Entscheidungsdatum
21.04.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
W275 2156084-2/3Z
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Stella VAN AKEN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen Spruchpunkt VI. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.03.2020, Zahl 1072898710/190737102, zu Recht:
A)
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.
B)
DIE REVISION IST GEMÄß ART. 133 ABS. 4 B-VG NICHT ZULÄSSIG.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.03.2020 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan festgestellt (Spruchpunkt III.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt V.) sowie gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht am 20.04.2020 zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger Staatsangehöriger Afghanistans. Er leidet seit seiner Geburt - ebenso wie sein Bruder - an Hämophilie (Bluterkrankheit) und injiziert sich zwei Mal pro Woche Beriate als Gerinnungsmittel. In Afghanistan ist eine alternative Medikation verfügbar. Die Verwendung der alternativen Medikation führt zu keinen medizinischen Beeinträchtigungen.
Mit rechtskräftigem Urteil eines Landesgerichtes als Jugendschöffengericht vom 31.01.2017 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der Vergewaltigung gemäß § 201 Abs. 1 und Abs. 2 erster Fall StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von sechs Jahren verurteilt.
Es liegen keine außergewöhnlichen Umstände vor, denen zufolge anzunehmen gewesen wäre, dass eine Rückkehr oder Rückführung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr der Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Die getroffenen Feststellungen werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.
Konkrete Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat stützt, wurden in der Beschwerde nicht überzeugend vorgebracht. Derartige Gründe sind auch sonst nicht hervorgekommen.
Hinsichtlich der Ausführungen in der Beschwerde, wonach im angefochtenen Bescheid zur Thematik der medizinischen Versorgung nicht nachvollziehbar gemacht worden sei, wie der Beschwerdeführer die "mehrmals wöchentlich notwendige Behandlung" in Afghanistan in Anspruch nehmen könne, ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer sich die erforderliche Medikation laut den im Akt einliegenden medizinischen Unterlagen zwei Mal pro Woche selbst injiziert (insbesondere AS 17). Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat sich überdies auch mit der Frage der Versorgung unmittelbar nach Ankunft in Afghanistan befasst und in diesem Zusammenhang in Erfahrung gebracht, dass dem Beschwerdeführer Medikation im Umfang von bis zu einem Monatsbedarf mitgegeben werden kann (AS 77). Dass die belangte Behörde - wie in der Beschwerde vorgebracht - nicht nachvollziehbar gemacht habe, inwiefern der Beschwerdeführer - von Kabul abgesehen - im übrigen Herkunftsland tatsächlich in der Lage wäre, die notwendige Behandlung in Anspruch zu nehmen, kann im gegenständlichen Fall nicht pauschal zu der Schlussfolgerung führen, dass eine Rückkehr oder Rückführung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr der Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde. Vielmehr ist es fallbezogen als ausreichend anzusehen, dass eine alternative Medikation in Teilen Afghanistans verfügbar ist. Dass dies gegenständlich der Fall ist, hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in umfassender Form ermittelt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt.
Auch den Ausführungen in der Beschwerde, wonach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den finanziellen Aspekt der Behandlung außer Acht gelassen habe, zumal der Beschwerdeführer wegen seiner Erkrankung keine schwere Arbeit verrichten könne, kann nicht gefolgt werden. Diesbezüglich ist vielmehr zu berücksichtigen, dass der volljährige Beschwerdeführer, der laut seinen Angaben - ebenso wie sein Bruder - seit seiner Geburt an Hämophilie leidet (AS 5), bereits im Iran auf Baustellen gearbeitet hat (AS 9 und 11) und auch während seiner Anhaltung in Strafhaft einer Arbeit nachging (AS 9). Der Beschwerdeführer verfügt überdies (zumindest) über eine Tante in Afghanistan und hat mit seiner (laut seinen Angaben im Iran aufhältigen) Kernfamilie regelmäßig Kontakt (AS 9). Vor dem Hintergrund, dass der Bruder des Beschwerdeführers ebenso an Hämophilie leidet und laut den Ausführungen des Beschwerdeführers "dieselbe Spritze" erhalte und auch der Beschwerdeführer selbst in der Vergangenheit "dasselbe Medikament" erhalten hat (AS 5und 9), kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Eltern des Beschwerdeführers den Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nicht unterstützen würden.
Selbst unter Berücksichtigung des diesbezüglichen Beschwerdevorbringens kann auch im Hinblick auf die weltweite Ausbreitung des COVID-19-Erregers unter Zugrundelegung der medial ausführlich kolportierten Entwicklungen (auch) im Herkunftsland des Beschwerdeführers bislang keine derartige Entwicklung erkannt werden, die im Hinblick auf eine Gefährdung nach Art. 2 und 3 EMRK eine entscheidungsrelevante Lageänderung erkennen lässt.
Was die Folgen der COVID-19-Pandemie in Afghanistan betrifft, so ist überdies festzuhalten, dass es sich hierbei definitionsgemäß um eine weltweite Problematik handelt und kein Staat absolute Sicherheit vor dieser Erkrankung bieten kann; dies wird etwa auch durch die aktuellen Entwicklungen in der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika belegt. Der fast einundzwanzigjährige Beschwerdeführer leidet zwar seit seiner Geburt an Hämophilie, er gehört nach derzeitigen medizinischen Erkenntnissen mit dieser Erkrankung jedoch keiner Risikogruppe an, sodass auch aus diesem Grund von keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK auszugehen ist (siehe dazu weiters die im Akt einliegenden Unterlagen). Auch aus den in der Beschwerde angeführten Quellen zur COVID-19-Pandemie in Afghanistan lässt sich im Entscheidungszeitpunkt überdies nicht schließen, dass eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan aufgrund der derzeitigen Gesundheits- und Versorgungslage nicht zumutbar ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
Eingangs ist festzuhalten, dass Gegenstand der vorliegenden Entscheidung nur jener - trennbare - Spruchteil des mit der Beschwerde angefochtenen Bescheides ist, mit dem gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aberkannt wurde, weshalb sich die Prüfung auf jene Teile des Beschwerdevorbringens beschränkt (§ 27 VwGVG), welche sich gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung richten.
Die Entscheidung des erkennenden Gerichtes in der Hauptsache, sohin hinsichtlich aller übrigen mit der gegenständlichen Beschwerde angefochtenen Spruchpunkte des Bescheides, ergeht zu einem späteren Zeitpunkt gesondert.
3.1. Zu A) Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde:
Gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung vom Bundesamt abzuerkennen, wenn
1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,
2. der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder
3. Fluchtgefahr besteht.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt und dies insbesondere damit begründet, dass der Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich eine gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.
Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.
Wie das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im angefochtenen Bescheid zutreffend dargelegt hat, erweist sich die Beendigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit als erforderlich. Der Beschwerdeführer hat durch seinen rechtswidrigen Aufenthalt in Österreich sowie durch die Art und Schwere seines Gesamtfehlverhaltens, unter besonderer Berücksichtigung der strafgerichtlichen Verurteilung wegen des Verbrechens der Vergewaltigung, wobei der Beschwerdeführer trotz des Umstandes der bisherigen Unbescholtenheit und des Vorliegens einer Jugendstraftat zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Jahren - zumal sich diese im Hinblick auf den durch § 5 Z 4 JGG herabgesetzten Strafrahmen des § 201 Abs. 2 StGB (Freiheitsstrafe im Ausmaß von bis zu siebeneinhalb Jahren ohne Untergrenze) dennoch im oberen Bereich bewegt - verurteilt wurde, deutlich gemacht, dass er bislang nicht gewillt war, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten. Zu berücksichtigen ist insbesondere auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer als Mittäter mit zwei weiteren Jugendlichen das Opfer an einem Ort angriff, an welchem dieses in eine kaum wehrfähige Situation gebracht wurde, sowie die mehrfache Qualifikation der schweren Verletzung und die mehrfachen Tathandlungen, welche das zuständige Strafgericht in seinem Urteil als erschwerend wertete. Das zuständige Strafgericht nahm in seiner Entscheidung weiters darauf Bezug, dass der Beschwerdeführer in der im Jänner 2017 durchgeführten Hauptverhandlung keinerlei Empathie für das Opfer und Reue zeigte (Seite 11 des Urteils). Insofern gehen auch die Beschwerdeausführungen, wonach sich der Beschwerdeführer im Strafverfahren reumütig zu seiner Tat bekannt habe, ins Leere.
Auch unter Berücksichtigung der beabsichtigen vorzeitigen Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft sind die soeben ausgeführten Umstände als so schwerwiegend zu beurteilen, dass die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit jedenfalls als gerechtfertigt erscheint.
Überdies wurden in der Beschwerde keine Umstände glaubhaft gemacht, denen zufolge dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr oder eine ernsthafte Bedrohung im Sinne des § 18 Abs. 5 BFA-VG drohen würde (siehe dazu bereits oben).
Auch konkrete Anhaltspunkte dahingehend, dass im gegenständlichen Fall zu berücksichtigende private oder familiäre Interessen des Beschwerdeführers vorliegen würden, die das öffentliche Interesse an einer raschen Aufenthaltsbeendigung allenfalls überwiegen würden, sind unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände des Beschwerdeführers - selbst unter Beachtung des zwischenzeitig erlangten ÖSD-Zertifikates Niveau B1 - nicht hervorgekommen.
Unbeachtlich des Vorbringens in der Beschwerde haben sich auch sonst keine Umstände ergeben, wonach die aufschiebende Wirkung von Amts wegen zuzuerkennen gewesen wäre.
Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist somit zu Recht erfolgt, weshalb die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG als unbegründet abzuweisen und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung auch nicht von Amts wegen zuzuerkennen war.
3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG entfallen.
3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung aufschiebende Wirkung - EntfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W275.2156084.2.00Im RIS seit
07.09.2020Zuletzt aktualisiert am
07.09.2020