Entscheidungsdatum
07.02.2020Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
W152 2164374-2/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Walter KOPP in dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.01.2019 (richtig: 31.01.2020), Zl. IFA: 1088412502, VZ: 200027203, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, beschlossen:
A)
Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 idgF iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 idgF und § 22 BFA-VG idgF rechtmäßig.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG idgF nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte unter dem Namen XXXX , StA. Afghanistan, am 22.09.2015 - nach der am selben Tag erfolgten illegalen Einreise ins Bundesgebiet - den (ersten) Antrag auf internationalen Schutz.
Der Beschwerdeführer wurde am 23.09.2015 im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einvernommen und gab im Wesentlichen an, er sei Hazara und Schiit und habe Afghanistan aus Angst vor seinem Onkel und dessen Familie verlassen, weil dieser Onkel gedacht habe, der Beschwerdeführer und dessen Bruder hätten deren - im Wald tot aufgefundenen - Cousin getötet.
Nach Zulassung des Verfahrens erfolgte am 14.06.2017 eine niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, wobei der Asylwerber im Wesentlichen vorbrachte, er habe in Afghanistan in der Provinz "Bamyan" gelebt und sein Vater habe Probleme mit dem Onkel des Beschwerdeführers gehabt, weil ein Sohn dieses Onkels ermordet worden sei und dieser Onkel nunmehr vermute, dass der Vater des Beschwerdeführers diesen getötet habe. Dieser Onkel wolle nunmehr aus Blutrache alle Familienmitglieder - so auch den Beschwerdeführer - umbringen. Zu seinem Gesundheitsstatus brachte der Beschwerdeführer vor, dass er physisch und psychisch in der Lage sei, der Verhandlung zu folgen. Im Übrigen relevierte er keine ernsthafte Erkrankung oder eine Medikamenteneinnahme. Er sei geschieden und habe keine Kinder. Er habe noch keinen Deutschkurs gehabt. Abschließend wurden mit dem Beschwerdeführer Länderfeststellungen zu Afghanistan erörtert, wobei er auf deren Ausfolgung und die Erstattung einer Stellungnahme verzichtete.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) vom 29.06.2017,
Zl. 1088412502 - 151412911, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, wobei gemäß
§ 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß
§ 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage hiebei die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV). Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, Hazara und Schiit, seinen vorgebrachten Fluchtgrund nicht glaubhaft darzulegen vermocht habe. Weiters wurde dargetan, dass der Beschwerdeführer an keiner lebensbedrohlichen Krankheit leide und arbeitsfähig sei. Es wurden hiebei äußerst umfangreiche Länderfeststellungen zu Afghanistan getroffen. Der Asylwerber sei geschieden und habe keine Kinder.
Gegen den oben genannten Bescheid des Bundesamtes wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.
Das Bundesverwaltungsgericht nahm dann am 11.03.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung vor, wobei der Beschwerdeführer keine schwerwiegende Erkrankung relevierte und vorbrachte, er stamme aus der Provinz Bamiyan, Distrikt: XXXX , Dorf: XXXX , Dorfteil: XXXX , und sei wegen der Vorfälle aus seinem Heimatdorf zunächst in den Iran geflüchtet und nach zwei Jahren sei er aus dem Iran in die Türkei gereist. Er sei geschieden und habe keine Kinder. Zu dem Fluchtgrund führte er aus, dass der Hauptgrund für die Flucht aus Afghanistan die Ermordung seines Cousins väterlicherseits sei. Sein Vater, sein Bruder und der Beschwerdeführer hätten sich mit seinem Onkel väterlicherseits in einem Grundstücksstreit befunden und würden nunmehr von diesem für die Ermordung des Cousins des Beschwerdeführers verantwortlich gemacht werden. Der Beschwerdeführer befürchtete nunmehr die Blutrache durch seinen Onkel und dessen weiteren Söhne. Er besuche derzeit keinen Deutschkurs, habe sich aber für einen A1-Kurs angemeldet. Er habe auch näheren Kontakt zu älteren Österreichern, die er auch unterstütze. Die aktuellen Länderinformationen wurden ebenfalls im Rahmen der Verhandlung vorgehalten.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.08.2019, GZ: W193 2164374-1/12E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 29.06.2017 als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde hiebei festgestellt, der Beschwerdeführer sei afghanischer Staatsangehöriger, Hazara und Schiit und sei keiner individuellen Verfolgung ausgesetzt. Das vom Beschwerdeführer erstattete Fluchtvorbringen erweise sich nämlich als unglaubwürdig. So habe insbesondere nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer aufgrund einer ihm drohenden Blutrache durch seinen Onkel und dessen Söhne einer Verfolgung ausgesetzt gewesen sei bzw. einer solchen im Falle seiner Rückkehr ausgesetzt sei. Der Beschwerdeführer sei gesund und leide an keinen schweren oder lebensbedrohlichen Krankheiten. Es wurden hiebei äußerst umfangreiche Länderfeststellungen getroffen, wobei der Beschwerdeführer in Herat sein Leben führen könne, wobei auch diesbezügliche Feststellungen zur dortigen Lage und auch hinsichtlich der Erreichbarkeit getroffen wurden, wobei auch eine eingehende Auseinandersetzung iSd UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 stattfand. Der Beschwerdeführer sei geschieden und habe keine Kinder. Der Vater und ein Bruder des Beschwerdeführers lebten im Iran. Eine Schwester des Beschwerdeführers lebe in Afghanistan. Der Beschwerdeführer besitze nur geringe Deutschkenntnisse. Er unterstütze zwei ältere Ehepaare im Alltag. Weiters arbeite er zwei- bis dreimal pro Woche gemeinnützig für das evangelische Pfarramt XXXX . Der Beschwerdeführer sei weiters unbescholten.
Dieses Erkenntnis wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers und dem Bundesamt jeweils am 08.08.2019 rechtswirksam zugestellt und ist somit in Rechtskraft erwachsen.
Am 29.08.2019 stellte der Beschwerdeführer in Frankreich einen Antrag auf internationalen Schutz, worauf ein Wiederaufnahmeersuchen an Österreich gestellt wurde. Am 09.01.2020 erfolgte die Überstellung des Beschwerdeführers nach Österreich, wobei der oben genannte Antrag mit 09.01.2020 als beim Bundesamt eingebracht gilt (siehe diesbezüglichen Aktenvermerk vom 10.01.2020).
Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 09.01.2020 gab der Beschwerdeführer an, sein Vater habe einen Feind wegen eines Grundstücksstreites. Ein Sohn dieses Feindes sei getötet worden und sein Vater sei des Mordes an ihm beschuldigt worden. Dieser Mann, der auch sein Onkel sei, wolle jetzt den Beschwerdeführer töten. Es habe sich hinsichtlich der Fluchtgründe bzw. Situation nichts geändert. Die Situation sei dieselbe wie zuvor. Seine alten Gründe bleiben aufrecht, es habe sich nichts geändert.
Dem Beschwerdeführer wurde mit Verfahrensanordnung vom 16.01.2020 gemäß
§ 29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, weil entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vorliege.
Im Rahmen einer mit 31.01.2019 (richtig: 31.01.2020) datierten Einvernahme vor dem Bundesamt brachte der Beschwerdeführer im Beisein eines Rechtsberaters im Wesentlichen vor, sein Onkel und sein Vater hätten einen Grundstücksstreit gehabt. Dann sei ein Sohn dieses Onkels getötet worden und dieser glaube nun, dass der Vater des Beschwerdeführers diesen Sohn getötet habe. Nun wolle der Onkel Rache nehmen. Er habe bereits im ersten Verfahren alle seine Fluchtgründe dargestellt, wobei diese noch aufrecht seien. Er habe in Österreich und in der EU weder Eltern noch Kinder. Er nehme keine Medikamente, habe aber Halsschmerzen. Sein Vater und seine Brüder würden im Iran leben. Er habe niemanden in Afghanistan. Er sei in keinem Verein und in keiner Organisation Mitglied. Bereits mit Schriftsatz vom 13.01.2020 wurden dem Beschwerdeführer Länderfeststellungen zu Afghanistan übermittelt, wobei ihm zunächst die Möglichkeit zur schriftlichen Stellungnahme aber auch die Möglichkeit im Rahmen der Einvernahme hiezu Stellung zu beziehen eingeräumt wurde. Beide Möglichkeiten blieben jedoch ungenützt.
Mit mündlich verkündetem Bescheid des Bundesamtes vom 31.01.2019 (richtig: 31.01.2020) wurde der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben.
Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges ausgeführt, dass die Identität des Beschwerdeführers nicht feststehe. Er sei afghanischer Staatsangehöriger, Schiit und gehöre der Volksgruppe der Hazara an und sei jung und arbeitsfähig. Die gegen ihn bereits ausgesprochene Rückkehrentscheidung sei weiterhin aufrecht, weil 18 Monate ab der Ausreise noch nicht verstrichen seien. Der nunmehrige Antrag auf internationalen Schutz sei voraussichtlich zurückzuweisen, weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt sich seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert habe. Auch die allgemeine Lage im Herkunftsstaat habe sich nicht entscheidungswesentlich geändert. Der körperliche Zustand und die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers hätten sich ebenfalls nicht entscheidungswesentlich geändert. Es ergab sich weder eine schwere körperliche oder ansteckende Krankheit noch eine schwere psychische Störung, weshalb er bei einer Überstellung nach Afghanistan in keine existenzbedrohende Lage komme.
Es würden somit alle Voraussetzungen für eine Aufhebung des Abschiebeschutzes vorliegen.
Die Verwaltungsakten langten vollständig beim Bundesverwaltungsgericht am 04.02.2020 ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, Hazara und Schiit, stellte am 22.09.2015 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) vom 29.06.2017,
Zl. 1088412502-151412911, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage hiebei die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV).
Gegen den zuletzt genannten Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.08.2019, GZ: W193 2164374-1/12E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 29.06.2017 als unbegründet abgewiesen.
Diese Erkenntnis wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers und dem Bundesamt jeweils am 08.08.2019 rechtswirksam zugestellt und ist somit in Rechtskraft erwachsen.
Am 29.08.2019 stellte der Beschwerdeführer in Frankreich einen Antrag auf internationalen Schutz, worauf am 09.01.2020 seine Überstellung nach Österreich erfolgte, wobei dieser Antrag mit 09.01.2020 beim Bundesamt als eingebracht gilt.
Mit mündlich verkündetem Bescheid des Bundesamtes vom 31.01.2019 (richtig: 31.01.2020) wurde der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben.
Die Verwaltungsakten langten vollständig beim Bundesverwaltungsgericht am 04.02.2020 ein.
Nicht festgestellt werden kann weiters, dass in der Zwischenzeit Umstände eingetreten sind, wonach dem Beschwerdeführer in Afghanistan aktuell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person drohen würde oder dass ihm im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre. Er leidet an keiner akuten schwerwiegenden, lebensbedrohlichen, im Herkunftsland nicht behandelbaren Erkrankung und ist arbeitsfähig.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Vorverfahren ergeben sich aus dem Akt des Bundesamtes.
Die Feststellungen zum gegenständlichen Verfahren und der Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes.
Die Feststellungen zur hinsichtlich der Entscheidungsrelevanz unveränderten Situation im Herkunftsland stimmen auch mit dem aktuellen Kenntnisstand des Bundesverwaltungsgerichtes überein, wonach auch aktuell nicht festgestellt werden kann, dass afghanischen Asylwerbern, im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan grundsätzlich asylrelevante Verfolgung droht, dass ihnen jedwede Lebensgrundlage fehlt und dass in ihre gemäß Art. 2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechte eingegriffen wird, wobei die Grundversorgung der afghanischen Bevölkerung grundsätzlich gesichert ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß
§ 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A):
Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn
1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,
2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und
3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, Ausweisungen gemäß § 66 FPG und Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG, die über einen darüber hinausgehenden Zeitraum festgesetzt wurden.
Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß
§ 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß
§ 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.
(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.
(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß
§ 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.
(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden.
Als Folgeantrag gilt laut Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 idgF jeder einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag.
An dieser Stelle ist der Vollständigkeit halber auf das jüngst ergangene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10.10.2018 zu G 186/2018-25 zu verweisen, in welchem der Verfassungsgerichtshof die vom Verwaltungsgerichtshof und vom Bundesverwaltungsgericht gestellten Anträge auf Aufhebung des § 22 Abs. 10 dritter, vierter und fünfter Satz AsylG 2005 und des § 22 BFA-VG abwies. Im o.a. Erkenntnis wird zusammengefasst ausgeführt, dass die vom Gesetzgeber in § 22 Abs. 10 AsylG 2005 und § 22 BFA-VG angeordnete Rechtsschutzkonstruktion in Form einer fiktiven Parteibeschwerde in ausnahmslos jedem Fall einer Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes mit dem in Art. 130 und 132 B-VG vorgesehenen System der Verwaltungsgerichtsbarkeit vereinbar ist. Der Gesetzgeber gehe in der spezifischen Konstellation zulässigerweise davon aus, dass eine Beschwerdeerhebung in Form einer gesetzlichen Fiktion dem rechtlichen Interesse des von einem Aufhebungsbescheid betroffenen Fremden entspreche. Da es dem Fremden nicht verwehrt sei, eine Stellungnahme abzugeben bzw. durch eine Beschwerdeergänzung auf Umstände des Falles hinzuweisen, die ihm entscheidungsrelevant erscheinen, werde dem Fremden insbesondere auch nicht die Möglichkeit genommen, von ihm behauptete Rechtswidrigkeiten des Aufhebungsbescheides vorzubringen. Weiters werde auch keine erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes begründet, weil die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes durch das Bundesamt in Bescheidform ergehe und das Bundesverwaltungsgericht folglich über die Rechtmäßigkeit des Bescheides einer Verwaltungsbehörde erkenne. Damit sei das Bundesverwaltungsgericht jedoch (ausschließlich) zur Überprüfung des Bescheides berufen und werde als Kontroll- bzw. Rechtsmittelinstanz, nicht jedoch als erste Instanz tätig.
Gegen den Beschwerdeführer besteht nach dem rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.08.2019 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, die noch aufrecht ist, weil diese gemäß § 12a Abs. 6 AsylG 2005 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht bleibt.
Aus dem Vorbringen zum Folgeantrag ergibt sich kein entscheidungswesentlicher neuer Sachverhalt, der erst nach rechtskräftigem Abschluss des ersten Verfahrens entstanden ist (keine "nova producta"). Das im zweiten Verfahren zum Fluchtgrund erstattete Vorbringen ist nämlich im Wesentlichen eine Wiederholung des im Erstverfahren erstatteten Vorbringens und kann somit keinen neuen Sachverhalt begründen. Auch die Ländersituation ist im Wesentlichen gleich geblieben.
Bereits im ersten Verfahren ist das Bundesverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt sei und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehe.
Auch in diesem Verfahren ist nichts hervorgekommen, was gegen die Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Heimatstaat im Sinne dieser Bestimmungen spricht.
So ist im gegenständlichen Fall auch davon auszugehen, dass es sich um keinen "besonderen Ausnahmefall" und um keine schwerkranke Person iSd EGMR 13.12.2016, 41738/10 (Paposhvili gg. Belgien), handelt.
Es ist der Ansicht des Bundesamtes beizupflichten, dass kein schützenswertes Familien- oder Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich feststellbar ist. Im Hinblick auf die Zeitspanne, seit der sich der im September 2015 eingereiste Beschwerdeführer im Bundesgebiet aufhält, kann eine von Art. 8 EMRK geschützte "Aufenthaltsverfestigung" nicht angenommen werden (vgl. etwa VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479, wonach ein dreijähriger Aufenthalt "jedenfalls" nicht ausreichte, um daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abzuleiten; VwGH 20.12.2007, Zl. 2007/21/0437, VwGH 25.02.2010, Zl. 2010/18/0026; VwGH 30.04.2009, Zl. 2009/21/0086; VwGH 08.07.2009, Zl. 2008/21/0533; VwGH 08.03.2005, 2004/18/0354). Somit kann nicht festgestellt werden, dass dem subjektiven Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Inland Vorzug gegenüber dem maßgeblichen öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. VwGH 22.01.2013, Zl. 2011/18/0036; VwGH 10.05.2011, Zl. 2011/18/0100; VwGH 22.03.2011, Zl. 2007/18/0628; VwGH 26.11.2009, Zl. 2007/18/0305), zu geben ist.
Da insgesamt die Voraussetzung des § 12a Abs. 2 iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 und § 62 Abs. 2 AVG idgF für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorliegen, ist der mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes vom 31.01.2019 (richtig: 31.01.2020) rechtmäßig.
Gemäß § 22 Abs. 1 zweiter Satz BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs.1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Die Revision ist sohin gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Schlagworte
aufrechte Rückkehrentscheidung faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig FolgeantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W152.2164374.2.00Im RIS seit
07.09.2020Zuletzt aktualisiert am
07.09.2020