TE Vwgh Erkenntnis 1997/12/17 97/01/0799

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Veröffentlicht am 17.12.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs2;
AVG §37;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des Devdet Gasi, geboren am 20. Jänner 1975, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 1. Juli 1996, Zl. 4.349.248/1-III/13/96, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der "Jugosl. Föderation", der am 14. April 1996 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte am 15. April 1996 die Gewährung von Asyl.

Der Beschwerdeführer hatte anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 22. April 1996 zu seinen Fluchtgründen angegeben:

"Ich stamme aus dem Kosovo, gehöre der albanischen Volksgruppe an und bin moslemischen Religionsbekenntnisses. Ich wohnte im Dorf Rezalo, Gemeinde Skenderaj, in der Umgebung von Srbica gelegen.

Mein Bruder war bis 20.3.1996 Sekretär der Partei "Demokratische Liga des Kosovo-LDK", für den Bereich der Heimatgemeinde Skenderaj. Am 20.3.1996 suchten uniformierte Polizisten in meinem Elternhaus nach meinem Bruder. Meine Mutter warnte meinen Bruder bei Annäherung der Polizisten. Meinem Bruder gelang vor Eintreffen der Polizisten die Flucht. Die Polizisten sagten, nach meinem Bruder wegen dessen Funktion bei erwähnter Partei zu suchen. Die Polizisten fragten mich nach dem Aufenthaltsort meines Bruders. Ich antwortete wahrheitsgemäß, den Aufenthaltsort meines Bruders nicht zu kennen.

Am 25.3.1996 wurde mein Vater von uniformierten Polizisten im Elternhaus verhaftet und in der Dauer von 3 Tagen auf der Polizeistelle in Skenderaj inhaftiert. Man fragte meinen Vater, aus welchen Gründen mein Bruder für die Partei "LDK" tätig war und wo sich mein Bruder aufhielt.

Am 28.3.1996 beschlagnahmten uniformierte Polizisten in meinem Elternhaus ein Jagdgewehr aus dem Besitz meines Vaters. Mein Vater wurde deshalb von Polizisten geschlagen. Ein weiterer meiner Brüder wurde am 28.3.1996 von Polizisten auf die Polizeistelle in Skenderaj eskortiert und in der Dauer eines Tages inhaftiert. Mein Bruder wurde über den Aufenthaltsort meines erwähnten, für die Partei "LDK" tätig gewesenen Bruders, befragt.

Mein Bruder legte die erwähnte Funktion für genannte Partei aus Furcht vor der Polizei zurück.

Am 29.3.1996 drohten mir uniformierte Polizisten im Elternhaus mit Festnahme. Die Polizisten nannten keinen Grund für diese Drohung und entfernten sich. Ich begab mich noch am selben Tag zu meinem Onkel in das Dorf Prekaz und hielt mich dort bis 13.4.1996 auf.

Im Jänner 1996 wurde von Polizisten im Heimatdorf hinsichtlich meiner Person in einem Lebensmittelgeschäft ein Einberufungsbefehl hinterlegt. Ich wurde verständigt und begab mich im Jänner 1996 in das Geschäft. Ich las den Einberufungsbefehl. Ich ließ das Schriftstück im Geschäft zurück. Gemäß dem Einberufungsbefehl hätte ich mich zu einem mir nicht mehr erinnerlichen Datum beim Sekretariat für Nationale Verteidigung in meiner Heimatgemeinde melden sollen.

Ich leistete dem Einberufungsbefehl keine Folge, da ich befürchtete, anläßlich der Militärdienstleistung von Vorgesetzten serbischer Volksgruppe oder einfachen Soldaten serbischer Volksgruppe, umgebracht zu werden. Mir sind sowohl aus meiner Heimatgemeinde als auch aus anderen Gebieten des Kosovo, auch aus jüngster Zeit, solche Fälle bekannt.

Mir ist bekannt, daß in der Jugoslawischen Föderation allgemeine Wehrpflicht besteht.

Ich werde informiert, daß Kosovoalbaner nicht an Waffen ausgebildet, sondern in technischen Einheiten eingesetzt werden.

Hiezu gebe ich an, daß Kosovoalbaner an Waffen ausgebildet werden.

Ich werde informiert, daß meine Aussagen, zu befürchten, anläßlich der Militärdiensleistung von Vorgesetzten serbischer Volksgruppe oder einfachen Soldaten serbischer Volksgruppe umgebracht zu werden, mit Behördenerkenntnissen nicht vereinbar sind.

Hiezu gebe ich an, daß ich bei meinen Angaben bleibe.

Ich werde informiert, daß in der Jugoslawischen Föderation die Möglichkeit besteht, der Militärdienstpflicht im Rahmen eines Zivildienstes nachzukommen.

Hiezu gebe ich an, daß mir dies nicht bekannt war.

Im Falle einer Rückkehr in den Kosovo würde ich wegen Nichtbefolgung des Einberufungsbefehles entweder von Polizisten oder Militärorganen festgenommen werden. Ich weiß nicht, ob man mich wegen Wehrdienstverweigerung verurteilen würde.

Ich weiß nicht, aus welchen Gründen mich die Polizisten anläßlich der bereits geschilderten Gelegenheiten, nicht festgenommen haben."

Die Behörde erster Instanz wies den Antrag des Beschwerdeführers unter anderem mit der Begründung ab, er sei nicht Flüchtling im Sinne des § 1 Asylgesetz 1991. Die vom Beschwerdeführer behauptete Befragung durch Polizisten hinsichtlich des Aufenthaltsortes seines Bruders bewege sich im Rahmen der Ermittlungstätigkeit der Behörden und sei nicht gegen den Beschwerdeführer als Person zielgerichtet gewesen, sondern sei der Beschwerdeführer nur als Auskunftsperson in Anspruch genommen worden. Die Sicherstellung eines Gewehres aus dem Besitz des Vaters des Beschwerdeführers bewege sich im Rahmen der Aufklärungspflicht der für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung zuständigen Stellen und sei asylrechtlich unbeachtlich. Die behauptete Mißhandlung des Vaters des Beschwerdeführers durch Polizisten, dessen kurzzeitige Inhaftierung, sowie die angebliche Festnahme eines der Brüder des Beschwerdeführers in der Dauer eines Tages, sei nicht gegen den Beschwerdeführer als Person zielgerichtet. Zu den Aussagen betreffend Verweigerung der Befolgung eines Einberufungsbefehles sei prinzipiell festzustellen, daß die Ablehnung, den Militärdienst zu leisten, nicht zur Gewährung von Asyl führen könne, da es sich beim Militärdienst um eine Pflicht handle, die jeder Staat seinen Bürgern auferlegen könne. Es komme aufgrund der allgemeinen Wehrpflicht an und für sich nicht zur zielgerichteten Auswahl von Personen mit bestimmten Eigenschaften oder Überzeugungen. In der "Jugoslawischen Föderation" würden amtsbekanntermaßen Albaner nicht deshalb zur Militärdienstleistung einberufen, weil sie Angehörige dieser Volksgruppe seien, sondern so wie jeder andere Bürger auch, allein zur Erfüllung der allgemeinen Wehrdienstpflicht. Die Ausführungen hinsichtlich einer drohenden Ermordung während der Militärdienstleistung durch Soldaten der "Jugoslawischen Föderation" seien unglaubwürdig, weil sie mit Behördenerkenntnissen nicht vereinbar seien.

In der dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus:

"Meine Familie ist in den Blickpunkt der serbischen Polizei geraten, das ist im Kosovo immer bedrohlich. Mein Bruder, Sekretär der LDK wurde gesucht, mein Vater drei Tage festgehalten, der andere Bruder einen Tag. Mit genauem Nachforschen über alle Familienmitglieder mußten wir rechnen. Am 29.03. bin ich mit Festnahme bedroht worden und ich fürchtete, abgeholt zu werden, auch weil ich im Jänner die Einberufung unbeachtet ließ. Ich floh deshalb unmittelbar zu meinem Onkel bis meine Ausreise organisiert war. Ich hatte begründete Furcht vor der Festnahme, inhaftiert zu werden und dann zwangsweise dem Militär zugeführt zu werden. Als ethnischer Albaner wäre ich dabei mit Sicherheit im Gefängnis besonders unmenschlich behandelt worden wie beim Militärdienst auch. Mit Sicherheit ist inzwischen auch meine Auslandsflucht nicht unentdeckt geblieben. Angesichts der verschärften Lage im Kosovo würde dies nochmals die Bestrafung verschärfen. Ich bestreite ausdrücklich, daß es für ethnische Albaner keine Gruppenverfolgung gibt, es gibt keinen staatlichen Schutz vor den häufigen, auch schweren Übergriffen der serb. Polizei. Die Voraussetzungen zur Ableistung eines Zivildienstes sind nur in Form eines Textes da, niemand im Kosovo kennt die Möglichkeit eines Zivildienstes, noch gibt es diese in der Realität. Die diskriminierende Behandlung beim Militärdienst ist für uns ethnische Albaner mit Sicherheit gegeben. Auch ist das Militär mit Unterdrückungsinstrument im Kosovo, ein Dienst in ihm ist für mich nicht denkbar. Ermordungen hat es beim regulären Militärdienst nachweislich bis 1991 gegeben - siehe Beilage 1."

In der zitierten Beilage 1, einem Schreiben der schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 23. Jänner 1996, findet sich unter anderem folgender Absatz:

"Nach 1991 kam es, wenn überhaupt, nur noch vereinzelt zu solchen Ermordungen, was natürlich damit zusammenhängt, daß praktisch kein junger Albaner mehr in die serbische Armee einrückt. Zumindest mir ist seit 1992 kein Fall mehr namentlich bekannt."

In einem anderen Schreiben der schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30. März 1995 (Beilage 2 zur Berufung) betreffend Wehrersatzdienst, verfaßt ebenso wie das erstgenannte Schreiben von der "Leiterin Flüchtlingspolitische Dienste", wird unter anderem auch ausgeführt, "Junge Albaner werden, so man ihrer habhaft wird, zwangsrekrutiert, d.h. ohne große Umstände auf der Straße verhaftet und umgehend in die nächstbeste Kaserne geschickt. Da fragt niemand lange danach, ob der Betreffende vielleicht Wehrersatzdienst leisten möchte". Die weiteren Beilagen zur Berufung (Zeitungsartikel) enthalten zum Thema "Ermordungen von Albanern während des Militärdienstes" keine Aussagen.

Die belangte Behörde wies mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid die Berufung ab. Sie erhob die im erstinstanzlichen Bescheid "richtig und vollständig wiedergegebenen" Aussagen des Beschwerdeführers "bei der niederschriftlichen Vernehmung" zum Inhalt des angefochtenen Bescheides. Es treffe keine der Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 für die Anordnung einer Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zu, weshalb davon Abstand genommen werde und auf das über die erstinstanzlichen Angaben hinausgehende Berufungsvorbringen im Hinblick auf § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 nicht Bedacht zu nehmen sei. Die Behörde erster Instanz habe die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefaßt. Die belangte Behörde schließe sich den Ausführungen der Behörde erster Instanz vollinhaltlich an und erhebe diese zum Inhalt des angefochtenen Bescheides.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 bestimmt wohl, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen.

Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800-0803, und vom 25. April 1995, Zl. 95/20/0112).

Die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, daß die Einberufung zur Militärdienstleistung im allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung darstelle, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes stellt für sich allein keinen Grund für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dar, da die Militärdienstpflicht alle in einem entsprechenden Alter befindlichen männlichen Staatsbürger in gleicher Weise trifft. Eine wegen der Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes bzw. wegen Desertion drohende, auch strenge Bestrafung wird in diesem Sinne grundsätzlich nicht als Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention angesehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Auffassung auch in Fällen vertreten, in denen in dem betroffenen Heimatstaat ein Bürgerkrieg, Revolten oder bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen stattgefunden haben. Die Flucht wegen Einberufung zum Militärdienst könnte nur dann asylrechtlich relevant sein, wenn die Einberufung aus einem der in der Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgt wäre oder aus solchen Gründen die Behandlung während der Militärdienstleistung nachteiliger bzw. eine drohende allfällige Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung strenger als gegenüber anderen Staatsangehörigen gewesen wäre (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377 = Slg. Nr. 14.089/A). Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf die Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Februar 1994, Zl. 93/01/0377, hinweist - in dieser Verfügung waren Überlegungen zur Asylrelevanz von Einberufungen zum Militärdienst, in dessen Rahmen von der Staatengemeinschaft mißbilligte Akte gesetzt werden sollten, enthalten - und geltend macht, es handle sich bei dieser Verfügung um "die jüngste Entwicklung in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes", welche zu berücksichtigen sei, ist ihm entgegenzuhalten, daß es sich hiebei bloß um eine Berichterverfügung handelte, mit der den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die maßgebenden Gründe für die Annahme eines Verstärkungsgrundes gemäß § 13 Abs. 1 Z. 1 VwGG bekanntgegeben wurden. Die darin vertretene Rechtsansicht hat aber im abschließenden bereits angeführten Erkenntnis des verstärkten Senates vom 29. Juni 1994 keinen Niederschlag gefunden.

Der Beschwerdeführer hat zwar in seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 22. April 1996 durch die Behauptung, er habe dem Einberufungsbefehl deshalb keine Folge geleistet, da er befürchtete, anläßlich der Militärdienstleistung von Vorgesetzten serbischer Volksgruppe oder einfachen Soldaten serbischer Volksgruppe umgebracht zu werden - es seien ihm solche Fälle bekannt - zwar eine im Sinne des genannten Erkenntnisses des verstärkten Senates asylrelevante Schlechterstellung von Angehörigen albanischer Volksgruppenzugehörigkeit während der Ableistung des Militärdienstes behauptet. Die belangte Behörde hat dieser Behauptung jedoch die Glaubwürdigkeit versagt.

Die Beweiswürdigung ist ein Denkprozeß, der nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges als solchen handelt bzw. darum, ob der Sachverhalt, der in diesem Denkvorgang gewürdigt wurde, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist. Die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegt daher der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. dazu die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 549 ff, wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Zwar hat die belangte Behörde diesbezüglich kein Ermittlungsverfahren durchgeführt und sich lediglich auf - nicht näher ausgeführte - Behördenerkenntnisse gestützt, doch stellt sich dieser Verfahrensmangel als nicht relevant dar, weil der Beschwerdeführer bereits in der Berufung seine Behauptung dahingehend eingeschränkt hat, daß es "Ermordungen ... beim regulären Militärdienst nachweislich bis 1991 gegeben" habe, und er auf von ihm vorgelegte Beilagen verwiesen hat. Aus diesen Beilagen - deren diesbezüglich wesentlicher Inhalt oben wiedergegeben wurde - findet sich aber die Ansicht der belangten Behörde bestätigt, daß es zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides keine vom Beschwerdeführer behaupteten Ermordungen während des Militärdienstes mehr gebe, weshalb die Ansicht der belangten Behörde, die anderslautenden erstinstanzlichen Behauptungen des Beschwerdeführers seien unglaubwürdig, der Schlüssigkeitskontrolle standhält. Der Beschwerdeführer hat in der Beschwerde diesbezüglich außer dem Hinweis auf die genannten Dokumente kein weiteres Vorbringen erstattet.

Damit ergibt sich aber aufgrund der verbleibenden, als glaubwürdig erachteten, erstinstanzlichen Angaben des Beschwerdeführers ein Sachverhalt, der nicht aufzeigt, daß seine Einberufung aus einem der im Erkenntnis des verstärkten Senates vom 29. Juni 1994 erwähnten Gründe asylrechtlich relevant gewesen wäre.

Wenn der Beschwerdeführer geltend macht, "laut UNHCR-Handbuch" sei ein Deserteur bzw. Wehrdienstverweigerer unter dort näher angeführten Voraussetzungen als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anzusehen, ist ihm entgegenzuhalten, daß er einerseits keine näheren Sachverhaltselemente dargetan hat, aus denen auf ihn die dort genannten Voraussetzungen zutreffen sollten, und daß andererseits dem "Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft", herausgegeben vom Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, 1979, keine normative Kraft zukommt, weshalb dessen Inhalt rechtlich nicht verbindlich ist (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 8. November 1995, Zl. 95/01/0070, und vom 30. April 1997, Zl. 95/01/0477). Die vom Beschwerdeführer befürchtete, ihm unmittelbar drohende "Verfolgung" anläßlich der Einberufung zum Militärdienst liegt nicht vor. Auch aus den seinen Familienangehörigen widerfahrenen Benachteiligungen - unabhängig von der hier nicht zu lösenden Frage, ob diese überhaupt eine Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention darstellten - ist keine dem Beschwerdeführer drohende individuell konkrete Verfolgung zu ersehen, was die belangte Behörde zu Recht ausgeführt hat. Denn eine Verfolgung von Familienangehörigen als ausschließlicher Fluchtgrund reicht nicht zur Anerkennung als Flüchtling, sondern ist nur im Zuge der Gesamtschau als Indiz für eine dem Asylwerber drohende individuelle konkrete Verfolgung von Bedeutung.

Da sohin aus dem - als glaubwürdig erachteten verbleibenden - Vorbringen des Beschwerdeführers in erster Instanz keine hinreichend deutlichen Hinweise auf einen Sachverhalt enthalten waren, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, ist der belangten Behörde keine Verletzung der Ermittlungspflicht vorzuwerfen.

Bei den vom Beschwerdeführer anläßlich der Berufung vorgelegten Schriftsätzen der schweizerischen Flüchtlingshilfe und Zeitungsartikel handelt es sich um solche, welche die allgemeine Lage darstellen, jedoch nicht um die individuell konkrete Situation des Beschwerdeführers betreffende Bescheinigungsmittel im Sinne des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991. Da auch sonst keiner der Gründe des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 vorliegt, welche die Anordnung der Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens erster Instanz erforderlich gemacht hätten, hat die belangte Behörde zutreffend dem in der Berufung enthaltenen neuen Sachverhaltsvorbringen aus dem Grunde des § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 keine Beachtung geschenkt.

Insoferne der Beschwerdeführer in der Beschwerde ein Sachverhaltsvorbringen andeutet, welches auf eine Situation im Sinne des genannten Erkenntnisses des verstärkten Senates vom 29. Juni 1994 hinweist, stünde diesem Vorbringen jedenfalls das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG entgegen.

Der Beschwerdeführer rügt auch, daß entgegen den diesbezüglichen Ausführungen der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Voraussetzungen für eine auf § 8 Asylgesetz 1991 gestützte Bewilligung des befristeten Aufenthaltes vorlägen. Mit diesem Vorbringen gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1991 kann die Asylbehörde aus Anlaß der Erlassung eines Bescheides, mit dem ein Asylantrag abgewiesen wird, in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen einem Fremden von Amts wegen den befristeten Aufenthalt im Bundesgebiet bewilligen, wenn die Abschiebung rechtlich oder tatsächlich unmöglich ist oder ihm wegen der Situation in seinem Heimatstaat oder - sofern er staatenlos ist - in den Staat, in dem er zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, aus wichtigen Gründen nicht zugemutet werden kann.

Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung, insbesondere aus den Worten "von Amts wegen" folgt, daß eine Antragstellung auf diese Begünstigung im Gesetz nicht vorgesehen ist. Im übrigen besteht auf die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung kein Rechtsanspruch, sondern es kann eine solche Berechtigung ausschließlich auf Grund eines amtswegigen Verfahrens zugesprochen werden (vgl. auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage 270 BlgNr. 18. GP). Die belangte Behörde hat daher auch zu Recht den in der Berufung des Beschwerdeführers enthaltenen Antrag auf Erteilung dieser Aufenthaltsberechtigung lediglich als Anregung gewertet, ohne darüber förmlich abzusprechen (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 26. November 1993, Zl. 93/01/0108, und vom 10. Oktober 1995, Zl. 94/20/0800). Mangels einer Berechtigung zur Erhebung eines auf die Erlangung einer auf § 8 Asylgesetz 1991 gestützten Aufenthaltsberechtigung gerichteten Antrages konnte der Beschwerdeführer durch den in der Begründung des angefochtenen Bescheides enthaltenen, seinen diesbezüglich erhobenen Antrag betreffenden Hinweis der belangten Behörde nicht in seinen Rechten verletzt werden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Damit erübrigt sich eine Befassung mit der darüber hinausgehenden Begründung des angefochtenen Bescheides (Sicherheit des Beschwerdeführers vor Verfolgung in Ungarn) sowie mit dem hiegegen erstatteten Beschwerdevorbringen.

Von der von dem Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997010799.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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