Entscheidungsdatum
20.04.2020Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W259 2216778-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Ulrike RUPRECHT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX Zl. XXXX , zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid des Bundesministeriums für Inneres vom 16.05.1992, Zl XXXX , wurde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin Flüchtling im Sinne des Bundesgesetzes vom 07.03.1968, BGBl. Nr. 126/68, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Bundesgesetzes vom 27.11.1974, BGBl. Nr. 796/74, und gemäß § 7 Abs. 1 des AsylG zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist.
2. Im Jahr 2003 verließ die Beschwerdeführerin Österreich und reiste in ihren Herkunftsstaat.
3. Am 16.11.2012 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz bei der Magistratsabteilung 35. Mit Bestätigung vom 19.06.2013 hat die Beschwerdeführerin den Aufenthaltstitel zur Zahl XXXX , Rot-Weiß-Rot - Karte plus (§ 41a/6) übernommen.
4. Die Beschwerdeführerin kehrte daraufhin erneut in ihren Herkunftsstaat zurück.
5. Am 28.07.2018 reiste die Beschwerdeführerin auf legalem Weg über den Flughafen im Besitz eines Visums "C", gültig von 15.07.2018 bis 26.10.2018, aus dem Iran in das österreichische Bundesgebiet ein.
6. Am 19.10.2018 stellte die Beschwerdeführerin in Österreich erneut einen Antrag auf internationalen Schutz.
7. Im Rahmen der am selben Tag erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die Beschwerdeführerin im Wesentlichen an, dass sie mit dem Regime im Iran Probleme gehabt habe. Ihr Exmann habe im Iran für das frühere iranische Regime und für die persische Königsfamilie gearbeitet. Aufgrund dessen habe sie die Polizei beschuldigt, dass sie gemeinsam mit ihrem Mann für das frühere iranische Regime zusammenarbeite, da sie nach dem iranischen Gesetz noch immer mit diesem Mann verheiratet sei. Außerdem sei sie von der Polizei geschlagen und für 48 Stunden festgehalten worden. Ihr Reisepass sei ihr abgenommen worden. Im Falle einer Rückkehr habe sie Angst vor der Polizei und dass ihr erneut Gewalt zugefügt werde. Sie habe Angst um ihr Leben (AS 23).
8. Bei der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge kurz "BFA" oder "belangte Behörde") am 08.01.2019 gab die Beschwerdeführerin zusammengefasst an, dass sie nicht in den Iran zurück könne, da sie bereits einige Male mit der iranischen Regierung Probleme gehabt habe. Sie sei dreimal in Untersuchungshaft gewesen. Einmal sei sie wegen ihrem Exmann verhaftet worden. Es sei ihr gesagt worden, dass sie ihm dabei helfe und ihm Informationen gegen die iranische Regierung zukommen lasse. Sie hätten ihr ihren Reisepass weggenommen. Ein anderes Mal sei sie in der Ramadanzeit verhaftet worden, weil sie aufgrund ihrer Zuckerprobleme etwas gegessen habe. Das sei 2013 gewesen. Weil sie einmal einem österreichischen Touristen im Iran die Hand gegeben habe, sei sie auch von der islamischen Geheimgarde verhaftet worden. Wegen ihrem Exmann habe sie ständig im Iran Probleme gehabt (AS 105 f).
9. Mit Bescheid vom XXXX wies das BFA den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 19.10.2018 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführerin der Status eines Asylberechtigten aberkannt worden sei.
10. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde. In der Beschwerdebegründung wurde insbesondere ausgeführt, dass im gegenständlichen Verfahren im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen ersten Asylverfahren der Beschwerdeführerin neue Umstände zu Tage getreten seien. Zwar sei zutreffend, dass die Beschwerdeführerin in ihr Herkunftsland gereist sei und dort zuletzt auch mehrere Jahre aufhältig gewesen sei, daraus lasse sich jedoch nicht schließen, dass die nunmehr vorgebrachten, neu entstandenen Verfolgungsgründe der Beschwerdeführerin jedenfalls nicht glaubhaft seien. Es sei nicht richtig, dass die Beschwerdeführerin in der Folge keine Probleme bekommen habe und keine neue asylrelevante Verfolgung geltend gemacht habe. Der Beschwerdeführerin sei bereits im Rahmen der Zuerkennung des Status des Flüchtlings mit Bescheid vom 16.05.1992 geglaubt worden, dass sie im Iran mit den politischen Tätigkeiten ihres Mannes in Verbindung gebracht worden und sie im Iran verfolgt gewesen sei. Diese bereits als glaubwürdig festgestellte Verfolgung spreche jedenfalls für eine immer noch aktuelle Verfolgung aufgrund einer immer noch unterstellten politischen Gesinnung (AS 306).
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung und Einvernahme der Beschwerdeführerin durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des BFA, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des BFA, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Die Beschwerdeführerin besitzt die iranische Staatsangehörigkeit, gehört der Volksgruppe der Perser an und ist moslemischen Glaubens. Sie ist gesund. Die Beschwerdeführerin ist geschieden und hat drei Kinder. Die Muttersprache der Beschwerdeführerin ist Farsi.
Die Beschwerdeführerin ist am XXXX geboren.
Sie ist strafgerichtlich unbescholten.
Die Beschwerdeführerin reiste erstmals am 05.09.1991 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag aufgrund einer unterstellten politischen Gesinnung im Zusammenhang mit den politischen Tätigkeiten ihres damaligen Ehemannes.
Mit Bescheid des Bundesministeriums für Inneres zur Zahl XXXX vom 16.05.1992 wurde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin Flüchtling im Sinne des Bundesgesetzes vom 07.03.1968, BGBl. Nr. 126/68, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Bundesgesetzes vom 27.11.1974, BGBl. Nr. 796/74, und gemäß § 7 Abs. 1 des AsylG zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist.
Dieser Status wurde der Beschwerdeführerin bis zum heutigen Tage nicht aberkannt.
Die Beschwerdeführerin war zuletzt mehrmals im Iran aufhältig.
Am 17.03.2018 ließ sie sich einen iranischen Reisepass ausstellen.
Am 28.07.2018 reiste die Beschwerdeführerin mit einem "Visum C" auf legalem Weg wieder in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 19.10.2018 erneut einen Antrag auf internationalen Schutz, mit dem Begehren, dass man ihr den Asylstatus zuerkenne, weil sie noch immer aufgrund der Tätigkeiten ihres geschiedenen Ehemannes sowie aufgrund einer noch immer unterstellten, regimefeindlichen, oppositionellen, politischen Gesinnung im Iran verfolgt werde.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und Herkunft, insbesondere zu ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, sowie zu ihrem Familienstand, ihrem Gesundheitszustand und ihren Familienangehörigen stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem BFA und in der Beschwerde sowie auf die Kenntnis und Verwendung der Sprache Farsi. Die Feststellungen zur Identität der Beschwerdeführerin ergeben sich aus dem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren sowie aus ihren Angaben vor dem BFA und in der Beschwerde und dem in Vorlage gebrachten Reisepass ( XXXX , RPNr. XXXX , gültig von 17.03.2018 - 17.03.2023).
Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin unbescholten ist, ergibt sich durch Einsichtnahme in einen aktuellen Strafregisterauszug.
Die Feststellungen zu den Vorverfahren, insbesondere zu ihrem ersten Antrag auf internationalen Schutz, gründen sich auf den zweifelsfreien Verwaltungsakt und dem Akteninhalt zur Zahl XXXX XXXX .
3. Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt A) Abweisung der Beschwerde:
3.1. Allgemein zur entschiedenen Sache nach § 68 Abs. 1 AVG:
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Aus der einschlägigen Rechtsprechung zu § 68 AVG ergibt sich, dass über ein und dieselbe Rechtssache nur einmal rechtskräftig zu entscheiden ist (ne bis in idem).
Mit der Rechtskraft ist die Wirkung verbunden, dass die mit der Entscheidung unanfechtbar und unwiderruflich erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann (Wiederholungsverbot). Einer nochmaligen Entscheidung steht das Prozesshindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegen. Zudem folgt aus dem Gedanken der materiellen Rechtskraft grundsätzlich eine Bindungswirkung an eine behördliche Entscheidung (VwGH 24.05.2016, Ra 2016/03/0050, mwN; 13.09.2016, Ro 2015/03/0045; vgl. weiters VwGH 08.08.2018, Ra 2017/04/0112; 20.09.2018, Ra 2017/09/0043).
§ 68 Abs. 1 AVG soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderungen der Sach- oder Rechtslage) verhindern. Die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die "entschiedene Sache", also durch die Identität der Verwaltungssache, über die bereits mit einem formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten bestimmt. Identität der Sache liegt dann vor, wenn einerseits weder in der Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteibegehrens maßgeblichen tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und sich andererseits das neue Parteibegehren im Wesentlichen (von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, abgesehen) mit dem früheren deckt. Dabei kommt es allein auf den normativen Inhalt des bescheidmäßigen Abspruches des rechtskräftig gewordenen Vorbescheides an (vgl. VwGH 29.01.2008, Zl. 2005/11/0102, mwN).
Bei der Prüfung, ob eine relevante Sachverhaltsänderung behauptet wird, ist die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum "glaubhaften Kern" maßgeblich.
Danach kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtliche Relevanz zukäme. Die Behörde hat sich mit der behaupteten Sachverhaltsänderung bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit der (neuerlichen) Antragstellung insoweit auseinander zu setzen, als von ihr - gegebenenfalls auf der Grundlage eines durchzuführenden Ermittlungsverfahrens - festzustellen ist, ob die neu vorgebrachten Tatsachen zumindest einen (glaubhaften) Kern aufweisen, dem für die Entscheidung Relevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 16.02.2006, Zl. 2006/19/0380, mwN).
3.2. Zum gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz:
Ein Antrag auf internationalen Schutz wird in § 2 Z 13 AsylG 2005 als "das - auf welche Weise auch immer artikulierte - Ersuchen eines Fremden in Österreich, sich dem Schutz Österreichs unterstellen zu dürfen" definiert. Weiters gilt der Antrag nach dieser Bestimmung "als Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und bei Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten als Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten".
Die Gesetzesmaterialien (vgl. RV 952 BlgNR XXII. GP, 30f) führen zu dieser Bestimmung aus:
"Der Passus 'Antrag auf internationalen Schutz' entspricht der Statusrichtlinie (Art. 2 lit. g) und wurde zum Zweck der Einheitlichkeit übernommen. Der gegenständliche Begriff bezeichnet das Ersuchen eines Fremden oder Staatenlosen um Schutz durch einen Mitgliedstaat, wenn davon ausgegangen werden kann, dass der Antragsteller die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder die Gewährung des subsidiären Schutzstatus anstrebt. Zur Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz - der inhaltlich dem bisherigen Asylantrag entspricht - reicht es aus, wenn der Fremde vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, einer Sicherheitsbehörde oder einer Erstaufnahmestelle - auf welche Art auch immer - um Schutz vor Verfolgung ersucht; ersucht der Fremde vor einer anderen Behörde um Schutz, hat diese die Sicherheitsbehörde oder ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu verständigen. Nur durch diesen weiten Ansatz der Definition des Antrags auf internationalen Schutz kann den internationalen und europarechtlichen Verpflichtungen entsprochen werden."
Der Gesetzgeber wollte - wie in den Erläuterungen ausdrücklich ausgeführt wird - mit dem "Antrag auf internationalen Schutz" die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der Statusrichtlinie umsetzen. Diese legt neben dem Flüchtlingsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. den 16. Erwägungsgrund zur Statusrichtlinie) für alle Mitgliedsstaaten erstmals gemeinsame Mindestnormen zur Erlangung eines subsidiären Schutzstatus fest, der das Schutzregime der Flüchtlingskonvention ergänzen soll (24. Erwägungsgrund zur Statusrichtlinie; zu den Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz nach der Statusrichtlinie vgl. deren Art. 2 lit. e und Art. 15). Um die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder die Gewährung des subsidiären Schutzstatus zu erlangen, sieht die Statusrichtlinie in ihrem Art. 2 lit. g einen (einheitlichen) Antrag auf internationalen Schutz vor, der beide Schutzinstrumente (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutzstatus) umfasst (VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344).
Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nichts anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtskräftigen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Bei der Prüfung, ob Identität der Sache vorliegt, ist vom rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne seine sachliche Richtigkeit - nochmals - zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. z.B. VwGH 15.10.1999, 96/21/0097; 25.04.2002, 2000/07/0235).
Ob ein neuerlicher Antrag wegen geänderten Sachverhaltes zulässig ist, darf nur anhand jener Gründe geprüft werden, welche die Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht hat; in der Berufung (hier: Beschwerde) gegen den Zurückweisungsbescheid dürfen derartige Gründe nicht neu vorgetragen werden (vgl. z.B. VwSlg. 5642 A/1961; 23.05.1995, 94/04/0081; 15.10.1999, 96/21/0097; 04.04.2001, 98/09/0041; 25.04.2002, 2000/07/0235). Allgemein bekannte Tatsachen hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl jedoch als Spezialbehörde von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321; 29.06.2000, 99/01/0400). Aus dem Neuerungsverbot im Beschwerdeverfahren folgt, dass das Bundesverwaltungsgericht den bekämpften Bescheid in sachverhaltsmäßiger Hinsicht bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu kontrollieren hat.
Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, die Rechtsmittelinstanz darf demnach nur darüber entscheiden, ob die Vorinstanz den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Sie hat daher entweder - falls entschiedene Sache vorliegt - das Rechtsmittel abzuweisen oder - falls dies nicht zutrifft - den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben, dies mit der Konsequenz, dass die erstinstanzliche Behörde, gebunden an die Auffassung der Rechtsmittelinstanz, den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Die Rechtsmittelinstanz darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (VwGH 30.05.1995, 93/08/0207).
Nach Ansicht des erkennenden Gerichts wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin vom 19.10.2018 zu Recht wegen entschiedener Sache zurück:
Mit Bescheid des Bundesministeriums für Inneres zur Zahl XXXX vom 16.05.1992 wurde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin Flüchtling im Sinne des Bundesgesetzes vom 07.03.1968, BGBl. Nr. 126/68, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Bundesgesetzes vom 27.11.1974, BGBl. Nr. 796/74, und gemäß § 7 Abs. 1 des AsylG zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist.
Wie sich auch aus dem Beschwerdevorbringen zweifelsfrei ergibt stützt sich der nunmehrige Antrag auf eine unterstellte, regimefeindliche, oppositionelle, politische Gesinnung der Beschwerdeführerin, die bereits zur Zuerkennung des Status des Flüchtlings im Jahr 1992 geführt hat. Zum gegenständlichen Antrag wurde ausgeführt, dass diese Verfolgung noch aktuell sei (vgl. AS 307).
Diesem rechtskräftigen Vorbescheid lag ein Asylantrag der Beschwerdeführerin aus dem Jahr 1991 zu Grunde. Wie den Gesetzesmaterialen zum - nunmehr geltenden - AsylG 2005 ausdrücklich zu entnehmen ist, war dieser Antrag inhaltlich auf denselben Schutzstatus gerichtet, wie der nunmehr von der Beschwerdeführerin gestellte Antrag auf internationalen Schutz vom 19.10.2018. Die Rechtsbegehren decken sich somit vollständig. Die nunmehr vorgebrachten Fluchtgründe zielen auf dieselbe rechtliche Beurteilung wie im Vorbescheid ab.
Nachdem einerseits dem Antrag der Beschwerdeführerin im Jahr 1991 auf Gewährung von Asyl vollinhaltlich entsprochen wurde, indem ihr der Status eines "Flüchtlings" zuerkannt wurde und zugleich ausgesprochen wurde, dass sie zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist, und andererseits der Antrag vom 19.10.2018 auf denselben Schutzstatus gerichtet ist und sich darauf stützt, dass der vorgebrachte Verfolgungsgrund aus dem Jahr 1991 noch immer aktuell sei, geht der nunmehr gestellte Antrag auf internationalen Schutz ins Leere. Es kommt nämlich allein auf den normativen Inhalt des bescheidmäßigen Abspruches des rechtskräftig gewordenen Vorbescheides an (vgl. zu allem etwa das Erkenntnis VwGH 29.01.2008, Zl. 2005/11/0102, mwN).
Somit wurde mit dem neuen Antrag weder eine Abänderung noch eine Aufhebung der bereits rechtskräftig entschiedenen Sache, nämlich der Zuerkennung des Staus eines "Flüchtlings" im Jahr 1992, begehrt. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin vermag vor dem Hintergrund, dass auch eine Änderung der Rechtslage nicht eingetreten ist, nicht zu einer anderen Beurteilung führen.
Vor diesem Hintergrund war auf die nunmehrige inhaltliche Ausführung der Beschwerdeführerin, weshalb ihr der Status einer Asylberechtigten zuerkannt werden müsse, nicht näher einzugehen. Lediglich der Vollständigkeit halber wird jedoch festgehalten, dass auch keine geänderte Verfolgungssituation der Beschwerdeführerin seit ihrer ersten Asylantragsstellung festgestellt werden konnte.
Es liegt sohin Identität der Sache vor.
Der Antrag vom 19.10.2018 war daher zu Recht wegen entschiedener Sache zurückzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden.
3.3. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Eine mündliche Verhandlung kann gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG).
Die Verhandlung kann entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (§ 24 Abs. 2 VwGVG).
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden (§ 24 Abs. 3 VwGVG).
Da der verfahrenseinleitende Antrag zurückzuweisen war, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG unterbleiben. Der für die Zurückweisung maßgebliche Sachverhalt war zudem auf Grund der Aktenlage klar. Darüber hinaus haben die Parteien keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt.
3.4. Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchpunkt A wiedergegeben. Die unter Spruchpunkt A angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zum Teil zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich weitestgehend gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Asylgewährung Identität der Sache ne bis in idem Prozesshindernis der entschiedenen SacheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W259.2216778.1.00Im RIS seit
07.09.2020Zuletzt aktualisiert am
07.09.2020