TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/19 W171 2230943-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.05.2020
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Entscheidungsdatum

19.05.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35 Abs3

Spruch

W171 2230943-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA, als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch RA Dr. P. Krömer, St. Pölten, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.05.2020, Zl: XXXX zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG i.V.m. § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG i.V.m. § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

III. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG i.V.m. § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von ? 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (in Folge auch BF) reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 29.11.2015 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Am 12.05.2016 stellte er einen Antrag auf Übernahme der Heimreisekosten und gab bekannt, dass er freiwillig in seine Heimat zurückkehren wolle. Am 02.08.2016 teilte er jedoch seinen Widerruf der freiwilligen Rückkehr mit.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge auch BFA oder Behörde genannt) vom 22.12.2017 wurde sein Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Afghanistan gem. § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gegen ihn wurde eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gem. § 46 FPG zulässig sei. Die Frist zur freiwilligen Ausreise betrug 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Gegen den am 05.01.2018 zugestellten Bescheid des BFA wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.04.2019 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis des BVwG wurde am 18.04.2019 zugestellt und erwuchs selbigen Tages in Rechtskraft.

In weiterer Folge begab sich der BF illegal nach Frankreich und stellte dort einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 22.01.2020 wurden er auf dem Luftweg von Frankreich nach Österreich rücküberstellt und stellte er in Österreich einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag).

Mit Verfahrensanordnung des BFA gem. § 29 Abs. 3 AsylG vom 27.01.2020 wurde dem BF mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, sowie den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben.

Am 13.02.2020 wurden er vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Das BFA verkündete gem. § 12a Abs. 2 iVm § 22 Abs. 10 AsylG mündlich die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gem. § 12a Abs. 2 AsylG. Von 23.01.2020 bis 17.02.2020 befand sich der BF in der Betreuungsstelle Ost. Ebenso am 13.02.2020 wurde dem BF eine Anordnung zur Unterkunftnahme gem. § 15b AsylG zugestellt. Am 17.02.2020 wurde festgehalten, dass der BF seit mehr als 48 Stunden von der Unterkunft unerlaubt ferngeblieben war.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.02.2020 wurde festgestellt, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG iVm § 22 Abs. 10 AsylG rechtmäßig war.

Von 17.02.2020 bis 04.03.2020 war der BF wohnhaft an einer Adresse in Wien. Danach scheint kein meldebehördlicher Wohnsitz mehr in Österreich auf. Am 10.03.2020 stellte das BFA bei der Botschaft der Islamischen Republik Afghanistan einen Antrag auf Ausstellung eines Ersatzreisedokumentes.

Am 30.04.2020 bzw. am 07.05.2020 brachte der BF einen Antrag auf Ausstellung einer Duldung gem. § 46a FPG bei der Behörde ein.

Am 04.05.2020 wurde der BF aufgrund des seit 06.03.2020 bestehenden Festnahmeauftrags festgenommen und in ein PAZ eingeliefert.

Am 05.05.2020 wurde der BF von einem Behördenvertreter des BFA unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Dabei führte der BF im Wesentlichen aus, er leide an einer psychischen Erkrankung die medikamentös behandelt werde. Er legte mehrere monatealte Befunde, auch in französischer Sprache vor. Er sei jedoch zwei Monate zuvor bei einem Arzt in der Betreuungsstelle gewesen, dessen Namen er nicht nennen könne. Dieser habe ihm Medikamente verschrieben. Er fühle sich in der Schubhaft nicht sehr wohl, leide aber an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten oder körperlichen Gebrechen.

Er habe nicht gewusst, dass er seine Identität in den Verfahren nachweisen hätte müssen und habe bisher nichts zur Erlangung dementsprechender Urkunden unternommen. Er habe in Österreich keine familiären Anknüpfungspunkte, jedoch ein paar Deutschkurse besucht. In der Asylunterkunft habe er ausgeholfen und ein bisschen gearbeitet. Eine Arbeitsbewilligung habe er jedoch nicht. Er habe zuletzt in Parkanlagen übernachtet und habe keine Adresse. Nach der letzten Entscheidung des BVwG habe er Angst gehabt, dass die Polizei kommen werde und ihn verhaften werde. Er wolle nicht nach Afghanistan zurückkehren und danke für das Angebot auf freiwillige Rückkehr.

Mit gegenständlich angefochtenem Mandatsbescheid gem. § 76 Abs. 2 Z.2 FPG vom 05.05.2020 wurde sodann die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Der Bescheid wurde dem BF persönlich übergeben. Darin wurde ausgeführt, dass der BF durch sein Vorverhalten die Tatbestandsmerkmale des § 76 Abs. 3 Zi. 1,3 u. 9 FPG erfüllt habe und daher von Fluchtgefahr auszugehen sei. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit habe ergeben, dass die privaten Interessen der Schonung der persönlichen Freiheit des BF dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen haben. Ein gelinderes Mittel sei nach Sicht der Behörde nicht als ausreichende Sicherung anzusehen, um von einer gesicherten Rückführung des BF in seinen Herkunftsstaat ausgehen zu können. Die gegenständliche Schubhaft sei daher notwendig und rechtmäßig.

Mit Beschwerdeschrift vom 13.05.2020 wurde im Wesentlichen die Rechtswidrigkeit der laufenden Schubhaft moniert und angemerkt, dass derzeit ein offenes Verfahren gem. § 46a FPG anhängig sei, da die angeordnete Abschiebung nach Afghanistan aufgrund von CoVid-19 derzeit eine Gefahr für das Leben des BF darstelle. Der BF sei nie flüchtig gewesen und könne an einer genannten Adresse bei einer Flüchtlingseinrichtung in Wien gemeldet werden. Deshalb sei die Verhängung eines gelinderen Mittels möglich. Es folgten Ausführungen zur CoViD-19 Situation in Afghanistan. Gestützt auf zitierte Artikel wurde argumentiert, dass eine Rückkehr des BF nach Afghanistan aufgrund der derzeitigen Gesundheits- und Versorgungslage nicht zumutbar sei. Es sei jedenfalls die Entscheidung über den Antrag nach § 46a FPG abzuwarten. Der BF sei überdies unbescholten und habe sich auch im bisherigen Verfahren ordnungsgemäß verhalten, ein gelinderes Mittel sei daher ausreichend.

Begehrt wurde die Aufhebung bzw. Abänderung des Bescheides in ein gelinderes Mittel.

Die Behörde legte dem Gericht den Schubhaftakt am 14.05.2020 vor und erstattete eine Stellungnahme unter Beantragung der Abweisung der Beschwerde sowie des Kostenersatzes für die Aufwendungen. Dabei wurde wie nachstehend (verkürzt) ausgeführt:

"Sofern in der vorliegenden Beschwerdeschrift angemerkt wird, dass derzeit ein offenes Verfahren gem. § 46 PG anhängig ist, so wird informationshalber festgehalten, dass seitens der rechtsfreundlichen Vertretung ein entsprechender Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete gem. § 46a Abs. 1 Z 1 und Z 3 iVm Abs. 4 FPG eingebracht wurde, und zwar per E-Mail am 07.05.2020. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der BF bereits im Stande der Schubhaft, und zwar konkret seit 05.05.2020. Der Duldungsantrag ist zwar mit 30.04.2020 datiert, wurde jedoch nachweislich im elektronischen Wege erst am 07.05.2020 dem BFA übermittelt.

Dieser Duldungsantrag wird zusammengefasst damit begründet, dass die Abschiebung des BF aus tatsächlichen, von diesem nicht zu vertretenden Gründen unmöglich sei, weil dieser von der afghanischen Vertretungsbehörde kein Reisedokument ausgestellt erhalten würde. Richtig ist, dass das entsprechende Verfahren (Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte) aktuell beim BFA anhängig ist.

Entgegen den Ausführungen in der vorliegenden Beschwerdeschrift, wonach der BF nie flüchtig gewesen wäre, so hat das Bundesamt diesbezüglich richtigzustellen, dass sich der BF kurz nach rechtskräftiger Abweisung seines ersten Asylantrages (rechtskräftig mit 18.04.2019, II. Instanz) unrechtmäßig nach Frankreich abgesetzt hat und dort einen weiteren Asylantrag gestellt hat, und zwar am 30.08.2019 (siehe EURODAC-Treffer der Kategorie 1). Festgehalten wird, dass der BF gegenüber den französischen Behörden anderslautende Identitätsangaben tätigte.

Der BF wurde am 22.01.2020 auf dem Luftweg von Frankreich nach Österreich rücküberstellt.

Darüber hinaus hat der BF seinen letzten ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet in Wien ab 04.03.2020 aufgegeben. Seitdem scheint keine Adressmeldung mehr in Österreich auf. Der BF hat aussagekonform (vgl. EV vom 05.05.2020) zuletzt unterstandslos auf der Straße und in Stadtparks genächtigt. Anlässlich der niederschriftlichen Einvernahme am 05.05.2020 gibt der BF selbst zu Protokoll, dass er seine Wiener Wohnadresse u.a. deshalb aufgegeben hat, weil er mögliche behördliche bzw. polizeiliche Konsequenzen aus der zuletzt ergangenen gerichtlichen Entscheidung (Beschluss BVwG vom 24.02.2020, Aufhebung des fakt. Abschiebeschutzes gem. § 12a Abs. 2 AsylG iVm § 22 Abs. 10 AsylG rechtmäßig) befürchtete. Siehe dazu EV vom 05.05.2020, S. 7.

Der BF hat sich somit wiederholt den Behörden entzogen, und zwar konkret durch seine unrechtmäßige Weiterreise nach Frankreich als auch durch die Aufgabe seiner ordentlichen Wohnsitzmeldung in Wien. Diese Entziehungen erfolgten stets zeitnah vor dem Hintergrund der jeweiligen Verfahrensentwicklungen. Nach negativem Abschluss seines ersten Asylverfahrens setzte er sich nach Frankreich ab. Nach rechtskräftiger Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im zweiten Asylverfahren meldete der BF seinen letzten Wohnsitz in Österreich ab. Festgehalten wird, dass sich der BF stets über den Verfahrensstand bewusst war und sich in Erwartung behördlicher Konsequenzen dem Bundesamt entzog.

Wenn in der Beschwerde weiters angeführt wird, dass der BF an der Adresse in 1110 Wien Unterkunft nehmen könne, so hält das Bundesamt dazu fest, dass ihm diese Möglichkeit zweifelsfrei bereits in der Vergangenheit offen gestanden wäre. Der BF hat es jedoch unterlassen, und zwar durchgehend seit 04.03.2020, sich um einen ordentlichen Wohnsitz zu bemühen. Da der BF auch während der Einvernahme am 05.05.2020 selbst angibt, etwaige behördliche Zwangsmaßnahmen bzw. polizeiliche Kontrollen zu fürchten, so kommen nach Ansicht des Bundesamtes auch gelindere Mittel nicht in Frage.

Die Behörde kann zusammengefasst daher den Beschwerdeausführungen nicht folgen, wonach der BF zu keinem Zeitpunkt flüchtig gewesen wäre.

Wenn in der Beschwerde auch angeführt wird, dass aufgrund der CoV-19-Krise eine Anhaltung unverhältnismäßig bzw. nicht weiter zulässig ist, da ein Zeitpunkt der Abschiebung aufgrund eines eingeschränkten Flugverkehrs nicht absehbar ist, so ist grundsätzlich richtig, dass ein Ende der gegenwärtigen Maßnahmen nicht vorhersehbar ist, jedoch eine derartige Ausnahmesituation nicht zur Aussetzung der Rechtsstaatlichkeit führen darf, sondern dies mit allen gesetzlichen Mitteln zu verhindern ist.

Was die weitere Gesundheits- und Versorgungslage in Afghanistan betrifft, so trifft es vermutlich zu, dass, wie in allen von der CoV-19 betroffenen Ländern, mit einem Anstieg an Krankheitsfällen zu rechnen ist, jedoch die afghanische Regierung ebenfalls Maßnahmen gegen eine Ausbreitung ergreift und auch der Zusammenhalt in der übrigen Bevölkerung untereinander gegeben ist.

Derzeit herrscht weltweit die als COVID-19 bezeichnete Pandemie. COVID-19 wird durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursacht. Im Herkunftsstaat (Afghanistan) wurden bisher 5.639 Fälle von mit diesem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei bisher 136 diesbezügliche Todesfälle bestätigt wurden (https://coronavirus.jhu.edu/map.html, abgerufen am 14.05.2020).

Wie gefährlich der Erreger SARS-CoV-2 ist, kann derzeit noch nicht genau beurteilt werden. Man geht aber von einer Sterblichkeitsrate von bis zu drei Prozent aus, wobei v.a. alte Menschen und immungeschwächte Personen betroffen sind (https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeufig-gestellte-Fragen.html, abgerufen am 14.05.2020).

Sofern in der Beschwerdeschrift angeführt wird, dass es in Afghanistan in Bezug auf Covid-19 keine bzw. fehlende Möglichkeiten zur Isolation gibt, so wird festgehalten, dass der BF zweifelsfrei über Obdach, Unterstützung und Verpflegung im familiären Kreise erfahren wird. Diesbezüglich wird auf die Feststellungen im angefochtenen Bescheid verwiesen. Das Bundesamt geht davon aus, dass der BF über verwandtschaftliche Bindungen im Heimatland verfügt. Der Familie geht es wirtschaftlich gut, sie verfügen über ein Haus und ein Grundstück. Hier ist auch auf den Beschluss des BVwG vom 24.02.2020, zu verweisen.

Der BF ist jung, arbeitsfähig und verfügt über eine hohe persönliche Mobilität, zumal dieser in Eigenregie nach Frankreich gereist ist. Seine Reise- und Überstellungsfähigkeit steht fest, da der BF zuletzt im Jänner 2020 auf dem Luftweg von Frankreich nach Österreich rücküberstellt wurde. Auch leidet der BF an keinen schwerwiegenden Vorerkrankungen und befand sich zuletzt in keiner engmaschigen, fortlaufenden ärztlichen Behandlung. Eine solche war offenbar auch nicht nötig bzw. von ihm angedacht, lebte er doch zuletzt eigenverantwortet ohne Unterkunft in Wien auf Straßen und in Stadtparks. Bedürfte der BF einer dringenden medizinischen Betreuung, so hätte er sich selbstständig einem Arzt / einer Ärztin anvertraut. Der BF ist nicht immungeschwächt. Der BF ist ein junger Erwachsener Mitte 20. Die Behörde kann daher ausschließen, dass der BF zur Covid-19-Risikogruppe zählt.

Wenn in der vorliegenden Beschwerdeschrift angemerkt wird, dass es zu einer gesellschaftlichen Stigmatisierung von Erkrankten kommen kann bzw. Personen aufgrund eines "Seuchen-Stigmas" sozialen Ausschluss erleben würden, so hält die Behörde ausdrücklich fest, dass der BF derzeit keinerlei Anzeichen bzw. Symptome einer Corona-Erkrankung aufweist, im Falle seiner Rückkehr im Familienverband aufgenommen werden und auch mit entsprechender sozialer bzw. finanzieller Unterstützung rechnen kann. Daher sind auch die weiteren Anmerkungen in der Beschwerdeschrift hinsichtlich von Ausgangssperren in Afghanistan insofern nicht tragfähig, als der BF im engsten Familienkreise keinesfalls mit lebensbedrohlichen Konsequenzen oder einer verschärften humanitären Lage konfrontiert ist.

Der BF ist haftfähig. Nach heute erfolgter tel. Rücksprache mit dem PAZ wurde der BF zuletzt gestern, am 13.05.2020, amtsärztlich untersucht. Demnach ist die Haftfähigkeit weiterhin gegeben. Der BF nimmt laut Auskunft des PAZ aktuell Medikamente. Aktuell bekommt der BF abends das Arzneimittel Trittico zu beruhigenden, angstlösenden und stimmungsaufhellenden Zwecken verabreicht. Morgens erhält der BF Escitalopram gegen Depressionen und mögliche Panikstörungen.

Der BF befand bzw. befindet sich nicht in Hungerstreik.

Grundsätzlich ist daher zusammengefasst festzustellen, dass der BF haftfähig ist und keiner intensivmedizinischen Behandlung bedarf. Sollte der BF dennoch ärztlicher Hilfe bedürfen, so wird ihm eine solche im Stande der Schubhaft (wie bisher) auch angedeihen.

Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des BF in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht aus aktueller Sicht weiterhin. Es ist auch damit zu rechnen, dass die gegenwärtigen Verzögerungen und Annullierungen im internationalen Flugverkehr im Zusammenhang mit CoV-19 zumindest weitgehend gelockert und Abschiebungen durchgeführt werden können.

Zu den bisherigen behördlichen Bemühungen hinsichtlich der Erlangung eins Heimreisezertifikates wird festgehalten, dass das BFA am 10.03.2020 einen Antrag auf Ausstellung eines Ersatzreisedokumentes bei der Botschaft der Islamischen Republik Afghanistan gestellt hat.

Es konnte behördlich bereits kurzfristig ein Termin zur Identitätsfeststellung organisiert bzw. fixiert werden. Der BF wird morgen, am 15.05.2020, einer afghanischen Botschaftsdelegation in Wien vorgeführt. Sofern der BF wahrheitsgemäße Angaben zu seiner Person macht, ist mit einer Identifizierung zu rechnen und von der Ausstellung eines Reisedokumentes auszugehen.

Die Anhaltung in Schubhaft ist jedenfalls nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist.

Auch aufgrund ständiger Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts wegen CoV-19 gelangt das Bundesamt zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorliegen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis steht und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich sowie geboten ist.

Es wird beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge

1. die Beschwerde als unbegründet abweisen,

2. den Beschwerdeführer zum Ersatz der unten angeführten Kosten verpflichten.

Ersatz für den Vorlageaufwand der belangten Behörde

? 57,40

Ersatz für den Schriftsatzaufwand der belangten Behörde

? 368,80

Summe

? 426,20"

Der BF wurde am 15.05.2020 der afghanischen Delegation vorgeführt. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikates wurde zugesagt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person:

1.1. Der BF reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 29.11.2015 seinen ersten und am 22.01.2020 seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Er ist afghanischer Staatsangehöriger und sohin Fremder i.S.d. Diktion des FPG.

1.2. Er hat bisher keinen gültigen dauerhaften Aufenthaltstitel in Österreich erhalten und wurde bereits eine Rückkehrentscheidungen erlassen.

1.3. Der BF leidet an einer leichten psychischen Erkrankung und hat der Behörde bisher kein identitätsbezeugendes Dokument vorgelegt.

1.4. Er ist in Österreich unbescholten.

1.5. Der BF hat sich bereits am 12.05.2016 zur freiwilligen Ausreise nach Afghanistan angemeldet, hat seine Rückkehrabsicht jedoch am 02.08.2016 bereits wieder widerrufen.

Zu den allgemeinen Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1. Seit dem 18.04.2020 besteht gegen den BF eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung.

2.2. Ein Heimreisezertifikat für den BF liegt noch nicht vor. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch Afghanistan wurde zugesagt.

2.3. Der BF ist haftfähig.

Zum Sicherungsbedarf:

3.1. Gegen den BF liegt eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

3.2. Der BF ist nach negativem Abschluss seines ersten Asylverfahrens illegal nach Frankreich gereist und war daher für die Behörde nicht greifbar. Er wurde am 20.01.2020 von Frankreich, wo er ebenfalls einen Asylantrag gestellt hatte, nach Österreich rücküberstellt, stellte rechtlich gesehen sohin mit Wiedereinreise einen Folgeantrag und tauchte noch während des laufenden zweiten Asylverfahrens unter.

3.3. Er ist nicht vertrauenswürdig.

3.4. Er ist nicht rückreisewillig und nicht kooperativ.

3.5. Er hatte seit dem 04.03.2020 in Österreich keine Meldeadresse und übernachtete auf der Straße oder in Parkanlagen.

3.6. Der BF gab anlässlich der Einvernahme am 05.05.2020 selbst zu Protokoll, die Wohnadresse u.a. deshalb aufgegeben zu haben, um behördlichen Konsequenzen zu entgehen.

3.7. Im laufenden Asylantragsfolgeverfahren wurde der faktische Abschiebeschutz rechtskräftig aufgehoben.

3.8. Zum Zeitpunkt der Stellung des Asylfolgeantrages (22.01.2020) bestand gegen den BF bereits eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme.

3.9. Der BF hat eine Anordnung zur Unterkunftnahme gem. § 15b AsylG missachtet und ist der Unterkunft über die gestattete Zeit ferngeblieben.

Zur familiären/sozialen Komponente:

4.1. In Österreich bestehen keine familiären und sonstigen nennenswerten sozialen Beziehungen.

4.2. Der BF geht im Inland keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, ist nicht selbsterhaltungsfähig und weist keine besonderen Integrationsmerkmale auf.

4.3. Er verfügt über keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Existenzsicherung.

4.4. Er verfügt nicht über einen gesicherten Wohnsitz im Inland.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person und zum Verfahrensgang (1.1.-1.5.):

Der Verfahrensgang sowie die Feststellungen zur Person des BF ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde und den gerichtlichen Vorakten sowie dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes (1.1.). Die Feststellungen zu 1.2. hinsichtlich des Bestehens einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung und des Fehlens eines dauerhaften Aufenthaltstitels ergeben sich aus dem Akteninhalt. Die vom BF angegebenen psychischen Beschwerden erreichen nicht den Grad einer wesentlichen gesundheitlichen Beeinträchtigung des BF, da dieser aktuell nicht in regelmäßiger Behandlung steht und lediglich bei Bedarf gelegentlich medikamentös behandelt wird. Darüber hinaus sind keine nennenswerten Erkrankungen des BF aktenmäßig erfasst und wurde auch in der Beschwerde keine gesundheitliche Beeinträchtigung geltend gemacht (1.3.). Das Gericht konnte daher davon ausgehen, dass der BF an keiner schweren Erkrankung leidet. Die strafgerichtliche Unbescholtenheit war dem Strafregister zu entnehmen (1.4.). Im Rahmen seines ersten Asylverfahrens zeigte sich der BF zum Schein ausreisewillig, widerrief seine diesbezügliche Erklärung jedoch nach der Aktenlage sodann wieder (1.5.).

2.2. Zu den Voraussetzungen der Schubhaft (2.1.-2.3.):

Die Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten und wurde seitens des Beschwerdeführers nicht in Zweifel gezogen (2.1.).

Die Feststellung zu 2.2. ergibt sich daraus, dass der Aktenlage gemäß derzeit noch kein Heimreisezertifikat vorliegt, dieses jedoch bereits am 10.03.2020 beantragt worden ist. Nach einer telef. eingeholten ersten Information seitens des Gerichts vom 15.05.2020 wurde die Ausstellung eines Heimreisezertifikates seitens der afghanischen Botschaft zugesagt.

Die Feststellung zur Haftfähigkeit (2.3.) ergibt sich aus den Angaben im Akt und liegen diesbezüglich dem Gericht zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung keine anderslautenden Informationen vor. Es war daher von einer bestehenden Haftfähigkeit auszugehen.

2.3. Zum Sicherungsbedarf (3.1.-3.9.):

Das Vorliegen einer durchsetzbaren und aufenthaltsbeendenden Maßnahme ergibt sich bereits aus dem Akteninhalt (3.1.). Ebenso lässt sich dem Behördenakt sowie den gerichtlichen Vorakten entnehmen, dass der BF nach der negativen Beendigung des Erstantragsverfahrens illegal nach Frankreich gereist und sohin für die Behörden in Österreich nicht weiter greifbar gewesen ist. Der in Frankreich gestellte weitere Asylantrag war als Folgeantrag im Inland zu werten und hat das BFA in diesem Verfahren rechtsgültig den faktischen Abschiebeschutz aufgehoben. Als dies durch das BVwG bestätigt wurde, hat sich der BF von seiner Wohnadresse abgemeldet und ist untergetaucht (3.2.). Er tauchte nach eigenen Angaben in der Vernehmung vom 05.05.2020 aus Furcht vor den zu erwartenden behördlichen Konsequenzen (hier wohl die Abschiebung gemeint) unter (3.6.). Er übernachtete fortan nach eigenen Angaben auf der Straße und in Parkanlagen (3.5.).

Aus dem gesamten Verhalten des BF ergibt sich, dass dieser nicht vertrauenswürdig ist. Dies zeigt sich auch dadurch, dass der BF bereits einmal seine selbst beantragte freiwillige Ausreise widerrufen hat und bei beiden Asylverfahren jeweils in dem Moment untertauchte, als eine zwangsweise Abschiebung im Raum stand (3.3.). Die fehlende Rückreisewilligkeit lässt sich aus dem Gesamtverhalten des BF klar entnehmen und hat er dies auch in seiner Einvernahme vom 05.05.2020 verbal bekräftigt. Der BF verhielt sich aber auch nicht kooperativ, indem er sich bisher in keiner Weise bemühte, selbst Dokumente über seine Identität zu erlangen und in Frankreich ein anderes Geburtsdatum angab. (3.4.).

Darüber hinaus ergibt sich aus dem Akteninhalt auch, dass im Folgeantragsverfahren des BF gem. § 12 a AsylG der faktische Abschiebeschutz aufgehoben wurde (3.7.). Die Feststellungen zu 3.8. und 3.9. ergeben sich ebenso aus dem Akteninhalt, bzw. aus den Angaben im IZR. Demnach wurde dem BF eine Wohnsitzauflage gem. § 15b AsylG erteilt. Dennoch war er mehr als 48 Stunden unerlaubt von diesem Wohnsitz abwesend (AS 79).

2.4. Familiäre/soziale Komponente (4.1.-4.4.):

Aufgrund der Aktenlage (behördlicher und gerichtlicher Schubhaftakt) ergibt sich, dass der BF über keinerlei familiäre oder anderweitige wesentliche soziale Kontakte in Österreich verfügt (4.1.). Er hat auch keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Existenzsicherung (? 50,-- per 14.05.2020) und war nicht legal erwerbstätig. Ein diesbezüglich konträres Vorbringen enthält die Beschwerde nicht. Auch sonst liegen keine Merkmale für eine bestehende Integration des BF im Inland vor (4.2. und 4.3.).

Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens wurde nunmehr eine Wohnmöglichkeit in einer Unterbringungseinrichtung in Wien behauptet. Es liegen jedoch keinerlei Hinweise dafür vor, dass der BF tatsächlich in dieser Einrichtung Aufnahme finden kann. Der BF hat hiezu keinerlei Unterlagen übermittelt oder aber zielführende Beweisanbote gestellt. Auch ist in diesem Fall nicht klar, weshalb der BF sich nicht schon zuvor an dieser nun erstmals angegebenen Adresse hauptgemeldet und Unterkunft bezogen hat. Das Gericht geht daher in diesem Fall eines völlig unsubstanziierten Vorbringens nicht davon aus, dass es sich um einen gesicherten Wohnsitz handeln würde. Der BF hat selbst in der Befragung vom 05.05.2020 seinen unsteten Aufenthalt bestätigt und einen möglichen gesicherten Wohnsitz nicht genannt (4.4.).

2.5. Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht mehr aufzunehmen:

Von einer Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf die geklärte Sachlage Abstand genommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft:

3.1.1. Gesetzliche Grundlage:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

Zur Judikatur:

3.1.2. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, "dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig"(VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527). Bereits im Erkenntnis des VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595, wurde dazu klargestellt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zu kommt, "weshalb ohne besondere Anhaltspunkte für eine absehbare Änderung der Einstellung des Fremden die Haft nicht allein im Hinblick darauf aufrechterhalten werden darf, diese 'Einstellungsänderung' durch Haftdauer zu erwirken. (Hier: Der Fremde hatte, nachdem er nach zwei Monaten nicht aus der Schubhaft entlassen worden war, seine vorgetäuschte Mitwirkungsbereitschaft aufgegeben und zu erkennen gegeben, dass er nicht in den Kamerun zurückkehren wolle und auch nicht an einer Identitätsfeststellung mitwirken werde. Die mangelnde Kooperation des Fremden gipfelte schließlich in der Verweigerung jeglicher Angaben. Die belangte Behörde hat in Folge bis zu einem neuerlichen Einvernahmeversuch zugewartet ohne zwischenzeitig auf Basis der vorhandenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von Kamerun heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen. In diesem Verhalten der belangten Behörde ist eine unangemessene Verzögerung zu erblicken)." (VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595; vgl. dazu etwa auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

3.1.3. Aufgrund des gerichtlichen Beweisverfahrens sieht das Gericht Sicherungsbedarf für gegeben an, da der BF nicht rechtmäßig im Inland aufhältig ist und gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung besteht. Der BF hat in Österreich bisher zwei Anträge auf internationalen Schutz gestellt, jedoch keinen dauerhaften Aufenthaltstitel erhalten. Die Behörde konnte den BF nach Abschluss des ersten Verfahrens nicht zur Rückreise anleiten, da dieser untergetaucht und nach Frankreich weitergereist ist. Die Weiterreise liegt zeitnah an der Erlassung der negativen Asylentscheidung, sodass hier ein Zusammenhang sehr klar zu sehen ist. Nach Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im Zweitverfahren meldete sich der BF von seiner bisherigen Meldeadresse ab und tauchte unter. In der Einvernahme vom 05.05.2020 gesteht er zu, von seiner Adresse ausgezogen zu sein, da er (auch) befürchtete, von der Polizei festgenommen zu werden. Er lebte ohne behördliche Meldung auf der Straße und in Parkanlagen. Nach begründeter Ansicht des Gerichtes ist der BF nicht als kooperativ bzw. vertrauenswürdig anzusehen, zumal er im Rahmen der bisherigen Verfahren sich auch in keiner Weise ernsthaft ausreisewillig gezeigt hat und im Rahmen seiner letzten Einvernahme eine freiwillige Heimkehr unmissverständlich eine Absage erteilte.

Darüber hinaus kamen im Zuge des Verfahrens keinerlei nennenswerte soziale Kontakte des BF ans Tageslicht, wiewohl der BF bereits seit vielen Jahren in Österreich aufhältig ist. Der BF ist transport- und haftfähig. Einen gesicherten Wohnsitz konnte der BF lediglich behaupten, was jedoch im Verfahren zur Annahme einer gesicherten Unterkunft nicht ausreichte. Auch in der Beschwerdeschrift wurden hiezu keine weiteren Ausführungen machen.

Das Gericht geht daher in einer Gesamtsicht des Verhaltens unter den oben angeführten und festgestellten Tatbeständen des § 76 Abs. 3 jedenfalls vom Bestehen erheblichen Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Person des BF aus. Die im Bescheid erwähnten Kriterien zur Annahme des Sicherungsbedarfes haben sich im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens als weiterhin zutreffend erwiesen. Das Gericht sieht daher ebenso die Tatbestandsmerkmale der Zif. 1, 3 und 9 als erfüllt an.

Weiters hat das gerichtliche Verfahren auch die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale der Zif. 4, 5 und 8 leg. cit. ergeben, was für die Fortsetzung der Schubhaft (Spruchpunkt II.) ergänzend zu berücksichtigen war.

3.1.4. Darüber hinaus ist die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft nach Ansicht des erkennenden Gerichtes ebenso gegeben. Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse im Inland zeigt sich, dass der Beschwerdeführer keinerlei nennenswerte familiäre/soziale Kontakte im Inland hat, die im Rahmen der gerichtlichen und behördlichen Abwägung die Entscheidung zu Gunsten einer Freilassung bzw. eines Belassen in Freiheit zu beeinflussen geeignet wären. Der BF hat durch seine beharrliche Ignoranz der ihn treffenden Ausreiseverpflichtung und die Weiterreise (mit Asylantragstellung) nach Frankreich gegen geltende Gesetze des Landes und der Union verstoßen und damit zum Ausdruck gebracht, dass er ganz klar keine Unterordnung unter das im Inland bestehende Rechtssystem beabsichtigt. Er hat bisher in Österreich erfolglos zwei Anträge auf internationalen Schutz gestellt und wurden der faktische Abschiebeschutz im Rahmen seines zweiten Asylverfahren bereits aufgehoben. Die Republik Österreich hat damit nach Ansicht des Gerichts nunmehr ausreichend klar dargestellt, dass ein Verbleib des BF im Inland rechtlich nicht gedeckt ist und sohin auch ein erhöhtes Interesse an einer Außerlandesbringung des BF kundgetan. Dem gegenüber wiegen die persönlichen Interessen des BF weit weniger schwer als das öffentliche Interesse einer baldigen gesicherten Außerlandesbringung des BF. Das Gericht geht daher - wie oben angeführt - von der Verhältnismäßigkeit der Verhängung der Schubhaft aus, zumal die Bemühungen des BFA ein Heimreisezertifikat für den BF zu erlangen, im Rahmen des Verfahrens deutlich hervorgekommen sind. Dabei sei die manifestierte Unkooperativität des BF herauszuheben, die sich mehrfach im Verfahren deutlich gezeigt hat. Es ist daher dem BF nach heutiger Sicht zuzumuten, die Zeit bis zur Entscheidung über die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bzw. bis zu seiner Rückführung in Schubhaft zuzubringen.

3.1.5. Zur Effektuierbarkeit der Abschiebung:

Nach den dem Gericht vorliegenden Informationen wird für den BF ein Heimreisezertifikat durch die afghanische Botschaft ausgestellt werden.

3.1.5.1. Das Gericht schließt nicht aus, dass es aufgrund der derzeitigen Pandemie (CoViD-19) in den kommenden Wochen weiterhin zu Verzögerungen oder Annullierungen von Flügen im internationalen Flugverkehr kommen könnte. Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht jedoch aus aktueller Sicht weiterhin. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand - kooperatives Verhalten des Beschwerdeführers vorausgesetzt - mit wenigen Monaten einzustufen. Eine Abschiebung im Sommer 2020 scheint aus derzeitiger Sicht jedenfalls möglich, zumal die innereuropäische Lage in Bezug auf die Reisefreiheit derzeit eine sukzessive weitere Öffnung der Grenzen und Flugverbindungen zeigt. Aus derzeitiger Sicht ist auch damit zu rechnen, dass die gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit CoViD-19 zumindest noch vor dem Sommer weitgehend gelockert und Abschiebungen wieder faktisch durchführbar werden.

Es liegen dem Gericht keine Berichte vor, die den Schluss zulassen, dass seitens der afghanischen Botschaft, oder der Behörden in Afghanistan es zu Arbeitseinstellungen gekommen ist, oder diese in naher Zukunft zu erwarten wäre. Das Gericht geht daher diesbezüglich davon aus, dass auch die afghanische Verwaltung ihre Tätigkeit so lang als möglich weiter aufrechterhalten wird, um die Rechtsstaatlichkeit auf dem bestehenden Niveau halten zu können. Eine unverhältnismäßige Verzögerung der Abschiebung unmittelbar aufgrund dieser Umstände ist zum Entscheidungszeitpunkt jedenfalls nicht ersichtlich. Eine Abschiebung des BF innerhalb der gesetzlichen Höchstfrist ist weiterhin möglich.

Nach Ansicht des Gerichtes ist es derzeit noch nicht möglich, verlässliche Prognosen über den weiteren Verlauf der Pandemie in Österreich (Stichwort zweite Welle) und im Herkunftsstaat des BF abzugeben und kann auch die Wirksamkeit und die Wechselwirkungen der in vielen Ländern gesetzten Maßnahmen zur Eindämmung der Weiterverbreitung des Virus für einen in der Zukunft liegenden Zeitpunkt (mehrere Monate im Voraus) nicht verlässlich beurteilt werden. Derartige Prognosen stellen aus heutiger Sicht lediglich Spekulationen dar, die zur Begründung einer gerichtlichen Entscheidung nicht hinreichen können.

3.1.5.2. Aus den in der Beschwerdeschrift zitierten Informationsquellen sowie aus den derzeitig laufenden ergehenden gerichtlichen Beschwerdeentscheidungen in Asylverfahren lässt sich entnehmen, dass sich Afghanistan im Vergleich zu Österreich noch in einer früheren Phase der Ansteckungen mit dem CoViD-19-Virus befindet, jedoch seitens der dortigen Verantwortlichen (in Afghanistan) stetig weitere taugliche Maßnahmen gegen die Verbreitung gesetzt werden. Im Hinblick auf eine Prognoseentscheidung und Risikoabwägung im konkreten Fall (Grobprüfung) kann daher zum jetzigen Zeitpunkt seitens des Gerichts eine Unzulässigkeit oder Unzumutbarkeit einer Abschiebung des BF, der nach den vorliegenden Fakten nicht zu einer sogenannten Risikogruppe in Bezug auf eine Erkrankung gehört, nicht erkannt werden. Eine konkretere Behandlung dieser Thematik muss jedoch den laufenden Antragsverfahren vorbehalten bleiben. Was die hier zu beurteilende weitere Anhaltung in Schubhaft betrifft, ist diese jedoch auch aus diesem Blickwinkel nicht unverhältnismäßig.

Wie oben unter 3.1.5. angeführt, hat der BF über viele Jahre ihn treffende Rechtsnormen im Inland geradezu ignoriert. Dieses Verhalten war vom Gericht in die Beurteilung miteinzubeziehen. Das öffentliche Interesse an einer gesicherten Abschiebung des BF ist daher im vorliegenden Fall durchaus erkennbar und ist es dem BF daher auch aus Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit zumutbar, weiter in Haft zu verbleiben.

3.1.6. Die Anordnung eines gelinderen Mittels führt nach Ansicht des Gerichts nicht zu einer ausreichenden Sicherung der Durchführbarkeit einer konkreter werdenden Abschiebung. Die Kriterien, die bereits unter dem Punkt "Sicherungsbedarf" erörtert wurden, zeigen eindeutig, dass eine jederzeitige Erreichbarkeit des Beschwerdeführers nicht mit der erforderlichen Sicherheit gewährleistet wäre. Es ist nicht mit der dafür notwendigen Sicherheit anzunehmen, dass der Beschwerdeführer, der bereits ein evidentes Interesse daran gezeigt hat nicht abgeschoben zu werden, nicht abermals für die Behörde unerreichbar sein und nicht wieder erfolgreich untertauchen bzw. in ein anderes europäisches Land weiterreisen würde. Auch hat die Vergangenheit bereits gezeigt, dass der BF nicht gewillt war, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten und er sich als höchst mobil erwiesen hat. Es besteht daher für das Gericht kein Grund davon auszugehen, dass ein gelinderes Mittel eine ausreichende Sicherung der Abschiebung des BF bedeuten würde. Unter Berücksichtigung aller Umstände ist die Behörde daher zutreffend davon ausgegangen, dass mit der Anordnung gelinderer Mittel das Auslangen nicht gefunden werden kann.

3.1.7. Die gegenständlich verhängte Schubhaft erweist sich daher auch als "ultima ratio" und wird die Schubhaft auch bis zur erfolgreichen Abschiebung vorerst weiterzuführen sein. Auf Grund des zuvor Ausgeführten ergibt sich, dass sowohl Sicherungsbedarf, als auch Verhältnismäßigkeit gegeben sind und die Anwendung eines gelinderen Mittels nicht als erfolgversprechend zu beurteilen war. In diesem Sinne ist auch das Kriterium der "ultima ratio" im vorliegenden Schubhaftverfahren gegeben.

3.1.8. Die Behörde hat im gegenständlichen bekämpfen Schubhaftbescheid die Beweggründe für die Erforderlichkeit der Verhängung der Haft erkennbar aufgezeigt und sich mit der konkreten Situation des BF auseinandergesetzt. Wie oben näher ausgeführt wird, gelangt die gerichtliche Überprüfung der laufenden Schubhaft nicht zu einer Unrechtmäßigkeit der bescheidmäßig verhängte Schubhaft.

3.1.9. Im vorliegenden Fall konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hinreichend geklärt werden konnte. Der Sachverhalt konnte aus den Akten (Behördenakt und gerichtlicher Vorakt) abschließend ermittelt und beurteilt werden. Gründe für die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung liegen daher nicht vor. Das Gericht weicht nicht von der Beweiswürdigung der Behörde ab und hat sich bereits aus dem vorliegenden Akteninhalt klar ergeben, dass zur Klärung der Rechtmäßigkeit der vorliegenden Schubhaft die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung nicht erforderlich gewesen ist. Ein Antrag zur mündlichen Verhandlung wurde ebenfalls nicht gestellt.

Zu Spruchpunkt II. - Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft:

Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihres Zukunftsbezuges keine, die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernde Umstände erkennen. Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Ausgehend von der behördlichen Begründung der Schubhaft hat das gerichtliche Verfahren die Erfüllung von drei weiteren Tatbestandsmerkmalen für das Bestehen von Sicherungsbedarf hervorgebracht, die von der Behörde gar nicht aufgegriffen worden sind. Darüber hinaus ist auch die Verhältnismäßigkeit weiterhin gegeben. Es zeigte sich daher, dass eine Fortführung der laufenden Schubhaft weiterhin angezeigt war.

Zu Spruchpunkt III. Kostenbegehren

Die Behörde begehrte den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da diese vollständig obsiegte, steht ihr nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz ihrer Aufwendungen zu. Die Höhe der zugesprochenen Verfahrenskosten stützt sich auf die im Spruch des Erkenntnisses genannten gesetzlichen Bestimmungen. Die beschwerdeführende Partei stellte keinen Kostenersatzantrag.

Zu Spruchpunkt B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie zu Spruchpunkt I. und II. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf beide Spruchpunkte nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in den übrigen Spruchpunkten war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.

Schlagworte

Ausreisewilligkeit Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft Kooperation öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Untertauchen Verhältnismäßigkeit Vertrauenswürdigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W171.2230943.1.00

Im RIS seit

07.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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