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62 ArbeitsmarktverwaltungNorm
B-VG Art137 / BescheidLeitsatz
Keine Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs zur Behandlung einer Liquidierungsklage betreffend Notstandshilfe für Zeiträume von deren bescheidmäßiger Aberkennung; Zulässigkeit der Klage für die übrigen Zeiten gebührender Notstandshilfe; Abweisung der Klage aufgrund erfolgter Ausbezahlung der dem Kläger zustehenden Geldleistungen und aufgrund noch nicht eingetretener Fälligkeit von Teilbeträgen; Abweisung des Verfahrenshilfeantrags zur Klagserweiterung hinsichtlich künftiger LeistungenSpruch
Die Klage wird, soweit sie sich auf die Zeiträume vom 1.10.1994 bis 10.10.1994, 21.10.1994 bis 24.10.1994, 22.11.1994 bis 26.12.1994, 6.3.1995 bis 2.4.1995, 4.4.1995 bis 17.4.1995, 25.4.1995 bis 15.5.1995, 30.5.1995 bis 3.7.1995, 28.7.1995 bis 31.7.1995, 26.9.1995 bis 9.10.1995, 7.11.1995 bis 20.11.1995 und 23.1.1996 bis 29.1.1996 bezieht, zurückgewiesen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Antrag vom 16. Jänner 1996 auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für eine Klagserweiterung wird abgewiesen.
Kosten werden nicht zugesprochen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. In seiner auf Art137 B-VG gestützten, gegen den Bund gerichteten Klage vom 1. August 1995 begehrt der Kläger die Erlassung folgenden Urteils: "Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die ihm gebührende Notstandshilfe in Höhe von S 92.716,05 einschließlich 10 % Verzugszinsen innerhalb von 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu zahlen. Der Beklagte ist ferner schuldig, dem Kläger die mit S 40.000,-- bestimmten Prozeßkosten ebenfalls binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu zahlen."
1.2. Hiezu bringt der Kläger vor, ihm sei mit zwei Bescheiden des Arbeitsamtes Versicherungsdienste Notstandshilfe in Höhe von S 148,70 täglich für die Zeit vom 26. August 1994 bis zum 24. August 1995 bzw. S 152,80 für die Zeit vom 25. August 1995 bis 31. März 1996 zugesprochen worden. Seit 1. Oktober 1994 weigere sich jedoch der Beklagte ohne jeden ersichtlichen Grund, ihm diese bescheidmäßig zuerkannte Notstandshilfe auszuzahlen. Ihm werde von seiten des Beklagten mitgeteilt, er solle Exekution führen, wenn er zu seinem Geld kommen wolle. Eine solche Exekution sei aber nur aufgrund eines vollstreckbaren Urteils nach Art137 B-VG möglich, nicht jedoch aufgrund der Bescheide über die Feststellung seines Anspruches auf Notstandshilfe für die Zeit vom 26. August 1994 bis zum 31. März 1996.
Die Klage enthält weiters eine Anregung auf Aufhebung des §49 Abs2 AlVG. Der Kläger führt hiezu mit näherer Begründung aus, daß diese Bestimmung gegen das rechtsstaatliche Prinzip der Bundesverfassung und den Gleichheitsgrundsatz verstoße.
1.3. Der Bund als beklagte Partei hat - vertreten durch den Bundesminister für Arbeit und Soziales - die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der er beantragt, das Klagebegehren kostenpflichtig abzuweisen. Die beklagte Partei bringt im wesentlichen vor, daß die Notstandshilfe entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen ausbezahlt worden sei. Lediglich in Zeiträumen, in denen bescheidmäßig festgestellt wurde, daß die Voraussetzungen für den Bezug von Notstandshilfe nicht vorlägen, sei keine Notstandshilfe ausbezahlt worden.
1.4. Der Kläger hat zu dieser Gegenschrift eine Äußerung erstattet.
2. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. §47 Abs1 AlVG bestimmt, daß im Falle der Anerkennung des Anspruches auf Notstandshilfe dem Leistungsbezieher eine Mitteilung auszustellen ist, aus der insbesondere Beginn, Ende und Höhe des Leistungsanspruches hervorgehen. Wird der Anspruch hingegen nicht anerkannt, so ist dem Antragsteller ein schriftlicher Bescheid, der von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zu erlassen ist, auszufolgen.
Gemäß §49 Abs1 leg.cit. hat sich der Arbeitslose zur Sicherung des Anspruches auf Notstandshilfe monatlich mindestens einmal bei der nach seinem Wohnort zuständigen regionalen Geschäftsstelle unter Vorweisung der Meldekarte persönlich zu melden. Wenn der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine Kontrollmeldung unterläßt, ohne sich mit triftigen Gründen zu entschuldigen, erhält er nach §49 Abs2 leg.cit. vom Tage der versäumten Kontrollmeldung an bis zur Geltendmachung des Fortbezuges keine Notstandshilfe.
Nach §56 Abs1 AlVG ist gegen Bescheide der regionalen Geschäftsstelle die Berufung an die Landesgeschäftsstelle zulässig. Gegen deren Entscheidungen gibt es kein ordentliches Rechtsmittel.
2.2. Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner ständigen Rechtsprechung (vgl. zB VfSlg. 7171/1973, 8048/1977, 13312/1992 und 13401/1993) ausgesprochen, daß Gegenstand einer auf Art137 B-VG gestützten Klage ausschließlich bestimmte vermögensrechtliche Ansprüche sein können, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.
2.3. Die Klage bezieht sich sowohl auf Zeiträume, in denen die Notstandshilfe ausbezahlt, als auch auf solche, in denen sie tatsächlich nicht ausbezahlt wurde; für die Zeiträume der Nichtauszahlung sind jedoch auf §49 Abs2 AlVG gestützte Bescheide ergangen, mit denen der Notstandshilfeanspruch (wegen Versäumung von vorgesehenen Kontrollmeldungen) aberkannt wurde. Diese Zeiten waren vom 1.10.1994 bis 10.10.1994, 21.10.1994 bis 24.10.1994, 22.11.1994 bis 26.12.1994, 6.3.1995 bis 2.4.1995, 4.4.1995 bis 17.4.1995, 25.4.1995 bis 15.5.1995, 30.5.1995 bis 3.7.1995, 28.7.1995 bis 31.7.1995, 26.9.1995 bis 9.10.1995, 7.11.1995 bis 20.11.1995 und 23.1.1996 bis 29.1.1996.
Da es dem Kläger offengestanden ist, diese Bescheide im administrativen Instanzenzug und letztlich mittels Verfassungsgerichtshofbeschwerde zu bekämpfen (was in einigen Fällen auch geschehen ist), ist die Klage insoweit als unzulässig zurückzuweisen.
Auf die vom Kläger behauptete Verfassungswidrigkeit des §49 Abs2 AlVG ist bei dieser Rechts- und Sachlage mangels Präjudizialität dieser Norm im Zuge des vorliegenden Klagsverfahrens nicht weiter einzugehen. Dem Kläger stand es frei, seine Bedenken letztlich im Zuge einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde geltend zu machen; im gegenständlichen Verfahren gemäß Art137 B-VG ist §49 Abs2 AlVG nicht anzuwenden.
2.4.1. Im übrigen sind die Voraussetzungen zur Klagserhebung gegeben:
Der Kläger hat zwei Mitteilungen des Arbeitsamtes 1200 Wien vorgelegt, aus denen sich ein Leistungsanspruch in Höhe von S 148,70 bzw. S 152,80 täglich ergibt. Da der Kläger dagegen keine Einwendungen erhoben hat, steht das Vorliegen seines Anspruches auf Notstandshilfe in dem in den beiden Mitteilungen genannten Ausmaß zwischen ihm und der beklagten Partei außer Streit. Strittig ist lediglich, ob die anerkannten Beträge auch tatsächlich ausbezahlt wurden.
Der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, daß er gemäß Art137 B-VG zuständig ist, über Liquidierungsbegehren bezüglich besoldungsrechtlicher Ansprüche von Beamten zu entscheiden (vgl. zB VfSlg. 8371/1978, 11356/1987 und 11395/1987). Diese Judikatur ist auf Liquidierungsbegehren hinsichtlich von Ansprüchen aus der Arbeitslosenversicherung sinngemäß anzuwenden. Die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes nach Art137 B-VG ist somit insofern gegeben, da hinsichtlich der Liquidierung solcher Ansprüche weder eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte besteht noch die Erlassung eines Bescheides vorgesehen ist.
2.4.2. Das Klagsbegehren ist jedoch inhaltlich nicht berechtigt:
Aus den vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales der Gegenschrift beigelegten, genau detaillierten Unterlagen geht - vom Kläger in seiner Äußerung unwidersprochen - hervor, daß die Behauptung des Klägers, es würde ihm seit 1. Oktober 1994 keine Notstandshilfe mehr ausbezahlt, nicht zutrifft. Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ist vielmehr ersichtlich, daß die Notstandshilfe dem Kläger - abgesehen von den Zeiträumen, in welchen der Liquidierung Bescheide entgegenstehen - in einer den Mitteilungen entsprechenden Höhe ausbezahlt worden ist. Die Klage ist daher insofern abzuweisen.
2.4.3. Ebenso abzuweisen ist die Klage, soweit sie sich auf die Auszahlung von im Zeitpunkt der Fällung dieses Erkenntnisses noch gar nicht fälliger Notstandshilfeansprüche (siehe §51 Abs2 AlVG) für den Zeitraum vom 1. Februar 1996 bis 31. März 1996 bezieht, da nach dem vom Verfassungsgerichtshof gemäß §35 Abs1 VerfGG anzuwendenden §406 ZPO nur fällige, nicht aber auch zukünftig entstehende Leistungen eingeklagt werden können (so bereits VfSlg. 5294/1966).
3.1. Mit Schriftsatz vom 16. Jänner 1996 stellte der Kläger einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung einer Klagserweiterung, mit der er "die Leistungen der Arbeitslosenversicherung bis zum Zeitpunkt des Übergangs der Leistungsverpflichtung auf die Pensionsversicherung" am 1. Jänner 2004 einklagen will.
3.2. Da jedoch gemäß §406 ZPO erst in Zukunft fällig werdende Leistungen nicht zugesprochen werden können, muß dieser Antrag auf Verfahrenshilfe mangels Erfolgsaussichten gemäß §63 Abs1 ZPO iVm §35 VerfGG abgewiesen werden.
4. Kosten waren nicht zuzusprechen, weil der obsiegende Bund zwar den Ersatz der Prozeßkosten begehrt, diese aber nicht ziffernmäßig verzeichnet hat (vgl. zB VfSlg. 10161/1984, 10986/1986, 11939/1988).
5. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita und Abs4 erster Satz VerfGG sowie §72 Abs1 ZPO iVm §35 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.
Schlagworte
VfGH / Klagen, VfGH / Präjudizialität, Arbeitslosenversicherung, VfGH / Verfahrenshilfe, LiquidierungsklageEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1996:A2.1995Dokumentnummer
JFT_10039773_95A00002_2_00