TE Lvwg Erkenntnis 2020/6/10 VGW-031/032/4569/2020, VGW-031/032/4570/2020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.06.2020
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Entscheidungsdatum

10.06.2020

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VwGVG 2014 §9 Abs1 Z1
VStG §14 Abs1
VStG §54b Abs1b

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Pühringer über die Beschwerde des A. B. gegen die behördlichen Erledigungen des Magistrats der Stadt Wien jeweils vom 5. März 2020, Zl. MBA/... und Zl. MBA/...,

zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird insoweit Folge gegeben, als die Zwangsvollstreckung jeweils nur für einen Geldbetrag von € 550,— verfügt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

I.   Verfahrensgang

1.       Mit Strafverfügungen des Magistrats der Stadt Wien, jeweils vom 30. Oktober 2019, 1) Zl. MBA/... und 2) Zl. MBA/..., wurde der Beschwerdeführer wegen Übertretung des § 20 Abs. 1 iVm §§ 10 Abs. 1 und 11 Abs. 1 Bundesstraßenmautgesetz – BStMG jeweils zur Leistung einer Geldstrafe in der Höhe von € 550,— (Ersatzfreiheitsstrafe zwölf Stunden) verpflichtet.

2.       Der gegen diese Strafverfügungen gerichtete Einspruch des Beschwerdeführers vom 25. November 2019 wurde von der belangten Behörde mit Bescheiden vom 2. Jänner 2020, Zlen. MBA/... und MBA/..., jeweils als verspätet zurückgewiesen.

3.       Am 5. März 2020 richtete die belangte Behörde zu den Zlen. MBA/... und MBA/... jeweils ein Schreiben an den Beschwerdeführer, welches unter Punkt I. eine Mahnung enthält, wonach der offene Strafbetrag von € 550,— eingemahnt und gestützt auf § 54b Abs. 1a VStG ein Kostenbeitrag in der Höhe von € 5,— vorgeschrieben werde. Unter Punkt II. wurde jeweils mangels Zahlung der mit dem Zurückweisungsbescheid vom 2. Jänner 2020 rechtskräftig verhängten Strafe die Zwangsvollstreckung zur Hereinbringung der Geldstrafe in der Höhe von € 550,— sowie der Mahngebühr in Höhe von € 5,—, insgesamt sohin eines Betrages in der Höhe von € 555,— verfügt.

4.       Am 20. März 2020 übermittelte der Beschwerdeführer ein E-Mail, das im Betreff die Zlen. MBA/... und MBA/... enthält und in welchem der Beschwerdeführer "aufgrund der COVID-19-Maßnahmen" um einen Erlass der Strafen ersucht.

5.       Auf Aufforderung der belangten Behörde, ob das E-Mail vom 20. März 2020 als Rechtsmittel oder als bloße Mitteilung zu verstehen sei, gab der Beschwerdeführer mit E-Mail vom 11. April 2020 bekannt, dass es sich um einen "Einspruch" handle.

6.       Die belangte Behörde nahm von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung Abstand und legte das E-Mail des Beschwerdeführers vom 20. März 2020 samt den bezughabenden Verwaltungsakten dem Verwaltungsgericht Wien vor.

7.       Mit Schreiben vom 29. April 2020 forderte das Verwaltungsgericht Wien den Beschwerdeführer auf, darzulegen, gegen welche behördlichen Erledigungen sich seine Beschwerde richte. Der Beschwerdeführer wurde außerdem darauf hingewiesen, dass das Verwaltungsgericht Wien mangels einer Stellungnahme durch den Beschwerdeführer davon ausgehen werde, dass sich die Beschwerde gegen die Vollstreckungsverfügungen vom 5. März 2020 richtet.

II. Sachverhalt

1. Das Verwaltungsgericht Wien legt seiner Entscheidung folgende Feststellungen zugrunde:

Die Strafverfügungen des Magistrats der Stadt Wien jeweils vom 30. Oktober 2019, Zlen. MBA/... und MBA/..., wurden dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung am 6. November 2019 zugestellt.

Die Bescheide vom 2. Jänner 2020, Zlen. MBA/... und MBA/..., mit welchen ein Einspruch des Beschwerdeführers gegen die Strafverfügungen als verspätet zurückgewiesen wurde, wurden dem Beschwerdeführer jeweils durch Hinterlegung am 8. Jänner 2020 zugestellt.

Die mit den Strafverfügungen verhängten Geldstrafen in der Höhe von jeweils € 550,— wurden vom Beschwerdeführer nicht bezahlt.

Rückstandsausweise für die jeweiligen Mahngebühren wurden nicht ausgefertigt.

2.   Diese Feststellungen ergeben sich aus folgender Beweiswürdigung:

Das Verwaltungsgericht Wien hat Beweis erhoben durch Würdigung des Beschwerdevorbringens und Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten, hinsichtlich deren Richtigkeit und Vollständigkeit das Verwaltungsgericht Wien keine Zweifel hegt.

Die verhängten Geldstrafen ergeben sich aus den im Akt erliegenden Strafverfügungen (jeweils AS 12). Die Zustellung der Strafverfügungen lässt sich eindeutig den bezugnehmenden Zustellnachweisen (jeweils AS 18) entnehmen. Auch die jeweiligen Zurückweisungsbescheide (AS 42 bzw AS 45) sowie die diesbezüglichen Zustellnachweise (AS 48 bzw 51) liegen den Verwaltungsakten ein.

Dass die Geldstrafen bislang nicht bezahlt wurden, ergibt sich aus der Aktenlage, Gegenteiliges wurde auch vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde nicht behauptet.

Das Fehlen von Rückstandsausweisen für die vorgeschriebenen Mahngebühren ergibt sich aus den vorgelegten Akten und insbesondere daraus, dass die jeweilige Vollstreckungsverfügung betreffend die Mahngebühren in einem Vorgang mit deren Vorschreibung erfolgte.

III. Rechtliche Beurteilung

1.       Anzuwendende Rechtsvorschriften:

1.1.    § 14 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG, BGBl. 52 idF BGBl. I 57/2018, lautet:

"(1) Geldstrafen dürfen nur insoweit eingetrieben werden, als dadurch weder der notwendige Unterhalt des Bestraften und derjenigen, zu deren Unterhalt ihn das Gesetz verpflichtet, noch die Erfüllung der Pflicht, den Schaden gutzumachen, gefährdet wird."

§ 54b VStG lautet:

"Vollstreckung von Geldstrafen

(1) Rechtskräftig verhängte Geldstrafen oder sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen sind binnen zwei Wochen nach Eintritt der Rechtskraft zu bezahlen. Erfolgt binnen dieser Frist keine Zahlung, kann sie unter Setzung einer angemessenen Frist von höchstens zwei Wochen eingemahnt werden. Nach Ablauf dieser Frist ist die Unrechtsfolge zu vollstrecken. Ist mit Grund anzunehmen, dass der Bestrafte zur Zahlung nicht bereit ist oder die Unrechtsfolge uneinbringlich ist, hat keine Mahnung zu erfolgen und ist sofort zu vollstrecken oder nach Abs. 2 vorzugehen.

(1a) Im Fall einer Mahnung gemäß Abs. 1 ist ein pauschalierter Kostenbeitrag in der Höhe von fünf Euro zu entrichten. Der Kostenbeitrag fließt der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand der Behörde zu tragen hat.

(1b) Als Grundlage für die Einbringung der vollstreckbar gewordenen Mahngebühr ist ein Rückstandsausweis auszufertigen, der den Namen und die Anschrift des Bestraften, den pauschalierten Kostenbeitrag und den Vermerk zu enthalten hat, dass der Kostenbeitrag vollstreckbar geworden ist. Der Rückstandsausweis ist Exekutionstitel im Sinne des § 1 der Exekutionsordnung, RGBl. Nr. 79/1896.

(2) Soweit eine Geldstrafe uneinbringlich ist oder dies mit Grund anzunehmen ist, ist die dem ausstehenden Betrag entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe zu vollziehen. Der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe hat zu unterbleiben, soweit die ausstehende Geldstrafe erlegt wird. Darauf ist in der Aufforderung zum Strafantritt hinzuweisen.

(3) Einem Bestraften, dem aus wirtschaftlichen Gründen die unverzügliche Zahlung nicht zuzumuten ist, hat die Behörde auf Antrag einen angemessenen Aufschub oder Teilzahlung zu bewilligen, wodurch die Strafvollstreckung aufgeschoben wird. Die Entrichtung der Geldstrafe in Teilbeträgen darf nur mit der Maßgabe gestattet werden, dass alle noch aushaftenden Teilbeträge sofort fällig werden, wenn der Bestrafte mit mindestens zwei Ratenzahlungen in Verzug ist."

1.2.    § 3 Abs. 1 und 2 Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 – VVG, BGBl. 53 idF BGBl. I 33/2013, lautet:

"Eintreibung von Geldleistungen

§ 3. (1) Die Verpflichtung zu einer Geldleistung ist in der Weise zu vollstrecken, daß die Vollstreckungsbehörde durch das zuständige Gericht nach den für das gerichtliche Exekutionsverfahren geltenden Vorschriften die Eintreibung veranlaßt. In diesem Fall schreitet die Vollstreckungsbehörde namens des Berechtigten als betreibenden Gläubigers ein. Die Vollstreckungsbehörde kann die Eintreibung unter sinngemäßer Anwendung der Vorschriften über die Einbringung und Sicherung der öffentlichen Abgaben selbst vornehmen, wenn dies im Interesse der Raschheit und der Kostenersparnis gelegen ist.

(2) Der Vollstreckungstitel muss mit einer Bestätigung der Stelle, von der er ausgegangen ist, oder der Vollstreckungsbehörde versehen sein, dass er einem die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtszug nicht mehr unterliegt (Vollstreckbarkeitsbestätigung). Einwendungen gegen den Anspruch im Sinne des § 35 der Exekutionsordnung – EO, RGBl. Nr. 79/1896, sind bei der Stelle zu erheben, von der der Vollstreckungstitel ausgegangen ist."

§ 10 VVG lautet:

"Verfahren

§ 10. (1) Auf das Vollstreckungsverfahren sind, soweit sich aus diesem Bundesgesetz nicht anderes ergibt, der I. Teil, hinsichtlich der Rechtsmittelbelehrung die §§ 58 Abs. 1 und 61 und der 2. und 3. Abschnitt des IV. Teiles des AVG sinngemäß anzuwenden.

(2) Die Beschwerde beim Verwaltungsgericht gegen die Vollstreckungsverfügung hat keine aufschiebende Wirkung."

1.3.    In den Erläuterungen zur VStG-Novelle, BGBl. I 57/2018, (RV 193 GP 26, 11) wird betreffend § 54b Abs. 1b VStG Folgendes ausgeführt:

"Um die Anzahl der Vollstreckungsverfahren zu verringern, können seit dem 1. Juli 2013 Geldstrafen oder sonst in Geld bemessene Unrechtsfolgen vor der Durchführung eines Vollstreckungsverfahrens eingemahnt werden, wobei im Fall einer Mahnung ein pauschalierter Kostenbeitrag in der Höhe von fünf Euro zu entrichten ist (vgl. § 54 Abs. 1 und Abs. 1a VStG in der Fassung des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetzes 2013). Um die Exekution dieser gesetzlich vorgesehenen Mahngebühr sicherzustellen, soll die Behörde künftig einen vollstreckbaren Rückstandsausweis erlassen, der einen gültigen Vollstreckungstitel darstellt. § 64 Abs. 5 ist entsprechend anzupassen."

2.       Zum Anfechtungsgegenstand:

2.1.    Der Beschwerdeführer hat in seinem E-Mail vom 20. März 2020 nicht ausdrücklich seinen Willen erklärt, gegen eine bescheidmäßige behördliche Erledigung Beschwerde erheben zu wollen. Auch der Inhalt seines Schreibens lässt keinen Schluss darauf zu, ob überhaupt bzw. wogegen der Beschwerdeführer ein Rechtsmittel erheben wollte. Erst auf Aufforderung der belangten Behörde hat der Beschwerdeführer angegeben, bei seinem E-Mail vom 20. März 2020 handle es sich um einen "Einspruch".

2.2.    In Gesamtschau ist dieses Vorbringen als Erhebung einer Beschwerde an das Verwaltungsgericht zu deuten, weil es sich um das einzige dem Beschwerdeführer offen stehende Rechtsmittel handelt; zumal ein Einspruch gemäß § 49 Abs. 1 VStG nur gegen eine Strafverfügung in Betracht kommt und ein solcher (früherer) Einspruch des Beschwerdeführers bereits bescheidmäßig erledigt wurde.

2.3.    Im Kontext der vorangegangenen Verwaltungsstrafverfahren kann eine Beschwerde zum einen gegen die Zurückweisungsbescheide vom 2. Jänner 2020 oder zum anderen gegen die Vollstreckungsverfügungen vom 5. März 2020 verstanden werden.

Um diese Unklarheit auszuräumen wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, bekannt zu geben, gegen welche behördlichen Erledigungen sich seine Beschwerde richtet. Eine solche Klarstellung hat der Beschwerdeführer in der Folge unterlassen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Erfordernis der Rechtsmittelerklärung (§ 9 Abs. 1 Z 1 VwGVG) nicht "streng formal" auszulegen, sondern hiefür entscheidend, dass der Gegenstand des Verfahrens bzw. der Beschwerde – wenn auch nach Auslegung (u.a.) des Vorbringens im Sinne der §§ 6 und 7 ABGB – zweifelsfrei zu erkennen ist, wobei – im Fall von Zweifeln über den Anfechtungsgegenstand einer Beschwerde – auch geringfügige Ermittlungsschritte zu setzen sind, durch die festgestellt werden kann, welcher Bescheid bekämpft wurde (VwGH 26.2.2020, Ra 2019/05/0061). Solche Ermittlungsschritte haben in den vorliegenden Beschwerdeverfahren zu keiner Klärung des Anfechtungsgegenstands geführt. Parteienerklärungen sind im Zweifel jedoch nicht so auszulegen, dass ein von vorneherein aussichtsloses Rechtsschutzbegehren unterstellt wird (VwGH 31.3.2009, 2007/06/0235).

Sollte das E-Mail vom 20. März 2020 als Beschwerde gegen die Zurückweisungsbescheide vom 2. Jänner 2020 verstanden werden, wäre diese Beschwerde offenkundig verspätet. Es kann demnach dem Beschwerdeführer eine solche aussichtslose Beschwerdeführung nicht unterstellt werden. Demgegenüber stand zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung die Beschwerdefrist betreffend die Vollstreckungsverfügungen vom 5. März 2020 noch offen. Eine Deutung der Beschwerde vom 20. März 2020 kommt daher nur dahingehend in Betracht, dass sich diese gegen die Vollstreckungsverfügungen vom 5. März richtet. Diese – zum damaligen Zeitpunkt noch vorläufig angenommene – Deutung des Beschwerdebegehrens wurde dem Beschwerdeführer zudem vom Verwaltungsgericht Wien zur Kenntnis gebracht, der Beschwerdeführer sah sich jedoch nicht veranlasst, diesbezüglich eine andere inhaltliche Position zu vertreten.

Das E-Mail vom 20. März 2020 (auch) als Beschwerde gegen die – in denselben behördlichen Erledigungen wie die Vollstreckungsverfügungen vom 5. März 2020 – vorgeschriebenen Mahngebühren von jeweils € 5,— zu werten scheidet aus Sicht des Verwaltungsgerichts Wien schon deshalb aus, weil es sich bei der Mahnung iSd § 54b Abs. 1a VStG um keinen Bescheid handelt (vgl. dazu VwGH 18.05.2004, 2004/10/0060, und VwGH 15.05.2000, 95/17/0458).

3.       Zur Rechtmäßigkeit der Vollstreckungsverfügungen:

3.1.    Vollstreckungsverfügungen haben die Durchführung der Vollstreckung zum Gegenstand. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Vollstreckung nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz ist, dass überhaupt ein entsprechender Titelbescheid vorliegt, dass dieser gegenüber dem Verpflichteten wirksam geworden ist und dass der Verpflichtete seiner Verpflichtung innerhalb der festgesetzten Frist und bis zur Einleitung des Vollstreckungsverfahrens nicht nachgekommen ist (vgl. etwa VwGH 21.11.2012, 2008/07/0235; 16.11.2010, 2009/05/0001).

3.2.    Unstrittig ist, dass die Strafverfügungen vom 30. Oktober 2019, Zlen. MBA/... und MBA/..., mit welchen wegen Übertretung des § 20 Abs. 1 iVm §§ 10 Abs. 1 und 11 Abs. 1 BStMG jeweils Geldstrafen in der Höhe von € 550,— verhängt wurden, dem Beschwerdeführer ordnungsgemäß durch Hinterlegung am 6. November 2019 zugestellt wurden. Die zweiwöchige Einspruchsfrist begann daher gemäß § 26 Abs. 2 ZustG am 6. November 2019 zu laufen und endete am 20. November 2019. Ein danach erhobener Einspruch des Beschwerdeführers wurde von der belangten Behörde als verspätet zurückgewiesen.

Die Strafverfügungen wurden folglich mit Ablauf der Einspruchsfrist mit 20. November 2019 rechtskräftig (vgl. VwGH 04.05.1988, 87/03/0218). Da die den Vollstreckungsverfügungen zugrunde liegenden Strafverfügungen in Rechtskraft erwachsen sind, obliegt dem Verwaltungsgericht Wien lediglich die Prüfung, ob im gegebenen Fall eine unzulässige Vollstreckung vorliegt, nicht aber, ob die Verhängung der Geldstrafe mit den rechtskräftigen Strafverfügungen zu Recht erfolgte (VwGH 22.8.2016, Ra 2015/17/0196).

3.3.    Im gegenständlichen Verfahren geht es um die Eintreibung von Geldleistungen aufgrund von rechtskräftigen und vollstreckbaren Strafverfügungen. In diesem Zusammenhang ist die Sonderbestimmung des § 14 Abs. 1 VStG zu beachten, welche eben nicht bei der Strafbemessung, sondern erst im Zuge der Vollstreckung der Geldstrafe zu beachten ist (vgl. VwGH 30.03.2006, 2003/09/0014).

§ 14 Abs. 1 VStG bezweckt unter anderem bei der Vollstreckung von Geldstrafen, den notwendigen Unterhalt des Bestraften sowie den Unterhalt, zu dessen Leistung der Bestrafte gesetzlich verpflichtet ist, vor der zwangsweisen Einbringung von Strafen zu schützen. Demnach dürfen Geldstrafen nur insoweit eingehoben werden, als dieser Unterhalt dadurch nicht gefährdet wird. Wäre dies der Fall, so ist grundsätzlich die Ersatzfreiheitsstrafe zu vollziehen (vgl. Weilguni in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 14 VStG Rn 3; Raschauer/Wessely, Kommentar zum Verwaltungsstrafgesetz2 § 14 VStG Rn 1). Weiters ist die Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 54b Abs. 2 VStG zu vollziehen, soweit eine Geldstrafe uneinbringlich ist oder dies mit Grund anzunehmen ist.

Der Beschwerdeführer hat die verhängten Geldstrafen nicht bezahlt. Die Fälligkeit ausschließende Zahlungserleichterungen (Teilzahlung oder Zahlungsaufschub) wurden nicht eingewendet und sind auch nicht aktenkundig. Der Beschwerdeführer hat in seiner Beschwerde lediglich "die COVID-19-Maßnahmen" begründend angeführt. Mit diesem allgemein gehaltenen Vorbringen hat der Beschwerdeführer eine konkrete Gefährdung seines Unterhalts oder des Unterhalts, zu dem er allenfalls gesetzlich verpflichtet ist, nicht behauptet.

3.4.    Die Vollstreckungsverfügungen ergingen daher hinsichtlich der in den Strafverfügungen vorgeschriebenen Strafbeträge zu Recht. Da für die jeweils vorgeschriebene Mahngebühr in Höhe von jeweils € 5,— jedoch in beiden Fällen der gemäß § 54b Abs. 1b VStG erforderliche Rückstandsausweis fehlt und somit für die Mahngebühren kein gültiger Vollstreckungstitel vorliegt, sind die Mahngebühren ziffernmäßig von den Vollstreckungsverfügungen auszunehmen und die zu vollstreckenden Beträge entsprechend zu korrigieren.

3.5.    Der Beschwerde gegen die Vollstreckungsverfügungen ist daher teilweise Folge zu geben und sind die der Vollstreckung unterliegenden Beträge richtigzustellen. Im Übrigen ist die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

4.       Diese Entscheidung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ohne Durchführung einer – im Übrigen von keiner Verfahrenspartei beantragten – mündlichen Verhandlung getroffen werden, weil der entscheidungserhebliche Sachverhalt bereits auf Grund der Aktenlage festzustellen ist und die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Zudem fallen Annexverfahren, die keine Entscheidung in der Hauptsache enthalten, nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 MRK. Das gilt auch für ein Vollstreckungsverfahren, das allein der Durchsetzung einer bereits im Titelverfahren getroffenen Entscheidung über ein civil right (bzw. hier eine strafrechtliche Anklage) dient (vgl. unter vielen VwGH 28.5.2013, 2011/05/0139).

5.       Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zulässigkeit von Vollstreckungsverfügungen ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Beschwerde; Geldstrafe; Vollstreckung; Mahngebühr; Rückstandsausweis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.031.032.4569.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.09.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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