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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des Ramadan Pllana, geboren am 8. Jänner 1965, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. August 1995, Zl. 4.337.884/7-III/13/95, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der "Jugosl. Föderation", der am 17. Mai 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 19. Mai 1992 den Asylantrag gestellt hat, hat bei seiner niederschriftlichen Vernehmung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 21. Mai 1992 zu seinen Fluchtgründen im wesentlichen folgendes ausgeführt:
Er sei ethnischer Albaner und stamme aus dem Kosovo. Er sei nicht Mitglied einer politischen Organisation oder verbotenen Gruppierung gewesen und habe nie an Demonstrationen teilgenommen. Wegen seines moslemischen Glaubens habe er nie Probleme gehabt. In seiner Heimat herrsche derzeit ein Bürgerkrieg und die Situation sei "nicht gerade rosig". Es werde jeder Mann über 18 Jahre von den serbischen Militärs eingezogen und für die Front ausgerüstet. Der Beschwerdeführer habe zwei Einberufungsbefehle erhalten, denen er aber nicht gefolgt sei. Wer den Befehl nicht annehme, werde persönlich von der Militärpolizei abgeholt. Aus diesem Grund habe sich der Beschwerdeführer zuerst in einem Wald versteckt und sei dann geflüchtet. Weitere Gründe für die Flucht habe er nicht. Falls sich die Situation in seiner Heimat bessere, kehre er gerne dorthin zurück.
Mit Bescheid vom 20. Juni 1992 hat die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei.
In der dagegen gerichteten Berufung führte der Beschwerdeführer aus, daß er seinen Militärdienst bereits absolviert habe und die Einberufung dazu gedient habe, ihn zum Kriegsdient einzuziehen. Er wolle jedoch nicht in einem ungerechten und sinnlosen Krieg sein Leben für ein System riskieren, das sein eigenes Volk unter Druck setze. Nachdem er geflohen sei, habe die Polizei unter Anwendung von Gewalt versucht, seinen Aufenthaltsort herauszufinden. Im Jänner 1991 habe er grundlos seine Arbeit als Kraftfahrer verloren. Inoffiziell sei aber bekannt geworden, daß er den Arbeitsplatz nur wegen seiner albanischen Nationalität verloren habe. In den Kosovo könne er nicht zurückkehren, weil ihn dort aufgrund der Nichtbefolgung des Einberufungsbefehles eine Gefängnisstrafe von bis zu einigen Jahren drohe.
Der Bescheid der belangten Behörde vom 15. November 1993, mit welchem die Berufung abgewiesen worden war, wurde vom Verwaltungsgerichgshof mit Erkenntnis vom 5. Oktober 1994, Zl. 94/01/0024, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil die belangte Behörde zu Unrecht bereits das Asylgesetz 1991 angewendet hat und zu dem Ergebnis gekommen ist, daß der in diesem Gesetz normierte Asylausschließungsgrund der "Verfolgungssicherheit" gegeben sei.
Mit Bescheid vom 9. August 1995 hat der Bundesminister für Inneres die Berufung neuerlich abgewiesen und ausgesprochen, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes (1968) sei.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der belangten Behörde ist zunächst insoweit beizupflichten, als die Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes - sei es durch Nichtbefolgung eines Einberufungsbefehles, sei es durch Desertion - nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich allein nicht die Anerkennung eines Asylwerbers als Flüchtling rechtfertigt. Der Verwaltungsgerichtshof geht allerdings von einer asylrechtlich relevanten Furcht vor Verfolgung in solchen Fällen aus, in denen die Einberufung aus einem der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründe erfolgt oder damit gerechnet werden müßte, daß der Asylwerber hinsichtlich seiner Behandlung oder seines Einsatzes während des Militärdienstes aus diesen Gründen im Vergleich zu Angehörigen anderer Gruppierungen in erheblicher, die Intensität einer Verfolgung erreichender Weise benachteiligt würde, oder eine wegen Wehrdienstverweigerung drohende Strafe aus diesen Gründen schwerer ausfiele als gegenüber anderern Staatsangehörigen (vgl. insbesondere das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377, Slg. Nr. 14.089/A). Der Beschwerdeführer hat jedoch im Verwaltungsverfahren keinen Zusammenhang zwischen seiner Einberufung und seiner Zugehörigkeit zur albanischen Volksgruppe hergestellt. Auch in der Beschwerde stellt er lediglich den Inhalt des Erkenntnisses des verstärkten Senates dar, ohne aber auszuführen, in welcher Weise die dort enthaltenen grundsätzlichen Überlegungen auf seinen Fall anwendbar seien.
Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf die Verfügung der Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Februar 1994 zur Zl. 93/01/0377 hinweist - in dieser Verfügung waren Überlegungen zur Asylrelevanz von Einberufungen zum Militärdienst, in dessen Rahmen von der Staatengemeinschaft mißbilligte Akte gesetzt werden sollten, enthalten - und geltend macht, es handle sich bei dieser Verfügung um "die jüngste Entwicklung in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes", ist ihm entgegenzuhalten, daß es sich hiebei nur um eine Berichterverfügung handelte, mit der den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die maßgebenden Gründe für die Annahme eines Verstärkungsgrundes gemäß § 13 Abs. 1 Z. 1 VwGG bekanntgegeben wurden. Die darin vertretene Rechtsansicht hat aber im bereits angeführten Erkenntnis vom 29. Juni 1994 keinen Niederschlag gefunden.
Wenn der Beschwerdeführer weiters geltend macht, "laut UNHCR-Handbuch" sei ein Deserteur bzw. Wehrdienstverweigerer als Flüchtling im Sinne der Flüchtlingskonvention anzusehen, ist ihm entgegenzuhalten, daß er einerseits keine näheren Umstände dargetan hat, aus denen auf ihn die dort genannten Voraussetzungen zutreffen sollten, und daß andererseits dem "Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft", herausgegeben vom Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, 1979, keine normative Kraft zukommt, weshalb dessen Inhalt rechtlich nicht verbindlich ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. April 1997, Zl. 95/01/0477).
Mit seinem Vorbringen, die belangte Behörde habe die Feststellungen zu den Modalitäten der Zustellung von Einberufungsbefehlen in der Heimat des Beschwerdeführers ohne Einräumung des Parteiengehörs getroffen, macht der Beschwerdeführer schon deshalb keinen relevanten Verfahrensmangel geltend, weil den von der Behörde in diesem Zusammenhang getroffenen Feststellungen über die für die Erstellung eines Einberufungsbefehles verwendeten Drucksorten und die Art der Zustellung nach den obigen Ausführungen keine entscheidungswesentliche Bedeutung zukommt.
Die von der belangten Behörde vertretene - in der Beschwerde nicht bekämpfte - Auffassung, daß der behauptete Verlust des Arbeitsplatzes nicht asylrelevant sei, weil der Beschwerdeführer nicht dargetan habe, daß ihm dadurch die Lebensgrundlage entzogen worden sei, entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 25. Juni 1997, Zl. 96/01/0064).
Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der beantragten Durchführung einer mündlichen
Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG idF
BGBl. Nr. 88/1997 abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995010432.X00Im RIS seit
20.11.2000