TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/2 I419 2212403-1

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Veröffentlicht am 02.03.2020
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Entscheidungsdatum

02.03.2020

Norm

AuslBG §18 Abs12
B-VG Art133 Abs4

Spruch

I419 2212382-1/13E, I419 2212383-1/13E,

I419 2212385-1/13E, I419 2212389-1/13E,

I419 2212391-1/14E, I419 2212397-1/13E,

I419 2212399-1/13E, I419 2212400-1/13E,

I419 2212401-1/13E, I419 2212403-1/13E,

I419 2212404-1/13E, I419 2212405-1/13E,

I419 2212407-1/13E, I419 2212409-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Tomas JOOS als Vorsitzenden sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Markus HINTNER und die fachkundige Laienrichterin Jennifer SCHUMACHER als Beisitzer und Beisitzerin über die Beschwerden von XXXX, XXXX, vertreten durch Bruckmüller RechtsanwaltsgmbH, gegen die Bescheide betreffend Überlassung nach § 18 Abs. 12 AuslBG

1. des AMS Feldkirch vom 18.10.2018, GZ: 08114 / GF: 3946055, ABB-Nr. EUEB3946055,

2. des AMS Feldkirch vom 08.10.2018, GZ: 08114 / GF: 3946176, ABB-Nr. EUEB3946176,

3. des AMS Feldkirch vom 09.10.2018, GZ: 08114 / GF: 3946188, ABB-Nr. EUEB3946188,

4. des AMS Dornbirn vom 01.10.2018, GZ: 08114 / GF: 3945773, ABB-Nr. EUEB3945773,

5. des AMS Dornbirn vom 01.10.2018, GZ: 08114 / GF: 3946208, ABB-Nr. EUEB3946208,

6. des AMS Dornbirn vom 01.10.2018, GZ: 08114 / GF: 3941126, ABB-Nr. EUEB3941126,

7. des AMS Dornbirn vom 01.10.2018, GZ: 08114 / GF: 3945758, ABB-Nr. EUEB3945758,

8. des AMS Dornbirn vom 01.10.2018, GZ: 08114 / GF: 3945768, ABB-Nr. EUEB3945768,

9. des AMS Bregenz vom 04.10.2018, GZ: 08114 / GF: 3947138, ABB-Nr. EUEB3947138,

10. des AMS Bregenz vom 04.10.2018, GZ: 08114 / GF: 3947124, ABB-Nr. EUEB3947124,

11. des AMS Bludenz vom 01.10.2018, GZ: 08114 / GF: 3947093, ABB-Nr. EUEB3947093,

12. des AMS Bludenz vom 01.10.2018, GZ: 08114 / GF: 3947092, ABB-Nr. EUEB3947092,

13. des AMS Bludenz vom 01.10.2018, GZ: 08114 / GF: 3947111, ABB-Nr. EUEB3947111, und

14. des AMS Bludenz vom 01.10.2018, GZ: 08114 / GF: 3947108, ABB-Nr. EUEB3947108,

zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin meldete im August und September 2018 der Zentralen Koordinationsstelle des BMF für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung (ZKO) die Überlassung von insgesamt vierzehn Arbeitnehmern als "Bauarbeiter" bzw. "Bauhilfsarbeiter" gemäß § 19 Abs. 4 Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG). Betreffend die Dauer der Beschäftigung bei der jeweiligen Beschäftigerin wurden für die Arbeitnehmer unterschiedlich lange Zeiträume genannt, wobei als frühester Termin für den Beginn der 24.08.2018 und als spätester Termin für das Ende der 21.12.2018 angegeben wurden.

2. Mit den bekämpften Bescheiden wies das AMS den jeweiligen Antrag der Beschwerdeführerin auf Bestätigung der EU-Überlassung für die vierzehn Arbeitnehmer gemäß § 18 Abs. 12 AusIBG ab und untersagte die Überlassung. Es begründete seine Entscheidungen im Wesentlichen damit, dass sich der Rechtssitz der Beschwerdeführerin aktuell in Österreich befinde. Es sei daher keine Arbeitskräfteüberlassung von einem Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedstaat des EWR nach Österreich zur Erbringung einer vorübergehenden Arbeitsleistung im Sinne dieser Bestimmung beabsichtigt.

3. Berufungshalber wurde vorgebracht, die überlassenen Arbeitskräfte seien bei der Beschwerde führenden I. GmbH mit Betriebssitz in Italien über die Überlassungsdauer hinaus ordnungsgemäß beschäftigt. Diese habe auch einen gesellschaftsrechtlichen Sitz in P. in Österreich und eine Zweigniederlassung in H., ebenso in Österreich. Die italienische Kammer habe den dortigen Betriebssitz als "Zweitsitz" bezeichnet.

Es sei unklar, was das AMS mit "Rechtssitz" meine, zumal in § 18 Abs. 2 AuslBG weder dieser Begriff vorkomme, noch "Sitz" oder "Unternehmenssitz". Auf Basis der Wortwahl des Gesetzgebers sei davon auszugehen, dass dieser nicht auf den gesellschaftsrechtlichen Sitz abstellen wollen habe. Die Verwendung von "Betriebssitz" zeige, dass der Gesetzgeber von einem "weiteren" Begriff ausgehe. Der Begriff "Betrieb" sei im ArbVG von Bedeutung, auch im internationalen Steuerrecht, wohingegen "Sitz" ein gesellschaftsrechtlicher Begriff sei.

Ein Betriebssitz sei eine organisatorisch eigenständige Betriebsstätte, welche die Erfordernisse eines Betriebs bzw. einer Betriebsstätte im arbeits- bzw. steuerrechtlichen Sinn erfülle. Der italienische Betriebssitz sei jedenfalls Betrieb im arbeitsrechtlichen Sinn, zumal dort ein Büro und in diesem sieben Angestellte vorhanden seien. Arbeitgeber sei "der italienische Betriebssitz", der auf Dauer angelegt und organisatorisch selbständig von der "österreichischen Niederlassung" sei sowie eine eigene UID-Nummer und einen eigenen Geschäftsführer, eine eigene Buchhaltung, Kostenstelle und Bankkonten habe.

4. Nachdem der jeweilige Überlassungszeitraum bereits verstrichen war, wies dieses Gericht die Beschwerden am 19.03.2019 wegen fehlenden Rechtschutzinteresses zurück (I419 2212382-1/3E etc.).

5. Die Zurückweisung der Beschwerden behob der VfGH am 24.09.2019 (E 1588/2019-8). Läge ein rechtlich geschütztes Interesse an einer Sachentscheidung nur innerhalb des jeweiligen Überlassungszeitraumes vor, so wären Konstellationen wie die vorliegende generell dem Rechtsschutz entzogen. Angesichts des im Regelfall gegebenen zeitlichen Rahmens solcher Verfahren würde eine Rechtsmittelentscheidung kaum jemals vor Ablauf des beantragten Überlassungszeitraumes ergehen. Im Hinblick auf die Rechtsverletzungsmöglichkeit sei zudem zu bedenken, dass der Beschwerdeführerin das in Rede stehende Verhalten wiederholen wolle, womit die Bedeutung der Entscheidung für gleiche oder ähnliche Sachverhalte für sie weiterbestehe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Verfahrensgang wird festgestellt, wie oben in I. wiedergegeben.

Ferner wird festgestellt:

1.1 Die Beschwerdeführerin (FN 37...x) ist eine GmbH, die als "L. GmbH" in P. gegründet wurde und ab 19.03.2016 "I. GmbH" hieß, und zwar bis zu ihrer Umbenennung in "I. Holding GmbH" am 09.01.2019. Sie hat seit 30.05.2019 ihren Sitz nicht mehr in P., sondern in H., beides im Inland.

Am früheren Sitz der Beschwerdeführerin in P. wurde hingegen am 15.06.2018 eine "I. Holding GmbH" gegründet (FN 49...t), die am 09.01.2019 in "I. GmbH" umbenannt wurde. Die Beschwerdeführerin ist deren einzige Gesellschafterin, also die Muttergesellschaft.

Beide Gesellschaften haben dieselbe Person als handelsrechtlichen Geschäftsführer, Herrn B. I., der auch die Hälfte der Gesellschaftsanteile an der Beschwerdeführerin hält.

1.2 Die Beschwerdeführerin wurde 09.01.2018 unter ihrem damaligen Namen "I. GmbH" im Handelsregister der italienischen Handelskammer in Bozen eingetragen und hat neben ihrer österreichischen UID- Nummer (ATU734...) auch eine italienische (IT0297...). Sie verfügt in Italien über Büroräumlichkeiten. Als ihr "Rechtssitz" ist dort P. in Österreich eingetragen, der Sitz in Bo. in Italien als "Zweitsitz".

Das genannte Register vermerkt als gesetzlichen Vertreter Herrn B. I. und als "Geschäftsführer des Zweitsitzes" Herrn O., als dessen Wohnsitz eine Adresse in Österreich eingetragen ist. Er war 2017/2018 Alleingeschäftsführer der nunmehrigen "I. GmbH".

Von 29.02.2016 bis 11.09.2017 hielt eine "I. srl - I. GmbH" die Gesellschaftsanteile der Beschwerdeführerin, die zumindest einen Sitz in Br. in Italien hat, ebenso in Bozen eingetragen ist und zumindest auch eine italienische UID-Nummer hat (IT0247...). Sie ist die Vermieterin (locatore) der Büroräumlichkeiten der Beschwerdeführerin in Bo. und betreibt in Italien das Gewerbe "Nicht spezialisierte Tätigkeiten von Bauarbeiten (Maurer)".

1.3 Die Beschwerdeführerin war ab 13.05.2016 Inhaberin einer Gewerbeberechtigung als "Baugewerbetreibender, eingeschränkt auf ausführende Tätigkeiten und zwar auf das Durchführen von Mauerungsarbeiten" sowie einer zur "Überlassung von Arbeitskräften", die sie beide am 09.01.2019 in die "I. GmbH" einbrachte. Betreffend das erstgenannte Gewerbe ist ein Entziehungsverfahren anhängig.

1.4 Die Beschwerdeführerin hat unter ihrem damaligen Namen "I. GmbH" mit dem Zusatz "Betriebsstätte Bo." unter Angabe ihrer italienischen Anschrift und UID-Nummer (soweit die gegenständlichen Verfahren betroffen sind) folgende Meldungen - jeweils für beginnend mit demselben Tag - von Überlassungen nach Österreich erstattet:

Am 24.08.2018 für Z. M. als Bauhilfsarbeiter (Bescheid GZ: 08114 / GF: 3941126; Beschwerdeverfahren 2212397-1), wobei als inländischer Beschäftigerbetrieb die Beschwerdeführerin ohne den genannten Zusatz und mit der österreichischen UID-Nummer sowie der Anschrift des Sitzes in P. angeführt war,

am 12.09.2018 für K. Z. (GZ: 08114 / GF: 3945773; 2212389-1) und Se. Z. (GZ: 08114 / GF: 3945768; 2212400-1) als Bauhilfsarbeiter sowie Su. Z. (GZ: 08114 / GF: 3945758; 2212399-1) als Bauarbeiter an einer Anschrift in Vorarlberg,

am 13.09.2018 für V. K. als Bauarbeiter (GZ: 08114 / GF: 3946176; 2212383-1), wobei als inländischer Beschäftigerbetrieb die Beschwerdeführerin ohne den genannten Zusatz und mit der österreichischen UID-Nummer sowie der Anschrift des Sitzes in P. angeführt war,

am 18.09.2018 für E. A. (GZ: 08114 / GF: 3947108; 2212409-1), S. A. (GZ: 08114 / GF: 3947092; 2212405-1), M. S. (GZ: 08114 / GF: 3947093; 2212404-1), als Bauarbeiter, wobei als inländischer Beschäftigerbetrieb die Beschwerdeführerin ohne den genannten Zusatz und mit der österreichischen UID-Nummer sowie der Anschrift des Sitzes in P. angeführt war, sowie für M. B. (GZ: 08114 / GF: 3947124; 2212403-1) als Bauhilfsarbeiter und M. D. (GZ: 08114 / GF: 3947111; 2212407-1) sowie A. M. (GZ: 08114 / GF: 3946188; 2212385-1) und S. O. als Bauarbeiter (GZ: 08114 / GF: 3947138; 2212401-1) an Anschriften in Vorarlberg, und schließlich

am 19.09.2018 für Sa. Ze. als Bauarbeiter (GZ: 08114 / GF: 3946055; 2212382-1), wobei als inländischer Beschäftigerbetrieb die Beschwerdeführerin ohne den genannten Zusatz und mit der österreichischen UID-Nummer sowie der Anschrift des Sitzes in P. angeführt war, sowie für Sa. Zu. als Bauhilfsarbeiter (GZ: 08114 / GF: 3946208; 2212391-1) an einer Anschrift in der nunmehrigen Sitzgemeinde der Beschwerdeführerin.

1.5 Die unter 1.1 und 1.2 genannten Kapitalgesellschaften haben einen gemeinsamen Internet-Auftritt, ibusoski-bau.eu, wobei sämtliche Anschriften österreichische Adressen sind und sowohl Festnetz- als auch Mobiltelefonnummern die internationale Vorwahl Österreichs aufweisen. Alle Festnetznummern weisen die Ortsvorwahl von H. auf und unterscheiden sich nur durch die Erweiterungen (Nebenstellen). Als Sitz der Beschwerdeführerin ist H. angegeben, als jener der I. GmbH P., wobei Letztere eine "Betriebsstätte" am Sitz der Beschwerdeführerin in H. angibt.

1.6 Die Beschwerdeführerin ist auf der genannten Internet-Seite mit den Kontaktdaten, einem Kontaktformular und den Worten "Bauträger" "Immobilien Bewirtschaftung" und "Vermietung" vertreten. Unter "Unsere Immobilien" finden sich vier Bestandsobjekte und ein Bauvorhaben in verschiedenen Gemeinden Vorarlbergs.

Die I. GmbH scheint auf der Homepage als "GmbH/srl" auf und bietet dort Arbeitskräfteüberlassung sowie Leistungen als Subunternehmen im Hochbau an, wofür sie angibt, rund 100 Mitarbeiter zu beschäftigen.

1.7 Laut Firmenbuch war die Beschwerdeführerin bis Sommer 2019 im Geschäftszweig Bauunternehmen tätig, seither als Holding. Bei der I. GmbH ist es genau umgekehrt.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde sowie den bekämpften Bescheiden und den Beschwerden.

Die weiteren Feststellungen ergaben sich aus Abfragen des Firmenbuchs sowie der Firmensuche der italienischen Handelskammer (www.handelskammer.bz.it/de), deren Unternehmensregister (www.registroimprese.it) und weiterer Firmenportale. Ergänzend konnte die erwähnte Homepage (auch) der Beschwerdeführerin herangezogen werden. Dabei ergaben sich - von der rechtlichen Klassifikation der Standorte abgesehen - auch keine Widersprüche zum Vorbringen der Beschwerdeführerin.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerden

3.1 Nach § 18. Abs. 1 AusBG bedürfen Ausländer, die von einem ausländischen Arbeitgeber "ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz" im Inland beschäftigt werden, einer Beschäftigungsbewilligung, "soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist". Dauern diese Arbeiten nicht länger als sechs Monate, bedürfen Ausländer einer Entsendebewilligung, welche längstens für die Dauer von vier Monaten erteilt werden darf.

In Abs. 12 ist festgelegt, dass für Ausländer, die von einem Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes zur Erbringung einer vorübergehenden Arbeitsleistung nach Österreich entsandt oder überlassen werden, keine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung erforderlich ist, wenn sie - neben weiteren Voraussetzungen - ordnungsgemäß zu einer Beschäftigung im Staat des Betriebssitzes über die Dauer der Entsendung oder Überlassung nach Österreich hinaus zugelassen und beim entsendenden Unternehmen rechtmäßig beschäftigt sind.

Das AMS hat aufgrund der von der Zentralen Koordinationsstelle des BMF übermittelten Meldungen das Vorliegen der Voraussetzungen zu bestätigen oder die Entsendung (Überlassung) zu untersagen, wenn diese nicht vorliegen.

3.2 Der Begriff des Betriebssitzes ist gesetzlich nicht definiert. Im Hinblick darauf, dass das AuslBG sowohl diesen als auch den Begriff der Betriebsstätte (§ 26 Abs. 1) verwendet, ist - da unterschiedliche Begriffe vorliegen - nicht davon auszugehen, dass Betriebssitz und Betriebsstätte dasselbe bedeuten. Die österreichische Rechtsordnung kennt überdies keinen einheitlichen Begriff der Betriebsstätte, sondern beinhaltet Begriffsbestimmungen dafür in verschiedenen Gesetzen (z. B. § 4 Z. 14 Tierschutzgesetz, § 1 Z. 26 Mineralrohstoffgesetz).

3.3 Die Aufzählung in § 26 Z. 4 EStG, "Büro, Betriebsstätte, Werksgelände, Lager usw." deutet darauf hin, dass Büros keine Betriebsstätten sind. Es kann dahinstehen, ob Büros demgegenüber Betriebssitze (fallbezogen: der Gewerbe der Beschwerdeführerin) sein können, weil nach der Systematik des § 18 AuslBG die Anwendung von dessen Abs. 12 als Ausnahmebestimmung nur für die in Abs. 1 angeführten Ausländer infrage kommt ("soweit nicht").

Wenn also kein Fall des § 18 Abs. 1 vorliegt, dann kann auch keine Entsendung oder Überlassung im Sinn des Abs. 12 stattfinden. Sachverhalte, bei denen das Tatbestandsmerkmal "ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz" fehlt, können damit zu keiner Bestätigung des AMS nach Abs. 12 führen, womit auch klar ist, dass das AMS in solchen Fällen die Untersagung auszusprechen hat.

3.4 Das Erfordernis, keinen Betriebssitz im Inland aufzuweisen, ergibt sich - neben der Systematik - auch aus den Materialien, wo es in den Erläuterungen der Regierungsvorlage zu § 18 auszugsweise heißt:

"Diese Bestimmung soll die unter dem Begriff ?betriebsentsandte Ausländer' zusammengefasste Sonderform der Beschäftigung von Ausländern im Bundesgebiet regeln. Charakteristisch für diese Art der Beschäftigung ist der Umstand, dass es sich um solche Ausländer handelt, deren Arbeitgeber im Bundesgebiet keinen Betriebssitz und auch sonst keinen inländischen Anknüpfungspunkt aufzuweisen vermag. Es besteht im Regelfall kein direktes rechtliches Verhältnis zwischen dem im Bundesgebiet beschäftigten Ausländer und jener Person, die den Ausländer verwendet." (1451 BlgNR XIII. GP, 31; Rechtschreibung aktualisiert; vgl. auch VwGH 21.01.2004, 2001/09/0230; 16.05.2001, 99/09/0185 mwN)

3.5 Die Beschwerdeführerin hat nicht vorgebracht, keinen Betriebssitz im Inland zu haben, sondern lediglich, dass dieser nicht mit dem gesellschaftsrechtlichen Sitz gleichzusetzen sei. Sie habe neben dem Letzteren (damals) in P. in Österreich ferner eine inländische Zweigniederlassung in H. (dem nunmehrigen Sitz) sowie einen Betriebssitz in Bo., Italien.

3.6 Nach den Feststellungen betreffend die unternehmerische Tätigkeit der Beschwerdeführerin ist (ohne zu übersehen, dass die Beschwerdeführerin und die I.-GmbH haben etwa gleichzeitig miteinander Namen und Geschäftszweig getauscht haben) davon auszugehen, dass ein Betriebssitz der Beschwerdeführerin jedenfalls auch in Österreich besteht, und nach jenen betreffend die Gewerbeberechtigungen auch davon, dass das bereits zur Zeit der Erlassung der bekämpften Beschwerde der Fall war.

3.7 Somit ist auch nicht mehr zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin wegen ihrer Eintragung im italienischen Register und ihrer Büroräume in Bo. als ausländische Arbeitgeberin Im Sinn des § 18 Abs.1 AusBG anzusehen ist.

3.8 Da die Beschwerdeführerin somit nicht als Arbeitgeber ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz im Sinn des § 18 Abs. 1 AuslBG die Meldungen nach § 18 Abs. 12 erstattete, fehlte es auch an einer der Voraussetzungen für die dort vorgesehene Bestätigung. Das AMS hat daher mit den bekämpften Bescheiden zu Recht die Untersagungen ausgesprochen.

3.9 Die dagegen erhobenen Beschwerden waren aus diesem Grund abzuweisen.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist zulässig, weil es an einer Rechtsprechung des VwGH zur Frage fehlt, was unter einem Betriebssitz im Sinn des § 18 AuslBG zu verstehen ist, und ob ein- und derselbe Rechtsträger, der zumindest einen Betriebssitz im Inland aufweist, dennoch dann Bestätigungen nach § 18 Abs. 12 AuslBG erlangen kann, wenn er auch einen solchen in einem anderen Mitgliedstaat des EWR hat.

4. Unterbleiben einer Verhandlung:

Der Sachverhalt war im Sinne des § 24 Abs. 4 VwGVG entscheidungsreif, weshalb von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden konnte. Dem Entfall der Verhandlung stand auch Art 6 EMRK nicht entgegen, weil lediglich rechtliche Fragen zu klären waren (vgl. VwGH 19.03.2014, 2013/09/0159 mwH).

Schlagworte

Betriebssitz EU-Entsendebestätigung Rechtsanschauung des VfGH Revision zulässig Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I419.2212403.1.00

Im RIS seit

04.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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