TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/12 W171 2208871-1

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Veröffentlicht am 12.05.2020
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Entscheidungsdatum

12.05.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35 Abs3

Spruch

W171 2208871-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geboren am XXXX alias XXXX , Staatsangehörigkeit ungeklärt, vertreten durch den MIGRANTINNENVEREIN ST. MARX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.09.2018, Zahl: XXXX zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 19.09.2018 wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs 2 Z 2 FPG abgewiesen.

II. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG i.V.m. § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von ? 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (in Folge: BF), Staatsangehörigkeit ungeklärt, reiste zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt legal mittels eines - von der niederländischen Botschaft in XXXX ausgestellten - Touristenvisums für den Schengenraum in das österreichische Bundesgebiet ein.

1.2. Am 20.04.2017 heiratete der BF vor einem Standesamt in Österreich eine ungarische Staatsangehörige. Aufgrund dieser Eheschließung stellte er am 19.01.2018 einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte EU-Bürger.

1.3. In der Folge führte eine LPD eine Untersuchung gemäß § 37 Abs. 4 NAG durch, da der Verdacht einer Aufenthaltsehe bestand. Im Zuge einer am 02.03.2018 durchgeführten Einvernahme der Ehefrau des BF gab diese an, dass es sich um eine Aufenthaltsehe handle und sie den Beschwerdeführer nur geheiratet habe, damit dieser einen Aufenthaltstitel bekommen könne. Tatsächlich würde sie auch nicht mit dem BF im gemeinsamen Haushalt wohnen.

1.4. Mit Abschlussbericht der LPD vom 02.03.2018 wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) mitgeteilt, dass eine Aufenthaltsehe vorliege. Daraufhin erließ das BFA am 14.05.2018 gemäß § 67 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz FPG 2005 BGBl. Nr. 100/2005 idgF ua ein für die Dauer von drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot gegen den BF (Spruchpunkt I.).

1.5. Aufgrund der dagegen erhobenen Beschwerde beraumte das BVwG eine öffentliche und mündliche Beschwerdeverhandlung für den 02.07.2018, 0900 Uhr an. Der Beschwerdeführervertreter (BFV) beantragte per E-Mail vom 18.06.2018 die Ausfolgung des beim BFA einbehaltenen Reisepasses des BF, damit dieser zur Beschwerdeverhandlung anreisen könne. Das BFA teilte dem BFV mit, dass der Reisepass am 29.06.2018 abgeholt werden könne und am 03.07.2018 retourniert werden müsse. Am 29.06.2018 teilte der BFV dem BVwG mit E-Mail mit, dass der BF nicht zur Beschwerdeverhandlung erscheinen könne, da dessen Ehefrau aus familiären Gründen nach Ungarn gereist sei und der BF nicht ohne sie anreisen könne. Am 02.07.2018 wiederum teilte der BF der Referentin des zuständigen Richters mit, dass er aufgrund von Krankheit an der Verhandlungsteilnahme gehindert sei, eine Bestätigung legte er nicht vor. Der BF holte den Reisepass am 02.07.2018 um 08:25 bei der Behörde ab, retournierte ihn jedoch nicht mehr und erschien auch nicht zur Verhandlung.

1.6. Am 02.07.2018 fand vor dem BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung in Abwesenheit des BF, des BFV sowie der als Zeugin geladenen Ehefrau des BF statt. In dieser wurde unter Zugrundelegung des Verwaltungs- und Gerichtsaktes das Erkenntnis mündlich verkündet und die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Gegen die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses, welche am 24.07.2018 erging, erhob der BF außerordentliche Revision.

1.7. Am 31.08.2018 erließ das BFA gemäß § 34 Abs. 5 und 47 Abs. 1 BFA-VG BFA-VG einen Festnahmeauftrag betreffend den BF. Daraufhin wurde der BF am 19.09.2018 durch Organe der LPD festgenommen. Am selben Tag wurde er vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Hier gab er im Wesentlichen an, er wohne mit seiner Frau an seiner Meldeadresse und sei bei den polizeilichen Nachsichten nicht anzutreffen gewesen, da er untertags als Pizzakoch arbeite. Den ausgefolgten Reisepass habe er verloren. Er sei verheiratet, wobei keine Scheinehe vorliege, und kinderlos. Sowohl Unfall- wie auch Krankenversicherung im Inland lägen vor.

1.8. Ebenfalls am 19.09.2018 verhängte das BFA gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung über den BF. Die Behörde führte im Wesentlichen aus, der BF lebe seit Ablauf seines Touristenvisums am 23.02.2017 illegal im Bundesgebiet. Da er eine Scheinehe zum Zwecke der Täuschung der Behörden eingegangen sei, sei ein Aufenthaltsverbot gegen ihn erlassen worden, wobei der BF auch hiernach Österreich nicht verlassen habe. Der BF habe sich der Staatsgewalt widersetzt, lebe unbekannten Orts und verhalte sich insgesamt verfahrenshemmend und unkooperativ, sodass die Verhängung der Schubhaft angezeigt sei.

1.9. Am 20.09.2018 stellte der BF aus dem Stande der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Aktenvermerk vom 08.10.2018, persönlich übernommen am selben Tag, brachte das BFA dem BF zur Kenntnis, dass die Schubhaft wie auch das Verfahren zur Abschiebung weiter aufrechterhalten würden, da der Antrag als rein verfahrensverzögernde Maßnahme gewertet werde und Sicherungsbedarf gegeben sei. Am selben Tag wurde der Antrag des BF mit Bescheid des BFA abgewiesen.

1.10. Am 11.10.2018 wurde der BF zum Zweck der eindeutigen Identitätsfeststellung und Erlangung eines Heimreisezertifikates der ägyptischen Botschaft vorgeführt. Dort wurde sein ägyptischer Reisepass als Fälschung erkannt und zudem festgestellt, dass der BF kein ägyptischer, sondern ein palästinensischer Staatsbürger sei.

1.11. Mit Aktenvermerk vom 17.10.2018 teilte das BFA dem BF wiederum mit, dass nunmehr seine Vorführung vor die palästinensische Botschaft geplant sei und er aufgrund begründeter Fluchtgefahr weiter in Schubhaft angehalten werde.

1.12. Am 22.10.2018 fand abermals eine niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem BFA statt. Hier gab der BF im Wesentlichen an, er habe bisher falsche Personendaten verwendet, sei tatsächlich palästinensischer Staatsbürger, sei aber nicht im Besitz von Dokumenten.

1.13. Am 23.10.2018 wurde der BF der palästinensischen Botschaft vorgeführt. Auch hier schlug die Feststellung der Identität des BF jedoch fehl, da er angab doch kein Palästinenser, sondern jordanischer Staatsbürger zu sein, jedoch nicht nach Jordanien zurück zu wollen.

1.14. Am 25.10.2018 wurde der BF wiederum niederschriftlich vor dem BFA einvernommen. Nach Vorhalt seiner Angaben vor der palästinensischen Botschaft sagte der BF aus, dass er dem Konsul gegenüber lediglich geäußert habe in Jordanien und Saudi Arabien gearbeitet zu haben und dieser fälschlicherweise in seinem Bericht angegeben habe, dass er Jordanier sei, da er ihm habe helfen wollen. Zudem weigerte sich der BF bei dieser Gelegenheit die Formulare für sein Heimreisezertifikat für Jordanien auszufüllen.

1.15. Am 30.10.2018 erhob der BF Beschwerde gegen den abweislichen Bescheid des BFA vom 08.10.2018.

1.16. Bei einer abermaligen, niederschriftlich festgehaltenen, Einvernahme des BF am 02.11.2018 gab dieser an, der Einvernahme folgen zu können obwohl er sich gesundheitlich nicht wohl fühle. Körperlich gehe es ihm aber gut. Bei seiner ersten Einvernahme habe er falsche Daten angegeben, ansonsten aber die Wahrheit gesagt. Er sei in Palästina geboren, Araber, ledig, habe keine Sorgepflichten und sei nicht im Besitz eines Identitätsnachweises. Im Anschluss an die Einvernahme wurde der BF aus der Schubhaft entlassen, da der Schubhaftgrund weggefallen sei.

1.17. Am 05.11.2018 erhob der BF durch seinen ausgewiesenen Vertreter Beschwerde gegen den gegenständlichen Schubhaftbescheid vom 19.09.2018 und beantragte die Rechtswidrigerklärung der verhängten Schubhaft, die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung sowie Kostenersatz. Im Wesentlichen wurde vorgebracht, der Mandatsbescheid sei zu Unrecht ergangen, da der BF als Ehemann einer ungarischen Staatsbürgerin sein Recht auf Freizügigkeit in Anspruch nehmen könne und zudem das Asylverfahren des BF noch anhängig gewesen sei, sodass diesem faktischer Abschiebeschutz zugekommen sei. Überdies sei dem Bescheid des BFA von 08.10.2018 keine Rückkehrentscheidung zu entnehmen. Fluchtgefahr sei nicht gegeben und die Verhängung eines gelinderen Mittels hätte als Sicherungsmaßnahme jedenfalls genügt.

1.18. Das BFA erstattete mit Schreiben vom 05.11.2018 eine Stellungnahme und führte im Wesentlichen aus, dass der BF die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme eines unionsrechtlichen Freizügigkeitsrecht nicht erfüllt habe, da eine Scheinehe festgestellt worden sei.

Über ihn sei ein, seit 02.07.2018 rechtskräftiges, Aufenthaltsverbot iSd § 67 Abs. 1 und 2 FPG verhängt worden. Der BF sei seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen, habe sich dem Verfahren entzogen und die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet, sodass die Verhängung einer Schubhaft geboten gewesen sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zum Verfahrensgang:

Der unter Punkt I. wiedergegebene Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

Zur Person:

1.1. Der BF reiste mit einem niederländischen Touristenvisum am 19.01.2017 in die EU ein und befand sich spätestens seit 20.02.2017 im österreichischen Bundesgebiet. Er ist ungeklärter Nationalität und besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft. Er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.

1.2. Der BF ging eine Scheinehe zu einer ungarischen Staatsbürgerin ein, um ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zu erlangen.

1.3. Er ging einer illegalen Erwerbstätigkeit als Pizzakoch nach.

1.4. Im gesamten Verfahren finden sich keine Hinweise auf wesentliche gesundheitliche Beschwerden des Beschwerdeführers.

1.5. Der BF verfügte nicht über ein gültiges Reisedokument.

Zu den formalen Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1. Der BF war haftfähig.

2.2. Ein Aktenvermerk gemäß § 76 Abs. 6 FPG liegt vor.

2.3. Über den BF wurde ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot verhängt.

Zum Sicherungsbedarf (erhebliche Fluchtgefahr):

3.1. Es lag eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

3.2. Zum Zeitpunkt seiner Asylantragstellung bestand gegen den BF bereits eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme und er befand sich in Schubhaft.

3.3. Er war im bisherigen Verfahren unkooperativ, machte vermehrt falsche Angaben und ist daher als nicht vertrauenswürdig anzusehen.

3.4. Der BF konnte an seiner Meldeadresse von Organen der Polizei zu verschiedenen Tageszeiten nicht angetroffen werden.

3.5. Er versuchte sich der Polizei durch Flucht und körperliche Gegenwehr zu entziehen.

3.6. Der BF verfügte über keine nennenswerten finanziellen Mittel.

Zur familiären/sozialen Komponente:

4.1. Die Ehe des BF ist eine Scheinehe. Mit seiner Ehefrau lag kein Familienleben vor.

4.2. Der BF ging einer illegalen Erwerbstätigkeit nach.

4.3. Der BF hatte sonst keine nennenswerten sozialen Kontakte im Inland.

4.4. Der BF verfügte über eine Meldeadresse, an der er jedoch nicht aufhältig war.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person (1.1-1-5.):

Der Verfahrensgang und die hiezu getroffenen Feststellungen sowie die Feststellungen zur Person des BF (1.1 bis 1.5), ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts. Die Feststellung zu 1.1. hinsichtlich der ungeklärten Staatsangehörigkeit des BF ergibt sich daraus, dass zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung nach den Angaben im Akt die tatsächliche Staatsangehörigkeit des BF nicht geklärt werden konnte und der BF schließlich auch aus diesem Grunde am 02.11.2018 aus der Schubhaft entlassen werden musste. Die Scheinehe wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 02.07.2018 rechtskräftig festgestellt. Ein unionsrechtlicher Aufenthaltstitel kam dem BF daher nicht zu (1.2.). Die Feststellung zu 1.3. lässt sich aus dem Polizeibericht der LPD vom 19.09.2018 (AS 102) entnehmen. Die Feststellung zur Gesundheit des BF (1.4.) ergibt sich aus einer Zusammenschau seiner eigenen Angaben in den im Akt einliegenden Einvernahmen sowie der Anhaltedatei, in welcher wesentliche gesundheitliche Beeinträchtigungen in aller Regel aufscheinen. Das Fehlen eines Reisedokumentes (1.5.) ergibt sich insbesondere aus dem Bericht der ägyptischen Botschaft, wonach der Reisepass des BF als Fälschung erkannt wurde. Andere Dokumente wurden durch den BF im Verfahren nicht vorgelegt.

2.2. Zu den formalen Voraussetzungen der Schubhaft (2.1.-2.3.):

Eine Haftunfähigkeit hat sich aus dem Akt nicht ergeben und wurde auch im Rahmen der Beschwerde nicht thematisiert (2.1.).

Der in 2.2. erwähnte Aktenvermerk liegt im Akt ein (AS 126).

Das durchsetzbare Aufenthaltsverbot (2.3.) ist aktenkundig und wurde mit 02.07.2018 rechtskräftig.

2.3. Zum Sicherungsbedarf (3.1.-3.6.):

Das Vorliegen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme (hier: durchsetzbares Aufenthaltsverbot) ergibt sich insbesondere aus der im Akt befindlichen schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses des BVwG vom 02.07.2018 sowie aus dem Auszug des Zentralen Fremdenregisters (3.1.). Die Feststellung in 3.2. lässt sich in Zusammenschau der Informationen aus dem Fremdenregister sowie der Anhaltedatei eruieren. Das bisherige Verhalten des BF geht aus dem gesamten Akteninhalt hervor, wie etwa aus den Einvernahmen vor dem BFA und den Berichten der jeweiligen Botschaften (etwa AS 150 u. 160). Zu 3.4. ist auf den Bericht der LPD zu den Vororterhebungen an der Meldeadresse und den Erhebungen in Gesprächen mit den Nachbarn des BF zu verweisen (Bericht AS 43). Hinsichtlich Punkt 3.5. wird auf den Bericht der LPD hinsichtlich dessen Verhaftung (AS 102) verwiesen. Die Feststellung in 3.6 lässt sich insb. aus der Anhaltedatei entnehmen.

2.4. Familiäre/soziale Komponente (4.1.-4.4.):

Zu der begründeten Feststellung in 4.1. wird auf die Ausführungen zu 1.2. verwiesen. Dass der BF als Pizzakoch arbeitete, obwohl ihm dies aufgrund des Aufenthaltsverbotes nicht erlaubt war, gab der BF selbst vor dem BFA an (4.2.). Das Vorliegen eines sozialen Netzwerks des BF (4.3.) ist im gesamten Beweisverfahren nicht hervorgekommen, insbesondere machte er hierzu in den zahlreichen Einvernahmen keinerlei Angaben. Gegenteiliges wurde, abgesehen von der vorgeblichen Ehe des BF, auch nicht vorgebracht. 4.4. ergibt sich aus den Angaben der "Ehefrau" des BF vor der LPD, wo sie aussagte, nicht mit ihm gemeinsam an der Meldeadresse zu leben, aus der Tatsache, dass der BF dort mehrfach und zu verschiedenen Zeiten nicht anzutreffen war, sowie aus den bereits erwähnten Angaben der Nachbarn (Bericht AS 43).

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

3.1.1. Gesetzliche Grundlage:

Zur Schubhaft:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

Zur Möglichkeit der Verhängung gelinderer Mittel

Der mit "Gelinderes Mittel" betitelte § 77 FPG idgF lautet:

"§ 77. (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,

1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder

3. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen."

3.1.2. Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, "dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig" (VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527). Bereits im Erkenntnis des VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595, wurde dazu klargestellt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zu kommt, "weshalb ohne besondere Anhaltspunkte für eine absehbare Änderung der Einstellung des Fremden die Haft nicht allein im Hinblick darauf aufrechterhalten werden darf, diese 'Einstellungsänderung' durch Haftdauer zu erwirken. (Hier: Der Fremde hatte, nachdem er nach zwei Monaten nicht aus der Schubhaft entlassen worden war, seine vorgetäuschte Mitwirkungsbereitschaft aufgegeben und zu erkennen gegeben, dass er nicht in den Kamerun zurückkehren wolle und auch nicht an einer Identitätsfeststellung mitwirken werde. Die mangelnde Kooperation des Fremden gipfelte schließlich in der Verweigerung jeglicher Angaben. Die belangte Behörde hat in Folge bis zu einem neuerlichen Einvernahmeversuch zugewartet ohne zwischenzeitig auf Basis der vorhandenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von Kamerun heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen. In diesem Verhalten der belangten Behörde ist eine unangemessene Verzögerung zu erblicken)." (VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595; vgl. dazu etwa auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008). #

Eine erhebliche Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes, selbst wenn daraus keine Haftunfähigkeit resultiert, kann im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zum Ergebnis führen, dass unter Berücksichtigung des gesundheitlichen Zustandes des Fremden und der bisherigen Dauer der Schubhaft die Anwendung gelinderer Mittel ausreichend gewesen wäre (im Zusammenhang mit behaupteter Haftunfähigkeit wegen psychischer Beschwerden vgl. VwGH 05.07.2012, Zl. 2012/21/0034; VwGH 19.04.2012, Zl. 2011/21/0123; VwGH 29.02.2012, Zl. 2011/21/0066). Der Krankheit eines gemeinsam geflüchteten Familienmitglieds kann insofern Bedeutung zukommen, als eine sich aus der Erkrankung ergebende Betreuungsbedürftigkeit auch die Mobilität der übrigen Familienmitglieder einschränken und damit die Gefahr eines Untertauchens in die Illegalität vermindern könnte (vgl. VwGH vom 28.02.2008; Zl. 2007/21/0391).

3.1.3.

Zum Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides lag aufgrund des zweitinstanzlich bestätigten Aufenthaltsverbotes und der Tatsache, dass in der außerordentlichen Revision kein Antrag auf aufschiebende Wirkung gestellt bzw. der Revision die aufschiebende Wirkung nicht erteilt wurde, eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. Wenn also in der Beschwerdeschrift moniert wird, es gäbe keine Rückkehrentscheidung, so trifft dies im Sinne des terminus technicus "Rückkehrentscheidung" zwar zu, die Rechtsgrundlage für die Abschiebung ist im gegenständlichen Fall jedoch durch das durchsetzbare Aufenthaltsverbot gegeben.

Auch von einem unionsrechtlichen Freizügigkeitsrecht konnte der BF nicht Gebrauch machen, da er die Ehe zu einer ungarischen Staatsangehörigen - wie festgestellt - nur zum Schein einging. Das Visum des BF war zum entsprechenden Zeitpunkt bereits abgelaufen und er hielt sich trotz des aufrechten Aufenthaltsverbots illegal im Bundesgebiet auf. Zwar stellte der BF aus dem Stande der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, dies hinderte die Behörde jedoch nicht iSd oben zitierten Vermerkes nach § 76 Abs. 6 FPG die Schubhaft fortzusetzen. Die Behörde konnte aufgrund des Vorverhaltens des BF, insb. der Täuschung über die Gründe für die Eheschließung, sein Untertauchen und der wiederholten falschen Angaben bezüglich seiner Identität, begründet annehmen, dass es sich bei der Antragstellung um eine reine Verzögerungsmaßnahme hinsichtlich der Vollstreckung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme handelte. Ein gesetzlich geforderter entsprechender Aktenvermerk wurde angefertigt und dem BF nachweislich zur Kenntnis gebracht. Das BFA war also in formaler Hinsicht berechtigt die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs 2 Z 2 FPG über den BF zu verhängen und diesen auch nach dem Antrag auf internationalen Schutz weiter anzuhalten.

Die Behörde sieht als Gründe für das Vorliegen eines Sicherungsbedarfs die Ziffern 1, 3 und 9 des § 76 Abs. 3 FPG als erfüllt an. Nach Ansicht des Gerichts sind sämtliche dieser Kriterien gegeben: Zunächst versuchte der BF, sich einen unionsrechtlichen Aufenthaltstitel zu erschleichen. Als dies nicht gelang, war er unkooperativ und versuchte sich dem Verfahren dadurch zu entziehen, dass er sich an seiner Meldeadresse tatsächlich nicht aufhielt und so für die Behörde nicht greifbar war. Seiner Verhaftung versuchte der BF durch Flucht, körperliche Gewalt und das Vortäuschen einer Ohnmacht zu verhindern. Er machte falsche Angaben vor verschiedenen Botschaften und den österreichischen Behörden um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates zu verhindern. Somit versuchte er - erfolgreich - die Beendigung seines Aufenthaltes in Österreich zu verhindern (Z 1). Eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, wie oben bereits eingehend erläutert, ebenso (Z 3). Zudem hat das Beweisverfahren ergeben, dass der BF im Inland keine nennenswerten sozialen Kontakte hat. Von einem Familienleben zu seiner zum Schein geehelichten Gattin konnte ebenfalls nicht ausgegangen werden. Somit war nicht anzunehmen, dass den BF aus einem sozialen Blickwinkel etwas an einem erneuten Untertauchen hätte hindern können (Z 9). Nebenbei sei erwähnt, dass aufgrund des Antrags auf internationalen Schutz während aufrechter Schubhaft sodann auch Z 5 leg. cit. einschlägig wurde. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, warum der BF sein bisheriges Verhalten hinkünftig hätte ändern sollen. Es war offenkundig sein Ziel mit allen ihm möglichen Mitteln im Inland zu verbleiben, was ihm schließlich auch gelang, da es durch seine extreme Unkooperativität dem BFA bis zu seiner Entlassung nicht gelang ein Heimreisezertifikat für den BF zu erlangen. Insgesamt war daher das Vorliegen von Fluchtgefahr im vorliegenden Fall zu bejahen.

3.1.4. Darüber hinaus war die Verhältnismäßigkeit der Inschubhaftnahme nach Ansicht des erkennenden Gerichtes ebenso gegeben. Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären und sozialen Verhältnisse so zeigt sich, dass hier bisher keine konkret schützenswerten Anknüpfungspunkte entstanden sind. Kontakte des BF im Inland, die bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit wesentlich ins Gewicht fallen könnten sind im Verfahren nicht hervorgekommen. In den zahlreichen Einvernahmen des BF äußerte dieser niemals, Freunde oder ein soziales Netz im Inland zu haben. Der BF zeigte zudem eindrucksvoll, dass er es mit den rechtlichen Regelungen in Österreich nicht genau nahm, indem er eine Scheinehe einging, Widerstand gegen die Staatsgewalt leistete, einen gefälschten Pass vorlegte, einer illegalen Erwerbstätigkeit nachging und im Untergrund lebte. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, warum der BF sein bisheriges Verhalten in Hinkunft hätte ändern sollen. Hinzu kommt, dass die Behörde ihn bereits am 02.11.2018 eigenständig aus der Schubhaft entließ, nachdem evident wurde, dass eine Abschiebung aufgrund der - bisherigen Angaben des BF verursachten - Unmöglichkeit ein Heimreisezertifikat zu erlangen in naher Zukunft nicht effektuierbar sein würde.

Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung geht das erkennende Gericht daher davon aus, dass, wie oben bereits angeführt, den persönlichen Interessen des BF aufgrund seiner persönlichen Situation und des bisherigen Verhaltens kein vergleichbar hoher Stellenwert wie dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen, öffentlicher Ordnung sowie dem wirtschaftlichen Wohl des Staates zukam.

Die Haftfähigkeit des BF stellte im Verfahren kein Problem dar. Es sind keine Beschwerden aktenkundig, auf welche im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung Bedacht zu nehmen gewesen wäre.

Die gegenständliche Entscheidung des BFA ist daher nach Ansicht des Gerichtes auch im Hinblick auf die Überprüfung der Verhältnismäßigkeit nicht zu bemängeln.

3.1.5. Die Verhängung eines gelinderen Mittels wurde zu Recht ausgeschlossen. Der BF verfügt nicht über wesentliche Vermögensmittel, weshalb eine Sicherheitsleistung nicht in Frage kam. Im Rahmen des Schubhaftverfahrens sind keine Tatsachen ans Tageslicht gekommen, die glaubhaft eine Erfüllung des Sicherungszwecks durch die Verhängung eines gelinderen Mittels ergeben hätten. Die Verhängung eines gelinderen Mittels im Sinne einer konkreten Zuweisung einer Unterkunft und/oder einer Meldeverpflichtung hätte daher nach Ansicht des Gerichtes nicht zu einer Sicherung der Abschiebung geführt, sondern diesfalls wäre evident die Gefahr verbunden gewesen, dass der Beschwerdeführer in alte, bestehende Verhaltensmuster zurückfallen und durch neuerliches Untertauchen den Sicherungszweck vereiteln hätte können. Darüber hinaus hat das Beweisverfahren ergeben, dass der BF aufgrund seines Vorverhaltens in der Vergangenheit nicht als vertrauenswürdig anzusehen war.

3.1.6. Die gegenständlich verhängte Schubhaft erweist sich daher auch als "ultima ratio". Auf Grund des vorher Ausgeführten ergibt sich, dass sowohl Sicherungsbedarf, als auch Verhältnismäßigkeit gegeben ist und die Anwendung eines gelinderen Mittels nicht als erfolgversprechend zu beurteilen war.

3.2. Im vorliegenden Fall konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hinreichend geklärt werden konnte. Der Sachverhalt konnte aus den Akten abschließend ermittelt und beurteilt werden und wurde in der - sehr knapp gehaltenen - Beschwerdeschrift in keiner Weise ausgeführt, weshalb die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung im konkreten Fall für zwingend notwendig erachtet werde. Insbesondere wurde der BF vor der belangten Behörde mehrfach und zeitnah zu den jeweiligen Verfahrensschritten einvernommen, sodass eine weitere Einvernahme durch das BVwG für die Wahrheitsfindung nicht notwendig gewesen wäre.

Zu Spruchpunkt II. und III. - Kostenbegehren:

Beide Parteien begehrten den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da die Verwaltungsbehörde vollständig obsiegte, steht ihr nach den angeführten Bestimmungen der Ersatz ihrer Aufwendungen zu. Die Höhe der zugesprochenen Verfahrenskosten stützt sich auf die im Spruch des Erkenntnisses genannten gesetzlichen Bestimmungen.

Zu Spruchpunkt B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Es sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen und es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot Fluchtgefahr Identität Kooperation öffentliche Interessen Scheinehe Schubhaft Sicherungsbedarf Untertauchen Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W171.2208871.1.00

Im RIS seit

04.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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