Entscheidungsdatum
17.04.2020Norm
BFA-VG §22a Abs1 Z3Spruch
W117 2230345-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DRUCKENTHANER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX geb. XXXX , Staatsangehörigkeit: Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 08.04.2020, IFA-Zahl/Verfahrenszahl: 1072898710/200325581, zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z 2 FPG idgF, § 76 Abs. 2a FPG idgF, § 76 Abs. 3 Z 1, 3 und 9 FPG idgF, abgewiesen.
II. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF iVm § 1 Z. 1 VwG-AufwErsV idgF, hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von ? 57,40 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
III. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang:
Mit im Spruch angeführten Schubhaftbescheid wurde gegenüber dem aktuell sich noch in Strafhaft wegen Vergewaltigung befindlichen Beschwerdeführer gemäß § 76 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet, ausdrücklich aber ausgesprochen, dass "die Rechtsfolgen dieses Bescheides nach Ihrer Entlassung aus der derzeitigen Haft eintreten".
Die Verwaltungsbehörde stützte ihre Entscheidung auf der Sachverhaltsebene im Wesentlichen auf den Umstand, dass der Beschwerdeführer bereits kurz nach seiner Einreise in Österreich verhaltensauffällig und in weiterer Folge massiv straffällig geworden sei, den Großteil seines Aufenthaltes in Österreich in Strafhaft verbracht habe (vier von fünf Jahren), er über keine familiären Anknüpfungspunkte verfüge, in Freiheit zu keinem Zeitpunkt einer legalen Tätigkeit nachgegangen sei und nur Leistungen aus der Grundversorgung bezogen habe sowie nur während der Anhaltung in Strafhaft gearbeitet habe. Er verfüge außer der Strafanstalt über keinen ordentlichen Wohnsitz und sei überdies nicht ausreisewillig. Es bestehe überdies eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung. Die Verwaltungsbehörde subsumierte diese Sachverhaltsparameter unter weiterer Berücksichtigung des §76 Abs. 2a FPG unter § 76 Abs 3 Z1, Z3 und Z9 FPG; aufgrund der bestehenden Fluchtgefahr scheide die Anwendung eines gelinderen Mittels aus.
Zwar leide der Beschwerdeführer an schwerer Hämophilie A (Bluterkrankheit) und injiziere sich zweimal wöchentlich Gerinnungsmittel, auch sei ihm eine Salbe gegen Schuppenflechte verschrieben worden, es sei aber festzuhalten, dass in Kabul eine alternative Medikation verfügbar sei.
Seine im Rahmen der Strafhaft gegebene Haftfähigkeit liege auch im Rahmen der Schubhaft weiter vor.
In Bezug auf die Möglichkeit der Abschiebung unter dem Aspekt der aktuellen COVID-19-Krise sei es derzeit realistisch, dass eine Vorführung vor die afghanische konsularische Vertretunge im Mai/Juni 2020 erfolgen könne und dass bei bestätigter Staatsangehörigkeit ein HRZ in absehbarer Zeit zu erwirken sei.
Auch wenn aktuell frühestens ab Anfang Mai von einer realistischen Abschiebemöglichkeit
ausgegangen werde, ergebe die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit daher in seinem Fall, dass sein privates Interesse an der Schonung seiner persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen habe.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer binnen offener Frist das Rechtsmittel der Schubhaftbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und führte begründend aus:
Die Erreichbarkeit des Sicherungszwecks der Abschiebung sei nicht verwirklichbar, da aufgrund des Erliegens des Flugverkehrs "von und nach Österreich" infolge der COVID-19-Krise zum jetzigen nicht absehbar sei, ob in naher Zukunft eine Abschiebung nach Afghanistan möglich sein werde. Abschiebungen in Regionen mit starker COVID Verbreitung würden in absehbarer Zeit nicht stattfinden; Medienberichte - die Beschwerde zitierte aus namentlich angeführten Quellen - würden zeigen, dass Afghanistan für längere Zeit ein von der COVID-19-Krise extrem stark betroffenes Land bleiben würde, da das schwache Gesundheitssystem nicht damit umgehen könne.
Fluchtgefahr bestehe nicht, da nach ständiger Rechtsprechung des VwGH der Umstand, dass der BF in Österreich bleiben wolle, jedenfalls nicht für die Annahme von Fluchtgefahr ausreiche.
Entgegen der Ausführungen der belangten Behörde im gegenständlichen Bescheid sei auch die Straffälligkeit des BF lediglich im Rahmen der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft zu berücksichtigen und könne nicht zur Begründung von Fluchtgefahr herangezogen werden.
Der BF wirke an seinem fremdenpolizeilichen Verfahren mit. Er sei in der JA Sonnberg und davor in seiner Unterkunft gemeldet gewesen.
Der BF bereue seine Verstöße gegen die österreichische Rechtsordnung, habe in der Haft Deutsch gelernt und möchte in Zukunft ein anständiges Leben führen.
Das Bundesamt habe nach ständiger Judikatur des VwGH nicht nur darauf hinzuwirken, dass eine Schubhaft so kurz wie möglich währe, sondern auch darauf, dass eine Schubhaft überhaupt unterbleibe. In Fällen, in denen ein Fremder vor der geplanten Verhängung der Schubhaft in Gerichtshaft angehalten würde, bedeute dies, dass das Bundesamt die Schritte zur Vorbereitung der Abschiebung bereits während der Gerichtshaft zu setzen habe. Sollte die Abschiebung nicht unmittelbar im Anschluss an die Entlassung aus der Strafhaft möglich sein, sei zudem ein ordentliches Ermittlungsverfahren durchzuführen.
Festzuhalten sei, dass die Schubhaft nicht dem Zweck diene, einen Fremden von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten. Für den Zweck der Sicherung der Abschiebung wäre darüber hinaus auch die Verhängung eines gelinderen Mittels ausreichend.
Der Beschwerdeführer stellte die Anträge, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung durchführen; weiters aussprechen, dass der Schubhaftbescheid vom 08.04.2020 rechtswidrig sei und diesen beheben sowie der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen des BF sowie der Kommissionsgebühren und Barauslagen, für die der BF aufzukommen habe, auferlegen.
Die Verwaltungsbehörde legte am 16.04.2020 den Schubhaftakt vor, beantragte die Abweisung der Beschwerde und den Ersatz für den Vorlageaufwand. Eine Stellungnahme gab sie nicht ab.
Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer kam nach Österreich, "um ein gutes Leben zu haben" (Einvernahme vom 11.05.2016)
Am 16.02.2016 erfolgte durch eine Betreuerin der Flüchtlings-Jugendbetreuungseinrichtung der Caritas eine telefonische Anzeige, da der Beschwerdeführer in der Unterbringungseinrichtung randalierte und die Betreuerinnen bedroht hatte. Er warf im alkoholisierten und aggressiven Zustand mit Sesseln herum und hatten die Anzeigenlegerin und ihre Freundin Angst vor ihm. In der Folge wurde gegen den Beschwerdeführer eine Wegweisung und ein Betretungsverbot für die Jugendbetreuungseinrichtung Eggenburg aufgrund seines aggressiven Verhaltens gegen zwei Jugendbetreuerinnen nach § 38a SPG ausgesprochen. Er zeigte sich nicht kooperativ und leistete erheblichen Widerstand, sodass er schließlich nach Androhung und mit Anwendung einsatzbezogener Körpergewalt von der Polizei festgenommen wurde (Einvernahme vom 11.05.2016; Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.02.2018, W124 2156084-1/8E; Schubhaftbescheid vom 08.04.2020).
Hinsichtlich der Beweggründe für dieses Verhalten gab der Beschwerdeführer am 11.05.2016, von einem Organ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl befragt, ausdrücklich an (Hervorhebung durch den Einzelrichter):
VP: Das war eine einmalige Sache, da bin ich wütend geworden, das passiert halt.
LA: Werden Sie oft wütend?
VP: Manchmal aber eher selten. Die meiste Zeit versuche ich mich zu kontrollieren.
LA: Werden Sie nur wütend wenn Sie Alkohol trinken?
VP: Nein, das hat nichts mit Alkohol zu tun."
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien, GZ. 151 Hv 58/16f, als Jugendschöffengericht vom 31.01.2017 wurde der Beschwerdeführer wegen § 201 Abs. 1 und 2, 1. Fall StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von 6 (sechs) Jahren verurteilt (Hervorhebungen in Bezug auf den Beschwerdeführer).
" XXXX sind schuldig, sie haben am 22.4.2016 in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) XXXX mit Gewalt zur Duldung des Beischlafes und einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich der mehrfachen digitalen Penetration, genötigt, indem sie der Genannten auf die öffentliche Toilette in Wien 2, Praterstern, folgten, wo XXXX und XXXX sie gewaltsam packten und zu Boden auf die Knie stießen, XXXX ihren Kopf mehrmals gegen die Klomuschel stieß, XXXX und XXXX sie unter Anwendung massiver Körperkraft auf den Boden niederdrückten, ihr Hose und Unterhose herunterrissen, XXXX ihr mit seiner rechten Hand zwischen die Beine auf ihren Genitalbereich griff, ihr brutal und mit massiver Gewalt seine Finger in die Vagina, soweit er konnte, einführte, und sie mehrmals heftig digital penetrierte, mehrmals versuchte, seinen Penis in ihre Vagina einzuführen, wobei er jedoch scheiterte, weil er diesen nicht erigieren und deswegen nur äußerlich an ihrer Vagina reiben konnte, während XXXX sie weiterhin auf den Boden drückte und ihr den Mund fest zuhielt, XXXX sie gegen ihren erklärten Willen an ihren Brüsten und anderen Stellen des Körpers berührte, sodann XXXX die WC Kabine betrat, sich vor XXXX kniete, ihre Knie gewaltsam auseinanderdrückte und seinen erigierten Penis in ihre Vagina einführte, und trotz ihres heftigen Widerstandes bis zum Samenerguss penetrierte, während XXXX sie zu Boden drückte, und XXXX ihr mit der ganzen Hand Mund und Nase zuhielt, wobei in weiterer Folge XXXX auf der Suche nach ihrer Freundin die Damentoilette betrat, und die Angeklagten daraufhin die Flucht ergriffen, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung, nämlich eine posttraumatische Belastungsstörung F 43.1, zur Folge hatte.
(...)
Der Vorsatz der Angeklagten war in Form absichtsvollen Handelns darauf gerichtet, mit dem Opfer mehrfach einen Geschlechtsverkehr auszuführen bzw. das Opfer im Geschlechtsbereich digital zu penetrieren und es am ganzen Körper zu begrapschen, wobei in diese Absicht auch aufgenommen war, das erstrebte Ziel mit Gewalt zu erreichen, und es allen drei Angeklagten auch voll bewusst war, dass das Opfer nicht freiwillig bereit war, geschlechtliche Handlungen mit den Angeklagten auszuführen.
XXXX erlitt durch die Tat Blutergüsse im Bereich beider Schultern mit punktförmigen Einblutungen, punktförmige Einblutungen am rechten Oberarm, ein sichelförmiges Hämatom lateralseitig rechts am Hals, im Sinne einer Würgeverletzung, Hämatome an beiden Beinen im Bereich der Knie und blaue Flecken an der rechten Hüfte. Darüber hinaus erlitt das Opfer eine posttraumatische Belastungsstörung F43.1, die einer schweren Körperverletzung im Sinne des § 84 Absatz 1 StGB gleichzuhalten ist und auch zu einer deutlich länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung führte.
(...)
Auch beim Zweitangeklagten XXXX ist das Vorliegen eines anamnestischen Syndroms infolge Alkoholgenusses oder anderen Substanzengebrauchs auszuschließen. Auch bei ihm reicht die vermutliche Menge des konsumierten Alkohols im Zusammenhang mit dem Zeitablauf nicht aus, um eine pathologische Alkoholintoxikation anzunehmen. Auch bei diesem Angeklagten ist verzögerte Reife zu verneinen (Gutachten des Sachverständigen Prof. Gerstl, ON 114)
(...)
Mangels günstiger Zukunftsprognose mussten die Strafen auch unbedingt ausgesprochen werden (Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien, GZ. 151 Hv 58/16f als Jugendschöffengericht vom 31.01.2017).
Mit Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg vom 03.03.2020, Zahl: 822 BE 8/20b - 9, wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 46 Abs. 2 StGB der Rest der Strafe von zwei Jahr(en) bedingt nachgesehen und seine Entlassung mit 22.04.2020 bestimmt.
Folgende Umstände waren maßgebend (Schlagworte): "bereits ausreichende Psychotherapie bzw. Deliktbearbeitung, bereits mit Freiheit verbundene Vollzugslockerungen, pos. Stellungn. des psychol. Dienstes + sozialen Dienstes + pos. BEST, Erstvollzug, Jugendlicher zur Tatzeit".
Die Probezeit wurde mit fünf Jahren bestimmt, für diese für den Entlassenen die Bewährungshilfe angeordnet und dem Beschwerdeführer die Weisung erteilt, sich einer weiterführenden einjährigen Psychotherapie zu unterziehen und dies, sowie eine Alkohol- und Drogenkarenz dem Gericht in 4-monatigen Abständen, beginnend mit 01.06.2020, nachzuweisen. (Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg vom 03.03.2020, Zahl: 822 BE 8/20b - 9)
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.02.2018, W124 2156084-1/8E, wurde das mit Antrag vom 10.06.2015 initiierte Asylverfahren des Beschwerdeführers in allen Beschwerdepunkten negativ entschieden. (Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.09.2019).
Unter anderem traf es die Feststellungen, dass der BF keine asylrelevanten Gründe geltend gemacht hat (Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.02.2018, W124 2156084-1/8E).
Der Beschwerdeführer ist zur legalen Arbeitsaufnahme, aus der er seinen Lebensunterhalt bestreiten könnte, aufgrund des rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens nicht berechtigt (Schlussfolgerung aus dem Vorliegen des rechtskräftigen negativen Abschlusses des Asylverfahrens im Zusammenhang mit der aktuellen negativen Rückkehrentscheidung).
Mit Bescheid der Verwaltungsbehörde vom 27.03.2020, IFA-Zahl/Verfahrenszahl: 1072898710/190737102, wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt; gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen; festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist; und weiters gegen ihn ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen. Dem Beschwerdeführer wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt und schließlich einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Bescheid der Verwaltungsbehörde vom 30.03.2020, IFA-Zahl/Verfahrenszahl: 1219496210/191144347).
Dieser Bescheid wurde vom Beschwerdeführer mit Beschwerde vom 14.04.2020 angefochten - das Bundesverwaltungsgericht hat bis dato keine aufschiebende Wirkung gewährt (gerichtsinternes Aktenverwaltungssystem EVA).
Vor dem Hintergrund der massiven Straffälligkeit des Beschwerdeführers musste die Verwaltungsbehörde nicht mit einer vorzeitigen Entlassung des Beschwerdeführers rechnen (Strafurteil).
Die COVID-19-Krise stellt sich gerade vor dem Hintergrund der in Österreich am letzten Wochenende vonseiten der Regierung angekündigten schrittweisen Aufnahme des normalen Lebens als kein endgültiges Abschiebehindernis aus Österreich dar (notorische Tatsache).
Das allfällige Vorliegens einer COVID-19-Krise in Afghanistan ist Gegenstand des aktuellen Rückkehrentscheidungs-/Einreiseverbotsverfahrens. Eine Grobprüfung der Situation ergibt kein Abschiebehindernis. (Medienberichte; Beschwerdeschriftsatz!)
Sollte das Bundesverwaltungsgericht in diesem Rechtsmittelverfahren die aufschiebende Wirkung erteilen, wäre allerdings ein Abschiebehindernis gegeben.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich der Beschwerdeführer in Freiheit aufgrund
* der Unmöglichkeit der legalen Arbeitsaufnahme und des Entfalls staatlicher Versorgungsmittel (infolge des rechtskräftigen Abschlusses des Asylverfahrens), in Verbindung mit dem
* Fehlen jeglicher familiärer und sozialer Anknüpfungspunkte
* vor dem Hintergrund seines bisherigen Verhaltens (Neigung zur grundlosen Aggressivität - "das passiert halt" - plus massiver Straffälligkeit (Vergewaltigung) in Verbindung
* mit einem im Strafurteil ausgesprochenen Mangel an günstiger Zukunftsprognose plus
* dem laut Beschluss über die bedingte Entlassung Bestehen erheblicher aktueller psychischer Labilität - "Weisung, sich einer weiterführenden einjährigen Psychotherapie zu unterziehen sowie eine Alkohol- und Drogenkarenz dem Gericht in 4-monatigen Abständen, beginnend mit 01.06.2020, nachzuweisen" !!)
* im Hinblick auf seine Weigerung, Österreich freiwillig zu verlassen,
der drohenden Durchsetzung einer in naher Zukunft zu erwartenden rechtskräftigen und durchführbaren Rückkehrentscheidung entziehen wird. Zum Zeitpunkt der Schubhaftbescheiderlassung bestand daher erheblichste Fluchtgefahr (Schlussfolgerung).
Die Verwaltungsbehörde hatte sich in ihrem Schubhaftbescheid bei der Annahme der Fluchtgefahr nicht isoliert auf die Ausreiseunwilligkeit oder die Straffälligkeit des Beschwerdeführers oder sonstige einzelne Sachverhaltsparameter gestützt, sondern das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers miteinbezogen (Schubhaftbescheid - Verfahrensgang und Feststellungen).
Die Verwaltungsbehörde hat sich im Schubhaftbescheid im Ergebnis ausreichend mit der COVID-19-Krise unter dem Aspekt der Verwirklichung des Schubhaftzweckes befasst (Schubhaftbescheid - rechtliche Beurteilung).
Beweiswürdigung:
Die Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus den jeweiligen in Klammer angeführten Quellen bzw. - siehe Annahme erheblichster Fluchtgefahr - aus den entsprechenden daraus zu ziehenden Schlüssen.
In Bezug auf die von der Behörde angenommene Fluchtgefahr erweist sich der Vorwurf der Beschwerde einer bloß isolierten Betrachtungsweise als schlichtweg aktenwidrig - die Verwaltungsbehörde hatte, wie unzweifelhaft auch den Ausführungen im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu entnehmen ist, die Gesamtsituation des Beschwerdeführers beurteilt - dass die Straftat des Beschwerdeführers dabei ein zentrales Element darstellte, ergibt sich schon aus dem entsprechenden Strafurteil selbst, welches nicht nur umfassend die unter anderem vom Beschwerdeführer begangene Tat beleuchtet, sondern, wie festgestellt, sich auch mit seinem äußerst negativen Charakter auseinandersetzt; in diesem Zusammenhang sticht nicht nur die vom Schöffengericht festgehaltene negative Zukunftsprognose ins Auge, sondern auch die ausdrückliche gerichtliche Betonung der äußerst labilen Persönlichkeit des Beschwerdeführers, dessen vorzeitige Entlassung mit einer Fülle an Auflagen/Weisungen, insbesondere jener der Inanspruchnahme einer weiterführenden einjährigen Psychotherapie, verbunden ist.
Gerade die letzte Beurteilung des Strafgerichtes lässt den Beschwerdehinweis, der Beschwerdeführer habe in der Haft einen Deutschkurs absolviert und Arbeitsleistungen verrichtet, ins Leere gehen.
Der Hinweis wiederum, der Beschwerdeführer sei in der Justizanstalt gemeldet gewesen, woraus die Rechtsvertretung gleichfalls Kooperationsbereitschaft ableitet, entbehrt offensichtlich der Ernsthaftigkeit und bedarf keiner weiteren Erläuterung.
Im Zusammenhalt mit den übrigen von der Verwaltungsbehörde zugrunde gelegten Sachverhaltsparametern, insbesondere dem Fehlen jeglicher sozialer Verankerung konnte die Verwaltungsbehörde nur zum Schluss des Bestehens eines die Anwendung jeglichen gelinderen Mittels ausschließenden Sicherungsbedarfes kommen.
Da der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen ist, war von der Durchführung einer Verhandlung abzusehen - im Übrigen vermochte sich aus den im Beschwerdeschriftsatz zitierten Medienberichten gerade kein faktisches und/oder rechtliches Abschiebehindernis ableiten, wie von der Rechtsvertretung offensichtlich intendiert:
So sprach die vom Beschwerdeführer angeführte Süddeutsche Zeitung in ihrem zitierten Artikel, Wenn Covid in Entwicklungsländer gelangt, https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/kenia-nigeria-coronavirus-covid-19-1.4823780 (Zugriff am 07.04.2020) lediglich von einem Auftreten nur weniger Fälle:
"Spätestens als Afghanistan und Nigeria diese Woche ihre ersten Covid-19-Fälle vermeldeten,"
und ergehen sich auch die weiteren Ausführungen der im Beschwerdeschriftsatz angeführten Berichte/Aufsätze und dergleichen nur in Befürchtungen, die aktuell im Rahmen einer Grobprüfung noch keine entsprechende Bestätigung in der Realität erfahren haben:
"Eine unkontrollierte Verbreitung des Corona-Virus in Afghanistan scheint nicht vermeidbar zu sein"
Friederike Stahlmann, Risiken der Verbreitung von SARS-CoV-2 und schweren Erkrankung an Covid-19 in Afghanistan, besondere Lage Abgeschobener (Berlin, 27.03.2020) (Zugriff am 07.04.2020).
"Mit Stand 17.03.2020 gibt es in Afghanistan 22 bestätigte CoVID-19 Erkrankungen. Diese Zahl ist zwar im internationalen Vergleich niedrig, doch deuten sechs neue Ansteckungen in drei Provinzen innerhalb eines Zeitraumes von lediglich 48 Stunden darauf hin, dass sich der Virus weiter ausbreiten wird."
Gerade aus den im Beschwerdeschriftsatz angeführten Quellen lässt sich also die von der Rechtsvertretung gezogene Schlussfolgerung
"Eine Rückkehr nach Afghanistan ist aufgrund der derzeitigen Gesundheits- und Versorgungslage nicht zumutbar und ist davon auszugehen, dass sich die Lage in der nächsten Zukunft weiter verschärfen wird"
nicht ableiten - siehe dazu auch aktuelle Judikatur des Bundesverwaltungsgerichtes im Rahmen der rechtlichen Beurteilung.
Auch In Bezug auf die Frage des notwendigen raschen behördlichen Handelns, um die Anhaltung in Schubhaft möglichst kurz zu halten, ist der Verwaltungsbehörde kein Vorwurf zu machen:
Wie bereits angeführt, musste sie vor dem Hintergrund der massiven Straffälligkeit des Beschwerdeführers nicht mit einer vorzeitigen Entlassung rechnen.
In Bezug auf den in der Beschwerde angeführten Aspekt der C=VID-19-Krise in Österreich - Stichwort: derzeitiges "Erliegen des Flugverkehrs" - ist auf die als notorisch bekannte Tatsache der allmählichen Wiederaufnahme des normalen Alltages zu verweisen, sodass jedenfalls eine Identitätsprüfung zu einem absehbaren Zeitpunkt erfolgen kann.
Letztlich entbehrt überhaupt der Beschwerdeeinwand, die Verwaltungsbehörde hätte kein (ordentliches) Ermittlungsverfahren durchgeführt, der Grundlage:
Die Verwaltungsbehörde hatte alle im Asylverfahren, im Strafverfahren und im fremdenpolizeilichen Verfahren bekannten Umstände umfassend ins gegenständlichen Verfahren miteinbezogen - entweder basierten die Sachverhaltselemente auf den Angaben des Beschwerdeführers selbst oder auf rechtskräftig erlassenen gerichtlichen und behördlichen Entscheidungen. Inwiefern hier noch weitere Ermittlungsschritte oder gar noch ein abschließendes Parteiengehör einzuräumen gewesen wäre, bleibt die Beschwerde schuldig.
Rechtliche Beurteilung
Zuständigkeit
Gemäß Artikel 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) idgF erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;
2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;
(...)
Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
§ 7 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr 87/2012 idgF, lautet:
(1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über
1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes,
2. (...)
3. Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG,
(...)
Für das gegenständliche Verfahren ist sohin das Bundesverwaltungsgericht zuständig.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Zu Spruchpunkt I. (Schubhaftbescheid):
§ 22a. (1) BFA-VG Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn
(...)
3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
§ 76. (4) FPG Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; (...)
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes "ist es in Bezug auf die Überprüfung eines Schubhaftbescheides nur Aufgabe des VwG, diesen Bescheid einer nachprüfenden Kontrolle zu unterziehen. Im Rahmen dieser Überprüfung ist die Rechtmäßigkeit des konkret erlassenen Bescheides zu beurteilen, es ist also zu klären, ob es zum Zeitpunkt der Anordnung aus damaliger Sicht rechtens war, über den Fremden Schubhaft nach § 76 Abs. 2 Z 2 FrPolG 2005 zum Zweck der Sicherung seiner Abschiebung zu verhängen" (VwGH v. 24.10.2019, Ra 2019/21/0198; VwGH v. 16.5.2019, Ra 2018/21/0122).
Inhaltliche Voraussetzungen für die nachprüfende Kontrolle des Schubhaftbescheides:
§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. (...)
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
(...)
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
(...)
3. ob der Fremde entgegen eines aufrechten Einreiseverbots, eines aufrechten Aufenthaltsverbots oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
(...)
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(...)
§ 77 FPG - Gelinderes Mittel
Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. (...)
Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist "eine Schubhaft dann nicht rechtmäßig, wenn sich die Behörde mit der Frage der Durchführbarkeit einer Abschiebung des Fremden trotz massiver Anhaltspunkte für deren Unmöglichkeit nicht beschäftigt hat (...)" (VwGH vom 31.03.2008, 2005/21/0026).
Die COVID-19-krise kann aber nach derzeit als notorisch anzusehendem Wissenstand nicht als "massiver Anhaltspunkt" für eine Unmöglichkeit der Rückführung nach Afghanistan angesehen werden, weder unter dem Aspekt des aktuellen "Erliegens des (österreichischen) Flugverkehrs", noch im Hinblick auf die Situation in Afghanistan selbst.
In Bezug auf ersteren Aspekt sei auf die jüngste Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 01.04.2020, Ra 2020/21/0116-3 hingewiesen, wonach "der Einwand in der vorliegenden Antragsbegründung, aufgrund der "derzeitigen" weltweiten Flugreisebeschränkungen eine Abschiebung ohnehin nicht möglich wäre, - jedenfalls in diesem Stadium - ins Leere geht, zumal die diesbezügliche Annahme des BVwG, es wäre mit einer Aufhebung dieser Maßnahmen "binnen weniger Wochen" und mit einer "baldigen" Abschiebung des Revisionswerbers nach Abschluss des Asylverfahrens zu rechnen, nicht unvertretbar scheint".
Hinsichtlich der Prüfung der Auswirkungen dieser Krise im Zusammenhang mit der Frage der Rückführbarkeit nach Afghanistan wiederum stellt sich nach der bisherigen Judikatur des Bundesverwaltungsgerichtes kein rechtliches/faktisches Abschiebehindernis dar - vgl. etwa W241 2162884 v. 03.04.2020; W252 2184574-1 v. 03.04.2020.
Im gegenständlichen Fall kommt es nicht einmal zu einer maßgeblichen Verzögerung, da ja ohnehin noch die Rechtskraft des aktuellen Rückkehrentscheidungsverfahrens und allenfalls die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes im Sinne des §18 Abs. 5 BFA-VG abzuwarten ist und überdies auch noch eine Vorführung vor die afghanische Vertretung vorzunehmen ist - aufgrund der angekündigten schrittweisen Lockerungen der Berufs- und Alltagsbeschränkungen ist daher alsbald zumindest mit der Möglichkeit einer die Identität des Beschwerdeführers klärenden Vorführung zu rechnen. Ein Einfluss der COVID-19-Krise unter dem Blickwinkel der Verwirklichung des Schubhaftzweckes ist daher nicht gegeben; darauf hatte die Verwaltungsbehörde auch zutreffend in ihrem Schubhaftbescheid hingewiesen.
Wie oben bereits angeführt, hatte sich die Verwaltungsbehörde in ihrem Schubhaftbescheid bei der Annahme der Fluchtgefahr nicht isoliert auf die Ausreiseunwilligkeit oder die Straffälligkeit des Beschwerdeführers gestützt, sondern das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers miteinbezogen (Schubhaftbescheid - Verfahrensgang und Feststellungen) und daraus die richtigen rechtlichen Schlüsse gezogen, siehe insbesondere S. 12f. des Schubhaftbescheides (Hervorhebungen durch die Verwaltungsbehörde):
"Entsprechend Ihres bisherigen Verhaltens begründen folgende Kriterien in Ihrem Fall eine Fluchtgefahr:
Sie haben in Ihrer Einvernahme am 18.07.2019 vor der erkennenden Behörde angegeben, dass Sie nicht in Ihr Heimatland zurückreisen wollen. Sie gaben an, dass Sie sich integrieren wollen und eine Chance benötigen.
Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der aufgrund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH 11.05.2017, Ro 2016/21/0021).
Da in Ihrem Fall eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht, ist auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 3 FPG erfüllt.
In Ihrem Fall ist das Kriterium des § 76 Abs. 3 Z 9 FPG als erfüllt anzusehen. Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen.
Sie verfügen über keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich.
Sie haben im Bundesgebiet keinen Wohnsitz.
Sie sind in Österreich noch nie einer legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen, und hatten im Bundesgebiet noch nie ein Einkommen abseits Ihrer Haft.
Sie bezogen vor Ihrer Inhaftierung Leistungen aus der Grundversorgung.
Da Sie von Ihrem beinahe fünf Jahre andauernden Aufenthalt vier Jahre im Gefängnis verbrachten, weitere zwei Jahre wurden Ihnen gemäß Beschluss des Landesgerichts Korneuburg, AZ 822 BE 8/20b vom 03.03.2020 nachgesehen, sind die Voraussetzungen für eine gelungene Integration in Ihrem Fall enden wollend.
In Zusammenschau der oben erwähnten Umstände liegen offensichtlich keine substanziellen sozialen Anknüpfungspunkte in Österreich vor.
Weiters spricht Ihre Verurteilung gegen das Vorliegen von substanziellen sozialen Beziehungen in Österreich.
In diesem Zusammenhang ist überdies festzuhalten, dass schon nach dem Wortlaut der Bestimmung (einzelne) "soziale Anknüpfungspunkte" für sich alleine nicht ausreichen, der Verhängung einer Schubhaft entgegenzustehen. Vielmehr geht es um den "Grad der sozialen Verankerung in Österreich", wobei familiäre Beziehungen, eine legale Erwerbstätigkeit, Existenzmittel und gesicherter Wohnraum exemplarisch genannt werden.
Wie oben dargelegt liegen in einer Gesamtbetrachtung keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass Sie aufgrund einer familiären, sozialen und beruflichen Verankerung in Österreich einen so verfestigten Aufenthalt haben, um sich Ihrer Abschiebung nicht zu entziehen.
Im gegenständlichen Fall liegt daher aufgrund der Erfüllung der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z 1 und Z 3 sowie unter Berücksichtigung der Z 9 FPG eine Fluchtgefahr vor.
Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist Ihr gesamtes Verhalten vor Anordnung der Schubhaft sowie die familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Diese Beurteilung hat ergeben, dass mehrere Kriterien für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes sprechen. Es war daher eine konkrete Einzelfallbeurteilung vorzunehmen, welche ergeben hat, dass sowohl Ihr Vorverhalten in Österreich, als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose einen Sicherungsbedarf ergeben haben, weil in Ihrem Fall ein beträchtliches Risiko des Untertauchens gegeben ist und Sie sich Ihrer Abschiebung dadurch entziehen könnten.
Sie sind im Bundesgebiet relativ kurz nach Ihrer Einreise massiv straffällig geworden.
Im Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien, Zl. 151 Hv 58/16f vom 31.01.2017, Rechtskraft seit 03.02.2017 wurde festgehalten, dass der Vorsatz der Angeklagten darauf gerichtet war, in Form absichtsvollen Handelns, mit dem Opfer einen Geschlechtsverkehr mehrfach auszuführen bzw. das Opfer im Geschlechtsbereich digital zu penetrieren und es am ganzen Körper zu begrapschen, wobei in diese Absicht auch aufgenommen war, das erstrebte Ziel mit Gewalt zu erreichen, und es allen drei Angeklagten auch voll bewusst war, dass das Opfer nicht freiwillig bereit war, geschlechtliche Handlungen mit den Angeklagten auszuführen.
In dem gegenständlichen Urteil ist des Weiteren festgehalten, dass Sie und die beiden andern Angeklagten keinerlei Empathie für das Opfer und Reue zeigten, waren Sie doch des Tatsächlichen zumindest insoweit geständig, als Sie die gegen Sie erhobenen Vorwürfe nicht abstritten.
Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht bei allen drei Angeklagten deren bisher tadelloses Vorleben sowie die äußerst ungünstigen Erziehungsverhältnisse (von ihren Eltern in die Flucht geschickte Jugendliche), sowie ihre jeweiligen Beiträge zur Wahrheitsfindung als mildernd. Demgegenüber lagen bei allen Angeklagten massive erschwerende Umstände vor: der Umstand des Angriffs von drei Tätern gegenüber einem Opfer in einer WC Kabine, wodurch das Opfer in eine kaum wehrfähige Situation gebracht wurde, die mehrfache Qualifikation der schweren Verletzung und die mehrfachen Tathandlungen waren jeweils erschwerend.
Es ist davon auszugehen, dass Sie nach Ihrer Freilassung aus der Schubhaft untertauchen. Als Ergänzung sei an dieser Stelle erwähnt, dass die vom Landesgericht Korneuburg im Rahmen der bedingten Entlassung angeordnete Bewährungshilfe letztendlich ein Untertauchen nicht verhindern kann.
Hierzu gilt anzuführen, dass ein allfälliger Gesinnungswandel eines Straftäters in erster Linie daran zu messen ist, innerhalb welchen Zeitraumes er sich nach der Entlassung aus der Strafhaft in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. etwa VwGH 22.11.2013, 2011/23/0505, mwN) und ist an dieser Stelle weiters auszuführen, dass der Gesinnungswandel eines Straftäters nach der Rechtsprechung des VwGH auch grundsätzlich daran zu prüfen ist, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug der Freiheitsstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. Erkenntnis vom 21.02.2013 zu Zl: 2011/23/0192). Sohin liegt auch keine positive Veränderung im Verhalten im Sinne einer positiven Zukunftsprognose Ihre Person betreffend vor bzw. ist und/oder war diese nicht feststellbar.
Für die Behörde steht daher auch weiterhin fest, dass Sie sich für die öffentliche Ordnung und Sicherheit als so gefährliches Individuum erwiesen haben, dass Ihre Interessen an der Schonung der persönlichen Freiheit, jedenfalls nunmehr gegenüber dem Interesse der Allgemeinheit, betreffend der Sicherung der nunmehr zu organisierenden begleiteten Abschiebung, zurückzutreten haben.
Aufgrund Ihres nicht gesetzestreuen Verhaltens ist davon auszugehen, dass Sie sich einer bevorstehenden Abschiebung bereithalten werden.
Fluchtgefahr liegt subsumiert vor, weil Sie nicht österreichischer Staatsbürger sind, in Österreich keine stabilen Lebensverhältnisse von längerer Dauer aufgebaut haben, die Höhe der in Aussicht genommenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie die in Aussicht genommene Abschiebung in Ihr Heimatland, in jedem Fall einen Fluchtreiz darstellt, weshalb die objektiv betrachtete Gefahr besteht, dass, wenn Sie auf freiem Fuß belassen würden, Sie nunmehr flüchten und/oder Sie sich im Bundesgebiet verborgen halten werden. Eine Fluchtgefahr liegt somit ausreichend begründet vor.
Das Bestehen eines Sicherungsbedarfes ist somit gegeben."
Vor dem Hintergrund der zutreffend festgestellten Fluchtgefahr kam und kommt auch die Anwendung eines gelinderen Mittels nicht in Frage.
Gerade im Hinblick auf die massive Straffälligkeit des Beschwerdeführers erweist sich also die beabsichtigte Anhaltung im Sinne des §76 Abs. 2a FPG als verhältnismäßig.
Verhältnismäßigkeit wäre - im Falle der tatsächlichen Anhaltung - aber auch in zeitlicher Hinsicht gegeben, da aktuell keine massiven Anhaltspunkte für die mangelnde Effektuierung der aktuellen Rückkehrentscheidung bestehen und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit einer Beendigung der Anhaltung in Schubhaft vor Ablauf der Höchstdauer zu rechnen ist. Sonstige die Verhältnismäßigkeit berührende Aspekte wurden in der Beschwerde nicht einmal vorgebracht und sind auch sonst im Verfahren nicht hervorgekommen.
Da der Beschwerdeführer auch sonst über keine nennenswerten sozialen Anknüpfungspunkte in Österreich verfügt, hat die Verwaltungsbehörde zutreffend dem Interesse des Staates an der Sicherung der Durchsetzbarkeit der Abschiebung den Vorzug gegenüber dem Interesse des Beschwerdeführers an seiner persönlichen Freiheit eingeräumt.
Es war daher der Schubhaftbescheid auch in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden und daher die Entscheidung der Behörde zu bestätigen.
Spruchpunkt II. und III. (Kosten):
In der Frage des Kostenanspruches - beide Verfahrensparteien begehrten den Ersatz ihrer Aufwendungen - ist § 35 VwGVG die maßgebliche Norm; diese lautet:
(1) Dem Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbar verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 b B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.
(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.
(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.
Da die Verwaltungsbehörde vollständig obsiegte, steht ihr nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz ihrer Aufwendungen zu.
Hinsichtlich der konkreten Höhe des "Ersatzes ihrer Aufwendungen" sind § 35 Abs. 4 und 5 iVm § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV) maßgeblich.
(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:
(...)
3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.
(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.
(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden."
§ 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013 lautet:
(...)
3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro
Da die Verwaltungsbehörde völlig obsiegte, waren ihr die Kosten im spruchgemäßen Ausmaß von 57,40 Euro zuzusprechen, rechtslogischerweise war das Kostenbegehren des BF zu verwerfen.
Zu Spruchpunkt B. (Revision):
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Wie der oben dargelegten rechtlichen Beurteilung zu obigen Spruchpunkten zu entnehmen ist, warf die Tatsachenlastigkeit des gegenständlichen Falles keine Auslegungsprobleme der anzuwendenden Normen auf, schon gar nicht waren Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen.
Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Schlagworte
Fluchtgefahr öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit strafrechtliche Verurteilung VerhältnismäßigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W117.2230345.1.00Im RIS seit
07.09.2020Zuletzt aktualisiert am
07.09.2020