Entscheidungsdatum
29.04.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
W280 2223948-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Wolfgang BONT über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien, vertreten durch Weh Rechtsanwalt GmbH, Wolfeggstraße 1, 6900 Bregenz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin, eine serbische Staatsangehörige, reiste am XXXX in das österreichische Bundesgebiet ein.
Die Beschwerdeführerin wurde am XXXX im Zuge einer fremdenpolizeilichen Kontrolle von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes in der Küche eines Gasthofes angetroffen, festgenommen, niederschriftlich einvernommen und wegen des Verdachtes des unrechtmäßigen Aufenthaltes gemäß § 31 Abs. 1 und Abs. 1a iVm § 120 Abs. 1a FPG zur Anzeige gebracht.
Am XXXX fand eine niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) statt.
Mit Mandatsbescheid des BFA vom XXXX , Zl. XXXX , wurde über die Beschwerdeführerin gemäß § 76 Abs. 2 Zif. 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Sicherung der Abschiebung angeordnet.
Mit Schreiben ihrer bevollmächtigten Rechtsvertretung vom XXXX erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde gegen diesen Bescheid.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.08.2019, I417 2222315-1/13E, wurde der Beschwerde gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Zif. 2 FPG stattgegeben und die Anhaltung in Schubhaft seit XXXX für rechtswidrig erklärt. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Zif. 1 FPG wurde festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht vorliegen. Zudem wurde über den Kostenersatz abgesprochen.
Die Beschwerdeführerin wurde am XXXX aus der Schubhaft entlassen. Sie reiste am XXXX freiwilllig nach Serbien aus.
Mit Bescheid des BFA vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig erließ das BFA gegen sie gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Zif. 1 FPG (Spruchpunkt II.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß 46 FPG nach Serbien fest (Spruchpunkt III.). Das BFA erließ gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Zif. 7 FPG gegen die Beschwerdeführerin ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt IV.), gewährte gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt V.) und erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Zif. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI.).
Mit Schreiben ihrer bevollmächtigten Rechtsvertretung vom 26.09.2019 erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde in vollem Umfang gegen den zuletzt genannten Bescheid. Darin wurde nach Darlegung der Beschwerdegründe beantragt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen sowie der Beschwerde Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid aufzuheben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Republik Serbien. Ihre Identität steht fest. Sie ist im Besitz eines gültigen biometrischen serbischen Reisepasses.
Sie wurde in Serbien geboren. Ihre Muttersprache ist Serbisch. Sie lebt mit ihrer Familie und ihrem Lebensgefährten in Serbien. Sie ist ausgebildete Köchin. Ihren Lebensunterhalt finanziert sie sich durch ihre Tätigkeit als Tankstellenmitarbeiterin.
Die Beschwerdeführerin hat keinen österreichischen Aufenthaltstitel und verfügt auch nicht über eine Beschäftigungs- oder sonstige Arbeitsbewilligung. Sie reiste während ihres Urlaubes am XXXX legal in das österreichische Bundesgebiet ein. Zweck ihrer Reise war der Besuch ihrer Verwandten und Freundin XXXX in XXXX , die in der ca. 50 km entfernten Gemeinde XXXX am XXXX einen Gasthof eröffnet hat.
Die Beschwerdeführerin nächtigte zunächst bei der genannten Verwandten in XXXX und ab XXXX in einem Zimmer in diesem Gasthof in XXXX . XXXX hat der Beschwerdeführerin - vorbehaltlich der arbeitsmarktbehördlichen Bewilligung - eine zukünftige Arbeitsstelle in der Küche des von ihr eröffneten Gasthauses angeboten. Hinsichtlich der notwendigen Voraussetzungen für eine derartige Bewilligung wurden seitens der potentiellen Arbeitgeberin am XXXX mit dem AMS und der zuständigen Bezirkshauptmannschaft Erkundigungen zwecks der erforderlichen Unterlagen für die angestrebte Erteilung einer Rot-Weiss-Rot Karte eingeholt und mit der Gemeinde Lorüns Kontakt zwecks behördlicher Meldung der Beschwerdeführerin aufgenommen.
Am XXXX wurde die Beschwerdeführerin im Zuge einer fremdenpolizeilichen Kontrolle von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes in der Küche dieses Gasthofes angetroffen und festgenommen.
Festgestellt wird, dass die BF dem Koch beim Zubereiten von Speisen zugesehen und fallweise kleinere Hilfsdienste verrichtet hat. Weder kann festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin dafür eine Gegenleistung entgegennahm, noch, dass die Beschwerdeführerin diese Tätigkeit in persönlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit durchgeführt hat.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin in diesem Gasthof unerlaubt einer Beschäftigung nachging.
Sie verfügte im Zeitpunkt der niederschriftlichen Befragung durch die belangte Behörde über ein Barvermögen von ca. EUR 500.
Die Beschwerdeführerin befand sich vom XXXX bis XXXX in Schubhaft und reiste am XXXX freiwilllig aus dem Bundesgebiet nach Serbien aus.
Die Beschwerdeführerin ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
2. Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Der oben festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und Identität der Beschwerdeführerin und der Besitz eines biometrischen serbischen Reisepasses sowie die legale Einreise in das Bundesgebiet am XXXX ergeben sich aus den im Akt einliegenden Unterlagen, insbesondere aus einer Kopie ihres Reisepasses und den darin ersichtlichen Grenzkontrollstempeln, mit denen Ein- und Ausreisen in den und aus dem Schengen-Raum dokumentiert werden.
Die Feststellungen zu Geburtsort, Muttersprache, den persönlichen Verhältnissen, zu Ausbildung und Berufstätigkeit der Beschwerdeführerin in Serbien beruhen auf den eigenen, schlüssigen Angaben der Beschwerdeführerin in den Einvernahmen vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und vor dem BFA.
Dass die Beschwerdeführerin keinen österreichischen Aufenthaltstitel und keine Arbeitsbewilligung hat, ergibt sich aus dem Akteninhalt (Auszug aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister [IZR]) und aus den Angaben der Beschwerdeführerin.
Die Feststellungen zur Anhaltung der Beschwerdeführerin in Schubhaft sowie zur freiwilligen Ausreise der Beschwerdeführerin nach Serbien basieren auf dem Akteninhalt (u.a. Auszug aus dem IZR).
Die Feststellungen zum Reisezweck der Beschwerdeführerin, zu ihrem Verhältnis zur Besitzerin des Gasthofes, zur Übernachtung der Beschwerdeführerin, zur angebotenen Arbeitsstelle und zur fremdenpolizeilichen Kontrolle und Festnahme der Beschwerdeführerin ergeben sich aus dem Akteninhalt und aus den plausiblen Angaben der Beschwerdeführerin während des Verfahrens. Das Fesstellung zur Entfernung zwischen dem Wohnort der Gasthausbetreiberin und der Betriebsstätte entspricht dem Amtswissen.
Dass die potentielle Arbeitsgeberin beim AMS und der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde Erkundigungen hinsichtlich der Voraussetzungen für die Erteilung einer Rot-Weiss-Rot Karte für die Beschwerdeführerin eingeholt hat beruht auf den detaillierten und schlüssigen Angaben in der anwaltlichen Stellungnahme der Beschwerdefühtrerin vom XXXX . Der Hinweis in der Anzeige vom XXXX , wonach eine telefonische Anfrage der ermittelnden Polizeidienststelle beim zuständigen AMS-Mitarbeiter ergeben habe, dass eine Antragstellung bis XXXX nicht erfolgt sei, steht dieser Feststellung nicht entgegen, da eine erfolgte Antragstellung weder behauptet, noch angesichts der von der BF zu beschaffenden fehlenden Unterlagen sinnvoll gewesen wäre. Die Angaben zur Kontaktaufnahme mit dem Gemeindeamt Lorüns zwecks behördlicher Meldung beruhen auf der schriftlichen Stellungnahme vom XXXX .
Die Feststellungen betreffend das Nichtvorliegen der von der belangten Behörde angenommene unerlaubten Beschäftigung im Bundesgebiet ergiebt sich aus den in sich schlüssigen und widerspruchsfreien Angaben der Beschwerdeführerin gegenüber der ermittelnden als auch belangten Behörde sowie den glaubwürdigen Angaben des im gegenständlichen Gasthof tätigen und zeugenschaftlich einvernommen Kochs.
Dass die Beschwerdeführerin über ausreichende finanzielle Mittel verfügt beruht auf deren Angaben vor der belangten Behörde im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme.
Die Feststellung der strafgerichtlichen Unbescholtenheit aus der Einsichtnahme in das Strafregister.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, FPG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte (mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes) ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (siehe insbesondere § 1 BFA-VG).
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG und § 9 Abs. 2 FPG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide (Entscheidungen) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
3.2. Zu A)
Gemäß § 31 Abs. 1 Z 1 FPG halten sich Fremde unter anderem rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthalts oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben.
Gemäß Art. 20 Abs. 1 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) können sich sichtvermerksfreie Drittausländer im Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten frei bewegen, höchstens jedoch drei Monate innerhalb einer Frist von sechs Monaten von dem Datum der ersten Einreise an und soweit sie die nunmehr im Schengener Grenzkodex vorgesehenen Einreisevoraussetzungen erfüllen.
Für einen geplanten Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen, wobei der Zeitraum von 180 Tagen, der jedem Tag des Aufenthalts vorangeht, berücksichtigt wird, gelten für einen Drittstaatsangehörigen die in Art. 6 Abs. 1 Schengener Grenzkodex, VO (EU) 2016/399, genannten Einreisevoraussetzungen. So muss der Drittstaatsangehörige im Besitz eines gültigen Reisedokuments und, sofern dies in der sog. Visumpflicht-Verordnung, VO (EU) 2018/1806, vorgesehen ist, im Besitz eines gültigen Visums sein. Er muss weiters den Zweck und die Umstände des beabsichtigten Aufenthalts belegen und über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des beabsichtigten Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügen oder in der Lage sein, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben; er darf nicht im SIS zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein und keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaates darstellen und insbesondere nicht in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden sein.
Gemäß Art. 11 Abs. 1 Schengener Grenzkodex werden die Reisedokumente von Drittstaatsangehörigen bei der Einreise und bei der Ausreise systematisch abgestempelt.
Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Serbien und als solche Drittstaatsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Sie war als Inhaberin eines gültigen biometrischen serbischen Reisepasses nach Art. 4 Abs. 1 iVm Anhang II der Visumpflicht-Verordnung für einen Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Schengener Vertragsstaaten, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, von der Visumpflicht befreit.
Die Beschwerdeführerin reiste entsprechend dem im Reisepass ersichtlichen, zeitlich letzten Einreisestempel am XXXX legal in den Schengen-Raum ein und hielt sich bis zu ihrer freiwilligen Ausreise am XXXX im österreichischen Bundesgebiet auf. Die Beschwerdeführerin hat demnach die Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthalts jedenfalls nicht überschritten.
Die belangte Behörde vertritt im angefochtenen Bescheid die Auffassung, die Beschwerdeführerin sei einer gewerblichen Arbeit in Österreich nachgegangen, ohne eine Beschäftigungsbewilligung zu besitzen. Sie halte sich somit seit dem ersten Tag der Schwarzarbeit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf.
Das Bundesverwaltungsgericht ist jedoch der Ansicht, dass sich die Beschwerdeführerin nicht in einem bewilligungspflichtigen Arbeitsverhältnis befunden hat, sondern dass es sich bei ihren Tätigkeiten um unentgeltliche Gefälligkeitsdienste gehandelt hat, die keine unerlaubte Erwerbstätigkeit darstellen.
Als Gefälligkeitsdienste können kurzfristige, freiwillige und unentgeltliche Dienste anerkannt werden, die vom Leistenden auf Grund spezifischer Bindungen (etwa Verwandtschaft, Freundschaft, Nachbarschaft) zwischen ihm und dem Leistungsberechtigten erbracht werden, wobei der Übergang zwischen Gefälligkeitsdienst und kurzfristiger Beschäftigung im Sinne des AuslBG in der Rechtsprechung als "fließend" bezeichnet und ausgeführt wurde, dass eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen ist, um einen Gefälligkeitsdienst annehmen zu können (vgl. VwGH 02.07.2010, 2007/09/0267).
So hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 11. Juli 1990, Zl. 90/09/0062, ausgesprochen, dass der Umstand der stundenweisen Aushilfe (in der Landwirtschaft und im Gastbetrieb) eines Ausländers, der bei einem Arbeitgeber freies Quartier und freie Kost hat, alleine für sich nicht die Annahme einer Beschäftigung im Sinne des AuslBG rechtfertigt. Auch die Mithilfe eines Dauergastes im Haushalt oder die Dienste eines Flüchtlings für Quartier und Kost (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. November 2000, Zl. 98/09/0199) oder die Hilfe beim Ausladen eines Fahrzeuges als Erkenntlichkeit für eine Mitfahrgelegenheit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2000, Zl. 99/09/0037) kann einen Gefälligkeitsdienst darstellen. Bedenken sind dort angebracht, wo die Tätigkeit in einem Gewerbebetrieb erfolgen soll. Wesentlich ist die Freiwilligkeit der Erbringung der Arbeitsleistung insofern, als zu dieser keine rechtliche Verpflichtung bestehen darf (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. April 2001, Zl. 99/09/0148, mwN).
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin dem Koch des Gasthofes ihrer Verwandten und potentiell künftigen Arbeitgeberin beim Zubereiten von Speisen der österreichischen Küche zugesehen und lediglich fallweise kleinere Hilfsdienste verrichtet. Obschon diese Hilfsdienste (wie etwa Geschirr spülen oder Zwiebeln schneiden) Leistungen sind, die auch typischerweise in einem Arbeitsverhältnis erbracht werden, geht das Bundesverwaltungsgericht dennoch davon aus, dass es sich bei diesen Tätigkeiten um Gefälligkeitsdienste gehandelt hat.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass im gegenständlichen Fall zwischen der Beschwerdeführerin und der Besitzerin des Gasthofes ein Verwandtschafts- und Freundschaftsverhältnis besteht. Dass die Beschwerdeführerin über mehrere Tage, sohin vom Zeitpunkt ihrer Ankunft bei ihrer Verwandten am XXXX bis zum örtlichen Wechsel an den ca. 50 km entfernten Betriebsstandort am XXXX unentgeltlich bei dieser in ihrer Wohnung in XXXX genächtigt hat, stärkt das Bestehen einer innigen privaten Beziehung zu derselben.
Angesichts des Umstandes, dass der Koch des neu übernommenen Gasthofes sich beruflich verändern wollte, und es sich bei der Beschwerdeführerin um eine ausgebildete Köchin handelt, ist die Absicht diese als Fachkraft im Mangelberuf Koch/Köchin zu gewinnen, naheliegend. Entsprechende, auf die Erlangung einer Beschäftigungsbewilligung (Stichwort Rot-Weiss-Rot Karte/ Mangelberuf) ausgerichtete Aktivitäten durch Kontaktaufnahme mit dem AMS und der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde hinsichtlich benötigter Unterlagen sowie der Kontaktaufnahme mit dem Gemeindeamt Lorüns zwecks Vornahme einer behördlichen Meldung der Beschwerdeführerein am Ort der Betriebsstätte seitens der Betreiberin des Gasthofes, sprechen folglich gegen ein beabsichtigtes illegales Beschäftigungsverhältnis.
Aus der zeugenschaftlichen Aussage des Kochs ist ersichtlich, dass die BF im Zeitraum von der Eröffnung des Gasthofes am XXXX bis zum Tag der Kontrolle am XXXX sich lediglich drei bis vier Mal bei ihm in der Küche auhielt, was dem Vorliegen eines Beschäftigungsverältnisses widerspricht. Die Tätigkeiten der Beschwerdeführerin - die in erster Linie auf das Kennenlernen der österreichsichen Küche gerichtet waren und lediglich nebenbei Hilfstätigkeiten für den Koch beinhalteten - sind jedenfalls auch als kurzfristig zu bezeichnen.
Dabei übersieht das Bundesverwaltungsgericht nicht, dass laut dem Akteninhalt der Koch des Gasthofes bei seiner ersten Befragung durch die Polizei am XXXX angegeben hat, dass die Beschwerdeführerin seit dem XXXX als Küchenhilfe im Gasthof arbeite. Diesbezüglich ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der Koch diese Aussage später bei einer weiteren polizeilichen Befragung am XXXX relativiert und hinsichtlich der tatsächlichen Anwesenheiten und der konkreten Verrichtungen präzisiert hat.
Im Verfahren finden sich keine Hinweise darauf, dass die Beschwerdeführerin für ihre Tätigkeiten in irgendeiner Form entlohnt worden wäre, auch nicht durch freie Kost und Logis. Sie hat zunächst bei ihrer Verwandten zu Hause übernachtet und erst später im Gasthof.
Für die Übernachtung im Gasthof hat sie zwar ihren Angaben nach nichts bezahlt, es ist aber anzunehmen, dass es sich dabei um ein, dem freundschaftlichen Verhältnis geschuldetes, Entgegenkommen der Gastwirtin gegenüber ihrer Verwandten, der Beschwerdeführerin, gehandelt hat. Die Beschwerdeführerin hat weiters angegeben, im Gasthof immer das Mittagsmenü gegessen zu haben, dafür jedoch immer bezahlt zu haben. Die Tätigkeiten der Beschwerdeführerin sind zudem freiwillig erfolgt, sie war dazu nicht verpflichtet. Gegenteilige Hinweise haben sich aus dem Akt nicht ergeben.
Zusätzlich muss beachtet werden, dass die Beschwerdeführerin nicht mittellos ist und nicht unmittelbar auf eine entlohnte Tätigkeit in Österreich angewiesen war. Sie hat eine Arbeitsstelle in Serbien und dort ihren festen Wohnsitz und verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte. Die Beschwerdeführerin hat in der Einvernahme vor der belangten Behörde auch angegeben, über Bargeldmittel in Höhe von EUR 500 zu verfügen. Der Aufenthalt in Österreich fand während ihres Urlaubes von der Arbeitsstelle in Serbien statt.
Insgesamt ergibt sich für das Bundesverwaltungsgericht sohin jedenfalls nicht der Eindruck einer wirtschaftlichen und persönlichen Abhängigkeit zwischen der Beschwerdeführerin und ihrer Verwandten, der Gastwirtin, in einem Ausmaß, das die Annahme rechtfertigen würde, es läge ein bewilligungspflichtiges Arbeitsverhältnis vor.
Aus den angegebenen Gründen geht das Bundesverwaltungsgericht in einer Gesamtbetrachtung davon aus, dass es sich bei den Tätigkeiten der Beschwerdeführerin in der Küche des Gasthofes - soweit sie abgesehen vom Beobachten des Koches überhaupt Tätigkeiten ausgeführt hat - um unentgeltliche Gefälligkeitsdienste der Beschwerdeführerin gegenüber ihrer Verwandten gehandelt hat, die nicht als eine dem AuslBG unterliegende Beschäftigung zu qualifizieren sind (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0023).
Daraus leitet sich in der Folge ab, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet zum Zeitpunkt der Erlassung der Rückkehrentscheidung als rechtmäßig zu qualifizieren ist. Damit fehlt jedoch die rechtliche Grundlage für die Entscheidung der belangten Behörde:
Gemäß § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 ("Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz") von Amts wegen zu prüfen, wenn sich ein Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstücks des FPG ("Zurückweisung, Transitsicherung, Zurückschiebung und Durchbeförderung"; §§ 41 ff FPG) fällt. Aufgrund des rechtmäßigen Aufenthalts der Beschwerdeführerin war die Erteilung des Aufenthaltstitels nicht zu prüfen und demzufolge Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides zu beheben.
Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstücks des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, ist diese Entscheidung gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
Gemäß § 52 Abs. 1 FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (Z 1) oder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde (Z 2).
Die Beschwerdeführerin fällt nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG. Aufgrund des rechtmäßigen Aufenthalts der Beschwerdeführerin findet die Berufung auf § 52 Abs. 1 Z 1 FPG im Bescheid keine Rechtsgrundlage mehr. Die Erlassung der Rückkehrentscheidung erfolgte daher nicht zu Recht, weshalb auch Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides zu beheben war. Dies wirkt sich auch auf die damit - wie dem Wortlaut der Normen entnehmbar - untrennbar im Zusammenhang stehenden Aussprüche nach § 52 Abs. 9 FPG (Abschiebung), § 55 Abs. 4 FPG (Ausreisefrist) und § 18 Abs. 2 Zif 1 BFA-VG (Aberkennung der aufschiebenden Wirkung) aus, sodass auch die Spruchpunkte III., V. und VI. ebenfalls zu beheben waren.
Wird eine Rückkehrentscheidung gegenstandslos, so erfasst dies nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nämlich auch die damit im Zusammenhang stehenden Aussprüche. Das gilt auch für das an die Rückkehrentscheidung anknüpfende Einreiseverbot, zumal es nach der insoweit umgesetzten Richtlinie 2008/115/EG keine von der Rückkehrentscheidung losgelösten Einreiseverbote gibt (vgl. VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0151, mwN; diese Entscheidung betraf den Spezialfall der Gegenstandslosigkeit einer Rückkehrentscheidung aufgrund der nachträglichen Erlangung eines rechtmäßigen Aufenthalts, ist aber nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auch auf einen Fall wie den vorliegenden zu übertragen, in dem eine Rückkehrentscheidung zu Unrecht erging und aufzuheben ist). Dem folgend war auch Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides (Einreiseverbot) zu beheben.
Dafür, dass die Beschwerdeführerin durch ihr (sonstiges) Verhalten eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt, gab es im gegenständlichen Fall keine Anhaltspunkte.
Der Bescheid war daher vollinhaltlich aufzuheben.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte im vorliegenden Fall gemäß § 24 Abs. 2 Zif. 1 VwGVG entfallen.
3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zwar teilweise zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung Beschäftigung Einreiseverbot aufgehoben ersatzlose Behebung Gefälligkeitsdienst Gegenstandslosigkeit rechtmäßiger Aufenthalt Rückkehrentscheidung behobenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W280.2223948.1.00Im RIS seit
04.09.2020Zuletzt aktualisiert am
04.09.2020