Entscheidungsdatum
15.04.2020Norm
BFA-VG §22a Abs1Spruch
W250 2228935-1/64E
Schriftliche Ausfertigung des am 02.03.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geboren am XXXX alias XXXX , Staatsangehörigkeit Marokko, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.02.2020, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
III. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.
IV. Gemäß § 35 Abs. 1 und 3 VwGVG iVm § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von ? 887,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet) stellte am 28.01.2018 nach unrechtmäßiger Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Im Zuge der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung gab er an, den Namen XXXX zu führen, am XXXX geboren und marokkanischer Staatsangehöriger zu sein.
2. Mit Beschluss eines Bezirksgerichtes vom 19.03.2018 wurde dem Land XXXX die Obsorge über den BF und dessen Bruder übertragen.
3. Am 23.04.2018 wurde der BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) zu seinem Asylantrag einvernommen. Dabei wiederholte er die im Rahmen der Erstbefragung gemachten Angaben zu seiner Identität. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 14.05.2018 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gleichzeitig wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung getroffen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig ist sowie dass keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde wurde aberkannt und dem BF gemäß § 15b Abs. 1 Asylgesetz 2005 - AsylG aufgetragen, in einem bestimmten Quartier Unterkunft zu nehmen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.06.2018 als unbegründet abgewiesen.
Die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 26.02.2019 abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Der Verwaltungsgerichtshof wies die in weiterer Folge erhobene außerordentliche Revision mit Beschluss vom 05.06.2019 zurück.
4. Am 02.10.2019 stellte der BF einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 Abs. 1 Z. 2 AsylG.
5. Mit Schreiben vom 10.10.2019 teilte das Bundeskriminalamt dem Bundesamt mit, dass der BF von Interpol Rabat unter den im Spruch erstgenannten Personendaten identifiziert wurde.
6. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 12.12.2019 wurde der Antrag des BF auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz abgewiesen. Gleichzeitig wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig ist und keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht. Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt und gegen den BF ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.
7. Am 06.02.2020 wurde der BF von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgegriffen und auf Grund eines vom Bundesamt gemäß § 34 Abs. 3 Z. 1 BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG erlassenen Festnahmeauftrages festgenommen.
8. Der BF wurde am 07.02.2020 unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch vom Bundesamt einvernommen und gab dabei im Wesentlichen an, dass er XXXX heiße, marokkanischer Staatsangehöriger sei und am XXXX in Casablanca geboren worden sei. Seine Muttersprache sei Arabisch, er beherrsche aber auch Französisch und Deutsch. Auf den Vorhalt, dass er von Interpol Rabat unter dem Namen XXXX und dem Geburtsdatum XXXX identifiziert worden sei gab der BF an, dass es sich dabei um Informationen aus Frankreich handle. Er sei sehr jung aus Marokko ausgereist und habe schon damals keinen Ausweis gehabt. Den genannten Namen kenne er nicht. Er sei psychisch krank seitdem er ins Gesicht geschlagen worden sei. Die Polizei habe ihm nicht geholfen. Er wisse nicht, welche Medikamente er nehmen müsse, da er diese im Heim gelassen habe. Er müsse sich immer wieder einschmieren und nehme Schlaftabletten. Er kiffe und rauche normale Zigaretten um nachts einschlafen zu können. Auf die Frage, warum er bei seiner Festnahme Kokain bei sich gehabt habe gab der BF an, dass er gar nicht gewusst habe, dass er Kokain bei sich habe. Es gehöre ihm auch nicht. Über identitätsbezeugende Dokumente verfüge er nicht und habe solche bisher auch noch nie beantragt, da er illegal nach Österreich gekommen sei. In Österreich habe er sich keinen Reisepass ausstellen lassen, da er noch nie die Gelegenheit dazu gehabt habe. Er befinde sich seit zwei Jahren in Österreich, über einen Aufenthaltstitel eines anderen EU-Staates verfüge er nicht. Seinen Herkunftsstaat habe er vor vier oder fünf Jahren verlassen, damals sei er 11 Jahre alt gewesen. Er sei nach Spanien eingereist und habe sich danach in Frankreich aufgehalten. Über die Schweiz sei er nach Österreich eingereist. Auf die Frage, ob er wisse, dass über seinen Asylantrag negativ entschieden worden sei, gab der BF an, dass er nach Frankreich gehen werde, wenn er nicht in Österreich bleiben könne. Nach Marokko könne er nicht zurück. Er habe in Österreich eine Freundin, von der er nur den Vornamen, nicht jedoch den Nachnamen und das genaue Alter kenne. Sein Bruder XXXX halte sich ebenfalls in Österreich auf. Einer legalen Beschäftigung sei er in Österreich nicht nachgegangen. Einen Wohnsitz habe er in Österreich nicht, er schlafe in einem Heim für Minderjährige. Er mache derzeit einen Deutschkurs. An Familienangehörigen in der EU verfüge er über eine Tante in Spanien. Wenn er freigelassen werde, werde er nach Frankreich gehen. In Österreich werde er nicht bleiben.
9. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 07.02.2020 wurde gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung über den BF angeordnet. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1, 1a, 3 und 9 FPG Fluchtgefahr vorliege. Der BF habe vor den Behörden fortgesetzt falsche Angaben zu seiner Identität gemacht, er habe angegeben, minderjährig zu sein. Seine wahre Identität habe erst durch Interpol festgestellt werden können. Der BF sei für die Behörde wiederholt nicht greifbar gewesen. Seiner Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 FPG sei der BF niemals nachgekommen, er habe es unterlassen, sich von der Vertretungsbehörde ein Reisedokument ausstellen zu lassen. Gegen den BF bestehe eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot. Eine soziale Verankerung des BF könne nicht festgestellt werden. Die Sicherung der Abschiebung sei erforderlich, da sich der BF auf Grund seines Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen habe. Auf Grund dieses Verhaltens könne nicht davon ausgegangen werden, dass der BF für ein weiteres Verfahren greifbar sein werde. Mit der Anordnung eines gelinderen Mittels könne daher nicht das Auslangen gefunden werden.
Dieser Bescheid wurde dem BF am 07.02.2020 durch persönliche Übernahme zugestellt.
10. Am 25.02.2020 erhob der BF durch seine ausgewiesene Rechtsvertreterin Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid vom 07.02.2020 und brachte im Wesentlichen vor, dass die belangte Behörde bei Anordnung der Schubhaft nicht von der Volljährigkeit des BF habe ausgehen dürfen. Der BF habe angegeben, am XXXX geboren zu sein, eine multifaktorielle Untersuchungsmethodik zur Feststellung seines Alters sei nicht durchgeführt worden. Es widerspreche dem Gesetzeswortlaut sowie der teleologischen Auslegung des § 13 Abs. 3 BFA-VG von der Volljährigkeit des BF auszugehen, da im Zweifel von der Minderjährigkeit des BF auszugehen sei. Das von der belangten Behörde ins Treffen geführte Schreiben des Bundeskriminalamtes vom 10.10.2019 enthalte jedenfalls keine präzisierenden Angaben, auf welcher genauen Grundlage die Identifizierung durch marokkanische Polizeibehörden erfolgt sei. Auf Grund der behaupteten Minderjährigkeit des BF sei es auch zu keiner wirksamen Erlassung eines Schubhaftbescheides gekommen. Auf Grund des Obsorgebeschlusses eines Bezirksgerichtes sei das Land XXXX gesetzlicher Vertreter des BF. Diesem sei der Schubhaftbescheid jedoch nicht zugestellt worden, stattdessen sei dem BF der Schubhaftbescheid persönlich ausgehändigt worden. Die Zustellung des Schubhaftbescheides an den mj. BF entfalte jedoch keine Rechtswirkungen, sondern hätte dem Obsorgeberechtigten zugestellt werden müssen.
Fluchtgefahr liege im Fall des BF nicht vor, da er über eine Meldeadresse verfüge und die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid angeführten Anzeigen nicht geeignet seien, Fluchtgefahr zu begründen. Darüber hinaus könne auf Grund der vorhandenen Meldeadresse das gelindere Mittel einer periodischen Meldeverpflichtung angeordnet werden.
Der Beschwerde wurde eine Stellungnahme der Kinder- und Jugendhilfe angeschlossen, aus der sich im wesentlichen ergibt, dass der BF nach erfahrungsgestützter Wahrnehmung klar dem von ihm angegebenen Alter von 14 bzw. 15 Jahren entspreche und eine Volljährigkeit auf Grund der dargestellten längeren Entwicklungs- und Verhaltensbeobachtung und dem aktuellen Augenschein auszuschließen sei. Darüber hinaus wurde eine fachliche Stellungnahme angeschlossen, aus der sich im Wesentlichen ergibt, dass für die Kinder- und Jugendhilfe kein hinreichender Grund bestehe, die Angaben des BF in Zweifel zu ziehen. Aus einer weiteren angeschossenen Stellungnahme ergibt sich, dass die Kinder- und Jugendhilfe mangels anders lautender pflegschaftsgerichtlicher Anordnung nach wie vor von einem aufrechten Obsorgeverhältnis ausgehe.
Der BF beantragte ein medizinisches Gutachten zur Frage, ob der BF minderjährig oder volljährig sei, einzuholen, eine mündliche Verhandlung unter Einvernahme des BF zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes durchzuführen, die Anhaltung im Rahmen der Festnahme ab 06.02.2020 für rechtswidrig zu erklären, in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und auszusprechen, dass die Anordnung von Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgte, auszusprechen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF nicht vorliegen und die belangte Behörde zum Kostenersatz zu verpflichten.
11. Das Bundesamt legte am 26.02.2020 den Verwaltungsakt vor, gab dazu eine Stellungnahme ab und beantragte die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und den BF zum Kostenersatz zu verpflichten.
12. Der BF brachte in einer Beschwerdeergänzung am 28.02.2020 vor, dass dem Schreiben des Bundeskriminalamtes vom 10.10.2019 nicht zu entnehmen sei, ob und in welcher Weise ein Datenabgleich durchgeführt worden sei. Er beantragte die zeugenschaftliche Befragung einer namentlich genannten Sachbearbeiterin des Bundeskriminalamtes zum Beweis dafür, dass kein ausreichender Datenabgleich durchgeführt worden sei und es sich bei Interpol um keine Behörde handle.
13. Das Bundesamt gab am 01.03.2020 eine ergänzende Stellungnahme zum Verlauf der Abklärung der Identität einer Person durch das Bundeskriminalamt und dem Umfang der bei der erkennungsdienstlichen Behandlung des BF erhobenen Daten ab.
14. Am 02.03.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht unter Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch, des Rechtsvertreters des BF sowie eines Vertreters des Bundesamtes eine mündliche Verhandlung durch, in der der BF einvernommen wurde. Er gab dabei im Wesentlichen an, dass er XXXX heiße, am XXXX geboren und marokkanischer Staatsangehöriger sei. In Österreich befinde sich auch sein Bruder, dieser sei 16 Jahre alt und ein Jahr älter als der BF. 2016 habe sich der BF für vier Monate in Frankreich aufgehalten. Er habe dort Kontakt zur Polizei gehabt, sei auf der Straße aufgegriffen worden und habe dabei die im Spruch dieses Erkenntnisses erstgenannten Identitätsdaten angegeben. Er habe dieses Geburtsdatum angegeben, da es an jenem Tag sehr kalt gewesen sei und er nicht gewollt habe, dass er wieder hinausgelassen werde. Er habe dort schlafen wollen. In Frankreich habe er nicht leben wollen. Er sei danach wieder freigelassen worden und sei zu seinem Bruder nach Luxemburg weitergereist. In Frankreich habe er sich in Marseille aufgehalten und habe bei einem Freund gewohnt. Auf Vorhalt, dass er bei seiner Einvernahme durch das Bundesamt am 23.04.2018 angegeben habe, dass er in Marseille von der Polizei in einem Hotel untergebracht worden sei, gab der BF an, dass er in der mündlichen Verhandlung bisher nichts davon erzählt habe, da er es vergessen habe. In Frankreich habe er bei der Polizei seine Fingerabdrücke abgeben müssen. Das Geburtsjahr XXXX habe er genannt, da er mit seinem tatsächlichen Geburtsjahr XXXX als minderjährig angesehen worden wäre und dann in ein Heim gekommen wäre. Wenn er älter wäre, so habe er gewusst, dass er kurz in ein Hotel kommen werde und danach freigelassen werde. Auf Vorhalt, dass der BF bei einem Polizeikontakt in Frankreich in den Jahren 2016 oder 2017 auch mit dem Geburtsjahr XXXX minderjährig gewesen wäre, gab der BF an, dass es mit einem Geburtsjahr XXXX an der Grenze gewesen wäre, mit einem Geburtsjahr XXXX er jedoch sicher gewesen sei, dass er in ein Heim gekommen wäre. Aus Marokko sei er Anfang 2013 ausgereist. Er sei aus Casablanca mit dem Schiff nach Spanien abgereist. In Spanien habe er sich ungefähr drei Monate bei seiner Tante aufgehalten. Er sei von der Polizei aufgegriffen worden und in einem Kinderheim untergebracht worden. Von dort sei er nach Frankreich weitergereist, der Polizei oder anderen Behörden habe er nicht mitgeteilt, dass er Spanien verlassen werde. In Frankreich habe er sich vier Monate aufgehalten. Von dort sei er ohne dies den französischen Behörden oder der Polizei mitzuteilten zu seinem Bruder nach Luxemburg ausgereist und habe sich dort zwei Wochen lang aufgehalten. Über Frankreich und die Schweiz sei er schließlich nach Österreich eingereist. Wann er nach Österreich eingereist sei, könne er nicht angeben. Wie lange er sich in Österreich aufgehalten habe, bevor er den Asylantrag gestellt habe, könne er nicht mehr angeben. Nach den Umständen darüber befragt, warum er bereits am Tag seiner Asylantragstellung das ihm zugewiesene Grundversorgungsquartier verlassen hat, gab der BF an, dass ihm von der Security mitgeteilt worden sei, dass er das Quartier nicht verlassen dürfe, da er minderjährig sei. Daraufhin habe er von der anderen Seite das Quartier verlassen und sei gemeinsam mit seinem Bruder nach XXXX gegangen. Dem Bundesamt habe er diesen Umstand nicht mitgeteilt. Am 24.04.2018 sei er in ein anderes Grundversorgungsquartier verlegt worden, habe dieses jedoch wieder am selben Tag verlassen, da er ohne seinen Bruder dorthin gebracht worden sei. Vor seiner Festnahme am 06.02.2020 habe er seit Oktober 2019 in einem Heim für Minderjährige gewohnt. Davor habe er teilweise auf der Straße geschlafen oder bei einem Freund. Er habe nicht nur in dem zuletzt angegebenen Heim übernachtet, sondern auch bei seiner Freundin. Diese kenne er seit ca. vier Monaten. Er habe auch Freunde in Österreich, mit denen er Fußball spiele. Er habe auch einen Deutschkurs besucht. Einer legalen Beschäftigung sei er in Österreich bisher nicht nachgegangen, da er unbedingt den Deutschkurs abschließen wolle um danach eine Arbeit finden zu können. Der Deutschkurs habe seit November montags und dienstags stattgefunden, im Jahr 2020 habe er diesen regelmäßiger besucht. Davor habe er bereits einmal einen Deutschkurs besucht, sei jedoch ein paar Mal zu spät gekommen, weshalb er diesen Kurs nicht habe weiter besuchen können. Vermögen besitze er nicht. Im Juni bzw. Juli 2017 - dieses Datum wurde vom BF im Zuge der Rückübersetzung auf 2019 korrigiert - habe er Schläge ins Gesicht erlitten und sei seitdem sehr vergesslich geworden und habe seither psychische Probleme. Früher habe er deswegen Schmerztabletten eingenommen. In der Schubhaft nehme er keine Tabletten ein. Die Angaben in den vom Polizeianhaltezentrum übermittelten Krankenakten seien falsch. Er habe nicht gesagt, dass er gesund sei und keinen Doktor brauche. Auch am 28.02.2020 sei ihm nicht gesagt worden, dass er zum Arzt gehen könne. Er habe an diesem Tag auch nicht gesagt, dass es ihm gut gehe und er nicht zum Arzt gehen wolle. Bei seiner Einvernahme durch das Bundesamt am 07.02.2020 habe er angegeben, dass er nach Frankreich ausreisen werde, da ihm gesagt worden sei, dass er nicht in Österreich bleiben dürfe. In Marokko habe er keine Familie und auch sonst keine Perspektive. Auf Nachfrage durch den Vertreter des Bundesamtes gab der BF an, dass er 2015 aus Marokko ausgereist sei, im Rahmen der Rückübersetzung korrigierte er diese Angabe auf Anfang 2016. Der Dolmetscher wies ausdrücklich darauf hin, dass der BF zu Beginn seiner Befragung das Jahr 2013 genannt hat. Der BF gab daraufhin an, dass er seit den Schlägen auf den Kopf sehr viel vergesse. Richtig sei, dass er im Jahr 2017 aus Marokko ausgereist sei, im Jahr 2015 sei sein Bruder ausgereist.
Der Vertreter des Bundesamtes legte im Zuge der mündlichen Verhandlung ein Altersgutachten den Bruder des BF betreffend vor. Daraus ergibt sich, dass dieser mindestens 21 Jahre alt sei, wobei sich ein mittleres Alter von 23,7 Jahren ergibt. Der BF gab dazu an, dass seine Schwester bezeugen könne, dass er selbst minderjährig sei. Diese Schwester lebe in Marokko und der BF habe zuletzt vor eineinhalb Monaten Kontakt zu ihr gehabt. Vom Vertreter des Bundesamtes nach den vorliegenden Strafanzeigen befragt gab der BF an, dass er gestohlen habe, um etwas zum Anziehen und zu essen zu haben. Zu dem Umstand befragt, dass der BF bei seinem Aufgriff am 06.02.2020 geringe Mengen Kokain bei sich gehabt habe, gab der BF an, dass ihm das jemand gegeben habe, um es aufzuheben.
Der Vertreter des Bundesamtes gab an, dass am XXXX sämtliche Unterlagen den BF betreffend an die marokkanische Vertretungsbehörde übermittelt worden seien und die Ausstellung eines Heimreisezeirtifikates für den BF seither auch urgiert worden sei. Eine Antwort der Vertretungsbehörde gebe es noch nicht. Für die Ausstellung eines Heimreisezertifikates sei kein Interview zwingende Voraussetzung.
15. Am 16.03.2020 stellte der BF einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung des am 02.03.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1. Zum Verfahrensgang
Der unter I.1. bis I.15. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.
2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft
2.1. Der BF hat keine Dokumente vorgelegt, die seine Identität bescheinigen, er gibt an ein Staatsangehöriger Marokkos zu sein. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der BF ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Der BF ist in Österreich unbescholten. Der BF wurde von Interpol Rabat mit dem Namen XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Marokko, identifiziert.
2.2. Der BF leidet an keinen Krankheiten. Er nimmt keine Medikamente ein. Er ist gesund und haftfähig.
2.3. Der BF wird seit 07.02.2020 in Schubhaft angehalten.
2.4. Bei der marokkanischen Vertretungsbehörde wurde am XXXX um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF angesucht. Dieses Verfahren wurde ausgesetzt, als auf Grund eines Antrages des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG eine neuerliche Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot den BF betreffend erlassen wurde. Zuletzt wurde am 18. oder 20.02.2020 die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF urgiert, das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF wird vom Bundesamt prioritär geführt. Die marokkanische Vertretungsbehörde stellt grundsätzlich Heimreisezertifikate aus, die Abschiebung des BF innerhalb der Schubhafthöchstdauer erscheint möglich.
3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf
3.1. Der BF hat in Österreich behauptet, minderjährig zu sein, obwohl er am 01.02.2019 die Volljährigkeit erlangt hat. Der BF hat in Österreich eine falsche Identität angegeben. Der BF wurde von Interpol Rabat auf Grund seiner Fingerabdrücke unter der im Spruch an erster Stelle genannten Identität identifziert.
3.2. Der BF tauchte unmittelbar nach seiner unrechtmäßigen Einreise nach Österreich unter. Er stellte am 28.01.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz. Noch am selben Tag tauchte er unter. Seinem Asylverfahren hat sich der BF entzogen, da sein Aufenthalt im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes im Asylverfahren seit 24.04.2018 unbekannt war.
3.3. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 14.05.2018 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.06.2018 abgewiesen. Zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft lag eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.
3.4. Der BF verfügt seit 08.11.2019 zwar über eine Meldeadresse, hält sich jedoch nicht durchgehend an dieser auf.
4. Zur sozialen und familiären Komponente
4.1. In Österreich befindet sich der Bruder des BF. Dieser gab in Österreich an, im Jahr XXXX geboren zu sein. Eine von einem Landesgericht in Auftrag gegebene Altersfeststellung ergab beim Bruder des BF ein vermutetes Alter von 23,7 Jahren, jedenfalls ist der Bruder des BF älter als 21 Jahre.
4.2. Der BF verfügt in Österreich seit vier Monaten über eine Freundin. Er wohnte bis jetzt nicht mit ihr in einem gemeinsamen Haushalt, übernachtete aber bei ihr.
4.3. Der BF hat in Österreich soziale Kontakte.
4.4. Der BF verfügt über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz. Er wohnte vor Anordnung der Schubhaft in einer Betreuungseinrichtung für Minderjährige.
4.5. Der BF übt keinen Beruf aus und erzielt kein Einkommen. Über Vermögen verfügt der BF nicht.
4.6. Die vom BF in Österreich bisher unregelmäßig besuchten Deutschkurse hat er nicht abgeschlossen.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Akt des Bundesamtes und in den vorliegenden Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren des BF betreffend sowie aus dem vom BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck. Einsicht genommen wurde in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres, in das Grundversorgungs-Informationssystem sowie in das Zentrale Melderegister.
1. Zum Verfahrensgang
Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Verfahrensakt des Bundesamtes, dem vorliegenden Akt des Bundesverwaltungsgerichtes sowie dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren des BF betreffend. Diesen Feststellungen wurde in der Beschwerde nicht entgegengetreten.
2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft
2.1. Dass der BF keine Dokumente zum Nachweis seiner Identität vorgelegt hat, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den darin enthaltenen Niederschriften über die Einvernahmen bzw. Befragungen des BF. Dass er marokkanischer Staatsangehöriger ist wurde vom BF sowohl in seinen Asylverfahren als auch in der Beschwerdeverhandlung vom 02.03.2020 vorgebracht. Anhaltspunkte dafür, dass der BF die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.
Dass der BF volljährig ist, ergibt sich aus der Identifizierung des BF durch Interpol Rabat. Zweifel an der Richtigkeit bestehen insofern nicht, als sich aus dem Schreiben von Interpol Rabat ergibt, dass der BF an Hand seiner Fingerabdrücke identifiziert wurde. Der Verantwortung des BF, dass es sich dabei um eine von ihm in Frankreich genannte falsche Identität handle, wird nicht gefolgt, da er in der mündlichen Verhandlung nicht plausibel erklären konnte, warum er in Frankreich gerade dieses Geburtsdatum angegeben haben soll. So gab er an, dass er diese Daten genannt habe, um nicht aus der Anhaltung entlassen zu werden, da er auf Grund der Kälte bei der Polizei verbleiben haben wollen. Im Verlauf der weiteren Befragung gab er jedoch an, dass er gewusst habe, dass er, wenn er jünger sei, in ein Heim kommen werde, er jedoch aus der Anhaltung entlassen werden wollte und so ein Geburtsdatum genannt habe, das ihn älter mache. In der Einvernahme durch das Bundesamt am 07.02.2020 machte der BF hingegen keinerlei Angaben zu diesen Identitätsdaten, sondern behauptete vielmehr, diesen Namen nicht zu kennen. Insgesamt kommt den Angaben des BF keine Glaubhaftigkeit zu. So unterscheiden sich die im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlungen angegebenen Daten zu seiner Ausreise aus Marokko und seinem Aufenthalt in Europa gravierend von den im bisherigen Verfahren gemachten Angaben. Selbst bei Korrektur dieser Angaben im Rahmen der Rückübersetzung konnten von ihm keine nachvollziehbaren Angaben gemacht werden. Auch die korrigierten Daten stimmen nicht mit den bisher von ihm genannten Daten überein. Der BF gab insbesondere in der Erstbefragung auch an, dass er weder in Spanien noch in Frankreich Kontakt zu Behörden gehabt habe. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung gab er hingegen an, dass er sowohl in Spanien als auch in Frankreich Kontakt zur Polizei gehabt habe. Darüber hinaus wurde der BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung ausdrücklich nach dem Altersunterschied zu seinem Bruder befragt. Dieser Altersunterschied wurde vom BF mit einem Jahr angegeben. Da sich aus dem von einem Landesgericht zur Feststellung des Alters des Bruders des BF eingeholten Sachverständigengutachten ergibt, dass der Bruder des BF zumindest 21 Jahre und wahrscheinlich 23,7 Jahre alt ist, ergibt sich bei einem Altersunterschied der Brüder von einem Jahr, dass der BF ebenfalls volljährig ist.
Aufgrund der vorliegenden Identifizierung des BF durch Interpol Rabat, seiner widersprüchlichen Angaben zu den von Interpol Rabat bekannt gegebenen Identitätsdaten und des Gutachtens zur Feststellung des Alters des Bruders des BF bestehen insgesamt keine Zweifel an der Volljährigkeit des BF. Dies auch unter Berücksichtigung der der Beschwerde angeschlossenen Stellungnahmen der Betreuungspersonen des BF. Darin werden ausschließlich die subjektiven Beobachtungen der den BF betreuenden Personen genannt. Insbesondere wird im Schreiben der Abteilung Kinder- und Jugendhilfe vom 07.11.2019 ausdrücklich angeführt, dass der BF und sein Bruder glaubwürdig als Geschwister mit dem angegebenen Altersunterschied aufgetreten seien. Da nunmehr jedoch die Volljährigkeit und ein Alter von mindestens 21 Jahren des Bruders des BF durch ein medizinisches Gutachten festgestellt wurde, sind dadurch auch die in den angeführten Stellungnahmen enthaltenen Ausführungen zur Minderjährigkeit des BF relativiert.
Die beantragte Einvernahme einer namentlich genannten Sachbearbeiterin des Bundeskriminalamtes zum Beweis der durchgeführten Identifizierung des BF konnte insbesondere unterbleiben, da der BF in der Beschwerdeverhandlung selbst angab, dass jene Identitätsdaten, unter denen er identifiziert wurde, von ihm in Frankreich genannt worden seien. Damit räumt er aber selbst ein, dass diese Daten mit ihm in Verbindung stehen.
Da seine Anträge auf internationalen Schutz in Österreich abgewiesen bzw. zurückgewiesen wurden, handelt es sich beim BF weder um einen Asylberechtigten noch um einen subsidiär Schutzberechtigten. Dass der BF unbescholten ist ergibt sich aus dem Strafregister.
2.2. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF ergeben sich aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung am 02.03.2020 sowie aus den von einer Landespolizeidirektion vorgelegten Unterlagen den Gesundheitszustand des BF betreffend. Aus den Unterlagen des Polizeianhaltezentrums ergibt sich insbesondere, dass der BF bei der ärztlichen Untersuchung angegeben hat, dass er gesund sei und er weitere Untersuchungen verweigerte. In der mündlichen Verhandlung darauf angesprochen gab der BF lediglich an, dass diese Angaben falsch seien. Auf Grund der insgesamt unglaubwürdigen Angaben des BF kommt ihm auch diesbezüglich keine Glaubwürdigkeit zu, insbesondere konnte durch die Aussage des BF kein Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Dokumente den Gesundheitszustand des BF betreffend erweckt werden.
2.3. Dass der BF seit 07.02.2020 in Schubhaft angehalten wird ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den damit übereinstimmenden Angaben in der Anhaltedatei.
2.4. Die Feststellungen zum bisherigen Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF ergeben sich aus den Angaben des Vertreters des Bundesamtes in der mündlichen Beschwerdeverhandlung. Da sich aus diesen Angaben ergibt, dass von der marokkanischen Vertretungsbehörde grundsätzlich Heimreisezertifikate ausgestellt werden und der BF von Interpol Rabat identifiziert wurde, konnte festgestellt werden, dass die Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF möglich ist. Aus den Ausführungen der Vertreterin des BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung darüber, dass die Erlangung eines Heimreisezertifikates durch die marokkanische Vertretungsbehörde in Einzelfällen schwierig bis unmöglich ist, lässt nicht den Schluss zu, dass im konkreten Fall die Erlangung eines Heimreisezertifikates nicht möglich ist. Insbesondere wurde von Vertretungsbehörde bislang nicht mitgeteilt, dass für den BF kein Heimreisezertifikat ausgestellt wird.
3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf
3.1. Dass der BF in Österreich behauptet hat, minderjährig zu sein, ergibt sich aus den im Verwaltungsakt einliegenden Einvernahmeprotokollen des BF und aus seinen Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung. Dass der BF von Interpol Rabat anhand seiner Fingerabdrücke identifiziert wurde, ergibt sich aus dem von Interpol Rabat an das Bundeskriminalamt übermittelten Schreiben, welches am 10.10.2019 übersetzt wurde.
3.2. Die Feststellung, dass der BF unmittelbar nach seiner Einreise nach Österreich untergetaucht ist, steht insofern fest, als der BF in der mündlichen Verhandlung nicht mehr in der Lage war anzugeben, wie lange er sich vor der Stellung seines Antrages auf internationalen Schutz in Österreich aufgehalten hat. Angegeben hat er hingegen, dass er von Luxemburg kommend über Frankreich und die Schweiz nach Österreich, konkret nach XXXX , gereist sei. Den Antrag auf internationalen Schutz stellte er jedoch in XXXX , sodass sich auch daraus ergibt, dass der BF den Asylantrag nicht unmittelbar nach seiner Einreise gestellt hat. Dass der BF noch am Tag seiner Erstbefragung das ihm zugewiesene Grundversorgungsquartier trotz ausdrücklichem Hinweis, dass ihm dies nicht gestattet ist, verlassen hat, gab der BF in der mündlichen Verhandlung selbst an. Dass sich der BF seinem Asylverfahren entzogen hat, ergibt sich aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.06.2018, in welchem festgestellt wurde, dass der BF seit 24.04.2018 unbekannten Aufenthaltes war.
3.3. Die Feststellungen zu der mit Bescheid des Bundesamtes vom 14.05.2018 erlassenen Rückkehrentscheidung beruhen auf einer Einsichtnahme in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde gegen diesen Bescheid betreffend.
3.4. Dass der BF seit 08.11.2019 über eine Meldeadresse verfügt, ergibt sich aus dem Zentralen Melderegister, dass er sich jedoch nicht durchgehend an dieser Adresse aufhält räumte er selbst in der mündlichen Verhandlung ein, da er angab, auch bei seiner Freundin zu schlafen.
4. Zur sozialen und familiären Komponente
4.1. Dass sich der Bruder des BF in Österreich befindet, gab der BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung an und stimmt diese Aussage mit dem Inhalt des Verwaltungsaktes überein. Dass der Bruder des BF in Österreich angab, im Jahr XXXX geboren zu sein, steht insbesondere auf Grund des im Verwaltungsakt einliegenden Obsorgebeschlusses fest. Die Feststellungen zu der von einem Landesgericht in Auftrag gegebenen Altersfeststellung ergeben sich aus dem vom Bundesamt im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung vorgelegten Ausfertigung dieses Gutachtens.
4.2. Die Feststellungen zur Freundin und den sozialen Kontakten des BF beruhen auf seinen Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung.
4.3. Dass der BF über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz verfügt, steht insofern fest, als er in einer Betreuungseinrichtung für Minderjährige nach dem Meldegesetz gemeldet war.
4.4. Dass der BF keinen Beruf ausübte, kein Einkommen erzielte und über kein Vermögen verfügt steht auf Grund seiner Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung fest.
4.5. Die Feststellungen zu den vom BF unregelmäßig besuchten Deutschkursen ergeben sich ebenfalls aus seinen Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung. So gab er insbesondere an, dass er aus einem Deutschkurs ausgeschlossen wurde, da er öfter zu spät erschien. Der zweite von ihm genannte Deutschkurs habe bereits im November 2019 begonnen, erst ab Jänner 2020 habe er ihn regelmäßig besucht.
Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchteil A. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft
3.1.1. Gesetzliche Grundlagen
Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:
"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."
§ 77 Gelinderes Mittel
Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.
Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.
Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.
Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.
Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.
Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.
Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.
Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.
Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" überschriebene § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes lautet:
"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn
1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,
2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder
3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.
(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."
3.1.2. Zur Judikatur:
Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).
"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Verhängung der Schubhaft über den BF grundsätzlich - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - möglich ist. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft sind das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Durchführung bestimmter Verfahren oder der Abschiebung, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kommt darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.
3.1.4. Im vorliegenden Fall wurde Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Mit der Abschiebung des BF im Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft war insofern zu rechnen, als bereits eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorlag, ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF eingeleitet und er durch Interpol Rabat als marokkanischer Staatsangehöriger identifiziert worden war.
3.1.5. Das Bundesamt geht auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1, 1a, 3 und 9 FPG vom Vorliegen einer Fluchtgefahr aus.
Gemäß § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG ist bei der Beurteilung, ob Fluchtgefahr vorliegt, zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Der BF machte in Österreich falsche Angaben zu seiner Identität, insbesondere zu seinem Namen und seinem Geburtsdatum. Er hat damit am Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht mitgewirkt, weshalb der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG erfüllt ist.
Gemäß § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG ist bei der Beurteilung, ob Fluchtgefahr vorliegt, zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 18.05.2018 wurde gegen den BF eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme erlassen. Dem Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz hat sich der BF durch Untertauchen entzogen. Durch dieses Verhalten ist insgesamt der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG erfüllt.
Gemäß § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG sind bei Beurteilung der Fluchtgefahr der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Aus den zu den familiären und sozialen Anknüpfungspunkten des BF in Österreich getroffenen Feststellungen ergeben sich keine Umstände, die gegen das Vorliegen einer Fluchtgefahr sprechen. Der BF gab in der mündlichen Beschwerdeverhandlung zwar an, dass er seit ca. vier Monaten eine Freundin habe, bei der er auch genächtigt habe, sowie über Freunde verfüge. Da der BF jedoch bei seiner Einvernahme durch das Bundesamt am 07.02.2020 ausdrücklich angegeben hat, bei seiner Entlassung nach Frankreich auszureisen und auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung angegeben hat, keinesfalls nach Marokko zurückkehren zu wollen, liegen insgesamt keine Umstände vor, die das Vorliegen von Fluchtgefahr in Zweifel ziehen können.
Es ist daher von keinen Umständen auszugehen, die gegen das Vorliegen einer Fluchtgefahr sprechen oder die diese auch nur geringfügig vermindern könnten.
Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass die Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1, 3 und 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG erfüllt sind.
Das Bundesamt ist daher zu Recht von Fluchtgefahr ausgegangen.
3.1.6. Das Bundesamt ist auch zu Recht von Sicherungsbedarf ausgegangen. Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF vor Anordnung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen.
Der BF ist bereits unmittelbar nach seiner Einreise nach Österreich untergetaucht, hat am Tag der Stellung seines Asylantrages das ihm zugewiesene Grundversorgungsquartier verlassen und sich spätestens ab 24.04.2018 seinem Asylverfahren entzogen. In seinem Asylverfahren hat der BF falsche Angaben zu seiner Identität gemacht und hat sich auch zuletzt nicht ständig an seiner Meldeadresse aufgehalten. Bei seiner Entlassung aus der Schubhaft beabsichtigt der BF nach Frankreich weiterzureisen.
In Österreich befindet sich zwar der Bruder des BF, doch hat auch dieser zumindest hinsichtlich seines Geburtsdatums falsche Angaben gemacht. Der BF hatte zwar seit ca. vier Monaten eine Freundin, doch lebte er mit dieser nicht in einem gemeinsamen Haushalt. Der BF ging bisher in Österreich noch keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, erzielte kein Einkommen, verfügt über kein Vermögen und hat auch keinen eigenen gesicherten Wohnsitz. Ernsthafte Bemühungen zu einer Integration in Österreich hat er nicht unternommen.
3.1.7. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. In Österreich befindet sich zwar der Bruder des BF, doch hat auch dieser falsche Angaben zu seiner Identität gemacht. Die Freundschaft zu der vom BF angegebenen Freundin ist auf Grund ihrer als kurz zu bewertenden Dauer nicht so tiefgehend, dass die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft in Zweifel gezogen werden könnte. Insbesondere war der BF in seiner Einvernahme am 07.02.2020 nicht in der Lage, den vollständigen Namen, das Geburtsdatum oder die Adresse seiner Freundin zu nennen und er wohnte mit ihr auch nicht zusammen.
Insgesamt kommt den persönlichen Interessen des BF daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung seiner Aufenthaltsbeendigung. Der BF hat bereits in der Vergangenheit und wiederholt gezeigt, dass er die ihn treffenden Verpflichtungen nicht einhält.
Auch der Gesundheitszustand des BF lässt die Anordnung der Schubhaft nicht unverhältnismäßig erscheinen und hat das Bundesamt seiner Verpflichtung, die Schubhaft so kurz als möglich aufrechtzuerhalten insofern Rechnung getragen, als bereits vor Anordnung der Schubhaft um Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF angesucht und die Ausstellung eines Heimreisezertifikates urgiert wurde.
Die angeordnete Schubhaft erfüllt daher auch das Kriterium der Verhältnismäßigkeit.
3.1.8. Die Prüfung, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt, führt zu dem Ergebnis, dass ein gelinderes Mittel zu Recht nicht zur Anwendung kam. Auf Grund des bisherigen Verhaltens des BF ist nicht damit zu rechnen, dass er diesem nachkommen werde.
Dass der BF im Falle seiner Entlassung aus der Schubhaft nicht untertauchen und insbesondere nicht nach Frankreich ausreisen werde, konnte er in der durchgeführten mündlichen Verhandlung nicht glaubhaft machen. Noch in der Einvernahme durch das Bundesamt am 07.02.2020 gab er mehrfach an, dass er bei seiner Entlassung nach Frankreich ausreisen werde. Nach Marokko werde er nicht zurückkehren. Dass er nicht nach Marokko zurückkehren werde, bekräftigte er auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung.
Insgesamt zeigte der BF, dass er an einer Kooperation mit der Fremdenbehörde nicht interessiert ist. Er machte trotz seiner Identifizierung durch Interpol Rabat keine glaubhaften Angaben zu seiner Identität.
3.1.9. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt eine "ultima ratio" dar, da sowohl ein Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.
Die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft war daher gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abzuweisen.
3.1.10. Zum Vorbringen des BF in seiner Beschwerde, der angefochtene Bescheid sei auf Grund der Tatsache, dass er dem mit Beschluss eines Bezirksgerichtes bestellten Obsorgeberechtigten nicht zugestellt worden sei, gar nicht erlassen worden, und es sei gemäß § 13 Abs. 3 BFA-VG von der Minderjährigkeit des BF auszugehen, wird folgendes festgehalten:
Auf Grund der Angaben des BF zu seiner Identität und der behaupteten Minderjährigkeit wurde mit Beschluss eines Bezirksgerichtes das Land XXXX mit der Obsorge über den BF betraut.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 09.01.2020, Ro 201