TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/23 W212 2189696-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.03.2020
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Entscheidungsdatum

23.03.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §11
FPG §11a
Visakodex Art32 Abs1 litb

Spruch

W212 2189696-1/3E

Im Namen der Republik!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva SINGER nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Kairo vom 11.02.2018, GZ: Kairo-ÖB/KONS/0220/2018, aufgrund des Vorlageantrages der XXXX geb. XXXX , StA. Ägypten, über die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Kairo vom 05.12.2017, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß Art. 32 Abs. 1 lit b der Verordnung (EG) 2009/810, des Europäischen Parlaments und des Rates (Visakodex) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Ägypten, brachte am 22.10.2017 bei der Österreichischen Botschaft Kairo (im Folgenden: ÖB Kairo) einen Antrag auf Ausstellung eines Schengen-Visums der Kategorie C für eine einmalige Einreise mit einem Gültigkeitszeitraum von 15.11.2017 bis 12.02.2018 (90 Tage) ein. Als Hauptzweck der Reise wurde der „Besuch von Familienangehörigen oder Freunden“ angegeben. Als Einlader wurde XXXX , genannt und gab die Beschwerdeführerin zudem an verwitwet und Hausfrau zu sein.

Dem Visumantrag beigefügt waren folgende Schriftstücke:

-        Reisepasskopie,

-        Flugbuchung,

-        Reise- und Krankenversicherung,

-        Elektronische Verpflichtungserklärung (EVE) von XXXX , wohnhaft in XXXX , XXXX Wien, EVE-ID: CAI17044602, Einladungszeitraum: 15.11.2017 bis 15.02.2018, Beziehung zur Eingeladenen: Bruder

2. Mit Verbesserungsauftrag der ÖB Kairo vom 24.10.2017, übernommen am 23.11.2017, wurde die Beschwerdeführerin dazu ersucht, binnen vierzehn Tagen folgende Nachweise zu erbringen, um eine weitere Bearbeitung ihres Antrages ermöglichen zu können:

Nachweis ausreichender eigener finanzieller oder sonstiger Mittel (Vermögen, Grundbesitz etc., bei Sparbüchern oder Konten die Bewegungen der letzten sechs Monate); und sonstige Nachweise zur Dokumentation der Verwurzelung im Heimatstaat (zb. Geburtsurkunden und Aufenthaltsnachweis der minderjährigen Kinder, Eigentumsnachweis Wohnung/Haus, Mietvertrag, KFZ-Eigentumsdokumente)

Die Beschwerdeführerin reichte daraufhin folgende Unterlagen nach:

-        eigene Geburtsurkunde,

-        zwei Pensionsbestätigungen (eine davon als Witwenpension) über insgesamt umgerechnet rund 100,- EUR monatlich und

-        einen Kontoauszug der „Egypt Post“ mit einem Guthaben in der Höhe von 90.137 EGP (entspricht etwa 4.500,- EUR) zum Stichtag 22.11.2017

3. Mit Aufforderung zur Stellungnahme der ÖB Kairo vom 23.11.2017, zugestellt am 04.12.2017, wurde der Beschwerdeführerin Parteiengehör eingeräumt und dazu ausgeführt, dass folgende Bedenken gegen die Erteilung ihres Visums bestünden:

Sie habe nicht den Nachweis erbringen können, über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes für die Dauer des beabsichtigten Aufenthalts oder für die Rückkehr in ihren Herkunfts- oder Wohnsitzstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat zu verfügen beziehungsweise sei sie nicht in der Lage, diese Mittel rechtmäßig zu erlangen; Die vorliegende EVE sei nicht tragfähig; Die vorgelegten Informationen über den Zweck und die Bedingungen des beabsichtigten Aufenthaltes seien nicht glaubhaft; und sei kein hinreichender Nachweis zur Dokumentation der Verwurzelung im Heimatstaat erbracht worden.

4. Mit Schriftsatz vom 29.11.2017, eingelangt bei der ÖB Kairo am 05.12.2017, erstattete die Beschwerdeführerin eine diesbezügliche Stellungnahme und brachte wie folgt vor:

Der Großteil ihrer unmittelbaren Verwandten (namentlich genannt drei erwachsene Kinder und zwei Schwestern) würde in Ägypten leben, weshalb sie in ihrem Heimatland familiär stark verwurzelt sei. Sie beziehe in Ägypten eine monatliche Pension sowie Einnahmen aus verschiedenen Geschäften ihres verstorbenen Ehemannes und sei sie zu 1/8 Miteigentümerin von zwei Einfamilienhäusern, die ihrem verstorbenen Mann gehört hätten.

Dass sie über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes für die Dauer des beabsichtigten Aufenthaltes beziehungsweise für die Rückkehr in den Heimatstaat verfüge, ergebe sich daraus, dass sowohl ihr Sohn, XXXX , als auch ihr Bruder, XXXX , jeweils eine Haftungserklärung abgegeben hätten. Ihr Sohn sei als Subdiakon beim „Koptisch-Orthodoxen Patriachat -Diozöse Österreichs“ beschäftigt und beziehe ein monatliches Einkommen in der Höhe von 800,42 EUR. Seine Ehefrau, XXXX , bekomme ein tägliches Kinderbetreuungsgeld in der Höhe von 33,88 EUR sowie eine monatliche Familienbeihilfe für vier Kinder. Die Beschwerdeführerin selbst verfüge über ein Reisebudget von etwa 4.300,- EUR.

Zum Reisegrund führte die Beschwerdeführerin weiters aus, dass sie anlässlich der Geburt ihres Enkelkindes einige Tage mit der Familie in Wien verbringen und gleichzeitig die Stadt besichtigen wolle. Sie sei auch bereit, den geplanten Aufenthalt von drei Monaten auf einen zu reduzieren.

Der Stellungnahme beigefügt waren:

-        Wohnbestätigung betreffend den Sohn der Beschwerdeführerin,

-        Haftungserklärung (gemäß § 2 Abs 1 Z 15 NAG) des Bruders

-        Notarielle Unterschriftsbeglaubigung des Bruders,

-        Geburtsurkunde des Sohnes,

-        Haftungserklärung (gemäß § 2 Abs 1 Z 15 NAG) des Sohnes,

-        Notarielle Unterschriftsbeglaubigung des Sohnes,

-        Auszug der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse, woraus zu entnehmen ist, dass ihre Schwiegertochter ein tägliches Kinderbetreuungsgeld bezieht und

-        eine Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe,

-        Gehaltsnachweis des Sohnes für Juli 2017,

-        Einkommensbestätigung der „ XXXX “

5. Mit Bescheid vom 05.12.2017, persönlich übernommen am 12.12.2017 verweigerte die ÖB Kairo die Erteilung des Visums mit der Begründung, dass die Absicht der Beschwerdeführerin, vor Ablauf des Visums aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten auszureisen, nicht festgestellt habe werden können.

6. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht am 28.12.2017, eingelangt bei der belangten Behörde am 04.01.2018, Beschwerde, wobei sie im Wesentlichen das bereits in der Stellungnahme Gesagte wiederholte. Darüber hinaus monierte die Beschwerdeführerin, dass der Versagungsgrund der mangelnden Wiederausreiseabsicht ohne konkrete Anhaltspunkte getätigt worden sei und dass eine Abweisung ihres Visumantrages sie unbillig hart treffen würde, da sie bereits viele Anstrengungen in Zusammenhang mit dem geplanten Besuch in Österreich unternommen habe.

7. In der Folge erging seitens der ÖB Kairo mit Bescheid vom 11.02.2018, übernommen am 15.02.2018, eine Beschwerdevorentscheidung, in welcher die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen wurde.

Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass es der Beschwerdeführerin, obwohl ihr dazu ausreichend Gelegenheit geboten worden sei, nicht gelungen sei, ihre Wiederausreiseabsicht glaubhaft darzulegen. Die rechtmäßige Herkunft und tatsächliche Verfügbarkeit ihres Bankguthabens sei anzuzweifeln und habe sie keinerlei Eigentumsnachweise erbracht, weshalb von keiner wirtschaftlichen Verwurzelung in ihrem Heimatland auszugehen war. Die von ihr genannten in Ägypten lebenden Kinder seien bereits volljährig und habe sie zudem bei Antragstellung – für die belangte Behörde nicht nachvollziehbar - verschwiegen, dass abgesehen von ihrem Bruder, auch ihr Sohn und dessen Familie in Österreich lebten. Schließich sei darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin als koptische Christin einer religiösen Minderheit angehöre, die in Ägypten regelmäßig von Terror-Anschlägen betroffen sei. Auf dem Boden konkreter Anhaltspunkte, insbesondere im Hinblick auf die Lebensumstände der Beschwerdeführerin, bestünden sohin begründete Zweifel, an der Absicht der Beschwerdeführerin, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vor Ablauf der Gültigkeit des beantragten Visums zu verlassen und habe sie im Laufe des Ermittlungsverfahrens sowie im Rahmen ihrer Beschwerde Gegenteiliges durch Vorlage geeigneter Unterlagen nicht nachweisen können.

8. Am 25.02.2018 beantragte die Beschwerdeführerin gemäß § 15 VwGVG die Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

9. Mit dem am 20.03.2018 eingelangten Schreiben des Bundesministeriums für Inneres wurde der Vorlageantrag mitsamt dem Verwaltungsakt an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin, eine ägyptische Staatsangehörige, brachte am 22.10.2017 bei der ÖB Kairo einen Antrag auf Ausstellung eines für den Zeitraum von 15.11.2017 bis 12.02.2018 gültigen und zur einmaligen Einreise berechtigenden Visums der Kategorie C für den deklarierten Hauptzweck "Besuch von Familienangehörigen oder Freunden" ein. Als Einlader wurde ihr Bruder, XXXX , genannt.

Die Beschwerdeführerin gehört den koptischen Christen, einer religiösen Minderheit, an. Sie ist verwitwet und Hausfrau und bezieht zwei Pensionen (eine davon als Witwenpension) in der Höhe von monatlich 807 EGP und 1.175 EGP (entspricht insgesamt etwa 100,- EUR).

Im Zuge der Antragstellung legte die Beschwerdeführerin einen Kontoauszug mit einem Guthaben von 90.137 EGP (entspricht etwa 4.500,- EUR) zum Stichtag 22.11.2017 vor. Am 19.11.2017 wurde auf ihr Konto ein Betrag von 90.000 EGP einbezahlt. Im Zeitraum davor, Juli 2015 bis Mitte November 2017, hatte der Kontostand regelmäßig unter 147 EGP (entspricht etwa 7,50 EUR) betragen.

In Österreich leben der Bruder, der Sohn und vier Enkelkinder der Beschwerdeführerin.

Die Beschwerdeführerin wurde im Zuge des Parteiengehörs davon in Kenntnis gesetzt, dass aufgrund nicht hinreichend nachgewiesener beruflicher, wirtschaftlicher und sozialer Verwurzelung Zweifel an ihrer Wiederausreiseabsicht bestehen. Die Beschwerdeführerin brachte anlässlich des Verbesserungsauftrages vom 24.10.2017 und der Aufforderung zur Stellungnahme vom 23.11.2017 zwar weitere Unterlagen in Vorlage, es gelang ihr dadurch aber nicht, die Zweifel der belangten Behörde auszuräumen.

Im Übrigen wird der oben wiedergegebenen Verfahrensgang festgestellt.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Zusammenhalt mit den vorgelegten Unterlagen und dem Verfahrensakt der Vertretungsbehörde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

§§ 11, 11a Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 68/2013 lauten:

"Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs. 1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung ist auch die Rechtsmittelinstanz anzugeben.

(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.

(6) Kann dem Antrag auf Erteilung eines Visums D auf Grund zwingender außenpolitischer Rücksichten oder aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht stattgegeben werden, so ist die Vertretungsbehörde ermächtigt, sich auf den Hinweis des Vorliegens zwingender Versagungsgründe zu beschränken. Der maßgebliche Sachverhalt muss auch in diesen Fällen im Akt nachvollziehbar sein.

(7) Der Fremde hat im Antrag auf Erteilung eines Visums D den jeweiligen Zweck und die beabsichtigte Dauer der Reise und des Aufenthaltes bekannt zu geben. Der Antrag ist zurückzuweisen, sofern der Antragsteller, ausgenommen die Fälle des § 22 Abs. 3 FPG, trotz Aufforderung und Setzung einer Nachfrist kein gültiges Reisedokument oder gegebenenfalls kein Gesundheitszeugnis vorlegt oder wenn der Antragsteller trotz entsprechenden Verlangens nicht persönlich vor der Behörde erschienen ist, obwohl in der Ladung auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde.

(8) Minderjährige Fremde, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, können die Erteilung eines Visums selbst beantragen. Die Ausstellung bedarf der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters; diese ist vom Antragsteller nachzuweisen.

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt."

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des europäischen Parlaments und des Rates (Visakodex) lauten wie folgt:

"Ziel und Geltungsbereich

Art. 1 (1) Mit dieser Verordnung werden die Verfahren und Voraussetzungen für die Erteilung von Visa für die Durchreise durch das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten oder für geplante Aufenthalte in diesem Gebiet von höchstens drei Monaten je Sechsmonatszeitraum festgelegt.

[ ... ]

Behörden mit Zuständigkeit für die Beteiligung an Antragsverfahren

Art. 4 (1) Anträge werden von den Konsulaten geprüft und beschieden.

[ ... ]

Prüfung der Einreisevoraussetzungen und Risikobewertung

Art. 21 (1) Bei der Prüfung eines Antrags auf ein einheitliches Visum ist festzustellen, ob der Antragsteller die Einreisevoraussetzungen nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a, c, d und e des Schengener Grenzkodexes erfüllt, und ist insbesondere zu beurteilen, ob bei ihm das Risiko der rechtswidrigen Einwanderung besteht, ob er eine Gefahr für die Sicherheit der Mitgliedstaaten darstellt und ob er beabsichtigt, vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des beantragten Visums das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu verlassen.

(2) Zu jedem Antrag wird das VIS gemäß Artikel 8 Absatz 2 und Artikel 15 der VIS-Verordnung abgefragt. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass alle Suchkriterien gemäß Artikel 15 der VIS-Verordnung voll und ganz verwendet werden, um falsche Ablehnungen und Identifizierungen zu vermeiden.

(3) Bei der Kontrolle, ob der Antragsteller die Einreisevoraussetzungen erfüllt, prüft das Konsulat,

a) dass das vorgelegte Reisedokument nicht falsch, verfälscht oder gefälscht ist;

b) ob die Angaben des Antragstellers zum Zweck und zu den Bedingungen des beabsichtigten Aufenthalts begründet sind und ob er über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des beabsichtigten Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunfts- oder Wohnsitzstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügt oder in der Lage ist, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben;

c) ob der Antragsteller im Schengener Informationssystem (SIS) zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben ist;

d) ob der Antragsteller keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit oder die öffentliche Gesundheit im Sinne von

Artikel 2 Nummer 19 des Schengener Grenzkodexes oder für die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaats darstellt und ob er insbesondere nicht in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden ist;

e) ob der Antragsteller, soweit erforderlich, im Besitz einer angemessenen und gültigen Reisekrankenversicherung ist.

(4) Das Konsulat prüft gegebenenfalls anhand der Dauer früherer und geplanter Aufenthalte, ob der Antragsteller die zulässige Gesamtaufenthaltsdauer im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht überschritten hat, ungeachtet etwaiger rechtmäßiger Aufenthalte aufgrund eines nationalen Visums für den längerfristigen Aufenthalt oder eines von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Aufenthaltstitels.

(5) Die Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts während des geplanten Aufenthalts werden nach der Dauer und dem Zweck des Aufenthalts und unter Zugrundelegung der Ausgaben für Unterkunft und Verpflegung in dem/den betreffenden Mitgliedstaat(en) nach Maßgabe eines mittleren Preisniveaus für preisgünstige Unterkünfte bewertet, die um die Zahl der Aufenthaltstage multipliziert werden; hierzu werden die von den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 34 Absatz 1 Buchstabe c des Schengener Grenzkodexes festgesetzten Richtbeträge herangezogen. Der Nachweis einer Kostenübernahme und/oder einer privaten Unterkunft kann ebenfalls das Vorhandensein ausreichender Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts belegen.

(6) Bei der Prüfung eines Antrags auf ein Visum für den Flughafentransit überprüft das Konsulat insbesondere Folgendes: a) dass das vorgelegte Reisedokument nicht falsch, verfälscht oder gefälscht ist; b) den Ausgangs- und Zielort des betreffenden Drittstaatsangehörigen und die Kohärenz der geplanten Reiseroute und des Flughafentransits; c) den Nachweis der Weiterreise zum Endbestimmungsland.

(7) Die Prüfung eines Antrags stützt sich insbesondere auf die Echtheit und Vertrauenswürdigkeit der vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen und den Wahrheitsgehalt und die Glaubwürdigkeit seiner Aussagen. DE L 243/12 Amtsblatt der Europäischen Union 15.9.2009

Visumverweigerung

Art. 32 (1) Unbeschadet des Artikels 25 Absatz 1 wird das Visum verweigert,

a) wenn der Antragsteller:

i) ein Reisedokument vorlegt, das falsch, verfälscht oder gefälscht ist;

ii) den Zweck und die Bedingungen des geplanten Aufenthalts nicht begründet;

iii) nicht den Nachweis erbringt, dass er über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des geplanten Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunfts- oder Wohnsitzstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügt, bzw. nicht in der Lage ist, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben;

iv) sich im laufenden Sechsmonatszeitraum bereits drei Monate im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten auf der Grundlage eines einheitlichen Visums oder eines Visums mit räumlich beschränkter Gültigkeit aufgehalten hat;

v) im SIS zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben ist; DE 15.9.2009 Amtsblatt der Europäischen Union L 243/15

vi) als eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit oder die öffentliche Gesundheit im Sinne von Artikel 2 Absatz 19 des Schengener Grenzkodexes oder für die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaats eingestuft wird, insbesondere wenn er in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden ist; oder

vii) nicht nachweist, dass er, soweit erforderlich, über eine angemessene und gültige Reisekrankenversicherung verfügt; oder

b) wenn begründete Zweifel an der Echtheit der von dem Antragsteller vorgelegten Belege oder am Wahrheitsgehalt ihres Inhalts, an der Glaubwürdigkeit seiner Aussagen oder der von ihm bekundeten Absicht bestehen, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vor Ablauf der Gültigkeit des beantragten Visums zu verlassen.

(2) Eine Entscheidung über die Verweigerung und die entsprechende Begründung werden dem Antragsteller unter Verwendung des Standardformulars in Anhang VI mitgeteilt.

(3) Antragstellern, deren Visumantrag abgelehnt wurde, steht ein Rechtsmittel zu. Die Rechtsmittel sind gegen den Mitgliedstaat, der endgültig über den Visumantrag entschieden hat, und in Übereinstimmung mit dem innerstaatlichen Recht dieses Mitgliedstaats zu führen. Die Mitgliedstaaten informieren die Antragsteller über das im Falle der Einlegung eines Rechtsmittels zu befolgende Verfahren nach Anhang VI.

[ ... ]"

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Gemäß Art. 32 Abs. 1 lit. b Visakodex ist ein Visum unter anderem dann zu verweigern, wenn begründete Zweifel an der vom Antragsteller bekundeten Absicht bestehen, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vor Ablauf der Gültigkeit des beantragten Visums zu verlassen.

Schon das Abstellen auf "begründete Zweifel" in Art. 32 Abs. 1 lit. b Visakodex macht deutlich, dass nicht ohne weiteres - generell - unterstellt werden darf, dass Fremde unter Missachtung der fremdenrechtlichen Vorschriften im Anschluss an die Gültigkeitsdauer eines Visums weiterhin im Schengenraum (unrechtmäßig) aufhältig bleiben. Es wird daher konkreter Anhaltspunkte in diese Richtung bedürfen, und die Behörde kann die Versagung eines Visums nicht gleichsam mit einem "Generalverdacht" zu Lasten aller Fremden begründen. Regelmäßig wird daher, wenn nicht gegenteilige Indizien bekannt sind, davon auszugehen sein, dass der Fremde vor Ablauf der Gültigkeit des beantragten Visums wieder ausreisen wird (vgl. VwGH vom 29.9.2011, Zl. 2010/21/0344 mit Hinweis auf E 20. Dezember 2007, 2007/21/0104), wobei begründete Zweifel zu Lasten des Fremden gehen.

Nach dem Urteil des EuGH vom 19.12.2013, C-84/12, verlangt diese Bestimmung von der Behörde jedoch nicht, Gewissheit zu erlangen, ob der Antragsteller beabsichtigt, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vor Ablauf der Gültigkeit des beantragten Visums zu verlassen. Die Behörde hat vielmehr festzustellen, ob begründete Zweifel an dieser Absicht bestehen. Zu diesem Zweck hat die Behörde eine individuelle Prüfung des Antrages vorzunehmen. Dabei sind zum einen die allgemeinen Verhältnisse im Wohnsitzstaat des Antragstellers und zum anderen seine persönlichen Umstände - insbesondere seine familiäre, soziale und wirtschaftliche Situation, seine Bindungen im Wohnsitzstaat und in den Mitgliedstaaten - zu berücksichtigen. Es obliegt dem Antragsteller, Unterlagen zur Beurteilung seiner Rückkehrabsicht vorzulegen und etwaige Zweifel zu entkräften.

Begründete Zweifel an der Absicht der Beschwerdeführerin, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des beantragten Visums wieder zu verlassen, ergeben sich im gegenständlichen Fall daraus, dass sie eine entsprechende soziale, familiäre und wirtschaftliche Verwurzelung in der Heimat nicht nachweisen konnte.

Obwohl die Beschwerdeführerin im Verbesserungsauftrag der ÖB Kairo dazu ersucht wurde, Dokumente nachzureichen, die geeignet sind, eine Verwurzelung im Heimatstaat nachzuweisen (zb. Geburtsurkunden und Aufenthaltsnachweis minderjähriger Kinder, Eigentumsnachweis Wohnung/Haus, Mietvertrag, KFZ-Eigentumsdokumente), reichte die Beschwerdeführerin bloß ihre eigene Geburtsurkunde, zwei Pensionsbestätigungen und einen Kontoauszug mit einer überdurchschnittlichen Einzahlung (unbekannter Herkunft) kurz vor Antragstellung nach.

Dass die Beschwerdeführerin – wie später im Laufe der Stellungnahme vorgebracht – in Ägypten familiär stark verwurzelt sei, da ihre nahe Verwandtschaft (namentlich genannt drei erwachsene Kinder und zwei Schwestern) dort lebe, wurde durch keinerlei Unterlagen nachgewiesen und brachte sie demgegenüber lediglich Unterlagen betreffend ihre in Österreich lebende Familie in Vorlage.

Auch legte sie keine Nachweise über die behaupteten Einnahmen aus verschiedenen Geschäften ihres verstorbenen Ehemannes sowie über die vorgeblichen (Teil)eigentumsverhältnisse zweier Einfamilienhäuser vor, weshalb allein der Bezug einer geringen Pension nachgewiesen werden konnte, der für sich allein jedenfalls nicht ausreicht, eine wirtschaftliche Verwurzelung im Heimatland zu begründen.

Mangels tiefgreifender sozialer und wirtschaftlicher Verwurzelung der Beschwerdeführerin im Heimatstaat und im Hinblick darauf, dass mehrere Familienangehörige der Beschwerdeführerin in Österreich leben (was sie zu Beginn der Antragstellung noch verschwieg) und sie einer in Ägypten gefährdeten religiösen Minderheit angehört, war der ÖB Kairo beizupflichten, dass begründete Zweifel an der Wiederausreiseabsicht der Beschwerdeführerin bestehen.

Letztlich können die im Rahmen der Stellungnahme vorgelegten Haftungserklärungen des Bruders und des Sohnes der Beschwerdeführerin – wie von der belangten Behörde richtig gewürdigt – als weiteres Indiz für die Niederlassungsabsicht der Beschwerdeführerin in Österreich herangezogen werden, da Haftungserklärungen gemäß § 2 Abs 1 Z 15 NAG - im Gegensatz zu elektronischen Verpflichtungserklärungen – grundsätzlich in Zusammenhang mit der Antragstellung zur Erteilung von Aufenthaltstiteln abgegeben werden.

Im gegenständlichen Fall kann sohin nicht davon gesprochen werden, dass es sich um einen "Generalverdacht" handle, der zur Versagung des Visums geführt hat. Es liegen nachvollziehbare und begründete Anhaltspunkte für die Annahme eines möglichen Verbleibs der Beschwerdeführerin über die Gültigkeitsdauer des Visums hinaus vor und hat die ÖB Kairo ihre Beurteilung innerhalb des ihr zukommenden Ermessensspielraumes begründet vorgenommen.

Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war das Beschwerdeverfahren ohne mündliche Verhandlung durchzuführen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich im vorliegenden Fall auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

begründete Zweifel Einreisetitel finanzielle Mittel Nachweismangel Rückkehrabsicht Verwandtschaftsbesuche

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W212.2189696.1.00

Im RIS seit

04.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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