TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/29 W272 2229963-1

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Veröffentlicht am 29.05.2020
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Entscheidungsdatum

29.05.2020

Norm

AsylG 2005 §3
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §19
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W272 1417818-3/12Z

W272 2229967-1/10Z

W272 2229963-1/7Z

W272 2229966-1/7Z

(TEIL) ERKENNTIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BRAUNSTEIN, als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX und XXXX , geb. XXXX alle StA: Ukraine gegen die Bescheide des BFA, Erstaufnahmestelle Ost (EAST-OS) vom 20.02.2020 Zahl. 710240910-191320412, Zahl 1256487700-191320455, Zahl 1256487602-191320463 und Zahl 1259856100-200135448, betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung zu Recht erkannt:

A)

Den Beschwerden gegen Spruchpunkt VII wird Folge gegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG wird den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführer 1 - 3 sind Staatsangehöriger der Ukraine und reisten am 28.12.2019 legal in das österreichische Staatsgebiet ein. Der Beschwerdeführer 4 wurde am XXXX in Österreich geboren. Die Beschwerdeführer stellten am Tag der Einreise bzw. nach Geburt durch seine Eltern vertreten, einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016.

Mit dem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.02.2020 wurde den Anträgen der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Den Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in die Ukraine zulässig sei (Spruchpunkt IV und V). Der Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung gem. § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt VII) und keine Frist zur freiwilligen Ausreise gem. § 55 Abs. 1 a FPG (Spruchpunkt VI) zuerkannt. Gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wurde gegen die BF ein befristetes Einreiseverbot von 2 Jahren erlassen.

Das BFA begründete die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im Wesentlichen damit, dass die BF aus einem sicheren Herkunftsstaat stammen. Bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat seien für die BF keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben, sie bedürfen daher nicht des Schutzes Österreichs. Es sei in ihren Fällen davon auszugehen, dass die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten sei und da den Anträgen auf internationalen Schutz keine Aussicht auf Erfolg beschieden seien und auch keine sonstige reale und menschenrechtsrelevante Gefahr im Herkunftsstaat drohe, sei es den BF zumutbar, den Ausgang ihrer Asylverfahren im Herkunftsstaat abzuwarten. Ihr Interesse auf einen Verbleib in Österreich während des gesamten Asylverfahrens trete hinter das Interesse Österreichs auf eine rasche und effektive Durchsetzung der Rückkehrentscheidung zurück.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF rechtzeitig Beschwerde, beantragte die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, in eventu den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine, in eventu einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 55 und 57 sowie die Feststellung, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig und die Abschiebung gem. § 46 FPG in die Ukraine nicht zulässig sei. Weiters wurde die Behebung bzw. Herabsetzung des zweijährigen Einreiseverbotes beantragt. Die BF verlangten die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Bezüglich der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wurde vorgebracht, dass in der Ukraine eine unruhige Lage besteht und die BF in menschenunwürdigen Umständen leben müssten, weiters sei der BF 4 ein Neugeborener und die BF 3 ein Kleinkind, welches die Unterstützung der Familie des Erstbeschwerdeführes in Österreich bedürfen. Der BF 1 lebte bereits mehrere Jahre in Österreich und wurde abgeschoben, die Rückkehrentscheidung wurde nach Abschiebung aufgehoben.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 08.05.2020 eine mündliche Verhandlung durch. Im Rahmen der Verhandlung brachten die Beschwerdeführer vor, dass die Eltern des BF 1 österreichische Staatsbürger sind und die BF aufnehmen würden und ihnen Unterkunft gewähren würden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

1. Feststellungen:

Die BF sind ukrainische Staatsbürger.

BF 1 und BF 2 sind miteinander verheiratet. Die BF 3 und der BF 4 sind die ehelichen Kinder des BF 1 und der BF 2.

Der BF 4 wurde in Österreich geboren. Die Familie des BF 1 sind teilweise österreichische Angehörige und der BF lebte bereits mehrere Jahre in Österreich.

Die BF wollen Unterkunft nehmen bei den Eltern des BF 1.

Es liegen zwar keine außergewöhnlichen Umstände vor, denen zufolge anzunehmen gewesen wäre, dass eine Rückkehr oder Rückführung der beschwerdeführenden Parteien in den Herkunftsstaat eine reale Gefahr der Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK vorliegen, jedoch kann eine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 8 EMRK derzeit nach Grobprüfung nicht ausgeschlossen werden.

2. Beweiswürdigung:

Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der Akten des Verwaltungsverfahrens, des gerichtlichen Vorverfahrens des BF 1 sowie aus dem Zentralen Melderegister, dem Strafregister, dem Versicherungsdatenauszug und dem Fremdenregister. Es bestehen keine entscheidungswesentlichen Widersprüche.

Die Identität der BF geht aus ihren vorgelegten Urkunden in Übereinstimmung mit dem übrigen Akteninhalt hervor. Die Identität des BF4 geht aus der Geburtsurkunde in Übereinstimmung mit dem übrigen Akteninhalt hervor. Die österreichische Staatsbürgerschaft zweier Brüder des BF 1 geht aus den Kopien der österreichischen Reisepässe hervor. Die österreichische Staatsbürgerschaft der Eltern des BF 1 aus den vorgelegten Personalausweisen.

Die getroffenen Feststellungen werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt, da in der Beschwerde kein dem im angefochtenen Bescheid zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung festgestellten Sachverhalt entgegenstehendes oder darüber hinaus gehendes Vorbringen in konkreter und substanziierter Weise erstattet wurde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet gemäß § 7 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, unter anderem über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Z 1).

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen nicht getroffen, weswegen gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vorliegt.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus den dem Bundesverwaltungsgericht aufliegenden Verwaltungsakten.

Zu Spruchteil A): Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung

Die Beschwerde richtet sich ausdrücklich auch gegen Spruchpunkt VII. der angefochtenen Bescheide, mit dem die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde. Das BVwG hat über eine derartige Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden (vgl VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).

Vorab ist festzuhalten, dass Gegenstand der vorliegenden Entscheidung nur jener Spruchteil des mit der Beschwerde angefochtenen Bescheides ist, mit dem gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aberkannt wurde, weshalb sich die Prüfung auf jene Teile des Beschwerdevorbringens beschränkt (§ 27 VwGVG), welche sich gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung richtet.

Die Entscheidung des erkennenden Gerichts in der Hauptsache, das heißt hinsichtlich aller übrigen mit der gegenständlichen Beschwerde angefochtenen Spruchpunkte des Bescheides, ergeht zu einem späteren Zeitpunkt gesondert.

Gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz durch das Bundesamte aberkannt werden, wenn der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.

Die belangte Behörde hat die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung auf § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG gestützt und im Wesentlichen damit begründet, dass die BF aus der Ukraine stammen, welcher als sicherer Herkunftsstaat iS des § 19 Abs. 5 Z 2 AsylG gilt. Zudem seien sie bei Rückkehr in den Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Menschenrechtsverletzung ausgesetzt und bedürfen nicht den Schutz Österreichs.

Jedoch ist im Rahmen der vorzunehmenden Grobprüfung aufgrund der Beziehungen zu ihren in Österreich lebenden Eltern bzw. Großeltern des BF1 und BF3 bzw. BF 4, welche die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, mit der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung die Gefahr einer Verletzung von Art 8 EMRK verbunden.

Spruchpunkt VII. der angefochtenen Bescheide ist aus diesen Gründen ersatzlos aufzuheben.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung ersatzlose Teilbehebung Kassation Menschenrechtsverletzungen Privat- und Familienleben sicherer Herkunftsstaat Spruchpunktbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W272.2229963.1.00

Im RIS seit

07.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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