TE Vwgh Erkenntnis 1997/12/17 96/01/1085

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Veröffentlicht am 17.12.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des Williams Gabriel Ifeanyimuo, geboren am 19. Juni 1975, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. Oktober 1996, Zl. 4.347.816/1-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, der am 3. November 1995 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 6. November 1995 den Asylantrag gestellt hat, gab bei seiner Vernehmung durch das Bundesasylamt am 17. November 1995 im wesentlichen folgendes an:

Er habe am 12. Juni 1995 als Student gemeinsam mit etwa 50 anderen Personen an einer "Demonstration gegen die Diktatur" in Benin City teilgenommen, bei der gefordert worden sei, Gefangene freizulassen. Nach Ende dieser Veranstaltung, als sich die Teilnehmer bereits auf dem Nachhauseweg befunden hätten, sei ein Polizeilastwagen neben ihnen stehengeblieben und "wir, etwa zehn Personen oder mehr fanden uns plötzlich in der Polizeistation wieder". Der Beschwerdeführer habe sich bis auf die Unterhose ausziehen müssen und sei in eine Zelle gebracht worden. Danach seien "riesige Männer" gekommen, hätten die Inhaftierten gefragt, warum sie gegen die Regierung eingestellt seien, und begonnen, sie zu schlagen. Einer dieser Männer habe auch eine Pistole gezogen und einem Häftling, der Widerstand geleistet habe, in die Schulter geschossen.

Auf die Frage, wie lange sich der Beschwerdeführer im Gefängnis befunden habe, konnte dieser keine Angaben machen. Er führte aus, im Gefängnis geschlagen, aber nicht verletzt worden zu sein.

Aus dem Gefängnis sei er "durch ein Wunder" - er könne es selbst nicht glauben - gekommen. Er habe an einem Tag zu einem Wachebeamten gesagt, er müsse auf die Toilette. Dieser Beamte habe ihn aus dem Gefängnis hinausgebracht. Es sei niemand bei ihnen gewesen. Der Beschwerdeführer habe sich umgeschaut, den Beamten niedergeschlagen und sei weggerannt. Auf das konkrete Nachfragen des Vernehmungsleiters, ob er tatsächlich aus einer Gefängniszelle in das Freie zur Verrichtung der Notdurft gebracht worden sei, antwortete der Beschwerdeführer, daß das Gefängnis "Benin Prison" keine Toilette habe. Die Gefangenen würden "ins Gebüsch" geführt. Nach seiner Flucht aus dem Gefängnis hätte man ihn zum Kapitän einer Schiffes - er wisse nicht, um welche Art von Schiff es sich hiebei gehandelt habe - gebracht, der ihn auf dem Schiff versteckt habe; "dann fand ich mich hier wieder". Als Fluchthelfer habe ein Nigerianer fungiert, den er zufällig in einem Park kennengelernt habe. Dieser Fluchthelfer habe dem Kapitän Geld gegeben. Der Beschwerdeführer habe über kein Geld verfügt. Er wisse nicht, wie lange er sich auf dem Schiff aufgehalten habe und wo er von Bord gegangen sei.

Mit Bescheid vom 20. November 1995 hat das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers abgewiesen. Es vertrat hiezu die Auffassung, daß die Angaben des Beschwerdeführers insgesamt nicht glaubwürdig seien und er daher eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung nicht habe glaubhaft machen können. Es sei nicht glaubwürdig, daß die Polizei Demonstrationsteilnehmer nicht bereits bei der Veranstaltung sondern erst danach verhafte. Hätte der Beschwerdeführer von tatsächlichen Geschehnissen berichtet, so hätte er genauere Angaben über die Dauer seiner Haft und über seinen Fluchtweg machen können. Schließlich widerspreche es allen "hierortigen Erkenntnissen" und auch den Aussagen anderer Asylwerber, daß es im Gefängnis von Benin City keine Toiletteanlagen gebe. Die Aussage, daß man Häftlinge zum Urinieren vor das Gefängnis in den Busch führe, erscheine geradezu lächerlich. Aufgrund dieser absurden Behauptung stehe fest, daß der Beschwerdeführer tatsächlich nicht in Haft gewesen sei.

Mit Bescheid vom 11. Oktober 1996 hat der Bundesminister für Inneres die gegen diesen Bescheid gerichtete Berufung abgewiesen.

Die belangte Behörde hat dazu im wesentlichen ausgeführt, daß das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Berufung gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 unbeachtlich sei. Hinsichtlich der Würdigung der Aussagen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen schließe sich die belangte Behörde den Ausführungen der erstinstanzlichen Behörde an.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers war die belangte Behörde dazu berechtigt, den Inhalt des erstinstanzlichen Bescheides - ohne ihn wiederholen zu müssen - zum Inhalt ihres Bescheides zu machen (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 1995, Zl. 95/01/0045). Die belangte Behörde hat durch diese Vorgangsweise klargestellt, daß das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen nicht zum Inhalt der behördlichen Feststellungen gemacht wird und somit ihren Bescheid - anders als die Beschwerde meint - nachvollziehbar begründet. Daran ändert der Umstand nichts, daß sie das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seiner Behandlung im Gefängnis und zur anschließenden Flucht auch fiktiv einer rechtlichen Beurteilung unterzogen hat.

Die - aus dem erstinstanzlichen Bescheid übernommenen - Ausführungen der belangten Behörde, wonach es gänzlich der Lebenserfahrung widerspreche, daß es im geschlossenen Bereich des staatlichen Gefängnisses von Benin City keine Toiletteanlagen gebe und die Gefangenen daher - jeder einzeln in Begleitung eines Wachebeamten - in ein Gebüsch außerhalb der Gefängnismauern zur Verrichtung der Notdurft geführt würden, wo es möglich sei, den Beamten niederzuschlagen und zu flüchten, sind nicht unschlüssig und begegnen daher im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis der Beweiswürdigung (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senats vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken. Auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens ergibt sich nichts anderes. Der Beschwerdeführer führte in der Berufung nämlich lediglich aus, es sei jedenfalls in dem Raum, in dem er angehalten worden sei, keine Toilette vorhanden gewesen. Aus der Tatsache, daß sich nicht in jedem Haftraum eine eigene Toilette befindet, ergibt sich jedoch noch nicht, daß es im ganzen Gefängnis keine Toiletteanlagen gibt und zur Verrichtung der Notdurft eines Häftlings jedesmal der vom Beschwerdeführer beschriebene umständliche und unsichere Weg gewählt wird. Es kann daher dahinstehen, ob die belangte Behörde zu Recht gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 ihrer Entscheidung nur das Ergebnis des Ermittelungsverfahrens erster Instanz zugrunde gelegt hat.

Wenn sich auch aus der Tatsache, daß der Beschwerdeführer trotz ausdrücklicher Befragung weder die annähernde Dauer seiner Haft noch die der Schiffsreise nennen konnte, für sich allein noch nicht in schlüssiger Weise die Unglaubwürdigkeit der gesamten Aussage des Beschwerdeführers ergibt, durfte die belangte Behörde diese völlig vagen und unpräzisen Angaben doch zu Recht als ein weiteres Indiz für die mangelnde Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers heranziehen. Auch in diesem Punkt ergibt sich bei Berücksichtigung des Berufungsvorbringens kein anderes Bild, weil der Beschwerdeführer in der Berufung dazu keine konkreten Angaben gemacht hat, sondern lediglich auf das Datum seiner Inhaftierung und das seiner Einreise nach Österreich verwies.

Da die belangte Behörde schon aus diesen Gründen zu Recht das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen nicht zum Inhalt ihrer Feststellungen gemacht hat, braucht auf die Frage nicht eingegangen zu werden, ob auch die übrigen, von der belangten Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung herangezogenen Argumente einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof standhalten.

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung der Ermittlungspflicht geltend macht, ist ihm zu entgegnen, daß der für den Umfang dieser Pflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 keine über die aus § 37 AVG iVm § 39 Abs. 2 AVG hervorgehende Verpflichtung der Behörde, insbesondere keine Verpflichtung, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln, normiert (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. April 1997, Zl. 96/01/0108).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG idF BGBl. Nr. 88/1997 abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996011085.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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