersichtlich - noch nicht abgesprochen.

Jedenfalls seit 2015 konnte der Beschwerdeführer davon ausgehen, dass seine Abschiebung nach Afghanistan unzulässig ist und er in Österreich geduldet wird.

3.3.8. Das Kriterium des § 9 Abs. 2 Z 9 BFA-VG ("die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist") ist zu verneinen.

3.4. Abwägungsentscheidung gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG im Beschwerdefall:

In Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers unter Berücksichtigung der geprüften Kriterien gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG und unter Einbeziehung der Wertungen gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist davon auszugehen, dass das private Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet im konkreten Fall das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen überwiegt. Dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und verhältnismäßig ist, kann im Beschwerdefall - auch unter Bedachtnahme auf die (zwischenzeitig getilgte) Verurteilung des Beschwerdeführers - nicht erblickt werden.

Auch wenn Beschwerdeführer hier über keine Familienangehörigen verfügt und einmal verurteilt wurde, sind die Kriterien des § 9 Abs. 2 BFA-VG insgesamt zugunsten des Beschwerdeführers zu werten: Der Beschwerdeführer hat mittlerweile ca. ein Drittel seines Lebens in Österreich verbracht, er ist hier gut integriert und verfügt über ein schützenswertes Privatleben, wohingegen die Bindung an seinen Heimatstaat sehr abgeschwächt ist. Jedenfalls seit dem Jahr 2015 konnte der Beschwerdeführer davon ausgehen, dass er nicht in seinen Herkunftsstaat abgeschoben wird. Die Dauer seines bisherigen Aufenthaltes ist nicht in Umständen, die dem Beschwerdeführer zuzurechnen sind, begründet.

Das Bundesverwaltungsgericht übersieht - wie zuvor schon erörtert - keineswegs die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers. Es muss hierbei aber besonders darauf Bedacht genommen werden, dass die verhängte Strafe zur Gänze bedingt nachgesehen wurde, die Verurteilung mittlerweile getilgt ist und der Beschwerdeführer sich seither nichts zuschulden kommen hat lassen.

Der Beschwerdeführer kann einen hohen Grad an Integration vorweisen. Er spricht sehr gut Deutsch und hat konkrete Pläne für seine Berufstätigkeit in Österreich. Es muss im konkreten Fall - auch angesichts seines mehr als achtjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet - davon ausgegangen werden, dass sich der Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers nach Österreich verlagert hat und seine Eingliederung in die österreichische Gesellschaft stetig voranschreitet.

Vor diesem Hintergrund steht für das Bundesverwaltungsgericht fest, dass bei der gegenständlichen Abwägungsentscheidung die privaten Interessen des Beschwerdeführers die öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts in Österreich überwiegen. Hierbei wird auch nicht übersehen, dass dem Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Rahmen einer Güterabwägung grundsätzlich ein hoher Stellenwert zukommt. Aus den erörterten Umständen ist das Interesse des Beschwerdeführers an der Fortführung seines Privatlebens in Österreich im vorliegenden Fall jedoch höher zu bewerten als das öffentliche Interesse an seiner Aufenthaltsbeendigung.

Das Bundesverwaltungsgericht hat bei seiner Abwägungsentscheidung eine einzelfallbezogene Gesamtbetrachtung vorgenommen und dabei (siehe II.3.4.3.) im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auf die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, weiters den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, sowie die Bindungen zum Heimatstaat Bedacht genommen (vgl. VwGH 23.01.2019, Ra 2018/19/0683).

Eine Rückkehrentscheidung erweist sich im Beschwerdefall demnach gemäß § 9 BFA-VG als unzulässig. Dass die drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind, ist im Verfahren nicht hervorgekommen, weswegen auszusprechen ist, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist (vgl. § 9 Abs. 3 BFA-VG). Hierbei war insbesondere auf die im konkreten Fall dargetane persönliche Nahebeziehung des Beschwerdeführers zum Zeugen, die dargetane Freude an der ehrenamtlichen Tätigkeit und den dazu vom Bundesverwaltungsgericht in der Verhandlung gewonnenen Eindruck Bedacht zu nehmen. Ergänzend war die mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.04.2015 getroffene rechtskräftige Feststellung über die Unzulässigkeit (insbesondere) der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zu berücksichtigen.

3.5. Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 im Beschwerdefall:

Dass die Voraussetzung des § 55 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 im Beschwerdefall vorliegt, ergibt sich aus den zuvor getroffenen Erwägungen.

Auch die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 sind vorliegend gegeben. Der Beschwerdeführer hat- wie den Feststellungen zu entnehmen ist - die Integrationsprüfung bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenz (Niveau: B1) und zu Werte- und Orientierungswissen absolviert und damit das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt (vgl. § 9 Abs. 4 Z 1 iVm § 11 IntG hinsichtlich der Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1).

Dass ein in § 60 AsylG 2005 genannter Grund der Erteilung des Aufenthaltstitels an den Beschwerdeführer entgegenstehen würde, ist im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen.

3.6. Ergebnis:

Der Beschwerde war folglich stattzugeben und in Abänderung des angefochtenen Bescheides festzustellen, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 9 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist.

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 wird dem Beschwerdeführer aufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen der Z 1 und 2 leg.cit. der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilt. Dieser Aufenthaltstitel ist gemäß § 54 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 AsylG 2005 für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist nicht zulässig.

Es liegt weder einer der vorgenannten Fälle, noch liegen sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die gegenständliche Entscheidung folgt der unter II.3. zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung plus Aufenthaltsdauer Deutschkenntnisse Integration Interessenabwägung Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig Sexualdelikt strafrechtliche Verurteilung Tilgung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W194.1427327.2.00

Im RIS seit

07.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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